Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2015, Az. 2 AZR 280/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 16361

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Gegenstand

Kündigungsfrist - Günstigkeitsvergleich


Leitsatz

Eine vertragliche Kündigungsfrist kann sich gegen die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist nur durchsetzen, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Es genügt nicht, dass die vertragliche Regelung für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 5. März 2014 - 15 Sa 1552/13, 15 Sa 1628/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des [X.] vom 8. August 2013 - 44 [X.] 332/13 - stattgegeben hat.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts wird zurückgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 7/10 und die Beklagte 3/10, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4 und von den Kosten des Revisionsverfahrens die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte erbringt medizinische Dienstleistungen im Bereich der Radiographie. Sie beschäftigte in ihrem Betrieb weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war bei ihr seit 1976 - zuletzt als Leiterin Qualitätssicherung - tätig. Im „Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte“ vom 15. März 2005 (künftig: Arbeitsvertrag) heißt es in § 8 Nr. 1:

       

„Die Kündigungsfrist beträgt beiderseits sechs Monate zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres.“

3

Am 5. Dezember 2012 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich über eine geplante Betriebsschließung. Am 11. Dezember 2012 entschied ihre Alleingesellschafterin, den Betrieb zum 30. Juni 2013 stillzulegen. Zu diesem Datum endete auch der Mietvertrag für das Betriebsgrundstück.

4

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „unter Wahrung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist ordentlich zum 30. Juni 2013“. Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom 4. Januar 2013 mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück.

5

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin sich rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt. Sie hat mit Nichtwissen bestritten, dass das Kündigungsschreiben von der damaligen Geschäftsführerin der [X.] unterzeichnet und die Anhörung des Betriebsrats am 6. Dezember 2012 eingeleitet worden sei. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Im Übrigen habe sie die Frist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats aus § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB wahren müssen. Eine Umdeutung in eine Kündigung zum 31. Juli 2013 komme nicht in Betracht.

6

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19. Dezember 2012 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag festgelegten Bedingungen als Leiterin der Qualitätssicherung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2013 aufgelöst. Die vertragliche Kündigungsfrist setze sich gegen die gesetzliche Regelung durch. Sie biete für die längere [X.] innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz.

8

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung - erst - zum 31. Juli 2013 aufgelöst worden sei. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das [X.] zurückgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat es die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist teilweise begründet. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Allerdings hätte es auch die Berufung der [X.] zurückweisen müssen. Das Arbeitsgericht hat in der Sache zutreffend entschieden.

A. Der Feststellungsantrag hat teilweise Erfolg. Die Kündigung wurde zwar mit zu kurzer Frist ausgesprochen ([X.]). Sie ist jedoch in eine solche zum richtigen Termin umzudeuten (I[X.]).

[X.] Die Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit einer Frist von sechs Monaten zum Halbjahresende auflösen. Die Beklagte musste die Frist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] von sieben Monaten zum Monatsende einhalten.

1. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag eine vom Gesetz abweichende (konstitutive) Regelung getroffen. Die im März 2005 vereinbarte Kündigungsfrist entsprach nicht der angesichts einer Betriebszugehörigkeit von - weit - mehr als 20 Jahren schon seinerzeit einschlägigen Bestimmung des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.]. Im Übrigen sieht § 622 [X.] keine Beschränkung der Kündigungstermine auf das Halbjahresende vor.

2. Eine einzelvertragliche Verkürzung der Fristen des § 622 Abs. 2 [X.] ist - vorbehaltlich einer Abrede iSv. § 622 Abs. 4 Satz 2 [X.] - nicht möglich. Zulässig ist gemäß § 622 Abs. 5 Satz 3 [X.] allein die einzelvertragliche Vereinbarung längerer Kündigungsfristen als der in Abs. 2 der Norm vorgesehenen. Ob eine im Sinne des Gesetzes „längere“ Kündigungsfrist vereinbart wurde, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zu ermitteln.

