Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.03.2016, Az. 1 StR 619/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 15219

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Gegenstand

Strafurteil: Strafzumessung bei Wegfall einer verjährten tateinheitlich begangenen Straftat; notwendige Feststellungen bei Steuerhinterziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2015

a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt worden ist;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschung entfällt;

c) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 15 Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit drei Fällen der Steuerhinterziehung, zwei Fällen der versuchten Steuerhinterziehung, vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und zwei Fällen des vorsätzlichen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.] unbegründet.

2

1. Die Verurteilung wegen [X.] begangener Urkundenfälschung in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe kann, wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, keinen Bestand haben, weil insoweit die Strafverfolgung verjährt ist. Bei Tateinheit läuft für jedes Delikt die Verjährungsfrist gesondert (st. Rspr.; vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 1 StR 503/08, [X.], 43). Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a StGB). Beendet waren die Urkundenfälschungen mit Vorlage der Unterlagen bei der Bank. Die Vorlage erfolgte in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] vor dem 24. September 2007. Die für den Straftatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) geltende Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die erste verjährungsunterbrechende Handlung war der Haftbefehl vom 24. September 2012 (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB). Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist jedoch bereits abgelaufen.

3

Der Eintritt der Verjährung begründet ein Verfolgungshindernis hinsichtlich des betreffenden [X.], das der [X.] wegen zu beachten hat. Dies führt in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe zum Wegfall des jeweils [X.] mit Betrug erfüllten Tatbestands der Urkundenfälschung (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 2 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 206a Rn. 5). Insoweit hat der [X.] den Schuldspruch geändert.

4

2. Der Wegfall der [X.] begangenen Urkundenfälschungen in den Fällen 10, 12, [X.], [X.] und [X.] führt zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen. Zwar dürfen auch verjährte Taten mit dem ihnen noch zukommenden Gewicht strafschärfend verwertet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1989 - 3 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11). Der [X.] kann aber nicht ausschließen, dass der Wegfall der [X.]en Delikte im Schuldspruch bei der Strafzumessung der Einzelstrafen in Kenntnis der Verjährung der Urkundenfälschungen zu einer milderen Bestrafung geführt hätte, zumal die Kammer ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte neben dem Betrug [X.] noch einen weiteren Straftatbestand verwirklicht hat.

5

3. [X.] in zwei Fällen hat keinen Bestand, denn der [X.] kann anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen, ob das [X.] die Höhe der für den Veranlagungszeitraum 2011 festzusetzenden Gewerbe- und Körperschaftsteuer zutreffend errechnet hat. Die Kammer teilt lediglich mit, der Gewerbeertrag der GmbH bzw. deren Einkommen habe jeweils 797.000 € betragen.

6

Das [X.] hat versäumt, ausreichende Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen zu treffen. Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ [X.]) reicht es regelmäßig nicht aus, dass die den Straftatbestand ausfüllende steuerrechtliche Norm bezeichnet und die Summe der verkürzten Steuern in den Urteilsgründen mitgeteilt wird. Vielmehr müssen die Urteilsgründe gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 [X.] für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum unter [X.] so klare Feststellungen treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden steuerrechtlichen Gesichtspunkte als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Dazu gehören jedenfalls diejenigen Tatsachen, die den staatlichen Steueranspruch begründen, und diejenigen Tatsachen, die für die Höhe der geschuldeten und der verkürzten Steuern von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 1. September 2015 - 1 StR 12/15, [X.], 477; vom 19. August 2015 - 1 [X.], [X.], 476; vom 13. Juli 2011 - 1 [X.] und vom 24. Juni 2009 - 1 [X.], [X.], 396 f.; Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 2546 mwN).

7

Der Rechtsfehler betrifft auch die dem Schuldspruch jeweils wegen versuchter Steuerhinterziehung zugehörigen Feststellungen, die daher ebenfalls aufzuheben sind (§ 353 Abs. 2 [X.]).

8

Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen entzieht den zugehörigen Einzelstrafaussprüchen die Grundlage.

Raum                                Jäger                             Radtke

                [X.]

Meta

1 StR 619/15

02.03.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Würzburg, 15. Juni 2015, Az: 5 KLs 711 Js 12673/12

§ 46 Abs 2 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 263 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 1 S 1 StPO, § 370 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.03.2016, Az. 1 StR 619/15 (REWIS RS 2016, 15219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15219

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