Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20.01.2015, Az. 1 BvR 665/14

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2015, 16913

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 2 Abs. 1 GG durch gerichtliche Entscheidungen, die die einen Alkohol- und Benzodiazepinabhängigen ohne ausreichende Prüfung der Voraussetzung der Betreuerbestellung und deren Erforderlichkeit unter Betreuung stellen


Tenor

1. Die Beschlüsse des [X.] vom 19. September 2013 - 42 [X.]/13 - und des [X.] vom 12. Februar 2014 - [X.] 520/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Beschlüsse des [X.] vom 19. September 2013 - 42 [X.]/13 - und des [X.] vom 12. Februar 2014 - [X.] 520/13 - werden aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

3. Die Anordnung der Betreuung des Beschwerdeführers durch den Beschluss des [X.] vom 26. März 2013 - 7 XVII 854/12 - wird bis zu einer erneuten Entscheidung des [X.] ausgesetzt.

4. Die [X.] und der [X.] haben dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu ersetzen.

5. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 15.000 [X.] (in Worten: fünfzehntausend [X.]) und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 7.500 [X.] (in Worten: siebentausendfünfhundert [X.]) festgesetzt.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen eines Amtsgerichts, eines [X.] sowie des [X.], aufgrund derer er unter Betreuung gestellt wurde.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde durch den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts unter Betreuung gestellt und aufgrund weiterer, nicht verfahrensgegenständlicher Beschlüsse, untergebracht.

3

Die angeordnete Betreuung umfasst folgende [X.]:

· Aufenthaltsbestimmung bezogen auf die Abhängigkeitserkrankung

· Wohnungsangelegenheiten

· Gesundheitsfürsorge bezogen auf die Abhängigkeitserkrankung

· Vermögenssorge

· Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.]

4

Der Beschwerdeführer sei aufgrund einer Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit nicht in der Lage, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zum genannten Aufgabenkreis gehörten. Die Betreuung sei erforderlich, weil die Regelung der Angelegenheiten des Beschwerdeführers anderweitig nicht erfolgen könne.

5

Dies folge aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem Sachverständigengutachten des [X.]arztes, der Stellungnahme der Betreuerin sowie dem unmittelbaren Eindruck, den sich das Gericht anlässlich der Anhörung des Beschwerdeführers verschafft habe. Daher sei die Betreuung anzuordnen gewesen.

6

2. Die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde, in der er erstmals ausdrücklich sein Einverständnis mit der Betreuung verweigerte, wies das [X.] mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss zurück.

7

Der Beschluss des Amtsgerichts sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen einer Betreuung lägen vor.

8

Zwar sei Alkoholismus für sich gesehen keine psychische Krankheit beziehungsweise geistige oder seelische Behinderung. Vorliegend gehe das Gericht aber davon aus, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen das Ausmaß des Alkoholismus beim Beschwerdeführer das eines geistigen Gebrechens erreicht habe und dadurch eine freie Willensbestimmung beim Beschwerdeführer nicht mehr vorliege. Die Kammer schließe sich insoweit den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen an.

9

Die Anordnung der Betreuung sei auch im Sinne des § 1896 Abs. 2 BGB erforderlich, weil eine Betreuungsbedürftigkeit in Bezug auf die [X.] bestehe. Auch hierzu könne vollumfänglich auf das Sachverständigengutachten verwiesen werden.

Von einer erneuten Anhörung sehe das Gericht gemäß § 68 Abs. 3 FamFG ab. Der Beschwerdeführer sei durch das Amtsgericht ausführlich angehört worden. Zudem habe das Beschwerdegericht den Beschwerdeführer durch den erkennenden Einzelrichter bereits im Rahmen der Anordnung der Unterbringung persönlich angehört. Weitere Erkenntnisse seien von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten.

3. Der [X.] hat die Rechtsbeschwerde mit ebenfalls angegriffenem Beschluss zurückgewiesen, weil die Entscheidung nicht zu beanstanden sei und hat von einer weiteren Begründung abgesehen.

