Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.09.2011, Az. II S 5/11 (PKH)

2. Senat | REWIS RS 2011, 3604

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Gegenstand

Antrag auf PKH durch vorgeblich prozessunfähigen Bevollmächtigten - Keine verpflichtende Beifügung eines PKH-Vordrucks bei einem FG-Urteil


Leitsatz

NV: Ein wirksamer PKH-Antrag kann nur von einem prozessfähigen Bevollmächtigten gestellt werden. Die Prozessfähigkeit ist insoweit Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) ließ sich vor dem Finanzgericht ([X.]) in einem Klageverfahren wegen Grunderwerbsteuer zunächst von einer Rechtsanwältin und nach Mandatsniederlegung von einem Prozessbevollmächtigten vertreten, der nicht zu dem nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Vertretung vor dem [X.] ([X.]) berechtigten Personenkreis gehört und der dem [X.] mitgeteilt hatte, wegen einer längerfristigen Erkrankung nicht prozessfähig zu sein.

2

Am 30. März 2011 verhandelte das [X.] ohne Anwesenheit des Antragstellers und seines durch förmliche Zustellung geladenen Bevollmächtigten und wies am Ende der mündlichen Verhandlung die Klage als unbegründet ab. Hinsichtlich der behaupteten Prozessunfähigkeit führte das [X.] aus, dem Antragsteller habe es freigestanden, den Prozess vor dem [X.] selbst zu führen oder einen anderen Vertreter zu bestellen. Das Urteil des [X.] wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt, indem es dem Prozessbevollmächtigten am 2. April 2011 persönlich übergeben wurde.

3

Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im [X.]-Urteil wehrt sich der Antragsteller durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27. April 2011, mit dem er zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

4

Mit Schreiben vom 3. Mai 2011 hat die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung PKH dann nicht gewährt werden kann, wenn die auf dem amtlichen Vordruck abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozessordnung --ZPO--) nicht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Gericht vorgelegt wird. Die Geschäftsstelle hat zugleich den entsprechenden Vordruck übersandt und den Prozessbevollmächtigten gebeten, die Gründe für das verspätete Einreichen des Vordrucks mitzuteilen.

5

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom 10. Mai 2011 die ausgefüllten Formulare sowie Nachweise vorgelegt und geltend gemacht, er und der Antragsteller seien nicht mehr in [X.] ansässig. Das [X.] habe es zudem versäumt, die für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen PKH-Formulare seinem Urteil beizufügen. Auch habe das örtlich zuständige Amtsgericht jede Rechtshilfe verweigert.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Antrag auf Bewilligung von [X.] und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] wird abgelehnt. Der Antrag hat unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers prozessfähig ist oder nicht, keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Soweit der Prozessbevollmächtigte [X.] sein sollte, wäre er nach § 58 Abs. 1 [X.]O nicht in der Lage, Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Zwar besteht für einen [X.] insoweit kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 [X.]O ([X.]-Beschluss vom 16. September 2010 [X.] ([X.]), [X.]/NV 2010, 2295). Das ändert aber nichts daran, dass ein wirksamer [X.] nur von einem prozessfähigen Bevollmächtigten gestellt werden kann. Die Prozessfähigkeit ist insoweit Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung, d.h. sie ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags und für die Wirksamkeit jeder einzelnen Prozesshandlung, die von, für oder gegenüber den Prozessbeteiligten vorgenommen wird (vgl. [X.]-Beschluss vom 10. April 2003 [X.]/01, [X.]/NV 2003, 1197; Gräber/von [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 58 Rz 1, m.w.N.).

