Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2002, Az. 3 StR 296/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2002, 596

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/02vom21. November 2002in der Strafsachegegenwegen Brandstiftung u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,[X.] am [X.] [X.], [X.], von [X.], [X.]als [X.],Staatsanwältin in der Verhandlung,Oberstaatsanwalt beim [X.] bei der Verkündung als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklag-ten wird das [X.]eil des [X.] vom13. Februar 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufge-hoben,a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Brandstiftung undwegen Vortäuschens einer Straftat verurteilt worden ist; [X.] bleiben die Feststellungen zum objektiven [X.]) im gesamten Strafausspruch.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwie-sen.2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.Von Rechts wegenGründe:I.1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Brandstif-tung, Vortäuschens einer Straftat und versuchten Betruges zu einer [X.] 4 -freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Verurteilung wegenfahrlässiger Brandstiftung beschränkten, auf die Rüge der Verletzung mate-riellen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verur-teilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung. Der Angeklagte beanstandet mitseiner Revision das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.2. Nach den Feststellungen schloß der aus [X.] stammende Ange-klagte eine Hausratversicherung ab, um Renovierungskosten für seine Miet-wohnung durch einen Versicherungsbetrug zu finanzieren. Nachdem er aus-länderfeindliche Parolen an die Hauswand geschrieben, die [X.] und Schlafzimmers mit [X.] eingeworfen sowiedie an den Fenstern angebrachten Rollos und Vorhänge heruntergerissenhatte, zerschlug er in den beiden Zimmern jeweils einen Molotowcocktail. [X.] zündete er das im Wohnzimmer vor der Schrankwand auf [X.] ausgelaufene Benzin an, verließ die Wohnung und alarmierte [X.], bei deren Eintreffen im Bereich der Schrankwand der [X.] durchgebrannt war und der Holzfußboden selbständig brannte.Um einen fremdenfeindlichen Brandanschlag vorzutäuschen, gab [X.] gegenüber den am Brandort eingetroffenen Polizeibeamten [X.] an, unbekannte Täter hätten Steine und Molotowcocktails in [X.] geworfen.Einige Tage später verlangte der Angeklagte von der [X.] Ersatz der an seinem Hausrat entstandenen Schäden. Dabei spiegelteer u. a. vor, der Brand sei wahrscheinlich durch einen Kurzschluß in der Be-- 5 -leuchtung der Schrankwand entstanden. Zu einer Schadensregulierung [X.] Versicherung kam es nicht.3. Vom Vorliegen eines Brandstiftungsvorsatzes hat sich die [X.] nicht überzeugen können. Zwar habe der Angeklagte, der nur die [X.] habe beschädigen wollen, es für möglich gehalten, durch dasEntzünden des Benzins könne der Fußboden in Brand geraten. Wegen seinesWunsches, in der Wohnung noch einige Wochen zu bleiben, seines Tatmotivs,der sofortigen Benachrichtigung der Feuerwehr und seiner nicht widerlegbarenEinlassung, er sei davon ausgegangen, bei dem Boden handele es sich [X.] brennbares Material, könne er aber darauf vertraut haben, daß das Feuernur die Schrankwand und nicht den Fußboden erfassen werde. Den persönli-chen Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue gemäß § 306 e Abs. 2 StGB hatdas [X.] abgelehnt, da die Benachrichtigung der Feuerwehr Teil desTatplanes gewesen sei, der Angeklagte keine Reue gezeigt habe und nicht [X.] zurückgekehrt sei.II.Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten haben indem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.1. Die Beschränkung der Revision durch die Staatsanwaltschaft ist [X.], soweit sie die Verurteilung wegen des sachlich-rechtlich selbständigenversuchten Betruges ausklammert (vgl. [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 318 Rdn. 10, § 344 Rdn. 7). Im übrigen ist sie unwirksam und erfaßtauch die Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat. Denn zwischen der- 6 -fahrlässigen Brandstiftung und dem Vortäuschen einer Straftat besteht auf-grund des festgestellten Sachverhalts bei einer zutreffenden rechtlichen Wür-digung eine natürliche Handlungseinheit und damit Tateinheit, da beide Ver-haltensweisen von einem einheitlichen Willen getragen wurden und zwischenihnen ein so enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang bestand, daß [X.] zweier Taten eine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen [X.] darstellen würde (vgl. [X.]R StGB vor § 1 natürliche Handlungsein-heit, Entschluß einheitlicher 8 m. w. N.). Das Vortäuschen eines fremdenfeind-lichen Brandanschlags gegenüber den Polizeibeamten noch am [X.] - wie von vorneherein beabsichtigt - der Verdeckung der kurz zuvordurchgeführten Brandstiftung und wurde bereits vor der Brandlegung vom [X.] inszeniert. Wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten [X.] mehrere rechtlich selbständige Handlungen bewertet hat, obwohl tatsäch-lich nur eine Tat vorliegt, kann die Revision nicht auf die rechtliche Bewertungeinzelner dieser Ereignisse beschränkt werden (vgl. [X.], 203;[X.]/[X.], aaO § 318 Rdn. 13, § 344 Rdn. 7).2. Revision der [X.] Beweiswürdigung, mit der das [X.] einen bedingten Brand-stiftungsvorsatz verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen [X.]) Ob ein Täter die von ihm für möglich gehaltenen Folgen seines Han-delns gebilligt hat, kann - sofern er dies bestreitet - vor allem durch [X.] aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden (vgl. [X.]/Kühl, StGB 24. Aufl. § 15 Rdn. 25 m. w. N.). Es ist zu besorgen, daß dies der- 7 -Strafkammer nicht bewußt war und sie von überspannten Anforderungen an dierichterliche Überzeugungsbildung ausging.Die Wahrscheinlichkeit, daß durch das Entzünden von auf einem [X.] verschütteten Benzin in einem geschlossenen Raum, in dem sich inder Nähe brennbare Gegenstände befinden, ein Brand entsteht, der auch we-sentliche Gebäudeteile erfaßt, ist außerordentlich groß und allgemein bekannt.Deshalb drängt es sich nach dem äußeren Tatgeschehen auf, daß der Ange-klagte ein Übergreifen des Feuers auf den Fußboden billigend in Kauf genom-men hat (vgl. [X.]R StGB § 306 Nr. 2 Vorsatz 2). Eine Billigung liegt vor [X.] deshalb sehr nahe, weil sich der Angeklagte unmittelbar nach dem An-zünden des Benzins entfernte, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauenzu können, und er es deshalb dem Zufall überließ, ob vor dem Eintreffen [X.] das Feuer auf den Fußboden oder andere Gebäudeteile übergrei-fen werde oder nicht (vgl. [X.]St 36, 1, 10).b) Weiterhin läßt die Beweiswürdigung die erforderliche Gesamtschaualler objektiven und subjektiven Umstände vermissen, die sowohl für die Beur-teilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung (vgl. [X.]R StPO § 261 [X.] und 6 m. w. N.; [X.] in [X.]. § 261 Rdn. 28) als auch für die [X.] von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit (vgl. [X.]St 36,1, 10; [X.]R StGB § 306 Nr. 2 Vorsatz 2) erforderlich ist. Die [X.] weder das äußere Tatgeschehen noch die weiteren auf einen [X.] hindeutenden Umstände, daß der Angeklagte einen fremdenfeindlichenBrandanschlag mit Molotowcocktails vortäuschen wollte, vor der Brandlegungeinige wichtige persönliche Gegenstände in Sicherheit gebracht hatte und aus- 8 -seiner beruflichen Tätigkeit als Schweißer die Gefährlichkeit des Umgangs mitFeuer kannte.3. Revision des [X.] Schuldspruch wegen fahrlässiger Brandstiftung