Der Beschwerdeführer rügt mit seiner mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen [X.]sbeschwerde die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

1. Die angegriffenen Beschlüsse genügten den verfassungsrechtlichen Maßstäben aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht, da eine Betreuung eingerichtet worden sei, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten. Zudem sei sein freier Wille entgegen § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB übergangen worden.

Weder das Amtsgericht, noch das [X.] seien der Verpflichtung nachgekommen, das Sachverständigengutachten einer hinreichend kritischen Überprüfung zu unterziehen, sondern hätten dessen Ergebnisse kritiklos übernommen. Im vorliegenden Fall hätten die Gerichte aus der Zusammenschau von Gutachten, Vorbringen des Beschwerdeführers und eigenem unmittelbaren Eindruck zu einer differenzierten eigenen Würdigung kommen und diese in ihren wesentlichen Inhalten schriftlich niederlegen müssen.

Gemäß § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB dürfe zudem gegen den freien Willen des Beschwerdeführers ein Betreuer nicht bestellt werden. In seiner Beschwerde habe der Beschwerdeführer seine ablehnende Haltung deutlich zum Ausdruck gebracht. Das [X.] habe diesen Ausführungen keine Bedeutung beigemessen und zudem von einer Anhörung abgesehen. Damit habe es verkannt, dass ihm aufgrund der im Beschwerdeverfahren erstmals geäußerten Ablehnung der Betreuung eine erhöhte Pflicht zur Aufklärung über den Willen des Beschwerdeführers zukomme.

2. Durch die Übertragung des [X.]s "Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.]" werde er in seinen Rechten aus Art. 10 Abs. 1 GG und wegen der mit der Betreuung verbundenen Kosten in seinen Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

Dem [X.] sowie dem [X.] wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben jeweils von einer Stellungnahme abgesehen.

Die [X.]sbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das [X.] bereits entschieden sind und die [X.]sbeschwerde, soweit sie zulässig ist, offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 [X.]).

1. Die [X.]sbeschwerde ist nur teilweise zulässig.

a) Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG rügt, ist seine [X.]sbeschwerde unzulässig, da sein hierauf bezogenes Vorbringen nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügt.

b) Mit der Rüge einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ist die [X.]sbeschwerde zulässig.

2. Soweit sich die [X.]sbeschwerde gegen die Beschlüsse des [X.] und des [X.] richtet, ist sie auch begründet. Einer Entscheidung über den Beschluss des Amtsgerichts bedarf es daneben nicht.

Die Entscheidungen des [X.] und des [X.] verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.

a) Durch die Einrichtung einer Betreuung wird der Betreute in seiner Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ganz oder teilweise in den vom Gericht bestimmten Angelegenheiten eingeschränkt. An seiner Stelle entscheidet innerhalb des vom Gericht angeordneten [X.]s der Betreuer. Je nach Aufgabenkreis kann es auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten zu Entscheidungen gegen den ausdrücklichen Willen des Betreuten kommen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Juli 2010 - 1 BvR 2579/08 -, NJW 2010, S. 3360).

Der mit einer Betreuung verbundene Eingriff in die Handlungsfreiheit des Betroffenen ist schwerwiegend und schränkt je nach Gegenstand und Umfang der erfassten [X.] das Grundrecht des Betreuten aus Art. 2 Abs. 1 GG massiv ein. Gleichwohl kann der Eingriff auf gesetzlicher Grundlage und unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zulässig sein. Dem trägt § 1896 Abs. 1 und 2 BGB auch einfachrechtlich Rechnung (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 58).

Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des zu Betreuenden setzt voraus, dass der Betreute tatsächlich seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB). Der Staat hat von [X.] wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger in ihrer Freiheit zu beschränken, ohne dass sie sich selbst oder andere gefährden. Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen, ohne dass hinreichende Tatsachen für eine Beeinträchtigung des freien Willens vorliegen, verletzt deshalb das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Juli 2010 - 1 BvR 2579/08 -, NJW 2010, S. 3360).

Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Betroffener gegen seinen Willen unter Betreuung gestellt wird, unterliegen die dies anordnenden Gerichtsentscheidungen angesichts des Gewichts des damit verbundenen Grundrechtseingriffs einer strengen, über die bloße Prüfung der grundsätzlichen Verkennung der Grundrechtsrelevanz der angegriffenen Maßnahmen (zu diesem Regelfall vgl. [X.]E 18, 85 <92 f.>; stRspr) hinausgehenden verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Diese erfasst insbesondere auch die Frage, ob die festgestellten Tatsachen die Entscheidung tragen und ohne wesentlichen Verstoß gegen Verfahrensrecht gewonnen wurden. Hat der Betroffene sein Einverständnis mit der Bestellung eines Betreuers verweigert, ist eine persönliche Anhörung des Betroffenen im betreuungsrechtlichen Verfahren auch von [X.]s wegen regelmäßig unerlässlich.

b) Gemessen an diesen Anforderungen verletzen die Entscheidungen des [X.] (aa) und des [X.] (bb) das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG, da sie keine ausreichende Prüfung der Voraussetzung der Betreuerbestellung und ihrer Erforderlichkeit erkennen lassen. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch der Beschluss des Amtsgerichts (cc) die Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt.

aa) Das [X.] hat bei der Auslegung und Anwendung des § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG verkannt, indem es für die Frage, ob die Ablehnung der Betreuung durch den Beschwerdeführer auf seinem freien Willen beruhte, allein auf seine mangelnde Steuerungsfähigkeit in Bezug auf den [X.] von Alkohol abgestellt und damit einen falschen sachlichen Bezugspunkt gewählt (1) und zudem ohne eigene Anhörung darüber entschieden hat (2). Mit den besonderen Anforderungen einer [X.] gegen den Willen des Betroffenen musste sich das [X.] auseinandersetzen, ohne insoweit ohne Weiteres auf das Verfahren vor dem Amtsgericht und dessen Feststellungen zurückgreifen zu können, weil der Beschwerdeführer erstmals im Beschwerdeverfahren seinen der Betreuung entgegenstehenden Willen geäußert hat.

(1) Mit der Einfügung von § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB wollte der Gesetzgeber die Selbstbestimmung des Betroffenen ausdrücklich stärken. Eine Bestellung gegen den freien Willen des Betroffenen stelle - so die Gesetzesbegründung - einen Eingriff in die Würde des Betroffenen dar, der zu unterlassen oder zu beseitigen sei (BTDrucks 15/2494, [X.]).

Die vom Gesetzgeber gewollte und von [X.] wegen gebotene Rücksicht auf die Selbstbestimmung des Betroffenen liefe ins Leere, wenn - wie vom [X.] angenommen - ein mangelnder freier Wille des zu Betreuenden allein mit dem von ihm nicht steuerbaren Genuss von Alkohol begründet werden könnte. Denn eine Alkoholabhängigkeit ist regelmäßig gerade dadurch gekennzeichnet, dass der daran Leidende seinen Alkoholkonsum nicht steuern kann. Sofern Alkoholismus überhaupt als psychische Krankheit oder körperliche, geistige oder seelische Behinderung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB angesehen werden kann (vgl. BTDrucks 15/2494, S. 17; BayObLG vom 22. Juli 1993 - 3 Z BR 83/93 -, [X.], S. 1489; [X.], in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 1896, Rn. 11), vermag dies allein - soll der auch verfassungsrechtlich fundierte Schutzzweck des § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB nicht leer laufen - nicht ohne Weiteres auch die Unbeachtlichkeit eines der Betreuung entgegenstehenden Willens bedeuten. Die Ausführungen des [X.] lassen nicht erkennen, warum hier ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte.

