Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2002, Az. 3 StR 41/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2002, 2129

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[X.]/02vom25. Juli 2002in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am25. Juli 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Mai 2001 im Strafausspruch und hin-sichtlich der Anordnung des teilweisen [X.] [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die Unterbringung ineiner Entziehungsanstalt angeordnet und den [X.] eines Drittels [X.] vor der Maßregel angeordnet.Nach den Feststellungen wollte sich der heroinabhängige, aktuell unterEntzug leidende Angeklagte Heroin verschaffen. Da er annahm, daß sein mitdiesem Rauschmittel Handel treibender Untermieter Vorräte hatte, entschloß ersich, ihn zu berauben. Hierzu versetzte er dem gerade schlafenden Opfer ei-nen gezielten Messerstich, um es widerstandsunfähig zu machen und dann das- 3 -Rauschgift wegnehmen zu können. Nach dem lebensgefährlichen Stich leistetedieses jedoch unerwarteten Widerstand. Der Angeklagte erschrak [X.] stark blutenden Wunde, nahm - freiwillig - von der weiteren [X.] und bemühte sich um die Rettung des Opfers, das schließlich über-lebte.Die [X.] ist zum Ergebnis gekommen, daß der Angeklagte [X.] bedingtem Tötungsvorsatz zugestochen hat, dann aber vom [X.] und des [X.] freiwillig zurückgetreten ist.Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchsund des [X.], im übrigen hat sie keinen Erfolg.I. Verfahrensrügen:1. Die Besetzungsrüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig. Zum einen wird die Be-setzung der [X.] nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landge-richts vom 11. Dezember 2000 ohne den Zusatz für [X.]"1/10(Verfahren 5 SG 30/96)" und damit unvollständig mitgeteilt, und zum anderenlegt die Revision nicht die näheren Umstände für die Mitwirkung dieses Rich-ters am [X.] dar. Da dem ersichtlich eine Abordnung vom [X.] an das [X.] Oldenburg zugrunde lag, hätten die entsprechen-den Tatsachen vorgetragen werden müssen, um dem Revisionsgericht dieNachprüfung zu ermöglichen, in welchem Umfang und für welche Zeit dieserRichter der [X.] des [X.]s angehörte. Dazu hätte um so- 4 -mehr Veranlassung bestanden, als der [X.] die fehlende Mitwir-kung von [X.] an den [X.] vom 2. Januar und vom 26. März 2001 beanstandete. Darüber [X.] hat der [X.] nicht alle erforderlichen Tatsachen für den [X.] der Rügepräklusion nach § 338 Nr. 1 c) i. V. m. § 222 a Abs. 2 StPOvorgetragen. Er hat lediglich mitgeteilt, daß er einen vom [X.] zurück-gewiesenen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung gestellt hat, nichtjedoch, daß dies entsprechend § 222 a Abs. 2 StPO vor Beginn der Verneh-mung des Angeklagten zur Sache erfolgt ist.Im übrigen wäre die Rüge aus den vom [X.] auch unbegründet; insbesondere ist das [X.] die Änderung nicht verletzt (vgl. zum Ermessen [X.]St 22, 237, 239 f.;vgl. im übrigen zur Zulässigkeit von Änderungsbeschlüssen bei Verhinderun-gen, die zwei Monate übersteigen, [X.], [X.]. § 21 e [X.]. 112, 114;ab drei Monaten: [X.], [X.]. [X.] §21 e [X.]. 9).2. Die Rüge, bei der Bescheinigung des medizinischen Dienstes der [X.] über die Haftfähigkeit des festgenommenen [X.] es sich nicht um ein Behördenzeugnis nach § 256 Abs. 1 StPO, ist [X.].II. Sachrüge:- 5 -1. [X.] hat keinen Rechtsfeh-ler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision die [X.], der Angeklagte habe mit [X.] gehandelt, alser dem schlafenden Opfer einen wuchtigen Messerstich versetzte, um es wi-derstandsunfähig zu machen und berauben zu können, ist dies nicht nachvoll-ziehbar. