Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2019, Az. 1 AZR 307/17

1. Senat | REWIS RS 2019, 9480

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Gegenstand

Anspruch auf anteilmäßige Altersfreistellung bei Teilzeittätigkeit


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2017 - 12 [X.] - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Gewährung von [X.].

2

Der im Dezember 1958 geborene Kläger ist seit August 1973 bei der [X.] bzw. deren [X.] beschäftigt. Seit Dezember 2004 ist er als leitender Mitarbeiter der „Vertragsstufe 1“ tätig. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin sind an die Tarifverträge der chemischen Industrie gebunden. Nach Nr. 13 Satz 2 des [X.] vom 1./20. Dezember 2004 finden auf sein Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie ([X.]) Anwendung. § 5 [X.] in seiner Fassung vom 2. Mai 2000 lautet auszugsweise:

        

§ 5 Arbeitszeit

        

…       

        
        

4. Angestellte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, können unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse bezahlte Altersfreizeiten in Anspruch nehmen. Bei der Gewährung sind vom Arbeitgeber die allgemeinen Regelungen im Betrieb sinngemäß unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung des Angestellten anzuwenden.

        

5. … Die Regelung über Altersfreizeiten nach Ziffer 4 findet bei der Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keine Anwendung. …“

3

Der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 26. Juni 1992 idF vom 1. Dezember 1997 ([X.] Chemie) enthält in seinem § 2a ebenfalls eine Regelung zu Altersfreizeiten. Danach erhalten Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche. Die Altersfreizeit vermindert sich entsprechend, wenn für den Arbeitnehmer ua. aufgrund von Einzelvereinbarung eine um bis zu zweieinhalb Stunden kürzere wöchentliche Arbeitszeit als die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gilt (§ 2a Nr. 1 Satz 2 [X.] Chemie). Liegt die Arbeitszeit um mindestens zweieinhalb Stunden unter der tariflichen Arbeitszeit, entfällt die Altersfreizeit (§ 2a Nr. 1 Satz 3 [X.] Chemie).

4

Die [X.] schloss mit dem auf der Grundlage eines [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG errichteten „[X.]“ ua. mit Wirkung für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin am 12. Dezember 2012 die „Gesamtbetriebsvereinbarung Funktions- und aufgabenorientierte Arbeitszeit der Leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vertragsstufe 1“ ([X.]). Diese bestimmt ua.:

        

6. Entlastung im Alter / Altersfreizeit

        

...     

        

Für die Inanspruchnahmen von Altersfreizeiten findet die jeweils geltende Fassung des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie Anwendung. Gemäß der derzeit geltenden Fassung des § 5 Abs. 4 haben Leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf bezahlte Altersfreizeiten. Sie können diese unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse in Anspruch nehmen. Dies gilt, sofern keine individuelle Teilzeitvereinbarung getroffen wurde.

        

...     

        

Die Abwicklung der Altersfreizeittage erfolgt zeitnah in Absprache zwischen der/dem Mitarbeiterin/Mitarbeiter und der/dem Vorgesetzten unter Berücksichtigung der persönlichen Belange der/des Mitarbeiterin/Mitarbeiters und der betrieblichen Erfordernisse. Die Kumulation von [X.] ist zu vermeiden. Andere Formen der Abwicklung als in ganzen freien Tagen sind in gemeinsamer Abstimmung möglich.“

5

Die Beklagte gewährt - wie bereits ihre Rechtsvorgängerin - den in Vollzeit tätigen leitenden Angestellten Altersfreizeiten [X.]. einem Tag pro Kalendermonat.