(2) Das [X.] hätte außerdem den Beschwerdeführer persönlich anhören müssen. Es hätte klären müssen, ob er im Grundsatz in der Lage ist, die für und wider die Bestellung eines Betreuers sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen sowie Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell zu erfassen (vgl. BTDrucks 15/2494, [X.]; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2011 - [X.] 526/10 -, [X.], [X.] und Beschluss vom 14. März 2012 - [X.] 502/11 -, [X.], S. 869). Hierfür wäre es zur Wahrung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG auch von [X.]s wegen geboten gewesen, den Beschwerdeführer persönlich anzuhören, nachdem dieser im Beschwerdeverfahren erstmals ausdrücklich sein Einverständnis mit einer Betreuung verweigerte. Von der Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung in diesen Fällen geht auch der [X.] aus (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2012 - [X.] 454/11 -, [X.], S. 1207 und Beschluss vom 7. August 2013 - [X.] 188/13 -, [X.], [X.]). Es ist nicht erkennbar, dass das [X.] die notwendigen Erkenntnisse über die Unfähigkeit des Beschwerdeführers, einen freien Willen hinsichtlich der Anordnung seiner Betreuung zu bilden, hier durch die von ihm in Bezug genommene Anhörung des Beschwerdeführers im fachgerichtlichen Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der Unterbringung gewonnen hat.

bb) Auch die Entscheidung des [X.] verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Der [X.] stellt lediglich fest, dass die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden sei und den Angriffen der Rechtsbeschwerde standhalte. Die oben festgestellten Mängel der amts- sowie der landgerichtlichen Entscheidungen hätte der [X.] aber erkennen und korrigieren müssen. Er ist im Rahmen einer zulässigen Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 FamFG insbesondere nicht an die [X.] gebunden, soweit damit eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird. Vielmehr hat er im Rahmen der Rechtsbeschwerdeanträge die Rechtmäßigkeit von Amts wegen nach allen Richtungen uneingeschränkt zu prüfen.

cc) Mit Rücksicht darauf, dass der Beschwerdeführer nach Ergehen des angegriffenen amtsgerichtlichen Beschlusses durch die ausdrückliche Verweigerung seines Einverständnisses in die Betreuung eine neue, mit § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB strengeren Regeln folgende Entscheidungsgrundlage geschaffen hat, bedarf es keiner Entscheidung über den insoweit überholten Beschluss des Amtsgerichts mehr. Es kann daher offen bleiben, inwieweit das Gutachten des Sachverständigen die Annahme zu tragen vermag, das Abhängigkeitssyndrom des Beschwerdeführers habe das Ausmaß eines geistigen Gebrechens im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ebenso können die Zweifel dahinstehen, ob die durch das Amtsgericht angeordnete Betreuung im Aufgabenkreis "Vermögenssorge", hinsichtlich der "Postangelegenheiten" des Beschwerdeführers und hinsichtlich des [X.]s "Wohnungsangelegenheiten" jeweils auf tragfähigen tatsächlichen Feststellungen beruht.

3. Die Beschlüsse des [X.] und des [X.] werden aufgehoben und die Sache gemäß § 95 Abs. 2 [X.] an das [X.] zurückverwiesen.

4. Da die [X.]sbeschwerde hinsichtlich der Entscheidungen des [X.] und des [X.] begründet ist, würde die Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die damit zumindest bis zu einer erneuten Entscheidung des [X.] fortbestehende Betreuung einen schweren Nachteil für ihn im Sinne des § 32 Abs. 1 [X.] bedeuten (vgl. [X.]E 111, 147 <153>). Auf seinen Antrag hin war der Beschluss des Amtsgerichts bis zu einer erneuten Entscheidung des [X.] daher auszusetzen.

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.]. Die Festsetzung der [X.] beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 [X.].

Meta

1 BvR 665/14

20.01.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 12. Februar 2014, Az: XII ZB 520/13, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1896 Abs 1 Buchst a BGB, § 1896 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20.01.2015, Az. 1 BvR 665/14 (REWIS RS 2015, 16913)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1666 REWIS RS 2015, 16913

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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