Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 29 W (pat) 184/10

29. Senat | REWIS RS 2012, 8486

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SCANTAX/ANTAX" – zur Kennzeichnungskraft - Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 17 456

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 7. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschlüsse des [X.] vom 23. Januar 2008 und 19. April 2010 werden aufgehoben. Das [X.] hat die Löschung der Marke 305 17 456 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 399 85 340 anzuordnen.

Gründe

I.

1

[X.]ie Wortmarke

2

S[X.][X.]

3

ist am 23. März 2005 angemeldet und am 27. September 2005 unter der Nummer 305 17 456 als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden für [X.]ienstleistungen der

4

[X.]lasse 35:

5

Erstellung von Steuererklärungen;

6

[X.]lasse 36:

7

Finanzwesen; Erstellung von Steuergutachten und –schätzungen;

8

[X.]lasse 42:

9

Rechtsberatung; juristische Beratung in Steuerangelegenheiten.

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 28. Oktober 2005 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren Marke

[X.]

die am 4. April 2000 unter der Nummer 399 85 340 eingetragen wurde für [X.]ienstleistungen der

[X.]lasse 35:

[X.]ienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Personalberatung, Unternehmensberatung; [X.]ienstleistungen eines Steuerberaters;

[X.]lasse 41:

Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von [X.]ruckerzeugnissen; [X.]urchführung von Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen, Training auf den Gebieten Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Veranstaltung von Seminaren;

[X.]lasse 42:

[X.]ienstleistungen eines Rechtsanwalts; Steuerrechtsberatung, Erstellen von Programmen für die [X.]atenverarbeitung;

Widerspruch erhoben.

[X.]ie Markenstelle für [X.]lasse 35 des [X.] hat mit Beschlüssen vom 23. Januar 2008 und 19. [X.], von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Vergleichsmarken könnten sich bei identischen [X.]ienstleistungen, [X.] bei [X.]ienstleistungen eines Steuerberaters oder eines Rechtsanwaltes, begegnen, weil die [X.] "Erstellung von Steuererklärungen" und "Rechtsberatung" darunter fielen. Bei den Adressaten dieser [X.]ienstleistungen handele es sich um Fachkreise oder Laien, die eine gewisse Sorgfalt walten ließen. Angesichts von über 70.000 Steuerberatern in der [X.] sei der Hinweis auf die Benutzung der Widerspruchsmarke durch 200 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht ausreichend, um auf deren gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft schließen zu können. [X.]er bei durchschnittlicher [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderliche deutliche Markenabstand werde selbst bei Identität der [X.]ienstleistungen und bei Anwendung nur durchschnittlicher Sorgfalt noch eingehalten. [X.]ie beiden Markenwörter verfügten zwar je nach Aussprache über eine ähnliche bzw. identische [X.], die gleiche [X.] und einen ähnlichen Sprech- und Betonungsrhythmus, aber sie unterschieden sich auffällig am erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortbeginn. [X.]ie angegriffene Marke beginne mit dem zwei klangstarken, harten [X.]onsonanten, nämlich dem Zischlaut "S" und dem als [X.] "[X.]" ausgesprochenen "[X.]". [X.]ie jüngere Marke klinge daher härter als die Widerspruchsmarke. [X.]a die Betonung auf dem sich unterscheidenden Wortbeginn liege, seien Verwechslungen in klanglicher Hinsicht auszuschließen. Es bestehe auch kein Anlass, einen Bestandteil der beiden Marken wegzulassen oder zu vernachlässigen. Ferner diene der Sinngehalt des nur in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteils "S[X.]AN" mit der Bedeutung "scannen, Scanner" dazu, Hör- und [X.] zu vermeiden. [X.] unterschieden sich die Marken durch die typische Umrisscharakteristik der Buchstaben "S[X.]" der jüngeren Marke ausreichend. Für weitere Verwechslungsgefahren sei nichts vorgetragen oder ersichtlich. [X.]ie Entscheidung des Amtes vom 28. April 2003 zu "[X.][X.]/[X.]" (Anlage 3, [X.]. 136 – 139 VA) sei aufgrund des klangschwachen [X.]onsonanten "[X.]" als einzigem Unterschied anders gelagert.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt,

die Beschlüsse des [X.] vom 23. Januar 2008 und 19. April 2010 aufzuheben und die angegriffene Marke vom [X.] löschen zu lassen.