6

Der Kläger arbeitet seit dem 1. September 2008 mit einem Umfang von [X.] eines Vollzeitbeschäftigten. Im November und Dezember 2015 sprach er in mehreren E-Mails gegenüber der Rechtsvorgängerin der [X.] erfolglos die Möglichkeit an, als [X.] Altersfreizeiten zu erhalten.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe trotz seiner Teilzeittätigkeit ein Anspruch auf Gewährung von Altersfreizeiten zu. Die Regelung in Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] sei unwirksam. Sie verstoße gegen die [X.] des § 77 Abs. 3 BetrVG und verletze das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersfreizeit in Höhe von 9,6 Arbeitstagen für das [X.] zu gewähren;

        

2.    

festzustellen, dass ihm ein Anspruch auf Altersfreizeit in Relation seiner Teilzeittätigkeit von 80 vH pro Woche im Vergleich zu Vollzeitkräften, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, zusteht, mithin zur [X.] von 12 Tagen Altersfreizeit bei Vollzeit, somit aufgerundet 10 Tage pro Jahr.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] sei wirksam. § 5 Nr. 4 [X.] lege den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht abschließend fest. Diese Norm erlaube den Betriebsparteien auch insoweit ergänzende Regelungen. Jedenfalls stehe § 2a Nr. 1 Satz 3 [X.] Chemie als „allgemeine Regelung im Betrieb“ iSv. § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] dem Anspruch des Klägers entgegen. Der Ausschluss [X.] von den Altersfreizeiten sei gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]n ist erfolglos. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n zu Recht zurückgewiesen. Die Klageanträge sind zulässig und begründet. Die [X.] ist verpflichtet, dem Kläger ab dem [X.] jährlich 9,6 bezahlte Arbeitstage als [X.] zu gewähren.

I. Die Klageanträge sind - in der gebotenen Auslegung - zulässig.

1. Der Klageantrag zu 1. richtet sich auf die künftige Gewährung von 9,6 bezahlten Altersfreizeittagen „für das [X.]“ und damit auf entsprechende Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung. Die im Antrag enthaltene Jahresangabe kennzeichnet lediglich das Jahr, in dem der geltend gemachte Anspruch auf [X.] entstanden sein soll. Der Kläger erstrebt keine rückwirkende Befreiung von seiner Arbeitspflicht (vgl. auch [X.] 18. März 2014 - 9 [X.] - Rn. 11), sondern eine Gewährung der Altersfreizeittage erst ab Rechts[X.] der Entscheidung.

Mit dem Klageantrag zu 2. begeht der Kläger die Feststellung, dass ihm gegen die [X.] ab dem [X.] ein Anspruch auf [X.] und damit auf bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht im Umfang von jährlich 9,6 Tagen zusteht. Dem insoweit vom [X.] zugrunde gelegten [X.] ist der Kläger nicht entgegengetreten.

2. Damit sind die Klageanträge hinreichend bestimmt. Dies gilt auch für die Leistungsklage auf Gewährung bezahlter Arbeitsbefreiung (vgl. für Erholungsurlaub [X.] 18. März 2014 - 9 [X.] - Rn. 12).

3. Der Klageantrag zu 2. genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.

a) Die Parteien streiten über eine Pflicht der [X.]n, dem Kläger [X.] zu gewähren. Daher hat der Kläger ein Interesse an der begehrten Feststellung. Entgegen der Ansicht der [X.]n ist der Antrag nicht deshalb unzulässig, weil sich künftig die rechtlichen Grundlagen für den begehrten Anspruch sowie der Umfang der vom Kläger zu leistenden Arbeit ändern können. Nach § 322 Abs. 1 ZPO erwächst bei einer Entscheidung nur der geltend gemachte prozessuale Anspruch in Rechts[X.]. Dieser wird ua. durch den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt. Sollte sich dieser maßgeblich ändern, endet damit die Rechts[X.] der Entscheidung.

b) Der mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit begründete Vorrang der Leistungsklage steht nicht entgegen. Da sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zum [X.]punkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befand, ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig. Es besteht kein Zwang zu einer Leistungsklage überzugehen, wenn diese erst nachträglich im Laufe des Verfahrens möglich wird (vgl. [X.] 23. September 2014 - 9 [X.] 827/12 - Rn. 13 mwN).

II. Die Klageanträge sind begründet. Die [X.] ist verpflichtet, dem Kläger ab dem [X.] jährlich [X.] im Umfang von 9,6 bezahlten Arbeitstagen zu gewähren.

