Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.12.2014, Az. 5 AZR 663/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 218

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Gegenstand

Vergütungsabrede - Rechtsanwalt - Sittenwidrigkeit


Leitsatz

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Vergütungshöhe liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel der üblicherweise gezahlten Vergütung erreicht. Ein Anlass, von dieser Richtgröße im Sinne einer Heraufsetzung der Zwei-Drittel-Grenze abzuweichen, besteht weder wegen der Besonderheiten in der Beschäftigung angestellter Rechtsanwälte noch der in § 26 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) enthaltenen Vorgabe, Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. März 2013 - 16 [X.] 1775/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über weitere Vergütung für den [X.]raum vom 20. April 2009 bis zum 14. September 2010.

2

Der 1973 geborene [X.]läger war im Streitzeitraum bei der [X.] zu 1., einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät, als Rechtsanwalt angestellt. Die [X.] zu 2. bis 7. sind die ursprünglichen Gesellschafter der Sozietät. Der Beklagte zu 3. ist am 30. Juni 2010 aus der Sozietät ausgeschieden. Der frühere Beklagte zu 4. ist am 15. August 2012 verstorben. Die Beklagte zu 1. befindet sich in Liquidation. Die Beklagte zu 1. unterhielt im Streitzeitraum [X.]. ein Büro in [X.], einer zum [X.] gehörenden [X.] Universitätsstadt mit ca. 300.000 Einwohnern. In diesem Büro waren zu dieser [X.] der Beklagte zu 6. und der [X.]läger tätig.

3

Der [X.]läger legte 1999 das erste juristische Staatsexamen mit der Note „befriedigend“ und im November 2001 das zweite juristische Staatsexamen mit einem schwachen „ausreichend“ ab. Seit März 2002 ist er als Rechtsanwalt im [X.] zugelassen. In den Jahren 1999 bis 2002 war der [X.]läger an der Universität [X.] als [X.]orrekturassistent, als Lehrbeauftragter für Arbeitsgemeinschaften sowie als wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt. Von Oktober 2002 bis September 2003 war er für ein juristisches Repetitorium als Repetitor tätig. In dieser [X.] absolvierte er ein viermonatiges Berufspraktikum beim [X.], betraut mit der Bearbeitung von Rechtsfragen der Alpenkonvention. Von März 2004 bis November 2005 arbeitete der [X.]läger als angestellter Rechtsanwalt in einer Anwaltssozietät im [X.]. Seit Ende 2006 widmet sich der [X.]läger einer Dissertation zum Thema „[X.]“. Von Juli 2006 bis Dezember 2007 studierte er Internationales Recht an den Universitäten S und [X.], [X.]. Während dieser [X.] absolvierte er bei einer [X.] Menschenrechtsorganisation ein viermonatiges Berufspraktikum. Im Juni 2008 wurde ihm der Titel „Master of Laws“ (LL.M.) verliehen.

4

Nach Erwerb der theoretischen Voraussetzungen zum Fachanwalt für Arbeitsrecht im August 2008 übte der [X.]läger von September 2008 bis Jan[X.]r 2009 eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in eigener [X.]anzlei aus. Vom 1. Febr[X.]r bis zum 15. April 2009 war er als angestellter Rechtsanwalt in einer anderen [X.]anzlei des [X.] tätig.

5

Der [X.]läger verfügt über umfassende EDV-[X.]enntnisse und einen sicheren Umgang mit Juris und [X.] sowie den Internetseiten oberster Bundesgerichte, von Oberlandesgerichten und den Rechtsprechungsorganen internationaler Organisationen. Er spricht fließend [X.], [X.] und [X.] und hat Grundkenntnisse der Sprache Afrikaans.

6

Dem Arbeitsverhältnis mit der [X.] zu 1. lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 17. April 2009 zugrunde, in dem [X.]. geregelt ist:

        

„§ 3 Aufgabenbereich

        

In der Sozietät anfallende Arbeiten sind von dem Angestellten zu übernehmen. Hierzu gehören die Anfertigung von Schriftsätzen, das Verfassen von Gutachten, das Führen von Mandantengesprächen sowie die Wahrnehmung von Gerichtsterminen. Alle Mandate stehen der Sozietät zu. Bei den vom Angestellten mitgebrachten Mandaten verbleiben die schon entstandenen Gebühren diesem.

