Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2017, Az. III ZR 312/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17481

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Gegenstand

Amtshaftung: Teilnahme eines Notarztes am Rettungsdienst in Thüringen; Passivlegitimation der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen


Leitsatz

1. Der Notarzt im Rettungsdienst in Thüringen (Thüringer Rettungsdienstgesetz vom 16. Juli 2008, GVBl. 233) übt ein öffentliches Amt aus.

2. Für Fehler des Notarztes bei einem Rettungseinsatz haftet die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 19. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 1 73 % und die Klägerin zu 2 27 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.] - bei der Klägerin zu 1 handelt es sich um die gesetzliche Krankenkasse, bei der Klägerin zu 2 um die Pflegekasse des Versicherten [X.]- nehmen den beklagten Landkreis aus Amtshaftung auf Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter Fehler bei einem Notarzteinsatz in Anspruch.

2

Der Versicherte [X.]war am 22. Juni 2010 im [X.]  mit seinem Motorrad unterwegs. Dabei verlor er die Kontrolle und geriet auf der Gegenfahrbahn unter einen LKW. Hierbei brach er sich das rechte Bein. Der Notarzt Dipl. med. B.     übernahm die Erstversorgung an der Unfallstelle. Dabei verabreichte er dem Versicherten verschiedene Medikamente. Bei diesem kam es zu einem Atemstillstand.

3

Die [X.] werfen dem Notarzt Fehler bei der Erstversorgung vor, die zu Hirnschäden bei ihrem Versicherten geführt hätten. Sie sind der Meinung, der Beklagte hafte ihnen aus übergegangenem Recht (§ 116 Abs. 1 SGB X).

4

Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, nicht der Beklagte, sondern die [X.] hafte für etwaige Fehler des Notarztes. Die Berufung der [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.] ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I.

6

Das [X.] ist in Übereinstimmung mit dem [X.] davon ausgegangen, dass die [X.] mangels Passivlegitimation gegenüber dem [X.] keine Amtshaftungsansprüche geltend machen können. Zwar sei der Rettungsdienst in [X.] öffentlich-rechtlich organisiert mit der Folge, dass die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben sowohl im Ganzen wie im Einzelfall der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen sei. Die Teilnahme eines Notarztes bei einem solchen Einsatz stelle sich mithin als Ausübung eines öffentlichen Amts im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG dar. Jedoch hafte nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG die Körperschaft, in deren Dienst der handelnde Amtsträger stehe. Dies sei hier nicht der Beklagte, sondern die [X.]. Nach § 7 Abs. 1 [X.] stelle die [X.] die notärztliche Versorgung im bodengebundenen Rettungsdienst sicher. Diese Vorschrift regle einen speziellen Sicherstellungsauftrag für einen Teilbereich des Rettungsdienstes. Zwar seien die Landkreise nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes. Von ihrer Pflicht, diesen sicherzustellen, sei nach Satz 2 aber die notärztliche Versorgung ausgenommen. Der Landesgesetzgeber habe, wie sich aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte des Rettungsdienstgesetzes ergebe, in den §§ 5 und 7 [X.] zwei Bereiche des bodengebundenen Rettungsdienstes geregelt und diese zwei verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts als Trägern zugewiesen. Die notärztliche Versorgung sei vom Aufgabenspektrum der Landkreise nicht erfasst und ausdrücklich der [X.] übertragen. Diese hafte damit für Fehler des Notarztes bei einem Rettungseinsatz.

II.

7

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

8

1. Die Instanzgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Notarzt Dipl.-Med. B.    am 22. Juni 2010 in Ausübung eines öffentlichen Amtes und nicht lediglich privatrechtlich tätig geworden ist, so dass für etwaige Fehler bei der Erstversorgung nach Amtshaftungsgrundsätzen gehaftet wird.