Sie vertritt die Ansicht, die Vergleichsmarken seien für identische bzw. hochgradig ähnliche [X.]ienstleistungen eingetragen. [X.]er Widerspruchsmarke komme eine gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft zu, weil sie deutschlandweit von neun Steuerberatungsgesellschaften benutzt werde (Anlage 1, [X.]. 54 – 72 VA; Anlage 2, [X.]. 83 – 113 VA; Anlage 5, [X.]. 29 f. GA). Bis auf die beiden Anfangsbuchstaben des jüngeren Markenwortes stimmten die Marken überein, so dass ein hoher Grad schriftbildlicher Ähnlichkeit bestehe. Auch in klanglicher Hinsicht seien die Vergleichsmarken hochgradig ähnlich, weil sie über die gleiche [X.] und die gleiche [X.] verfügten. [X.]en einzigen Unterschied bildeten die beiden Anfangskonsonanten der angegriffenen Marke. Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen könne eine alleinige Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr nicht ausschließen. Obwohl die Widerspruchsmarke eine Fantasiebezeichnung sei, während die jüngere Marke Assoziationen zu "scannen von Steuern" bzw. "skandinavische Steuern" erwecke, reiche dieser Unterschied im Sinngehalt nicht aus, um eine [X.]ollision zu vermeiden. [X.]enn zum einen sei der Sinngehalt nicht eindeutig, zum anderen sei er den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen nicht derart geläufig, dass er auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst würde.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben. Im Verfahren vor dem [X.] ist sie der Auffassung gewesen, die beiden Marken unterschieden sich deutlich in der Wortlänge. Ferner entfalle auf jeden der beiden zusätzlichen Buchstaben der jüngeren Marke ein eigener, markanter, gut hörbarer Laut. Sowohl der [X.] "S" als auch der Gutturallaut "[X.]" seien klanglich deutlich wahrnehmbar. [X.]ies gelte umso mehr, als sie am stärker beachteten Wortanfang stünden. [X.]er stimmlose [X.]oppellaut "sk" falle vor einem Vokal deutlich mehr auf als [X.] der stimmhafte [X.]onsonant "d". Auch unter ungünstigen akustischen Bedingungen, [X.] am Telefon oder bei Umgebungslärm, sei das "S" nicht zu überhören, zumal es durch das "[X.]" noch verstärkt werde. [X.]ie Widerspruchsmarke sei nur einem begrenzten Personenkreis bekannt. [X.]a es sich bei ihr um einen Fantasiebegriff handele, gebe es keinen gemeinsamen Wortstamm. Wegen der von der angegriffenen Marke hervorgerufenen Assoziationen "Scannen von Steuern" und "skandinavische Steuern" bestehe auch ein begrifflicher Unterschied.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.]ie zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht entgegen der Ansicht der Markenstelle eine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, [X.].

[X.]ie Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder [X.]ienstleistungen sowie der [X.]ennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder [X.]ienstleistungen oder durch eine erhöhte [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt ([X.], 865, 866 - [X.]; [X.], 598, 599 - [X.]leiner Feigling; [X.], 783, 784 - [X.]/[X.]; [X.], 60, 61 Rdnr. 12 - coccodrillo; [X.], 859, 860 Rdnr. 16 – [X.]; [X.] 2008, 405 [X.]. 10 - [X.]; [X.], 906 - [X.]; [X.], 258, 260 Rdnr. 20 – INTER[X.]ONNE[X.]T/T-Inter[X.]onnect; [X.], 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 - [X.]/AI[X.]U; [X.] [X.], 237, 238 – PI[X.]ARO/PI[X.]ASSO).