                 
        

§ 4 Arbeitszeit

        

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. Eine Festlegung der Verteilung der zu leistenden Stunden erfolgt ausdrücklich nicht, vielmehr ist diese durch den Angestellten eigenverantwortlich unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse einer sachgerechten Mandatsbearbeitung anzupassen.

        

Etwaige Überstunden wird der Angestellte durch entsprechende Freizeitnahme ausgleichen. Eine Vergütung für Überstunden wird ausgeschlossen.

                 
        

§ 5 Vergütung

        

1.    

Der Angestellte erhält jeweils zum 15. eines jeden Monats ein monatliches Bruttogehalt von 1.200,00 €. Nach sechs Monaten werden die Vertragspartner über eine Erhöhung verhandeln. Am Ende eines jeden [X.]alenderjahres werden die Vertragspartner über weitere Erhöhungen verhandeln.

        

2.    

Der [X.] des Angestellten zur Rechtsanwaltskammer wird von der Sozietät getragen.

        

3.    

Die Sozietät erstattet dem Angestellten die ihm durch Dienstreisen entstehenden Fahrtkosten gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sowie übliche Spesen gegen Vorlage von Belegen, wie z. [X.].

        

…       

        

§ 8 Haftpflichtversicherung

        

1.    

Die Sozietät schließt für den Angestellten eine Berufshaftpflichtversicherung für den Fall der Haftung wegen Vermögensschäden ab. Die Deckungssumme entspricht der Höhe nach derjenigen der Mitglieder der Sozietät. Die [X.]osten der Versicherung werden von der Sozietät getragen.

        

2.    

Im Schadensfall trägt die Sozietät die Selbstbeteiligung des Angestellten. Ein Rückgriff auf den Angestellten ist unzulässig.

        

§ 9 Sozietätsaufnahme

        

Die Sozietät wird nach Ablauf von spätestens drei Jahren eine Entscheidung darüber treffen, ob der Angestellte als Mitglied in die Sozietät aufgenommen wird.“

7

Mit der am 18. November 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten [X.]lage verlangt der [X.]läger weitere Vergütung in Höhe der Differenz zwischen der nach seinem Behaupten angemessenen Vergütung und den von der [X.] zu 1. erbrachten Leistungen. Er hat geltend gemacht, sein Anspruch ergebe sich unmittelbar aus § 26 [X.]. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung sei unangemessen niedrig und deshalb sittenwidrig. Angesichts der besonderen Stellung von Rechtsanwälten sei eine um mehr als 20 % unter der üblichen liegende Vergütung sittenwidrig. Der objektive Wert der Leistung eines anwaltlichen Arbeitnehmers richte sich nach der verkehrsüblichen Vergütung von Rechtsanwälten. Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung sei das Gericht verpflichtet, anhand des Arbeitsvertrags und seines Vortrags ein sach-, personen-, und marktbezogenes Anforderungsprofil zu entwickeln, um auf dessen Grundlage von Amts wegen jede einzelne seiner Q[X.]lifikationen zu monetarisieren.

8

Bei der Bemessung des Wertes seiner Leistung seien insbesondere zu berücksichtigen: die Anstellung in einer Sozietät, eine siebeneinhalbjährige [X.], das Prädikat im ersten Staatsexamen, der Titel LL.M, seine sonstige Berufserfahrung, die Spezialisierung im Arbeits-, Völker- und Europarecht sowie im Familienrecht, seine Sprachkenntnisse, die [X.]enntnis fremder Rechtsordnungen sowie sein Lebensalter, alle seine sonstigen persönlichen Eigenschaften, wie sein werbewirksames Äußeres (er stehe in unregelmäßigen Abständen vor der [X.]amera) und seine Q[X.]lifikationen („Soft Skills“) und Zusatzq[X.]lifikationen, seine Leistungen, die finanziellen Vorteile für die Beklagte zu 1. durch das Einbringen von Mandaten und die immateriellen Vorteile aufgrund der Entlastung der Gesellschafter durch seine Mitarbeit.