9

a) Bezüglich des landesrechtlich geregelten Rettungsdienstes hat der [X.] in seiner Rechtsprechung als maßgeblich angesehen, ob dieser öffentlich-rechtlich organisiert ist oder nicht (vgl. nur Urteile vom 21. März 1991 - [X.], NJW 1991, 2954 zu [X.]; vom 9. Januar 2003 - [X.], [X.], 268, 270 f und vom 16. September 2004 - [X.], [X.], 216, 218 ff, jeweils zu [X.]; Beschluss vom 17. Dezember 2009 - [X.], [X.], 90 Rn. 8 ff zu Hessen).

b) [X.] und die Durchführung der Aufgaben des Rettungsdienstes einschließlich der notärztlichen Versorgung sind in [X.] im Rettungsdienstgesetz vom 16. Juli 2008 nicht [X.], sondern öffentlich-rechtlich geregelt. Nach § 1 Abs. 1 [X.] ist Zweck des Gesetzes die Sicherstellung einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes. Die Notfallrettung und der Krankentransport bilden dabei eine medizinisch-organisatorische und wirtschaftliche Einheit der Gesundheitsvorsorge und der Gefahrenabwehr (§ 4 Abs. 2 [X.]). Die Landkreise und kreisfreien Städte sind Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Diese Aufgabe obliegt ihnen im Rahmen ihres eigenen Wirkungskreises (§ 5 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann die Durchführung der Aufgaben des [X.] durch öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen werden, wobei die Durchführenden nach § 6 Abs. 3 [X.] als Verwaltungshelfer gemäß den Anweisungen und im Namen der Aufgabenträger handeln. Soweit der [X.] nach § 7 [X.] im Rahmen des bodengebundenen Rettungsdienstes die notärztliche Versorgung obliegt, schließt diese die zur Sicherstellung erforderlichen öffentlich-rechtlichen Verträge (Abs. 2 Satz 6). Für Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und der [X.] sieht § 7 Abs. 3 [X.] die Einrichtung einer Schiedsstelle vor, gegen deren Entscheidungen der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Die für den Rettungsdienst zu erhebenden Benutzungsentgelte werden, wenn es zwischen den Beteiligten nicht zu einer Einigung kommt, durch Gebührensatzung oder Rechtsverordnung festgelegt (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Dem Normengefüge ist mithin insgesamt zu entnehmen, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes in [X.] nicht mit privatrechtlichen Mitteln, sondern in öffentlich-rechtlichen Formen erfüllt wird. Die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben ist damit sowohl im Ganzen wie im Einzelfall hoheitlicher Betätigung zuzurechnen. Die Teilnahme eines Notarztes bei einem rettungsdienstlichen Einsatz stellt sich insoweit als Ausübung eines öffentlichen Amts im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG dar (vgl. in diesem Sinn auch [X.]. 5/7028 S. 2, Antwort des [X.] Innenministeriums namens der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3482).

Soweit der [X.] vormals in seiner älteren Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1989 - [X.], BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Notarzt 1) angenommen hat, dass die Tätigkeit des Notarztes im Verhältnis zum Notfallpatienten auch dann auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis gründet, wenn in dem betreffenden Bundesland der Rettungsdienst öffentlich-rechtlich organisiert ist, beruhte diese Rechtsprechung auf einer mittlerweile überholten Gesetzeslage und steht daher der Bewertung der Tätigkeit des Notarztes als Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht entgegen (siehe hierzu im Einzelnen bereits [X.]surteile vom 9. Januar 2003, aaO S. 274 ff und vom 16. September 2004, aaO S. 222).