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend [X.] hat, hat das [X.] die Voraussetzungen von Schuldunfähigkeitnach § 20 StGB rechtsfehlerfrei verneint.2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.Die [X.] hat ungeachtet der Annahme, daß der Angeklagte [X.] der Tötung und des [X.] freiwillig zurückgetreten ist, bei der [X.] für den verbleibenden Tatvorwurf der gefährlichen Körperverlet-zung straferschwerend berücksichtigt, daß "sich in dem Vorgehen des Ange-klagten gegen sein Opfer die Tatbestandsmerkmale der Heimtücke sowie derErmöglichung einer anderen Straftat im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB wider-spiegeln" ([X.]). Daß der Angeklagte sein ursprüngliches Ziel, seinenUntermieter zu berauben, freiwillig aufgegeben hat, hat sie in diesem Zusam-menhang unerörtert gelassen.Diese Erwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, als mit dem [X.] darauf abgestellt worden ist, daß der Angeklagte auf seinenschlafenden Untermieter eingestochen hat. Dieser Tatumstand, der sich [X.] Tatgeschehen insgesamt bezieht und den Unrechts- und Schuldgehaltauch des vollendeten Körperverletzungsdelikts mitprägt, durfte strafschärfendberücksichtigt werden (vgl. [X.]St 42, 43, 45 f.). Der dahinter stehende Grund-- 6 -gedanke des besonders verwerflichen Vorgehens gegen ein arg- und wehrlo-ses Opfer findet sich in vergleichbarer Weise sowohl im [X.] § 211 Abs. 2 StGB als auch in dem des hinterlistigen Überfalls nach §224 Abs. 1 Nr. 3 StGB, auch wenn beide Rechtsbegriffe nicht deckungsgleichsind.Dagegen erweist sich die uneingeschränkte Berücksichtigung des Mo-tivs für das Zustechen, nämlich einen Raub zu ermöglichen, als [X.]) Mit dieser Erwägung wird der auf die Begehung des versuchten De-likts des Raubs gerichtete Vorsatz erfaßt. Dieser darf jedoch nach ständigerRechtsprechung des [X.] zum sog. qualifizierten Versuch nacheinem strafbefreienden Rücktritt nicht mehr für die Strafzumessung desverbleibenden, bereits vollendeten Delikts herangezogen werden (vgl. [X.], 43, 45 m. w. N.). Dies soll selbst dann gelten, wenn der Vorsatz für dieweitergehende versuchte Tat mit dem Motiv für das vollendete Delikt überein-stimmt (so [X.] bei [X.] 1980, 813; [X.] MDR 1966, 726 m. abl. [X.].[X.]; [X.] MDR 1965, 839 m. abl. [X.]. [X.] unter Zitierung einer ent-gegenstehenden Entscheidung des gleichen Senats vom 17. Mai 1955- 1 StR 154/55). Dieser Auffassung hat sich das Schrifttum überwiegend ange-schlossen ([X.] in [X.], [X.]. § 24 [X.]. 43; [X.] in [X.], [X.] 24 [X.]. 203; Zaczyk in [X.]. zum StGB, [X.]. § 24 [X.]. 131;Eser in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 24 [X.]. 114; Tröndle/[X.],StGB 50. Aufl. § 24 [X.]. 45; a.A. [X.] aaO; [X.] aaO; vgl. auch [X.], Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. [X.]. 334).- 7 -b) Der Senat hat Bedenken, ob dem auch in den Fällen zugestimmt wer-den kann, in denen sich der auf das weitergehende (versuchte) Delikt gerich-tete Vorsatz mit dem Motiv für die verbleibende, vollendete Tat überschneidet.Gegen die damit verbundene Beschränkung der Strafzumessung spricht, daßdurch die Ausblendung des Tatmotivs eine zutreffende und vollständige Be-wertung der abzuurteilenden Tat und damit eine sachgerechte Strafzumessungnicht möglich ist ([X.] aaO; [X.] aaO). Der hier zu beurteilende Mes-serstich des Angeklagten gegen seinen schlafenden Untermieter würde [X.] "gewissermaßen motivlose, im luftleeren Raum schwebende Straftat" (so[X.] aaO) darstellen, deren Unrechts- und Schuldgehalt offen bleibenmüßte.aa) Dabei ist davon auszugehen, daß § 24 StGB nach seinem [X.] die Bestrafung wegen des Versuchs, von dem der Täter strafbefreiendzurückgetreten ist, untersagt. Dagegen zwingt diese Vorschrift nicht dazu, einestrafbare Tat, die der Täter bereits vollendet hat, nicht oder nur zum Teil zuahnden.bb) Auch der aus dem [X.] folgende Rechtsgedanke erfor-dert die Ausblendung des Motivs bei der verbleibenden vollendeten Tat nicht.Der Rechtsprechung, nach der der weitergehende Vorsatz nicht bei derverbleibenden Tat strafschärfend berücksichtigt werden darf, liegt die [X.] zugrunde, daß die Privilegierung des strafbefreienden Rücktritts [X.] werden könnte, wenn das in dem Versuch liegende Unrecht auf [X.] der Erhöhung der Strafe für das vollendete Delikt, sozusagen durch die"Hintertür", dem Täter angelastet werden würde ([X.] aaO). Dieses Anlie-gen teilt der Senat. Es darf jedoch nicht dazu führen, daß das Motiv der vollen-- 8 -deten Tat unberücksichtigt bleiben müßte. [X.] hat insoweit zu Recht daraufhingewiesen, daß es auch sonst Fälle gibt, in denen der Strafverfolgung beieinem Teil des strafbaren Handelns