1. Nach § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker kann der Kläger ab dem [X.] die Gewährung von [X.] beanspruchen.

a) Der [X.] Akademiker findet auf das Arbeitsverhältnis des [X.] [X.] arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

b) § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker sieht vor, dass Angestellte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse bezahlte [X.] in Anspruch nehmen können. Diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt der Kläger seit Beginn des streitbefangenen [X.]raums. Er hat im Dezember 2015 sein 57. Lebensjahr vollendet.

c) Entgegen der Ansicht der Revision gewährt § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker einen Anspruch auf [X.] dem Grunde nach. Dies ergibt die Auslegung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. etwa [X.] 22. Mai 2012 - 1 [X.] 103/11 - Rn. 12).

aa) Bereits der Wortlaut legt die Regelung einer verbindlichen Anspruchsberechtigung nahe. § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker sieht nicht lediglich vor, dass älteren Angestellten [X.] gewährt werden können, sondern bestimmt, dass sie diese „in Anspruch“ nehmen können. Auch der Zusatz „unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse“ bezieht sich lediglich auf die Inanspruchnahme, relativiert aber nicht die grundsätzliche Anspruchsberechtigung der begünstigten Angestellten.

bb) Systematische Erwägungen bestätigen dieses Verständnis. In § 5 Nr. 5 Satz 3 [X.] Akademiker haben die Tarifvertragsparteien Angestellte, die ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abschließen, von der Gewährung der [X.] ausgenommen. Die ausdrückliche Herausnahme einer bestimmten Personengruppe aus dem Anwendungsbereich von § 5 Nr. 4 [X.] Akademiker lässt den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Norm nicht nur unverbindliche Vorgaben für die Gewährung von [X.] für ältere Arbeitnehmer machen, sondern eine grundsätzliche Anspruchsberechtigung für derartige Leistungen normieren wollten.

cc) Aus dem Umstand, dass § 5 Nr. 4 [X.] Akademiker den Umfang der zu gewährenden [X.] nicht festlegt, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Tarifvertragsparteien müssen die Arbeitsbedingungen nicht selbst abschließend und in allen Einzelheiten festlegen. Sie können - wie vorliegend - Rahmenbedingungen aufstellen und deren Konkretisierung Dritten, insbesondere dem Arbeitgeber oder den Betriebspartnern, überlassen (vgl. [X.] 5. August 1999 - 6 [X.] 22/98 - zu 2 a der Gründe, [X.]E 92, 175; 9. Mai 1995 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 80, 104).

2. Die Teilzeitbeschäftigung des [X.] steht seinem Anspruch auf [X.] nicht entgegen.

a) § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker gewährt allen unter den persönlichen Geltungsbereich des [X.] Akademiker fallenden Angestellten einen Anspruch auf [X.]. In Teilzeit beschäftigte Angestellte, die - wie der Kläger - kein Altersteilzeitarbeitsverhältnis geschlossen haben, sind vom Anspruch auf bezahlte [X.] nicht ausgenommen. Auch dies zeigt die Auslegung der Norm.

aa) Bereits die sprachliche Fassung von § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker lässt keinen anderen Schluss zu. Danach hängt die Möglichkeit der Inanspruchnahme von [X.] nur vom Alter des Angestellten, nicht vom Umfang der zu leistenden Arbeitszeit ab. Soweit die Regelung ergänzend auf die „betrieblichen Erfordernisse“ abstellt, bezieht sich dies nur auf die Inanspruchnahme der Altersfreizeit durch den Angestellten; betriebliche Belange vermögen nicht den generellen Ausschluss aller Teilzeitbeschäftigten vom Anspruch auf Altersfreizeit zu begründen.

bb) Die Systematik unterstützt dieses Verständnis. Nach § 5 Nr. 5 Satz 3 [X.] Akademiker sind Angestellte, die ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abschließen, ausdrücklich von der Gewährung der [X.] ausgenommen. Ein nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abgeschlossenes Altersteilzeitarbeitsverhältnis erfordert, dass der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung schließt, aufgrund derer bis zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Altersrente die bisherige wöchentliche Arbeitszeit um die Hälfte reduziert wird (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Da § 5 Nr. 5 Satz 3 [X.] Akademiker lediglich an die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anknüpft, sind hiervon auch solche Arbeitnehmer erfasst, deren reduzierte Arbeitszeit während der gesamten Dauer der Altersteilzeit nicht unterschiedlich - im sog. Blockmodell -, sondern gleichmäßig verteilt ist. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, sollten teilzeitbeschäftigte Angestellte nicht unter § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker fallen. Ob die darin liegende unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen von Teilzeitarbeitnehmern angesichts der Besonderheiten des Altersteilzeitverhältnisses gerechtfertigt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

b) Aus Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Regelung ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] unwirksam.

aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn und soweit ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (st. Rspr., vgl. [X.] 15. Mai 2018 - 1 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 162, 379). Die Sperrwirkung greift nicht, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 [X.] der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen ([X.] 15. Mai 2018 - 1 [X.] - aaO).

bb) Die [X.] und ihre Rechtsvorgängerin sind an die Tarifverträge der chemischen Industrie gebunden und fallen unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des [X.] Akademiker. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

cc) Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] enthält Regelungen zur Altersfreizeit und damit zu einem Gegenstand, dessen sich bereits die Tarifparteien des [X.] Akademiker angenommen haben. Da die [X.] nach ihrer Nr. 2 für Leitende Mitarbeiter der „Vertragsstufe 1“ gilt, unterfallen ihr auch solche Arbeitnehmer, die vom persönlichen Geltungsbereich des [X.] Akademiker erfasst sind.

dd) Ob § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker den Betriebsparteien die Befugnis einräumt, ergänzende Betriebsvereinbarungen zum Regelungsgegenstand [X.] zu schließen, kann dahinstehen. Selbst bei Annahme, die Bestimmung enthielte eine Tariföffnungsklausel iSd. § 77 Abs. 3 Satz 2 [X.], wäre der in Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] enthaltene Ausschluss [X.] vom Anspruch auf [X.] von dieser nicht umfasst. § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker ermöglicht lediglich nähere Regelungen zur Ausgestaltung der [X.], nicht jedoch eine von den tariflichen Vorgaben abweichende Bestimmung des dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreises.

(1) Gemäß § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker sind „Bei der Gewährung … vom Arbeitgeber die allgemeinen Regelungen im Betrieb sinngemäß … anzuwenden“. Nach dem sprachlichen Zusammenhang mit Satz 1 bezieht sich der Begriff „Gewährung“ auf die in Anspruch genommenen [X.] und damit auf die Erfüllung der - dort dem Grunde nach geregelten - Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung älterer Angestellter unter Fortzahlung der Vergütung von ihrer Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen. Die Formulierung „bei“ lässt erkennen, dass sich eine den Betriebsparteien in § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker eingeräumte Befugnis für den Abschluss ergänzender Regelungen zu [X.] nur auf den Umfang sowie die Modalitäten zur Erfüllung des bereits grundsätzlich in § 5 Nr. 1 Satz 1 [X.] Akademiker verankerten Anspruchs bezieht. Hierzu gehören etwa Vorgaben zur Beantragung der [X.] oder zur Lage der freien Arbeitstage. Keine Frage der „Gewährung“ eines von den Tarifvertragsparteien eingeräumten Anspruchs ist es hingegen, wenn dieser für eine bestimmte Personengruppe von vornherein ausgeschlossen wird.

(2) Der systematische Aufbau von § 5 Nr. 4 [X.] Akademiker belegt dies ebenfalls. Während in Satz 1 der Bestimmung festgelegt ist, wem unter welchen Vorrausetzungen dem Grunde nach ein Anspruch auf [X.] zusteht, verweist der nachfolgende Satz 2 der Norm für die weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Umfangs und der Erfüllung dieses Anspruchs auf die allgemeinen Regelungen im Betrieb.