2. Die Instanzgerichte haben weiter zu Recht angenommen, dass nicht der Beklagte für etwaige Fehler bei der Erstversorgung haftet.

a) Nach Art. 34 Satz 1 GG trifft bei Pflichtverletzungen eines Amtsträgers die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Entscheidend ist mithin, wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlerhaft handelte, anvertraut, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung erfolgte, übertragen hat. Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit der Amtsausübung eröffnet hat. Steht der Amtsinhaber nicht als Beamter oder Behördenangestellter in einem dauernden Dienstverhältnis zu einer Körperschaft, ist er also nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigt, haftet die Körperschaft, die ihm durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse ein öffentliches Amt anvertraut und ihm damit die Eigenschaft eines Beamten im haftungsrechtlichen Sinn verliehen hat. Entscheidend ist mithin dann, wer dem Amtsträger die konkrete - fehlerhaft erfüllte - Aufgabe anvertraut hat (vgl. nur [X.]sbeschluss vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 346 Rn. 17; [X.]surteile vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.], 302 Rn. 19; vom 15. September 2011 - [X.], [X.], 71 Rn. 30 und vom 22. November 2012 - [X.], [X.], 718 Rn. 16).

b) Der Beklagte ist weder Anstellungskörperschaft des Notarztes noch hat er ihm die konkrete Aufgabe übertragen, bei deren Wahrnehmung Pflichten verletzt worden sein sollen. [X.] ist vielmehr die [X.].

aa) Nach § 1 Abs. 1 [X.] ist Zweck des Gesetzes die Sicherstellung einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die Landkreise und kreisfreien Städte Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes. Sie haben diesen Dienst mit Ausnahme der notärztlichen Versorgung bedarfsgerecht und flächendeckend sicherzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und erfüllen diese Aufgabe im eigenen Wirkungskreis (§ 5 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich ausgenommene Bereich der notärztlichen Versorgung wird in § 7 Abs. 1 [X.] der [X.] [X.] zugewiesen. Diese hat die bedarfsgerechte und flächendeckende notärztliche Versorgung im bodengebundenen Rettungsdienst sicher zu stellen, was die Erstellung der Notarztdienstpläne und die Überwachung der notärztlichen Versorgung einschließt. Zur Erfüllung dieses Sicherstellungsauftrags schließt die [X.] die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Verträge (§ 7 Abs. 2 Satz 6 [X.]).

bb) Aus dieser Aufgabenzuweisung haben die Instanzgerichte zu Recht die Passivlegitimation der [X.] für Fehler eines Notarztes bei einem konkreten Rettungseinsatz abgeleitet (vgl. in diesem Sinn auch [X.]. 5/7028 S. 2). Die hierzu erhobenen Einwände der [X.] überzeugen nicht.

aaa) Die [X.] sind der Meinung, das [X.] Rettungsgesetz enthalte eine klare Trennung zwischen Aufgabenzuweisung und Sicherstellungsauftrag mit der Folge, dass die Aufgabe der notärztlichen Versorgung beim [X.] verblieben sei, auch wenn deren Sicherstellung der [X.] obliege. § 5 [X.] regle sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner Überschrift die Aufgabenträgerschaft. Diese liege nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] bezüglich des bodengebundenen Rettungsdienstes bei den [X.] und kreisfreien Städten, nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] bezüglich der Luftrettung beim Land. Die [X.] sei danach gerade kein Aufgabenträger. [X.] für Fehler beim bodengebundenen Rettungsdienst einschließlich der notärztlichen Versorgung seien damit ausschließlich die im Gesetz aufgeführten kommunalen Körperschaften. Daran ändere der Umstand nichts, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Landkreise und kreisfreien Städte den bodengebundenen Rettungsdienst nur mit Ausnahme der notärztlichen Versorgung sicherzustellen hätten und für letzteres nach § 7 [X.] die [X.] zuständig sei. Denn insoweit müsse streng zwischen der originären Aufgabenzuweisung und der Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen eines Sicherstellungsauftrags unterschieden werden. Die [X.] habe - insoweit abweichend von der früheren Rechtslage in [X.] - die Sicherstellung übertragen erhalten, weil der Landesgesetzgeber sie aus organisatorischen Gründen dafür als besser geeignet angesehen habe. An der Aufgabenträgerschaft der Landkreise und kreisfreien Städte habe sich dadurch aber nichts geändert, da der Gesetzgeber anderenfalls die [X.] ausdrücklich als Aufgabenträger in § 5 [X.] erwähnt hätte.