9

Zur Ermittlung des [X.] seien personalwirtschaftliche Spezialkenntnisse erforderlich. Es sei deshalb ein Sachverständigengutachten einzuholen. Grundlagen hierfür ließen sich aus für den gesamten [X.] durchgeführten Erhebungen der [X.] und des Anwaltsinstituts der [X.] gewinnen. Zudem seien die Erhebungen [X.]/Star 2010 und der [X.] 2008 sowie ein Gutachten der [X.] zu berücksichtigen.

Er hat behauptet, obwohl im Vorstellungsgespräch von 2 bis 2,5 Arbeitstagen die Rede gewesen sei, habe ihn der Beklagte zu 6. am ersten Arbeitstag angewiesen, an fünf Tagen der Woche jeweils fünf Stunden zu arbeiten. In der unzulässigen Weisung sei ein Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrags zu sehen. Er habe das Angebot angenommen, indem er sich weisungsgemäß verhalten habe. Ab Mitte Jan[X.]r 2010 sei er an drei Tagen in der Woche für jeweils acht Stunden im Büro erschienen. Zusätzlich sei er teilweise an Donnerstagen und Freitagen tätig gewesen. Tatsächlich habe er 35 Stunden in der Woche gearbeitet. Die eine Vergütung von Überstunden ausschließende Regelung in § 4 Arbeitsvertrag sei unwirksam.

Nach der Studie [X.]/Star 2010 habe im Jahr 2006 das durchschnittliche Monatsgehalt eines in einer Sozietät angestellten Rechtsanwalts mit einer Zulassungszeit von vier bis zehn Jahren 55.000,00 Euro brutto betragen. Dies hätte bei einer Teuerungsrate von aufgerundet 5,13 % im Jahr 2009 einem angemessenen halben Monatsentgelt von 2.409,00 Euro brutto entsprochen. Tatsächlich sei als halbes Bruttomonatsgehalt ein Betrag von mehr als 3.612,50 Euro angemessen, berücksichtige man seine Spezialisierungen auf weiteren Rechtsgebieten. Nach Abzug des von der [X.] zu 1. geleisteten Arbeitsentgelts sowie unter Berücksichtigung der Versicherungs- und [X.]ammerbeiträge iHv. 1.666,73 Euro brutto habe er ausgehend von einem Mindestbetrag von monatlich 2.409,00 Euro brutto einen Anspruch auf Zahlung weiterer 18.969,57 Euro brutto.

Der [X.]läger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die [X.] als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 18.969,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die [X.] haben beantragt, die [X.]lage abzuweisen, und geltend gemacht, der [X.]läger habe in der Woche nicht mehr als 20 Stunden gearbeitet. Maßgeblich für die angemessene Vergütungshöhe seien die Verhältnisse des [X.]. Die in länderübergreifenden bzw. bundesweiten Erhebungen oder für [X.] ermittelten Durchschnittswerte besagten hierüber nichts. Die durch Unterbrechungen gekennzeichnete Anwaltsbiographie des [X.]lägers sei schwerpunktlos. Angesichts seiner Examensnoten, seiner geringen anwaltlichen Berufspraxis und seiner insgesamt brüchigen Berufsbiographie sei der [X.]läger überbezahlt gewesen. Die von ihm behaupteten Q[X.]lifikationen seien, wie die vom [X.]läger erzielten - nicht einmal seine Bruttovergütung tragenden - Umsätze belegten, für eine Sozietät wie die der [X.] zu 1. größtenteils nicht verwertbar.

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.]lägers zurückgewiesen. Mit der von Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.]läger seinen [X.]lageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat seine [X.]erufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das [X.]erufungsgericht war nicht, weil der [X.]eklagte zu 4. verstorben ist, an einer Entscheidung gehindert ([X.]). Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die [X.]eklagten keinen Anspruch auf weitere Vergütung nebst Zinsen, insbesondere nicht gemäß § 612 Abs. 2 [X.]G[X.] iVm. §§ 705, 421 [X.]G[X.] auf eine übliche Vergütung in einer die geleisteten [X.]eträge übersteigenden Höhe. Die geschuldete Vergütung ist durch die arbeitsvertragliche Abrede wirksam bestimmt worden. Diese Vereinbarung ist nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 [X.]G[X.] (I[X.]) oder wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 [X.]G[X.] nichtig (II[X.]).