Strafaufhebungsgründe oder fehlendeProzeßvoraussetzungen entgegenstehen, ohne daß die Legitimität der [X.] des verbleibenden Teils berührt würde ([X.]) Darüber hinaus bedeutet die Unzulässigkeit der [X.] einen Wertungswiderspruch zur entsprechend gelagerten Be-handlung von äußeren [X.], die sich sowohl auf das versuchte, alsauf das vollendete Delikt beziehen. Denn diese dürfen, wenn sie - auch - dieverbleibende Tat charakterisieren, dort strafschärfend berücksichtigt werden([X.]St 42, 43 ff. zum planmäßigen Vorgehen des [X.]; gleiches gilt, wieoben ausgeführt, hier auch für den Angriff auf ein schlafendes Opfer).dd) [X.] ist auch mit Blick auf die Ahndung [X.] im [X.] festzustellen, bei denen es aus irgendwel-chen Gründen nicht einmal zum Versuch der ursprünglich geplanten weiterenStraftat gekommen ist und somit auch ein Rücktritt nicht in Betracht kommt(z.B. der Diebstahl eines Fluchtfahrzeugs für einen geplanten Raub). In [X.] Fällen gibt es keinen rechtlichen Grund, die Bestrafung der [X.] einzuschränken und insbesondere den in Aussicht genommenen ver-werflichen Zweck außer Betracht zu lassen. Es wäre wenig einsichtig, den [X.] eines solchen Delikts dann besser zu stellen, wenn er in seinem [X.] weitergeht, und die Tat immerhin zum Versuch gelangen läßt, von dem [X.]) Der Senat hält es daher für sachgerecht, daß das die vollendete Tatprägende Motiv auch dann bei der Strafzumessung für diese berücksichtigtwerden darf, wenn es sich mit dem vom strafbefreienden Rücktritt erfaßtenVorsatz für ein weitergehendes Delikt überschneidet. Das muß sich [X.] strafschärfend auswirken, weil der Tatrichter in einem solchen Fall umge-kehrt auch in den Blick zu nehmen haben wird, daß der Täter diesen ursprüng-lich gefaßten Vorsatz freiwillig wieder aufgegeben oder die Vollendung der Tatverhindert hat. Für diese Lösung spricht, daß der Tatrichter damit nicht einenkünstlich reduzierten Sachverhalt, sondern das gesamte Tatgeschehen, wie essich tatsächlich ereignet hat, zu beurteilen hat. Dabei kann er zudem den [X.] unterschiedlich gewichtigen inneren Umständen, nämlich dem mehroder weniger verwerflichen Tatmotiv einerseits und den Beweggründen für denRücktritt andererseits, die durchaus sehr verschieden beschaffen sein können,Rechnung tragen. Dabei können sich die gegenläufigen Aspekte bei der [X.] möglicherweise gegenseitig aufheben, müssen dies aber nicht([X.] aaO).c) Ob an der bisherigen Rechtsprechung ungeachtet der [X.] festgehalten werden kann, bedarf mit der Folge, daß ein Anfrage-verfahren nach § 132 [X.] nicht in Betracht kommt, hier nicht der Entschei-dung. Auch bei Anwendung des aufgezeigten geänderten Maßstabs muß [X.] aufgehoben werden. Die [X.] hat nämlich bei [X.] nur den ursprünglich gefaßten [X.] als Tatmotiv,nicht aber die spätere freiwillige Aufgabe dieses Vorsatzes und die Bemühun-gen um die Rettung des Opfers ausdrücklich erörtert. Es ist vielmehr zu [X.], daß sie diese für den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte tatsäch-lich außer acht gelassen hat, zumal sie die Höhe der verhängten [X.] 10 -strafe von sechs Jahren im oberen Bereich des nach §§ 21, 49 Abs. 1 [X.], bis zu sieben Jahren und sechs Monaten reichenden Strafrah-mens des§ 224 Abs. 1 StGB angesiedelt [X.] -Da die Höhe der Freiheitsstrafe Auswirkungen auf die Frage des [X.] haben kann, war auch die darauf gerichtete Anordnung mit [X.]. Dagegen weist die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungs-anstalt keinen Rechtsfehler auf.TolksdorfMiebachWinklerPfisterRi[X.] von Lienen ist durch [X.] zu unterschreiben: [X.]: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: [X.] § 24 Abs. 1, § 46 Abs. 2Zur strafschärfenden Berücksichtigung des Motivs der verbleibenden vollen-deten Tat bei strafbefreiendem Rücktritt von einem sog. qualifizierten Versuch.[X.], [X.]. vom 25. Juli 2002 - 3 StR 41/02 - [X.]

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3 StR 41/02

25.07.2002

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2002, Az. 3 StR 41/02 (REWIS RS 2002, 2129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2129

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