Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2014, Az. 3 StR 372/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8881

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Gegenstand

Strafzumessung bei Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdelikts und Vollendung eines schweren Raubs: Strafschärfende Berücksichtigung von Tatwille und Tatumständen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten M.    wird das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit es ihn und den Mitangeklagten B.    betrifft, im Strafausspruch,

b) soweit es ihn betrifft, im [X.] und im Adhäsionsausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M.    wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten M.    sowie den Mitangeklagten [X.], der keine Revision eingelegt hat, wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten M.    in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor Vollziehung der Maßregel ein Jahr und drei Monate der Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Darüber hinaus hat es die Angeklagten sowie einen weiteren Mitangeklagten dazu verurteilt, als Gesamtschuldner an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2013 zu zahlen. Das auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Rechtsmittel des Angeklagten M.    hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg und führt gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zur Aufhebung der gegen den Mitangeklagten [X.]verhängten Strafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben. Die [X.] hat keinen minder schweren Fall des besonders schweren Raubes angenommen. Dabei hat sie im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zuungunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bei den Angriffen auf den Geschädigten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer vom Versuch der Tötung strafbefreiend zurückgetreten ist. Der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz durfte deshalb nicht straferschwerend berücksichtigt werden ([X.], Urteil vom 14. Februar 1996 - 3 [X.], [X.]St 42, 43, 44; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 24 Rn. 114 mwN). Allein auf diesen Vorsatz und - entgegen der Ansicht des [X.] - nicht auf das sowohl dem vollendeten besonders schweren Raub wie dem bedingten Tötungsvorsatz zugrundeliegende Tatmotiv hat das [X.] abgehoben. Schon deshalb kann der Senat offenlassen (s. bereits [X.], Beschluss vom 25. Juli 2002 - 3 StR 41/02, [X.], 143, 144), ob in einem Fall, in dem sich der auf das weitergehende versuchte Delikt gerichtete Vorsatz mit dem Motiv für die verbleibende vollendete Tat überschneidet, im Einzelfall etwas anderes gelten könnte. Im Übrigen dürfte das hier dem Tötungsvorsatz zugrundeliegende Motiv der Beuteerlangung dem Angeklagten aber ohnehin nicht strafschärfend angelastet werden; denn da der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt worden ist, wäre eine solche Erwägung mit § 46 Abs. 3 StGB unvereinbar.

3

Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht die gegen den Angeklagten verhängte Strafe; denn da die [X.] das Vorliegen eines minder schweren Falles "maßgeblich" mit Hinweis auf den Tötungsvorsatz abgelehnt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Berücksichtigung dieses Umstandes sowohl bei der [X.] als auch bei der Bemessung der konkreten Strafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

4

Die damit veranlasste Aufhebung des Strafausspruchs erstreckt sich auch auf die gegen den Mitangeklagten [X.]verhängte Freiheitsstrafe (§ 357 StPO); denn auch bei diesem hat das [X.] den Tötungsvorsatz in gleicher Weise rechtsfehlerhaft bei der Strafzumessung berücksichtigt.

5

2. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6

Die Verhängung dieser Maßregel setzt unter anderem die Gefahr voraus, dass der Täter infolge seines Hanges zum übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Eine solche Gefahr hat das [X.] vorliegend bejaht. Es hat sich insoweit die Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht, der darauf abgestellt hat, die bei dem Angeklagten diagnostizierte [X.] werde in Kombination mit der vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er erneut Gewaltdelikte verüben werde. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung wird durch die Feststellungen indes nicht belegt. Diesen kann nur entnommen werden, dass der Angeklagte zwar weder über einen Schulabschluss noch über einen beruflichen Abschluss verfügt, aber, wenn auch mit Unterbrechungen, immer wieder gearbeitet hat. Auch ist der Angeklagte ausweislich des [X.] bislang unbestraft. Danach liegt die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht ohne weiteres auf der Hand. Ebenso wenig versteht es sich aufgrund der genannten Umstände von selbst, dass der Angeklagte in Zukunft erneut straffällig werden wird. Beides hätte daher näherer Darlegung bedurft.

7

Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb neu zu befinden. Sollte die Beweisaufnahme eine Persönlichkeitsstörung des Angeklagten belegen, so wird diese nicht nur bei der für eine Unterbringung geforderten Gefahrprognose, sondern auch bei der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit zu berücksichtigen sein. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass im Falle der erneuten Anordnung der Unterbringung in einer Erziehungsanstalt zur Berechnung des [X.] eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) die voraussichtliche Therapiedauer bestimmt werden muss (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, juris Rn. 16).

8

3. Schließlich ist auch der Adhäsionsausspruch gegen den Angeklagten rechtsfehlerhaft.

9

Das [X.] hat die Höhe des von dem Angeklagten in Gesamtschuldnerschaft mit den beiden Mitangeklagten zu zahlenden Schmerzensgeldes von 8.000 € unter Berücksichtigung der Folgen der Tat für den Geschädigten sowie der besonderen Bedeutung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes bei vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten bemessen. Diese Begründung der Adhäsionsentscheidung hat schon deshalb keinen Bestand, weil nicht deutlich wird, ob die Kammer dabei, wie regelmäßig erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Tatbeteiligten berücksichtigt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, [X.], 344).

Da die Sache auch aus anderen Gründen zurückverwiesen wird, wird der neue Tatrichter auch über den Adhäsionsanspruch gegen den Angeklagten M.    nochmals zu befinden haben. Die Erstreckung der Aufhebung des [X.] auf den Nichtrevidenten [X.]kommt jedoch nicht in Betracht. Es liegt kein Fall des § 357 StPO vor, weil der Aufhebung der Adhäsionsentscheidung gegen den Angeklagten M.    keine Gesetzesverletzung bei Anwendung eines Strafgesetzes zugrunde liegt (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2002 - 3 [X.], [X.], 61, 62; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, [X.], 344).

Becker                       Hubert                         Schäfer

               Gericke                       Spaniol

Meta

3 StR 372/13

08.01.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 27. Juni 2013, Az: 140 KLs 2/13

§ 24 StGB, § 46 Abs 1 StGB, § 211 StGB, § 212 StGB, § 250 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2014, Az. 3 StR 372/13 (REWIS RS 2014, 8881)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8881

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