[X.] Das Verfahren ist nicht unterbrochen, weil der frühere [X.]eklagte zu 4. am 15. August 2012 verstorben ist. Der Tod eines einfachen Streitgenossen führt zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 ZPO, soweit es ihn betrifft (vgl. [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. Vor § 239 Rn. 9). Doch tritt nach § 246 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO keine Unterbrechung ein, wenn, wie hier, eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat.

I[X.] Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 [X.]G[X.], schuldet der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 [X.]G[X.] die übliche Vergütung. Nach § 138 Abs. 2 [X.]G[X.] ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Ein wucherähnliches Geschäft iSd. § 138 Abs. 1 [X.]G[X.] liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände wie z[X.] eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv [X.]egünstigten hinzutreten ([X.] 22. April 2009 - 5 [X.] - Rn. 9, [X.]E 130, 338; 26. April 2006 - 5 [X.] - [X.]E 118, 66; [X.] 13. Juni 2001 - [X.] - zu 4 b der Gründe, jeweils mwN). In jedem Fall setzt der objektive Tatbestand ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches hat der Kläger nicht dargelegt.

1. Ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Vergütungshöhe vorliegt, bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Das Missverhältnis ist auffällig, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel der in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Vergütung erreicht ([X.] 22. April 2009 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 130, 338; 18. April 2012 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.]E 141, 137). Ein Anlass, von dieser Richtgröße wegen der [X.]esonderheiten in der [X.]eschäftigung angestellter Rechtsanwälte abzuweichen, besteht nicht. Die in § 26 der [X.]erufsordnung für Rechtsanwälte ([X.]) enthaltene Vorgabe, Rechtsanwälte nur zu angemessenen [X.]edingungen zu beschäftigen, insbesondere eine der Qualifikation, den Leistungen und dem Umfang der Tätigkeit des [X.]eschäftigten und den Vorteilen des beschäftigenden Rechtsanwalts aus dieser Tätigkeit entsprechende Vergütung zu gewährleisten, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 26 [X.] stellt selbst keine Anspruchsgrundlage dar (Henssler/Prütting/[X.]usse [X.]. § 26 [X.] Rn. 8; [X.]/Weyland/[X.]/[X.] [X.] 8. Aufl. § 26 [X.] Rn. 2) und beeinflusst auch nicht die [X.]eurteilung des auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung im Sinne einer Heraufsetzung der [X.]. Der [X.] hat sogar unter [X.]ezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 22. April 2009 (- 5 [X.] - [X.]E 130, 338) offengelassen, ob bei Unterschreiten der [X.] die Schwelle zur Unangemessenheit der Vergütung angestellter Rechtsanwälte überhaupt erreicht wird oder nicht nur knapp über der Hälfte des branchenüblichen Gehalts liegende Vergütungen als auffälliges Missverhältnis einzuordnen sind ([X.] 30. November 2009 - [X.] ([X.]) 11/08 - Rn. 19; [X.] NZA 2011, 234 mwN). Lediglich ergänzend stellt der [X.] auf die Frage ab, ob die Vergütung eines als [X.]erufsanfänger eingestellten Rechtsanwalts das durchschnittliche Anfangsgehalt von Rechtsanwalts- und [X.] unterschreitet (vgl. [X.] 30. November 2009 - [X.] ([X.]) 11/08 - Rn. 22). Damit besteht kein Grund in § 26 [X.] eine Grundlage für eine abweichende Wertung im Rahmen des § 138 [X.]G[X.] zu sehen.