Nach diesen Grundsätzen kann eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen nicht verneint werden.

1. Nach der [X.] werden die Vergleichsmarken im streitgegenständlichen Bereich zur [X.]ennzeichnung teilweise identischer und teilweise durchschnittlich ähnlicher [X.]ienstleistungen verwendet.

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder [X.]ienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ([X.], 507, 508 – [X.]/R[X.], [X.], 601 - d-c-fix/[X.][X.]-FIX, [X.] [X.] 2009, 47, 53 Rdnr. 65 – Edition Albert René).

a) [X.]a die für die jüngere Marke eingetragenen [X.]ienstleistungen "Erstellung von Steuererklärungen" ([X.]lasse 35) und "Erstellung von Steuergutachten und –schätzungen ([X.]lasse 36) zur typischen Tätigkeit eines Steuerberaters gehören, sind sie mit den für die Widerspruchsmarke geschützten "[X.]ienstleistungen eines Steuerberaters" ([X.]lasse 35) identisch. Identität liegt auch zwischen den für die angegriffene Marke in [X.]lasse 42 registrierten [X.]ienstleistungen "Rechtsberatung; juristische Beratung in Steuerangelegenheiten" und den in [X.]lasse 45 eingetragenen [X.] "[X.]ienstleistungen eines Rechtsanwaltes, Steuerrechtsberatung" vor.

b) Eine durchschnittliche Ähnlichkeit besteht zwischen den in [X.]lasse 36 für die jüngere Marke geschützten [X.]ienstleistungen "Finanzwesen" und den [X.] eines Steuerberaters.

Nach den erläuternden Anmerkungen zur [X.]lasseneinteilung im [X.] über die Internationale [X.]lassifikation von Waren und [X.]ienstleistungen für die Eintragung von Marken (Anlage 1 zu § 19 Abs. 1 [X.]) fallen unter die in Finanz- und Geldangelegenheiten geleisteten [X.]ienste insbesondere [X.]ienstleistungen von Bank- oder [X.]reditinstituten, von Investment- oder Holdinggesellschaften, von Wertpapier- oder Gütermaklern, von Treuhändern im Zusammenhang mit Geldangelegenheiten und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausgabe von Reiseschecks und [X.]reditbriefen. Unter Finanzwesen wird somit die Gesamtheit aller [X.]ienstleistungen verstanden, die rund um Geld und geldgleiche Vermögensgegenstände erbracht werden, soweit sie nicht im Hinblick auf ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt dem Versicherungs- oder Immobilienwesen bzw. einer anderen [X.]lasse zuzuordnen sind. [X.]emzufolge müssen die Finanzen im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen. Es reicht nicht aus, wenn sie nur eine untergeordnete Bedeutung im Rahmen einer anderen [X.]ienstleistung aufweisen. Steuerberater beschäftigen sich mit Finanzen. So spielen beispielsweise im Rahmen der Ausarbeitung von Steuererklärungen das Geld und geldgleiche Vermögensgegenstände eine maßgebliche Rolle, so dass von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit zwischen Finanzwesen einerseits und den [X.]ienstleistungen von Steuerberatern andererseits auszugehen ist ([X.] (pat) 37/06; [X.]/Stoppel, [X.]ie Ähnlichkeit von Waren und [X.]ienstleistungen, 15. Aufl., S. 349).

2. [X.]ie identischen und durchschnittlich ähnlichen [X.]ienstleistungen richten sich sowohl an Inhaber von Gewerbebetrieben und leitende Angestellte von Unternehmen als auch an Privatpersonen.