Dieser Argumentation vermag der [X.] nicht zu folgen. Nach § 1 [X.] ist Zweck des Gesetzes die Sicherstellung einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes. Das Gesetz regelt mithin die Aufgabe der entsprechenden Sicherstellung und differenziert insoweit nicht zwischen Aufgabe/Aufgabenträger und Sicherstellung/Sicherstellungsträger. Dass § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Landkreise und kreisfreien Städte als Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes bezeichnet und in § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] aus der hieraus folgenden Sicherstellungsaufgabe die notärztliche Versorgung ausnimmt, bedeutet, dass für die notärztliche Versorgung nicht mehr der Landkreis der Aufgabenträger ist. Mit "diese Aufgabe" in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.], die die Landkreise und kreisfreien Städte im eigenen Wirkungskreis erfüllen, ist nur der bodengebundene Rettungsdienst ohne die notärztliche Versorgung gemeint. Die der [X.] obliegende Sicherstellung der notärztlichen Versorgung ist insoweit - entgegen der Auffassung der [X.] - weder eine bloß nachrangige beziehungsweise abgeleitete Aufgabenübertragung im Rahmen der eigentlich weiterhin dem [X.] obliegenden Pflichten noch beschränkt sich die Zuständigkeit der [X.] auf die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Notärzten, während der Notarzteinsatz vor Ort in die Verantwortung des [X.] fällt. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber den bodengebundenen Rettungsdienst in zwei Bereiche aufgeteilt und diese zwei verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts als Aufgabenträger zugewiesen. Dementsprechend ist auch die hierauf bezogene Rechtsaufsicht unterschiedlich geregelt (§ 35 [X.]).

Die gegenteilige Annahme der [X.], dass der Landkreis weiterhin Aufgabenträger für die notärztliche Versorgung sei, lässt sich auch nicht mit der Entstehungsgeschichte des [X.] Rettungsdienstgesetzes vereinbaren. Das frühere [X.] Rettungsdienstgesetz vom 22. Dezember 1992 (GVBl. 609), nach dessen § 1 der Gesetzeszweck darin bestand, den Rettungsdienst entsprechend den medizinischen Erfordernissen sicherzustellen, bestimmte vormals in § 3 unter der Überschrift "Aufgabenträger" ohne Einschränkung, dass die Landkreise und kreisfreien Städte als Selbstverwaltungsaufgabe den bodengebundenen Rettungsdienst sicherstellen mussten. Nachdem sich in der Folgezeit herausstellte, dass die kommunalen Aufgabenträger vor allem im ländlichen Bereich Probleme mit der Gewährleistung der notärztlichen Versorgung hatten, hat sich der Landesgesetzgeber entschieden, diese der [X.] zu übertragen. In der Begründung des Gesetzentwurfs ([X.]. 4/3691) wird im Zusammenhang mit der Übertragung dieser Sicherstellung von den [X.] beziehungsweise kreisfreien Städten als "bisherigen Aufgabenträgern" (aaO S. 1) und davon gesprochen, dass "mit der Übertragung des Sicherstellungsauftrags die Zuständigkeiten im bodengebundenen Rettungsdienst aufgeteilt werden und die Aufgabenverantwortung der [X.] [X.] für den notärztlichen Bereich von der Aufgabenverantwortung der kommunalen Aufgabenträger für den sonstigen, nichtärztlichen Bereich eindeutig voneinander abgegrenzt werden müssen." (aaO S. 33; siehe auch [X.], [X.] [X.] Rettungsdienstgesetzes, [X.]. 2010, 97, 98). Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Kostenregelungen - Benutzungsentgelte für die Notfallrettung und den Krankentransport in § 20 [X.]; Benutzungsentgelte für die notärztliche Versorgung in § 21 [X.]; letztere sind von der [X.] mit den Kostenträgern und ihren Verbänden zu vereinbaren - heißt es in der Begründung (aaO S. 46 f): "Aufgabenträger sind die Landkreise und kreisfreien Städte nach § 5 Abs. 1, das Land nach § 5 Abs. 2 und die [X.] [X.] nach § 7 Abs. 1. Nach dem Prinzip der Verwaltungskonnexität hat zunächst jeder Aufgabenträger die Kosten für die ihm nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben zu tragen. ... Durch die kostendeckende Refinanzierung wird gewährleistet, dass dem jeweiligen Aufgabenträger keine Mehraufwendungen für die Aufgabenerfüllung entstehen."