2. Auch wenn zugunsten des [X.] unterstellt wird, die [X.]en hätten bei gleichem Entgelt die wöchentliche Arbeitszeit durch Vertragsänderung von 20 [X.] auf 25 erhöht, hat der Kläger ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert seiner Arbeitsleistung und der gezahlten Vergütung nicht dargelegt. Insbesondere folgt ein solches Missverhältnis nicht aus seiner [X.]ehauptung, unentgeltlich Überstunden geleistet zu haben.

a) Entscheidend für die [X.]estimmung eines auffälligen Missverhältnisses ist der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der „faktischen“ Höhe der Vergütung, die sich aus dem Verhältnis von geschuldeter Arbeitszeit und versprochener Vergütung für eine bestimmte Abrechnungsperiode ergibt (vgl. [X.] 17. Oktober 2012 - 5 [X.] - Rn. 20, [X.]E 143, 212). Eine weitere Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit auf 35 [X.] hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Sollte er in einzelnen Wochen mehr als 25 Stunden gearbeitet haben, wären diese „Überstunden“ nach der vertraglichen Absprache durch Freizeit in anderen Wochen auszugleichen gewesen. Diese Arbeitszeitregelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag ist wirksam (vgl. [X.] 10. April 2013 - 5 [X.] - Rn. 13 ff.). Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Mehrarbeit nicht durch bezahlte Freizeit ausgeglichen werden dürfe und stets in der Abrechnungsperiode, in der sie geleistet wurde, zu vergüten sei.

b) Für die Ermittlung des Wertes der Arbeitsleistung ist nicht nur von [X.]edeutung, welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen des Arbeitgebers zuzuordnen ist (vgl. [X.] 18. April 2012 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]E 141, 137), sondern auch in welcher Wirtschaftsregion die Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. [X.] 22. April 2009 - 5 [X.] - Rn. 13, 14, [X.]E 130, 338). Zudem wird das Entgelt angestellter Rechtsanwälte von personen- und marktbezogenen Determinanten beeinflusst. Zwischen der Höhe des Einkommens angestellter Rechtsanwälte und der Ortsgröße des Standorts der Kanzlei, in der sie tätig sind, besteht ein Zusammenhang. Zudem spiegeln sich die [X.] einer Region und die dortige Arbeitsmarktsituation der Rechtsanwälte in der Höhe der dort üblichen Vergütung wider. Dies führt zu einer auf den einzelnen OLG-[X.]ezirk abstellenden [X.]etrachtung, in die weitere örtliche [X.]esonderheiten einzubeziehen sein können, wenn dieser [X.]ezirk größere strukturelle Unterschiede aufweist (vor allem Stadt/[X.]). Deshalb ist als Vergleichsentgelt die übliche Vergütung von Rechtsanwälten in vergleichbaren Anstellungsverhältnissen am [X.]eschäftigungsort oder an einem Ort vergleichbarer wirtschaftlicher Prägung des OLG-[X.]ezirks heranzuziehen.

c) Zu diesen Vergleichsgrößen hat der Kläger keinen hinreichend konkreten Sachvortrag geleistet. Seine Idee, das Gericht habe anhand seiner persönlichen Merkmale von Amts wegen das übliche Entgelt ggf. unter Einschaltung eines Sachverständigen zu ermitteln, ist mit dem das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren beherrschenden [X.]eibringungsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Die entscheidungserheblichen Tatsachen sind von den [X.]en dem Gericht vorzutragen, nicht vom Gericht zu ermitteln. Dementsprechend hat das [X.]erufungsgericht zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen. Die vom Kläger zu diesem Punkt erhobene Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat die für die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das [X.]erufungsgericht erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht dargelegt.

aa) Nach § 403 ZPO erfordert der [X.]eweisantritt beim [X.] die [X.]ezeichnung der zu begutachtenden Punkte. § 403 ZPO nimmt zur [X.]eweiserleichterung auf die Informationsnot der beweispflichtigen [X.] Rücksicht und verlangt keine wissenschaftliche (sachverständige) Substantiierung. Es muss nur das Ergebnis mitgeteilt werden, zu dem der Sachverständige kommen soll, nicht der Weg, auf dem dies geschieht. Allerdings gilt auch im Rahmen des § 403 ZPO das Verbot des [X.]es bei unsubstantiiertem Vortrag (vgl. [X.] 30. September 2008 - 3 AZ[X.] 47/08 - Rn. 28; Musielak/[X.] ZPO 11. Aufl. § 403 Rn. 3). Der Vortrag muss so detailliert sein, dass die aufklärungsbedürftige Sachfrage zweifelsfrei abgrenzbar ist und ein Sachverständiger Art und Umfang der übertragenen Tätigkeit erkennen kann (vgl. [X.] 30. September 2008 - 3 AZ[X.] 47/08 - Rn. 28).