(3) Gegen eine den Betriebsparteien in § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker eingeräumte weitergehende Regelungsbefugnis spricht zudem das Gebot der Normenklarkeit. [X.] die Tarifvertragsparteien den Betriebspartnern nach § 77 Abs. 3 Satz 2 [X.] eine nicht nur die tariflichen Angelegenheiten ergänzende, sondern sogar eine hiervon abweichende Regelungsbefugnis einräumen, muss dies mit der gebotenen Deutlichkeit erfolgen. Aus der Tarifnorm muss sich hinreichend klar ergeben, dass die Betriebsparteien im Rahmen ihrer Rechtsetzung die im Tarifvertrag festgelegten Bedingungen abändern dürfen. Hieran fehlt es vorliegend.

ee) § 87 Abs. 1 [X.] steht der danach aus § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] folgenden Sperrwirkung für abweichende Regelungen über den Kreis der für [X.] anspruchsberechtigten Angestellten nicht entgegen. Da die Rechtsvorgängerin der [X.]n und diese an den [X.] Akademiker gebunden sind, liegt eine zwingende tarifliche Regelung iSv. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz [X.] vor.

c) Entgegen der Annahme der Revision hat die Unwirksamkeit von Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 [X.] nicht zur Folge, dass dann - als „Regelung(en) im Betrieb“ iSv. § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker - der in § 2a Nr. 1 Satz 3 [X.] Chemie vorgesehene Anspruchsausschluss greift. § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker verweist auf Regelungen „im Betrieb“ und nicht auf die normativ geltenden oder [X.] vertraglicher Bezugnahme auf die Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen des [X.] Chemie. Zudem haben die Parteien des [X.] Akademiker den Kreis der für [X.] Anspruchsberechtigten in § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker selbst geregelt. Daher würde eine - unterstellte - Inbezugnahme von § 2a [X.] Chemie jedenfalls nicht Nr. 1 Satz 2 und 3 dieser Norm umfassen.

3. Damit steht dem Kläger für die [X.] ab 2016 ein jährlicher Anspruch auf [X.] im Umfang der zuletzt noch begehrten 9,6 Tage zu. Die [X.] gewährt - im Rahmen des ihr durch § 5 Nr. 4 Satz 2 [X.] Akademiker eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts - den vollzeitbeschäftigten Angestellten jährlich 12 Arbeitstage bezahlte Altersfreizeit. Da der Kläger nicht, wie in Nr. 3.2.3 [X.] vorgesehen, an fünf Tagen, sondern nur an vier Tagen in der Woche arbeitet, steht ihm jedenfalls ein anteiliger Anspruch im Umfang von 9,6 Tagen pro Kalenderjahr zu. [X.] ist, dass die begehrte Befreiung von der Arbeitspflicht sich auch auf einen anteiligen Arbeitstag bezieht. Nach Nr. 6 Unterabs. 4 Satz 3 [X.] muss eine Abwicklung der Altersfreizeit nicht zwingend in ganzen freien Tagen erfolgen.

4. Entgegen der Ansicht der [X.]n hat der Kläger seinen Anspruch auf [X.] rechtzeitig iSv. § 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] Akademiker „in Anspruch“ genommen. Aus seinen E-Mails von Ende 2015 ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Kläger von diesem Recht Gebrauch machen wollte.

5. Sein Anspruch für die Jahre 2016 bis 2018 ist nicht durch [X.]ablauf untergegangen. Weder der [X.] Akademiker noch die [X.] sehen eine § 7 Abs. 3 [X.] vergleichbare Regelung und damit eine Bindung des Anspruchs an das Kalenderjahr vor. Nr. 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] verlangt lediglich eine zeitnahe Abwicklung, regelt aber keinen Verfall der Altersfreizeittage.

6. Die [X.] hat den Anspruch des [X.] für das [X.] noch nicht erfüllt. Zwar hat sie dem Kläger für das [X.] 9,6 freie Arbeitstage gewährt. Dies erfolgte - wie das [X.] ausgeführt hat - jedoch lediglich in Vollzug der noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Entscheidung. Vor diesem Hintergrund hat das [X.] zutreffend angenommen, dadurch sei keine Erfüllungswirkung eingetreten, weil die [X.] nicht zu erkennen gegeben habe, den eingeklagten Anspruch endgültig iSv. § 362 BGB erfüllen zu wollen. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.

III. Die Kosten der Revision hat die [X.] zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Klebe    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 AZR 307/17

12.03.2019

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 11. November 2016, Az: 13 Ca 4492/16, Urteil

§ 1 TVG, § 77 Abs 3 S 2 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2019, Az. 1 AZR 307/17 (REWIS RS 2019, 9480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9480

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