a) Eine einzelvertragliche Regelung von Kündigungsfrist (hier sechs Monate) und Kündigungstermin (hier 30. Juni oder 31. Dezember) ist regelmäßig als Einheit zu betrachten. Für den Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung ist deshalb grundsätzlich ein Gesamtvergleich (auch Ensemble- oder Gruppenvergleich) vorzunehmen (vgl. [X.] 4. Juli 2001 - 2 [X.] [X.] b der Gründe, [X.]E 98, 205). Eine isolierte Betrachtung der Kündigungsfrist kommt nur dann in Betracht, wenn die Parteien mit einer Beschränkung der Kündigungstermine besondere, eigenständige Ziele verfolgt haben (vgl. [X.] 4. Juli 2001 - 2 [X.] [X.] a der Gründe, aaO). Das ist hier nicht der Fall.

b) Vergleichszeitpunkt war im Streitfall der 15. März 2005. An diesem Tag wurde die vertragliche Abrede getroffen und schon damals war § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] die für eine potentielle Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien einschlägige Vorschrift. Vertragsschluss und [X.]punkt der erstmaligen Kollision mit dieser - vorbehaltlich der Regelungen des § 622 Abs. 4 [X.] - halbzwingenden Norm fielen zusammen.

aa) Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung (vgl. [X.]Zwanziger 9. Aufl. § 622 [X.] Rn. 50) kann - was hier freilich zum selben Ergebnis führte - für den Günstigkeitsvergleich nicht auf den [X.]punkt des Ausspruchs der konkreten Kündigung abgestellt werden. Vielmehr ist abstrakt die vertragliche Gesamtregelung auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen hin zu überprüfen (zutreffend [X.]/[X.] 4. Aufl. § 622 [X.] Rn. 182; [X.]/[X.] ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 126 Rn. 28). Spätestens mit dem Eintritt des Arbeitnehmers in die jeweilige „Stufe“ des § 622 Abs. 2 [X.] muss feststehen, welche Regelung als die günstigere vorgehen wird. § 622 Abs. 2, Abs. 5 Satz 3 [X.] besagt nicht, dass die im konkreten Fall längere Frist zur Anwendung gelangen müsste. Der Grundsatz, dass der Verwender sich nicht auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Vertragsgestaltung berufen kann (vgl. [X.] 27. Oktober 2005 - 8 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN), der für den Vergleich im konkreten Kündigungszeitpunkt sprechen könnte, gilt allein für die hier nicht in Rede stehende Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. [X.]. Auch dort führt er im Übrigen „nur“ dazu, dass eine Vertragsbestimmung vom Verwender in jedem Fall und vom [X.] in keinem Fall zu beachten ist. Das steht grds. schon im [X.]punkt des Vertragsschlusses fest.

bb) Der Senat lässt offen, ob eine einheitliche, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit unabhängige einzelvertragliche Kündigungsfrist solange Anwendungsvorrang genießen kann, bis sie schließlich mit einer für den Arbeitnehmer günstigeren Frist gemäß der Stufenregelung des § 622 Abs. 2 Satz 1 [X.] kollidiert (so [X.] 2010, 181, 184 f.). Dafür spricht, dass es sich bei den einzelnen Stufen des Gesetzes um jeweils selbständige Bestimmungen handeln dürfte (vgl. [X.] 4. Juli 2001 - 2 [X.] [X.] b der Gründe, [X.]E 98, 205 für die Prüfung, ob eine Abweichung von der - jeweiligen - gesetzlichen Regelung vorliegt). Für einen solchen Anwendungsvorrang streitet auch, dass bei dem gesetzlich ausdrücklich normierten Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 [X.] - erst - auf den [X.]punkt der Kollision mit der betreffenden Tarifnorm abzustellen sein soll (vgl. [X.] 25. November 1970 - 4 [X.] -). Demgegenüber dürfte unerheblich sein, ob die Vertragsparteien mit einer einheitlichen, „starren“ Frist ein „Gesamtpaket“ aus einer anfangs längeren, zuletzt dafür kürzeren Frist als im Gesetz vorgesehen „schnüren“ wollten.