bb) Diesen Anforderungen genügte der [X.]eweisantritt des [X.] nicht. Das [X.] musste ihm deshalb nicht nachgehen. Es kann zwar grundsätzlich hinreichen, wenn die darlegungspflichtige [X.] einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter [X.]eweis stellt (vgl. [X.]VerfG 14. März 2013 - 1 [X.]vR 1457/12 - Rn. 18). Zu einem unzulässigen [X.] wird ein [X.]eweisantrag allerdings dann, wenn eine [X.]ehauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts ins [X.]laue hinein aufgestellt wird (vgl. [X.] 2. April 2009 - [X.]/08 - Rn. 10 und 11; [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 82, [X.]E 146, 64). So verhält es sich vorliegend. Für die vom Kläger angegebenen Werte gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Kläger hat sich auf Erhebungen gestützt, die keinen [X.]ezug zum OLG-[X.]ezirk [X.] oder gar der Universitätsstadt [X.] aufweisen und deshalb keinen Rückschluss auf die dort übliche Vergütung von Rechtsanwälten zulassen. Welche Erhebungen der [X.] oder des Anwaltsinstituts der Universität [X.]ielefeld in einem Sachverständigengutachten zur Ermittlung der üblichen Vergütung von Rechtsanwälten herangezogen werden könnten, hat der Kläger nicht dargelegt. Er hat nicht einmal behauptet, an seinem [X.]eschäftigungsort oder im OLG-[X.]ezirk würden vergleichbaren [X.]ewerbern bessere Konditionen angeboten oder während seiner früheren anwaltlichen Tätigkeit im OLG-[X.]ezirk [X.] habe er selbst einen höheren Verdienst erzielt.

d) Die in der Entscheidung des [X.] vom 30. November 2009 (- [X.] ([X.]) 11/08 -) erörterten [X.]eträge können nicht als Vergleichsentgelt zugrunde gelegt werden. Im dort entschiedenen [X.]eschwerdeverfahren hatte der [X.]eschwerdeführer die Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs [X.] (2. November 2007 - 2 ZU 7/07 - vgl. Rn. 74 - 77) und deren Aussagekraft nicht angegriffen (vgl. [X.] 30. November 2009 - [X.] ([X.]) 11/08 - Rn. 22). Eine Indizwirkung für am Verfahren Unbeteiligte folgt hieraus nicht.

e) Die vom Kläger angezogenen Erhebungen und das Gutachten der [X.] bieten keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen.

aa) Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen darauf geschlossen werden könnte, die in den Erhebungen zum Teil differenziert nach Region, [X.], [X.] und Sozietät sowie nach [X.]erufserfahrung, Arbeitszeit und Qualifikation (z[X.] Examensnoten, Zusatzqualifikationen) der angestellten Rechtsanwälte angegebenen Werte ließen sich auf seine Verhältnisse übertragen und ermöglichten einen Rückschluss auf die im OLG-[X.]ezirk [X.] übliche Vergütung. Dementsprechend bedarf es auch keiner Erörterung, wie der Kläger die behauptete übliche Monatsvergütung von 2.409,00 Euro brutto zunächst auf 3.237,50 Euro und zuletzt auf mehr als 3.612,50 Euro brutto steigern konnte.

bb) [X.] differenziert überhaupt nicht nach Standort, [X.], Arbeitszeit und Qualifikation der angestellten Rechtsanwälte. Das Gutachten der [X.] trifft keine Aussagen, die auf die Verhältnisse im OLG-[X.]ezirk [X.] schließen lassen könnten. Auch die Studie des Instituts für Freie [X.]erufe Nürnberg (vgl. [X.] 1/2010 S. 2) erlaubt keine Schlüsse auf die am [X.]eschäftigungsort des [X.] übliche Vergütung. Immerhin gelangt diese Studie zu der Feststellung, Rechtsanwälte verdienten - unabhängig von ihrer beruflichen Stellung und dem betrachteten Jahr - mehr, je länger sie beruflich tätig seien. Die Studie ermittelt bezogen auf das [X.] als durchschnittliches Einkommen von in Sozietäten angestellten Rechtsanwälten in den alten und neuen [X.]undesländern bei einer anwaltlichen Tätigkeit von höchstens drei Jahren 38.000,00 Euro brutto, bei einer solchen von vier bis zehn Jahren von 55.000,00 Euro. [X.]esonders wichtig sind die ausgesprochen vagen Aussagen der Studie zur aufgewendeten Wochenarbeitszeit. Sie wird mit „mindestens 40 Stunden“ angegeben. [X.]ezogen auf die alten [X.]undesländer werden als durchschnittliche Wochenarbeitszeit für männliche Rechtsanwälte 49 Stunden und für weibliche 38 Stunden genannt.