Aufgabenträger der notärztlichen Versorgung soll danach die [X.], Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes mit Ausnahme der notärztlichen Versorgung sollen dagegen die Landkreise und kreisfreien Städte sein (siehe auch [X.], aaO S. 99, 103). Dementsprechend heißt es unter Nr. 2.6 des nach § 10 [X.] aufgestellten Landesrettungsdienstplans ([X.] Staatsanzeiger 2009, 827, 828 f) unter der Überschrift "Aufgabenträger": "Aufgabenträger für den bodengebundenen Rettungsdienst - mit Ausnahme der notärztlichen Versorgung - sind nach § 5 Abs. 1 [X.] die Landkreise …; Aufgabenträger für die notärztliche Versorgung im bodengebundenen Rettungsdienst ist nach § 7 Abs. 1 [X.] die [X.] [X.]".

bbb) Zu Unrecht berufen sich die [X.] auf die Regelung in § 13 [X.]. Soweit danach der Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes - also die Landkreise und kreisfreien Städte - einen für den Rettungsdienst verantwortlichen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst ([X.]) zu bestellen haben, sind sie zwar für etwaige Amtspflichtverletzungen dieser Person verantwortlich. Dies gilt auch, soweit die [X.] dieser Person nach § 13 Satz 4 [X.] [X.] gegenüber einzelnen Notärzten einräumt. Kommt es aufgrund einer fehlerhaften Weisung des [X.] gegenüber einem Notarzt zu einem Schaden, haftet nicht die [X.]. Denn im Außenverhältnis zum Geschädigten ist nicht die angewiesene, sondern die anweisende Behörde haftungsrechtlich zuständig (vgl. nur [X.]surteil vom 16. April 2015 - [X.], [X.], 63 Rn. 18 mwN). Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass auch außerhalb eines solchen Weisungsverhältnisses die Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich sind. Vielmehr liegt, wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 13 im Zusammenhang mit der Weiterbildung der Notärzte heißt (aaO S. 40), dieser Bereich "aufgrund der geänderten Regelung zum Sicherstellungsauftrag … nunmehr in der originären Verantwortung der [X.] [X.]". Dem entspricht es, dass nach Nr. 3.4 des Landesrettungsdienstplans (aaO S. 830) für die "Qualitätssicherung" der jeweilige in Nr. 2.6 genannte Aufgabenträger verantwortlich ist, wobei der [X.] "die medizinische Kontrolle über den bodengebundenen Rettungsdienst - mit Ausnahme der notärztlichen Versorgung - wahrnimmt", während der [X.] diese Aufgabe im Bereich der notärztlichen Versorgung obliegt, wobei sie sich allerdings "zum Zwecke einer einheitlichen Qualitätssicherung" zur Erfüllung ihrer Aufgaben des [X.] bedienen soll.