Soweit allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware und/oder [X.]ienstleistung befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen [X.]urchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware bzw. der in Anspruch genommenen [X.]ienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (BGH [X.] 2000, 140, 144 – ATTA[X.]HÉ/TISSERAN[X.]; GRUR 1998, 942, 943 linke Spalte – AL[X.]A-SELTZER; [X.] [X.] 1999, 236, 239 Rdnr. 24 – [X.]/Loint´s).

[X.]ie hier betroffenen Steuer- und Rechtsberatungsdienstleistungen werden regelmäßig ganz gezielt in Anspruch genommen, so dass die Erbringer mit einer gewissen Sorgfalt ausgewählt werden. [X.]aher ist zumindest von einem leicht erhöhten Aufmerksamkeitsgrad auszugehen.

3. [X.]ie [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "[X.]" ist als normal einzustufen.

a) Grundsätzlich ist von einer normalen [X.]ennzeichnungskraft auszugehen, es sei denn, es liegen im konkreten Einzelfall negative, die [X.]ennzeichnungskraft schwächende Umstände vor, wie etwa eine waren- bzw. dienstleistungsbeschreibende Bedeutung oder eine häufige anderweitige Verwendung. [X.]erartige Anhaltspunkte sind jedoch nicht ersichtlich.

(www.leo.org), die einen sachlichen Bezug zu den Steuer(rechts)beraterdienstleistungen herstellen könnte, tritt nicht als selbständiger Bestandteil hervor.

b) Eine gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft kann der Widerspruchsmarke nicht beigemessen werden.

Für die Annahme eines wesentlich größeren Schutzbereichs der Widerspruchsmarke reicht es nicht aus vorzutragen und zu belegen, dass diese deutschlandweit von neun Steuerberatungsgesellschaften und damit von mehr als … Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwaltskanzleien benutzt wird, die im [X.] kooperieren und auf die Betreuung von mehr als … Heilberuflernspezialisiert sind. Es fehlen vielmehr konkrete Angaben der Widersprechenden zu ihrem Marktanteil, [X.] ermittelt durch Verkehrsbefragungen, und zu ihren [X.] jeweils im Vergleich zu [X.]onkurrenzprodukten der Mitbewerber ([X.] [X.] 1999, 236, 239 (Nr. 23, 24) - [X.]; GRUR 2002, 804, 808 (Nr. 60 - 62) - [X.]; [X.], 1067, 1069 - [X.][X.]V/O[X.]V; GRUR 2003, 1040, 1044 –[X.]inder; [X.] 44, 1, 4 - [X.]orodin). Weder ist der für die Widerspruchsmarke getätigte Werbeaufwand konkret beziffert worden, noch sind eine Verkehrsbefragung oder sonstige Unterlagen über den Marktanteil vorgelegt worden, obwohl sowohl die Markenstelle als auch die Beschwerdegegnerin ausdrücklich auf den insoweit unzureichenden Vortrag hingewiesen haben.

3. Ausgehend von einer durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie identischen und mittelgradig ähnlichen [X.]ienstleistungen, denen eine leicht erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand nicht mehr ein.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; BGH [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE [X.]ORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). [X.]er Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im [X.]lang, im (Schrift)Bild und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus ([X.], 340, 347 - Lions; BGH [X.] 2008, 393, 395 Rdnr. 21 - HEITE[X.]). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben ([X.], 783, 784 – [X.]/[X.]).

[X.]ie sich hier gegenüberstehenden Marken werden schriftbildlich und klanglich ähnlich wahrgenommen.

a) [X.]ie zusätzlichen Buchstaben "S" und "[X.]" am Anfang der angegriffenen Marke fallen angesichts der übrigen fünf identischen Buchstaben an gleicher Position kaum ins Gewicht. Allein die Hinzufügung von zwei weiteren Buchstaben "S" und "[X.]" zur Widerspruchsmarke kann den Gesamteindruck der Ähnlichkeit nicht deutlich verändern, so dass zumindest eine durchschnittliche visuelle Ähnlichkeit vorliegt.