f) Die Voraussetzungen einer Schätzung der Höhe der üblichen Vergütung nach § 287 Abs. 2 ZPO iVm. § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO waren für das [X.]erufungsgericht nicht gegeben. Eine solche Schätzung erfordert - unbeschadet ihrer sonstigen Voraussetzungen - die Darlegung der notwendigen Anknüpfungstatsachen (vgl. [X.] 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9; [X.] 16. Januar 2013 - 10 [X.] - Rn. 25 mwN). Eine Schätzung nach bloßer [X.]illigkeit lässt § 287 ZPO nicht zu (vgl. [X.] 26. September 2012 - 10 [X.] - Rn. 27, [X.]E 143, 165). Im Streitfall sind entsprechende Anknüpfungstatsachen nicht festgestellt worden. Dass das [X.]erufungsgericht insoweit entscheidungserheblichen Sachvortrag des [X.] übergangen habe, zeigt die Revision nicht auf.

II[X.] [X.] des [X.] verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Ist kein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung iSv. § 138 [X.]G[X.] festzustellen, liegt auch kein Verstoß gegen § 26 [X.] vor. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob § 26 [X.] ein Verbotsgesetz iSv. § 134 [X.]G[X.] ist.

IV. Anders als vom Kläger angenommen, ist Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der [X.] keine anspruchsbegründende Norm, sondern ein Programmsatz ([X.]/Kleinrahm/Fleck Die [X.]. Art. 24 S. 199; [X.] Die [X.]. Art. 24 Rn. 1 und 3; [X.] in [X.]/[X.] Die [X.]. 24 Rn. 23; [X.]/Schönenbroicher Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen Art. 24 Rn. 9; [X.] [X.] 3. Aufl. Art. 24 [X.]. 5; offengelassen von Deiseroth jurisPR-[X.]VerwG 15/2010 [X.]. 5). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Landesrecht nach Art. 31 GG bereits durch das bis zum 15. August 2014 geltende Gesetz über die Festsetzung von [X.] vom 11. Januar 1952 ([X.]G[X.]l. I S. 17) verdrängt wurde. Jedenfalls hat der [X.]und von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 GG zur Festsetzung von Mindestlöhnen erschöpfend Gebrauch gemacht. Der Eintritt der Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG entzieht landesrechtlichen Regelungen die Kompetenzgrundlage (vgl. [X.]ay. [X.] 3. Februar 2009 - [X.]. [X.] - Rn. 71 ff., 95).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    [X.]iebl    

        

    Weber     

        

        

        

    Reinders     

        

    [X.]     

                 

Meta

5 AZR 663/13

17.12.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamm, 22. Juni 2011, Az: 2 Ca 2007/10, Urteil

§ 612 Abs 2 BGB, § 138 Abs 2 BGB, § 287 Abs 1 S 1 ZPO, § 287 Abs 2 ZPO, § 403 ZPO, Art 72 Abs 1 GG, Art 74 Abs 1 GG, Art 24 Abs 2 S 1 Verf NW, § 705 BGB, § 421 BGB, § 26 RABerufsO, § 287 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.12.2014, Az. 5 AZR 663/13 (REWIS RS 2014, 218)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1709 REWIS RS 2014, 218


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 Ca 2007/10

Arbeitsgericht Hamm, 2 Ca 2007/10, 22.06.2011.


Az. 5 AZR 663/13

Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 663/13, 17.12.2014.


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Referenzen
Wird zitiert von

7 Sa 461/16

2 Ca 678/15 L

12 Sa 54/16

17 Sa 1396/20

3 Sa 450/20

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