Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.09.2012, Az. X S 26/12 (PKH)

10. Senat | REWIS RS 2012, 2975

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Gegenstand

PKH: Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - Kein Vertretungszwang bei Antrag auf Bewilligung von PKH


Leitsatz

1. NV: Versäumt es ein Antragsteller, innerhalb der Rechtsmittelfrist die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den dafür eingeführten Vordrucken sowie die entsprechenden Belege vorzulegen, kann er sich nicht auf Unkenntnis berufen. Er muss sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen. Die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (ständige BFH-Rspr.) .  

2. NV: Es ist allein Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, den Steuerpflichtigen über den Termin der mündlichen Verhandlung zu informieren. Die fehlende persönliche Ladung stellt keinen Verfahrensfehler dar .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage des Antragstellers wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2003 bis 2005, der gesonderten Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer jeweils zum 31. Dezember 2003, 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005, wegen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 2003, 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 (Steuernummer 23/357/60801 sowie wegen Gewerbesteuer 2005 (Steuernummer 23/357/61263) mit Urteil vom 13. Juni 2012 abgewiesen. Das Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 3. Juli 2012 zugestellt. Der nicht gemäß § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) vertretene Antragsteller hat innerhalb der Rechtsmittelfrist sinngemäß angekündigt, er wolle Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil einlegen, wobei er nicht über die Mittel verfüge, die für die Beauftragung eines Anwaltes notwendig seien.

2

Zur Begründung seiner künftigen Nichtzulassungsbeschwerde hat er vorgetragen, es liege eine fehlerhafte Beurteilung der Beweismittel durch das [X.] vor. Auch habe das [X.] die Willkür des Beklagten nicht erkannt. Zudem habe er wegen Unkenntnis nicht zum Gerichtstermin erscheinen können, da ihn sein Anwalt über den Termin nicht informiert habe. Dieser sei auch nicht selbst zum Termin erschienen. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Antragsteller am 29. August 2012 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vorgelegt.

Entscheidungsgründe

3

II. Der angerufene [X.] legt das Begehren des Antragstellers als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus.

4

Der Antrag wird abgelehnt.

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1. Der Antragsteller konnte den Antrag auf Bewilligung von PKH selbst wirksam stellen; für einen derartigen Antrag besteht kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 [X.]O (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 16. September 2010 XI S 18/10 (PKH), [X.], 2295).

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2. Das Gesuch um Bewilligung von PKH ist jedoch abzulehnen, weil es der Antragsteller versäumt hat, innerhalb der Rechtsmittelfrist, die am 3. August 2012 ablief, die nach § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den dafür eingeführten Vordrucken sowie entsprechende Belege vorzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]sbeschluss vom 17. November 2009 [X.] (PKH), [X.], 232, m.w.N.). Dabei kann sich der Antragsteller nicht auf Unkenntnis berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (z.B. ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. z.B. Beschluss vom 1. Juli 2002 VII B 98/02, [X.]/NV 2002, 1337).

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3. Zudem bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung (Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision durch das [X.]) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Zwar fehlt die hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht schon deshalb, weil der Antragsteller bei Einlegung der Beschwerde --entgegen § 62 Abs. 4 [X.]O-- nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer oder eine [X.] und 3 des [X.] als Bevollmächtigten vertreten war und demzufolge die Beschwerde unzulässig ist. Denn dem Antragsteller könnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden (§ 56 [X.]O), falls er (durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten) erneut Beschwerde einlegte und gleichzeitig den entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag stellte.

8

4. Der angerufene [X.] vermag jedoch bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des vom Antragsteller beanstandeten [X.]-Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

9

Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 [X.]O gebietet. Der [X.] vermag auch nicht zu erkennen, dass das [X.]-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu [X.]-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, [X.]E 196, 30, [X.] 2001, 837).

Soweit der Kläger meint, das [X.] habe Beweismittel außer Acht gelassen, die für ihn günstig seien, rügt er eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Einwendungen gegen die finanzgerichtliche Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich jedoch dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Nachprüfung durch den [X.] im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen (ständige Rechtsprechung des [X.], siehe u.a. Beschluss vom 18. August 2003 IX B 49/03, [X.]/NV 2004, 65; [X.]sbeschluss vom 19. Mai 2000 X B 75/99, [X.]/NV 2000, 1458; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76 und 82, jeweils m.w.N.).

Schließlich beruht das Urteil auch nicht erkennbar auf einem Verfahrensmangel, der --auf der Grundlage des vom [X.] eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- dessen Entscheidung hätte beeinflussen können (zu Letzterem vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 79 und 96, m.w.N. aus der Rechtsprechung des [X.]). Vor allem hat das [X.] den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O) und auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) nicht verletzt. Der Hinweis des [X.], er sei nicht persönlich geladen worden, mit der Folge, dass er an der mündlichen Verhandlung nicht habe teilnehmen können, beschreibt keinen Verfahrensfehler. Gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 [X.]O sind Zustellungen während des finanzgerichtlichen Verfahrens an den bestellten Bevollmächtigten zu richten (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. September 2003 IV B 52/02, [X.]/NV 2004, 205). Den Kläger über den Termin der mündlichen Verhandlung zu informieren, war damit allein Aufgabe seines Prozessbevollmächtigten (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 22. März 1994 [X.], [X.]/NV 1994, 499, und vom 18. Dezember 2009 III B 118/08, [X.], 665), dem die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 mit Wirkung für und gegen den Kläger mit Schreiben des [X.] vom 7. März 2012 ordnungsgemäß zugestellt worden war. Der Bevollmächtigte war zudem gemäß § 91 Abs. 2 [X.]O darauf hingewiesen worden, dass im Falle seines Ausbleibens auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden konnte.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 [X.]O i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem [X.]).

Meta

X S 26/12 (PKH)

20.09.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 62 Abs 6 S 5 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 117 Abs 2 ZPO, § 62 Abs 4 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.09.2012, Az. X S 26/12 (PKH) (REWIS RS 2012, 2975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2975

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