ccc) Auch aus § 17 Abs. 1 [X.] lässt sich entgegen der Auffassung der [X.] nichts für ihren Rechtsstandpunkt ableiten. Nach dieser Norm hat der Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes zur Sicherstellung der rettungsdienstlichen Versorgung bei größeren Notfallereignissen unterhalb der [X.] zur Koordinierung des eingesetzten Personals eine rettungsdienstliche Einsatzleitung einzurichten, zu der unter anderem ein sogenannter Leitender Notarzt gehört, der nach Beteiligung der [X.] bestellt wird und gegenüber den anderen Notärzten weisungsbefugt ist. Insoweit gilt nichts anderes als bereits bezüglich des [X.] ausgeführt. Abgesehen von [X.] ist die [X.] für den "einfachen" Notarzt verantwortlich.

ddd) Zu Unrecht berufen sich die [X.] in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz des einheitlichen Haftungsregimes. Dieser ist vom [X.] zur Abgrenzung zwischen [X.]er und hoheitlicher Tätigkeit entwickelt worden. Insoweit muss der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden und geht es nicht an, eine einheitliche Aufgabe in [X.] - teils hoheitlicher, teils bürgerlich-rechtlicher Art - aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (vgl. nur [X.]sbeschluss vom 1. August 2002 - [X.], [X.], 3172, 3173 mwN). Hieraus hat der [X.] (Urteile vom 9. Januar 2003 - [X.], [X.], 268, 275 f und vom 16. September 2004 - [X.], [X.], 216, 223 f) - in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung, wonach der Notarzt [X.] tätig wird (siehe II 1b [X.]) - abgeleitet, dass es sachgerecht ist, den Notarzt und die sonstigen am Rettungsdiensteinsatz beteiligten Personen (insbesondere Rettungssanitäter und -fahrer), die mit dem Notarzt eine Funktionseinheit bilden, einem einheitlichen öffentlich-rechtlichen Haftungsregime zu unterwerfen. Aus letzterem lässt sich aber nichts für die Frage ableiten, welcher der beteiligten Hoheitsträger passiv legitimiert ist. Diese richtet sich ausschließlich nach dem eingangs (II 2a) wiedergegebenen Maßstab.

eee) Soweit die [X.] meinen, es sei zirkelschlüssig, die Kostenregelungen im [X.] Rettungsdienstgesetz als Beleg für die Aufgabenträgerschaft der [X.] anzusehen, geht auch dieser Einwand fehl. § 18 Abs. 1 [X.] bestimmt, dass der Aufgabenträger die Kosten für die ihm nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben zu tragen hat, wobei nach § 18 Abs. 2 [X.] zur Refinanzierung kostendeckende Benutzungsentgelte für die Leistungen des Rettungsdienstes erhoben werden. Insoweit ist es zwar richtig, dass sich unmittelbar aus § 18 [X.] nichts für die Frage der Aufgabenträgerschaft ergibt. Allerdings sind im Folgenden in §§ 20, 21 [X.] getrennte Kostenregelungen für einerseits die Notfallrettung und den Krankentransport sowie andererseits für die notärztliche Versorgung vorgesehen. Zuständig im Rahmen des § 20 [X.] sind die kommunalen Körperschaften, im Rahmen des § 21 [X.] die [X.]. Diese Differenzierung spricht - wie auch die bereits zitierte Gesetzesbegründung deutlich macht - für die Passivlegitimation der [X.].

fff) Ob - wie es die [X.] geltend machen - in anderen Bundesländern für etwaige Fehler eines Notarztes im Rettungsdienst die Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich sind, ist ohne Bedeutung. Es kommt nur auf die jeweilige landesgesetzliche Regelung und darauf an, wer danach derjenige ist, der dem Notarzt seine Aufgabe übertragen hat.

Herrmann      

        

Seiters      

        

Reiter

        

Liebert      

        

Pohl      

        

Meta

III ZR 312/16

12.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 19. Mai 2016, Az: 4 U 592/15

§ 839 Abs 1 S 1 BGB, Art 34 S 1 GG, § 7 Abs 1 S 1 RettDG TH

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2017, Az. III ZR 312/16 (REWIS RS 2017, 17481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17481

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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