c) Die einzelvertragliche Kombination einer kürzeren als der gesetzlich einschlägigen Kündigungsfrist mit eingeschränkten Kündigungsterminen (zB nur zum Quartals- oder Halbjahresende) setzt sich nicht schon dann gegen das Gesetz durch, wenn sie - wie hier in acht von zwölf Monaten - für die längere [X.] innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt (so aber [X.], 293, 296 mit ausführlichen [X.]; vgl. tendenziell auch [X.] 4. Juli 2001 - 2 [X.] [X.] e der Gründe, [X.]E 98, 205).

aa) Eine derartige Abrede ist nicht - stets - günstiger als die gesetzliche Regelung. Sie sieht sowohl längere als auch kürzere Fristen vor. Nach der Rechtsprechung des [X.] zu § 4 Abs. 3 [X.] können sich solche teils günstigeren, teils ungünstigeren Vereinbarungen jedenfalls gegen Tarifrecht nicht durchsetzen (vgl. [X.] 12. April 1972 - 4 [X.] - [X.]E 24, 228; 17. April 2002 - 5 [X.] [X.] b der Gründe).

bb) Auch die Auslegung von § 622 [X.] ergibt, dass in Abs. 2 der Vorschrift Mindestfristen bestimmt sind, die dem Arbeitnehmer - vorbehaltlich der Möglichkeiten des § 622 Abs. 4 [X.] - ausnahmslos zur Verfügung stehen sollen. Für eine Durchschnittsbetrachtung bezogen auf ein Kalenderjahr gibt die Norm nichts her. Nach § 622 Abs. 5 Satz 3 [X.] müssen einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsfristen „länger“ und nicht „meistens länger“ sein. Das entspricht dem Zweck des Gesetzes. Der Fristenlauf soll dem Arbeitnehmer vor allem die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz während des - noch - fortbestehenden Arbeitsverhältnisses (vgl. § 629 [X.]) und damit einen nahtlosen Übergang in eine Anschlussbeschäftigung ermöglichen (zu den Gesetzeszwecken vgl. im Einzelnen Kaiser FS Konzen 2006 S. 381, 385 ff.). Diese zeitlich begrenzte Schutzfunktion der Kündigungsfristen aktualisiert sich erst bei Ausspruch einer - wirksamen - Kündigung. Der Zweck dieses temporären Bestandsschutzes würde nur unvollkommen verwirklicht, wenn die Anwendung einer bloß „tendenziell“ günstigeren Regelung im konkreten Kündigungsfall zu einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Frist führen könnte (so auch [X.]. zu [X.] 4. Juli 2001 - 2 [X.] § 622 [X.] nF Nr. 63). Die Übergangsvorschrift in Art. 222 Nr. 1 EG[X.] zum Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten vom 7. Oktober 1993 ([X.]l. I S. 1668), mit dem § 622 [X.] seine heutige Gestalt erhielt, unterstreicht, dass die gesetzlichen Mindestfristen bei jedem - dort: durch den Zugang der Kündigung bereits angebrochenen, aber noch nicht abgeschlossenen - „kündigungsrechtlichen Sachverhalt“ (vgl. [X.]. 12/4902 S. 9) zugunsten des Arbeitnehmers „voll effektiv“ werden sollen.

3. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass ein einschlägiger Tarifvertrag iSv. § 622 Abs. 4 [X.] existiert. Soweit sie in der Revision erstmals auf den Manteltarifvertrag für die chemische Industrie in den neuen Bundesländern und [X.] ([X.]) vom 17. März 1994 in der Fassung vom 2. November 2011 abgehoben hat, hat sie zur Eröffnung seines persönlichen Anwendungsbereichs nicht vorgetragen. Das wäre erforderlich gewesen, weil die Klägerin unter Bezugnahme auf § 1 letzter Satz und § 2 Nr. 2, erster Halbsatz des Arbeitsvertrags eingewandt hatte, dass sie als „außertarifliche Angestellte“ nicht vom „[X.]“ erfasst werde.