hält sowohl [X.] der Revision des Angeklagten als auch auf Grund des Rechtsmittels [X.] (§ 301 StPO) rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil [X.] mit einer fehlerhaften Begründung eine tätige Reue abgelehnthat. Im übrigen hat die Überprüfung des [X.]eils auf Grund der [X.] aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] kei-nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.Gemäß § 306 e Abs. 2 StGB wird ein Täter wegen fahrlässiger Brand-stiftung nicht bestraft, wenn er den Brand vor Entstehung eines [X.] freiwillig löscht. Da ein eigenhändiges Löschen nicht erforderlich ist,reicht es aus, wenn er sich der Hilfe der Feuerwehr bedient ([X.] [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 306 e Rdn. 11). Entgegen der Meinung des Landge-richts steht es der tätigen Reue nicht entgegen, daß die sofortige Alarmierungder Feuerwehr - um den Brand in der Wohnung nicht zu groß werden zu lassen([X.]) - dem Tatplan des Angeklagten entsprach. Für die Freiwilligkeitgelten die zum Rücktritt vom Versuch entwickelten Grundsätze, nach denen esallein darauf ankommt, ob der Rücktritt einer autonomen Entscheidung [X.] entspringt oder durch von seinem Willen unabhängige zwingende [X.] veranlaßt wird. Da der Beweggrund zum Rücktritt nicht sittlichbilligenswert sein muß, sind eine "Reue über das angerichtete Unrecht" oder- 9 -eine "Rückkehr zur Legalität" nicht erforderlich (vgl. [X.]St 7, 296, 299; [X.], 186 f.; Tröndle/[X.], StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 19 ff., § 306 e Rdn. 5).4. Aufgrund der dargestellten Rechtsfehler waren die Verurteilungen [X.] wegen fahrlässiger Brandstiftung und wegen des [X.] aufzuheben. Da beide Delikte rechtlich in Tateinheit zueinanderstehen, scheidet eine Teilaufhebung aus (vgl. [X.], 276), obwohlgegen den Schuldspruch wegen Vortäuschens einer Straftat an sich keinedurchgreifenden Bedenken bestehen. Jedoch bleiben die rechtsfehlerfrei ge-troffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten (§ 353Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in [X.] stehen, sind zulässig.Die Aufhebung der Schuldsprüche führt zum Wegfall der wegen der be-troffenen Taten verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe mit den zuge-hörigen Feststellungen. Der Senat hebt den Strafausspruch insgesamt auf, [X.] für den versuchten Betrug ausgesprochene Einzelstrafe wegen des [X.] aller Delikte von den weggefallenen Einzelstrafen beeinflußtworden sein kann. Der neue Tatrichter hat somit Gelegenheit, den gesamtenStrafausspruch neu zu [X.] Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat folgendes:Sollte der neue Tatrichter einen bedingten Brandstiftungsvorsatz beja-hen, könnte einem Schuldspruch wegen besonders schwerer Brandstiftunggemäß § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB (vgl. hierzu [X.]St 45, 211, 216 ff.) oder§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB entgegenstehen, daß das Gebäude nicht mehr der- 10 -Wohnung von Menschen diente, weil es der Angeklagte als dessen [X.] für den Fall einer Inbrandsetzung entwidmet haben könnte (vgl.[X.]St 26, 121, 122; [X.], 455; [X.] [X.]/[X.], [X.] 306 a Rdn. 5; Tröndle/[X.], aaO § 306 a Rdn. 4). Voraussetzung für eine- 11 -tätige Reue gemäß § 306 e StGB ist, daß der Brand vor Entstehung eines"erheblichen Schadens" gelöscht wurde. Zur Auslegung dieses Merkmals ver-weist der Senat auf [X.], [X.]. vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02.Tolksdorf [X.] [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 296/02

21.11.2002

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2002, Az. 3 StR 296/02 (REWIS RS 2002, 596)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 596

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