b) In klanglicher Hinsicht stimmen die gegenüberzustellenden reinen Wortmarken in [X.], [X.] sowie Sprech- und Betonungsrhythmus vollständig überein. [X.]as Markenwort der Widerspruchsmarke "[X.]" ist in der angegriffenen Marke identisch enthalten. [X.]er einzige Unterschied besteht in den beiden Anfangsbuchstaben "S[X.]" der jüngeren Marke. Zwar kann der Anfang von Wortmarken geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers stärker auf sich zu ziehen als die folgenden Bestandteile, aber bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann eine alleinige Abweichung am Wortanfang eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen ([X.], 972, 974 – [X.]; [X.] (pat) 132/01 – [X.]/[X.]). [X.]a zweisilbige Wörter mit fünf oder mehr Buchstaben – wie hier – keine [X.]urzwörter darstellen ([X.] 1971, 50, 51 – [X.]renin/[X.]reon), fallen auch Abweichungen weniger ins Gewicht.

Bei dem Anfangsbuchstaben "S" der jüngeren Marke handelt es sich um einen klangschwachen [X.]onsonanten und stimmlosen [X.], der nur kurz ausgesprochen wird. [X.]as wie ein "[X.]" artikulierte "[X.]" ist zwar ein klangstarker [X.]onsonant, aber auch dieser [X.] ist kurz und stimmlos, so dass der insgesamt stimmlose [X.]oppellaut "S[X.]" bei Aussprache und Betonung nicht deutlich genug in Erscheinung tritt. [X.]enn das angesprochene Publikum kann die Vergleichsmarken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehmen und miteinander vergleichen, sondern gewinnt seine Auffassung nur aufgrund eines meist undeutlichen [X.] an eine Marke. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Wiedergabe der Marken häufig nur unter ungünstigen akustischen Bedingungen, wie [X.] am Telefon oder bei Umgebungslärm, erfolgt, was ein korrektes Verstehen erschwert. [X.]er stimmlose und teilweise klangschwache [X.]oppellaut "S[X.]" wird daher bei Betonung und Aussprache kaum wahrgenommen. [X.]a die Vergleichsmarken im Übrigen identisch sind, besteht eine hochgradige phonetische Ähnlichkeit.

c) Eigentlich scheidet ein begrifflicher Vergleich schon deshalb aus, weil beide Marken aus Fantasiewörtern bestehen. Aber selbst wenn man der jüngeren Marke einen gewissen begrifflichen Gehalt entnähme, würde dieser schwache Bedeutungsunterschied schon angesichts der hochgradigen klanglichen und mittelgradigen schriftbildlichen Ähnlichkeit nicht ausreichen, die Verwechslungsgefahr auszuschließen.

[X.]er Bestandteil "S[X.]AN" der angegriffenen Marke kann entweder auf den technischen Vorgang des [X.], also des Abtastens von Texten oder Bildern, hinweisen, etwa um sie E[X.]V-mäßig zu erfassen ([X.]uden – [X.]eutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [[X.][X.]-ROM]), im Sinne von "prüfen" verstanden werden (www.leo.org), oder – auch wenn lexikalisch nicht nachweisbar – auf "[X.]" (Skandinavien, www.leo.org) hindeuten. [X.]ann käme der jüngeren Marke entweder die Bedeutung "scannen der Steuer", "prüfen der Steuer" oder "skandinavische Steuer" zu. In der älteren Marke ist der Begriff "TAX" aber auch enthalten, so dass beide Marken den [X.] Begriff für "Steuer" als gemeinsamen Bestandteil aufweisen, was aber die Verwechslungsgefahr eher noch verstärken würde.

Meta

29 W (pat) 184/10

07.03.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 29 W (pat) 184/10 (REWIS RS 2012, 8486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8486

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26 W (pat) 62/14

30 W (pat) 521/19

30 W (pat) 26/20

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