4. Da die vertragliche Kündigungsfrist sich im Vergleich mit der gesetzlichen Regelung nicht als durchweg länger erweist, musste die Beklagte gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 [X.] eine Frist von sieben Monaten zum Monatsende einhalten. Die zu wahrende Kündigungsfrist betrug nicht etwa sieben Monate zum Halbjahresende. Die Parteien wollten eingeschränkte Kündigungstermine nur im Verbund mit einer auf sechs Monate verkürzten Kündigungsfrist vereinbaren. Diesen Willen respektiert § 622 [X.]. Auch insofern gilt, dass die Vorschrift lediglich Mindeststandards setzen möchte. Versteht man sie als Gebotsnorm, tritt eine für den Arbeitnehmer ungünstigere Vereinbarung insgesamt lediglich hintan, bleibt aber rechtlich als solche existent. Es gilt der Anwendungsvorrang des Gesetzes. Ordnet man § 622 Abs. 2 [X.] als Verbotsnorm (§ 134 [X.]) ein, ist die vertragliche Regelung in Gänze unwirksam (§ 139 [X.]).

I[X.] Die Kündigung ist weder zum 30. Juni 2013 wirksam, noch ist sie als Willenserklärung insgesamt unwirksam. Sie kann in eine Kündigung zum 31. Juli 2013 umgedeutet werden (§ 140 [X.]).

1. Eine Umdeutung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die zum 30. Juni 2013 erklärte Kündigung nach § 7 [X.] als von Anfang an rechtswirksam gälte (vgl. dazu [X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 30, [X.]E 135, 255). Die Klägerin hat in der Frist des § 4 Satz 1 [X.] Klage erhoben und sich in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 [X.] auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist berufen.

2. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Beklagte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich zum 30. Juni 2013 gewollt hätte. Die entsprechende Würdigung des Arbeitsgerichts ist ohne Rechtsfehler. Entgegen der Ansicht der Klägerin hindert die Überzeugung des Arbeitgebers, er habe mit zutreffender Frist gekündigt, nicht die Annahme, er hätte bei Kenntnis der objektiven Fehlerhaftigkeit der seiner Kündigung beigelegten Frist das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen, sondern zum nächstzulässigen Termin beenden wollen ([X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 29, [X.]E 135, 255).

3. Die Kündigung zum 31. Juli 2013 ist wirksam.

a) Sie ist aufgrund der Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 [X.]. Die Klägerin hat die Ordnungsgemäßheit des Konsultationsverfahrens (§ 17 Abs. 2 [X.]) nicht bestritten. Ihre Rüge, die Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 3 [X.]) sei fehlerhaft, hat sie auf entsprechenden Vortrag der [X.] nicht konkretisiert.  

b) Die Zurückweisung der Kündigung gemäß § 174 Satz 1 [X.] ging - unabhängig von der Frage ihrer Rechtzeitigkeit (vgl. dazu [X.] 25. April 2013 - 6 [X.] - Rn. 126; 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 33, [X.]E 140, 64) - ins Leere. Der Klägerin musste keine Vollmachtsurkunde vorgelegt werden. Die Kündigung wurde aufgrund gesetzlicher Vertretungsmacht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erklärt (vgl. [X.] 8. November 2007 - 2 [X.] - Rn. 26). Das [X.] ist ohne Rechtsfehler zu der Überzeugung gelangt, dass sie von der damaligen - alleinvertretungsberechtigten - Geschäftsführerin der [X.] unterzeichnet war.

aa) Der von der Revision mit Blick auf die Beweiswürdigung gerügte Denkfehler liegt nicht vor. Das [X.] hat nicht gemeint, die Unterschrift unter der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage nach § 377 Abs. 3 ZPO müsse zwingend von der - als Zeugin vernommenen - vormaligen Geschäftsführerin der [X.] stammen. Es war hiervon überzeugt. Das musste es nicht näher begründen. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind im Urteil lediglich die für die richterliche Überzeugungsbildung leitenden Gründe anzugeben (vgl. dazu [X.] 21. August 2014 - 8 [X.] - Rn. 40). Die Klägerin hat im Berufungsverfahren nicht bestritten, dass die Unterschrift auf dem Antwortschreiben von der Zeugin eigenhändig geleistet wurde. Für das Gegenteil bestanden auch keine Anhaltspunkte. Damit bedurfte es zu dieser Frage weder eines Beweises nach § 441 Abs. 2 ZPO noch gesonderter Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung.