8

2. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers prozessfähig sein sollte, hätte der von ihm eingereichte [X.] deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil er es versäumt hat, innerhalb der insoweit maßgeblichen Rechtsmittelfrist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 17. November 2009 [X.]/09 ([X.]), [X.]/NV 2010, 232, m.w.N.) die nach § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den dafür eingeführten Vordrucken sowie entsprechende Nachweise vorzulegen. Der Prozessbevollmächtigte hat die entsprechenden Unterlagen erst am 10. Mai 2011 und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim erkennenden Gericht vorgelegt. Dem Prozessbevollmächtigten wurde das [X.] durch persönliche Übergabe am 2. April 2011 wirksam zugestellt. Die Rechtsmittelfrist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O endete damit am 2. Mai 2011. Angesichts der durch persönliche Übergabe an den Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Zustellung kann sich der Antragsteller insoweit nicht darauf berufen, er oder sein Prozessbevollmächtigter seien nicht mehr in [X.] ansässig (gewesen).

9

Dem Antragsteller ist auch keine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 [X.]O in die versäumte Frist zu gewähren, denn er war nicht ohne Verschulden daran gehindert, die Frist zur Einreichung der entsprechenden Formulare einzuhalten. Zunächst kann er sich nicht auf Unkenntnis berufen, denn es ist seine Aufgabe, sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von [X.] selbst kundig zu machen; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (z.B. [X.]-Beschluss vom 1. Juli 2002 [X.]/02, [X.]/NV 2002, 1337). Es war auch nicht Aufgabe des [X.], seinem Urteil bereits [X.] mit Blick auf ein etwaiges Beschwerdeverfahren beizufügen. Ganz abgesehen davon, dass gegen die meisten [X.]e gerade keine Rechtsmittel eingelegt werden, ist es nicht Aufgabe des [X.], etwaige Verfahrenshandlungen unterlegener Beteiligter vorwegzunehmen und zusätzlich auch noch zu unterstellen, dass diese (weiterhin) nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf [X.] angewiesen sein könnten. Soweit der Antragsteller geltend macht, ein örtlich zuständiges Gericht habe ihm jede Rechtshilfe verweigert, hat er diesen Vortrag nicht näher konkretisiert. Im Übrigen hätte es ihm aber auch jederzeit --und sei es aus dem [X.], die entsprechenden Formulare beim [X.] oder beim [X.] anzufordern.

3. [X.] könnte dem Antragsteller schließlich auch deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde nach der gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Der angerufene [X.] vermag bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des vom Antragsteller beanstandeten [X.]s keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

a) Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 [X.]O gebietet. Soweit der Antragsteller die Frage aufgeworfen hat, ob es zulässig ist, die Grunderwerbsteuerfestsetzung auf Grundlage des vollen Grundstückskaufpreises vorzunehmen, wenn noch ein zivilrechtliches Verfahren wegen Kaufpreisrückabwicklung oder -minderung anhängig ist, ergibt sich ihre Beantwortung schon aus dem Gesetz. Bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes folgt nämlich, dass eine Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung erst dann in Betracht kommt, wenn es im Falle des bereits erfolgten [X.] am Grundstück zu einem Rückerwerb durch den Veräußerer bzw. zur Herabsetzung des Kaufpreises gekommen ist. Dies schließt eine Aufhebung bzw. Änderung der nach dem vereinbarten Kaufpreis vorgenommenen Grunderwerbsteuerfestsetzung lediglich aufgrund eines anhängigen Zivilprozesses wegen Kaufpreisrückabwicklung oder -minderung aus.

b) Der [X.] vermag nicht zu erkennen, dass das [X.] mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten tragenden und abstrakten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage abgewichen wäre (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O). Das Urteil des [X.] beruht auch nicht auf einem erkennbaren Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), der --auf der Grundlage des vom [X.] eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- dessen Entscheidung hätte beeinflussen können. Schließlich ist nicht erkennbar, dass das [X.] infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erschiene und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar wäre (vgl. hierzu [X.]-Beschluss vom 30. August 2001 [X.], 80/01, [X.]E 196, 30, [X.] 2001, 837).

4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 [X.]O i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).

Meta

II S 5/11 (PKH)

02.09.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

§ 56 Abs 1 FGO, § 58 Abs 1 FGO, § 62 Abs 4 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 2 S 1 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 117 Abs 2 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.09.2011, Az. II S 5/11 (PKH) (REWIS RS 2011, 3604)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3604

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