bb) Aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage und einer als echt anzusehenden Vergleichsunterschrift hat sich das [X.] rechtsfehlerfrei die Überzeugung gebildet, dass die Unterschrift auf dem Kündigungsschreiben von der seinerzeitigen Geschäftsführerin der [X.] stammte. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine Unterschrift nicht immer vollständig identisch geleistet wird, sondern eine gewisse Variationsbreite aufweist (vgl. nur [X.] 27. September 2005 - [X.]/04 - zu [X.] a der Gründe). Zudem war unter der Unterschrift auf dem Kündigungsschreiben der maschinenschriftliche Text „[X.], Geschäftsführerin“ angebracht und ist nichts dafür ersichtlich, warum eine andere Person anstelle der Zeugin das Schreiben hätte unterzeichnen sollen. Die Klägerin verkennt, dass es für die von § 286 Abs. 1 ZPO geforderte Überzeugung des Gerichts keiner absoluten Sicherheit bedarf, sondern ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr., vgl. [X.] 23. Oktober 2014 - 2 [X.] 865/13 - Rn. 44; [X.] 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23).

c) Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß angehört. Die Beklagte hat die Kündigung nicht vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausgesprochen.

aa) Der Betriebsratsvorsitzende hat das [X.] am 6. Dezember 2012 entgegen genommen. Das steht aufgrund einer ebenfalls [X.] Beweiswürdigung des [X.]s fest. Dieses hat in seinen Entscheidungsgründen zudem ausgeführt, dass die Klägerin den Zugang zuletzt - mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO - „auch nicht mehr in Abrede gestellt“ habe. Seine Feststellung hätte nur mit einem erfolgreichen [X.] nach § 320 ZPO beseitigt werden können (vgl. [X.] 13. März 1964 - 1 [X.] 100/63 - zu [X.] der Gründe; [X.] 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 - Rn. 11).

bb) Der Betriebsratsvorsitzende war zum Empfang des [X.]s berechtigt (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Soweit die Klägerin seine ordnungsgemäße Wahl bestritten hat, hat sie weder deren erfolgreiche Anfechtung analog § 19 BetrVG (vgl. [X.] 15. Januar 1992 - 7 [X.] - zu B [X.] der Gründe, [X.]E 69, 228) noch das Vorliegen solch schwerwiegender und offensichtlicher Gesetzesverstöße behauptet, dass ausnahmsweise von einer nichtigen Wahl auszugehen wäre (vgl. [X.] 27. Aufl. § 26 Rn. 60). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte vom Fehlen einer Empfangsvollmacht des Betriebsratsvorsitzenden und deshalb von einer nicht ordnungsgemäßen Einleitung des [X.] hätte ausgehen müssen (zur Problematik vgl. [X.] 6. Oktober 2005 - 2 [X.] 316/04 - zu [X.] und [X.] der Gründe).

B. Der Leistungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Die Klägerin hat Weiterbeschäftigung nur bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung begehrt.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Das erstinstanzliche Schlussurteil war - trotz Zurückweisung beider Berufungen - gemäß § 308 Abs. 2 ZPO im Kostenpunkt zu korrigieren. Es hatte eine Gesamtentscheidung unter Einbeziehung der im Teilvergleich getroffenen Vereinbarung zu erfolgen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

Meta

2 AZR 280/14

29.01.2015

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 8. August 2013, Az: 44 Ca 332/13, Urteil

§ 622 Abs 2 S 1 Nr 7 BGB, § 622 Abs 4 S 2 BGB, § 622 Abs 5 S 3 BGB, § 140 BGB, § 4 S 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2015, Az. 2 AZR 280/14 (REWIS RS 2015, 16361)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2205 REWIS RS 2015, 16361

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 Sa 365/21

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