Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2017, Az. V ZB 59/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12759

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:060417B[X.]59.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

6. April 2017

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 189; FamFG § 420 Abs. 1; GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1
Allein der Verstoß gegen die Pflicht zur Beeidigung des Dolmetschers nach § 189 [X.] berührt nicht die Grundlagen der Anhörung.
[X.], Beschluss vom 6. April 2017 -
V [X.] -
LG Hannover

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 6.
April 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 20. April 2016 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste im Frühjahr 2014 in das [X.] ein. Bei einer polizeilichen Kontrolle wurde er ohne Aus-weisdokumente angetroffen. Er verbüßte bis zum 8. Dezember 2015 eine Ju-gendstrafe in der [X.]. Mit Verfügung vom [X.] wurde er aus dem [X.] ausgewiesen; ihm wurde zudem die Abschiebung in die [X.] angedroht. Auf Antrag der beteiligten [X.] ordnete das [X.] am 4. Dezember 2015 [X.]
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Bezirk die JustizvoDie Abschiebungshaft wurde in dem Bezirk des [X.] voll-streckt.

Die für den 7. Januar 2016 terminierte Abschiebung konnte wegen pas-siven Widerstands des Betroffenen nicht durchgeführt werden. Das [X.] hat daraufhin am 8. Januar 2016 auf Antrag der beteiligten Behörde die angeordnete [X.] bis längstens zum Ablauf des 22. Januar 2016 verlängert. Hiergegen hat der Betroffene, der einen Asylantrag gestellt hat und am 18. Januar 2016 aus der Haft entlassen worden ist, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung festzustellen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht bejaht die Zuständigkeit des [X.] und meint, die Verlängerung der [X.] sei rechtmäßig. Der Be-troffene sei zwar nicht zur Abgabeentscheidung des [X.] ge-hört worden. Es sei aber nicht dargetan und nicht ersichtlich, inwiefern eine [X.] zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Die unterlassene Benach-richtigung des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen von dessen Anhö-rung vor Verlängerung der [X.] führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Haft. Der Betroffene habe sich ohne Vorbehalt geäußert und nicht kundgetan, dass er einen Verfahrensbevollmächtigten habe. Das sei weder der beteiligten Behörde noch dem [X.] bekannt gewesen. Rechtswidrig sei die Haft auch nicht wegen des Erlöschens der allgemeinen Beeidigung des 2
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Dolmetschers. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Dolmetscher, der davon ausgegangen sei, dass es sich bei der Einreichung von Unterlagen zur
erneuten Beeidigung um eine reine Formalie handele, nicht treu und [X.] übertragen habe. Im Übrigen hätten die Voraussetzungen für die Ver-längerung der [X.] vorgelegen.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Betroffene im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Abgabe des Verfahrens an das [X.] (§ 106 Abs. 2 Satz 2 [X.]) nicht in seinem [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt [X.]. Eine Anhörung wäre zwar erforderlich gewesen (vgl. dazu [X.], 180, 184). Die Zuständigkeit des [X.] für die Entscheidung über die Verlängerung der Haft war aber unabhängig von der Abgabeentschei-dung des [X.] gegeben. Wie der Senat zwischenzeitlich ent-schieden hat, ist für die Entscheidung über die Verlängerung von Abschie-bungs-
oder Rücküberstellungshaft das Gericht am [X.] nach § 416 Satz 2, §
425 Abs. 3 FamFG originär zuständig, ohne dass es einer Abgabe nach §
106 Abs. 2 Satz 2 [X.] bedarf (Beschluss vom 2.
März 2017
V
ZB
122/15, zur [X.] bestimmt). § 106 Abs. 2 Satz
2 [X.] gilt nach dem Inkraft-treten des [X.] (vom 17.
Dezember 2008, [X.] I S. 2586) am 1. September 2009 nur für Entscheidungen nach §§ 424, 426 FamFG.
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2. Die Haftanordnung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil der Betroffene während seiner Anhörung durch das Amtsgericht nicht anwaltlich vertreten war.

a) Allerdings garantiert der Grundsatz des fairen Verfahrens einem Be-troffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfah-ren von einem
Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 228 Rn. 8; Beschluss vom 20. Mai 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 381 Rn. 6 u. 20 mwN). [X.] das Gericht durch seine Verfahrensge-staltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies, [X.] als das Beschwerdegericht meint, ohne weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht. Das gilt auch für die Verlängerung der Abschiebungs-
oder Rücküber-stellungshaft, auf die nach §
425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den
Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt an-zuwenden sind.

b) Hier lässt
sich jedoch nicht feststellen, dass das Recht des Betroffe-nen auf ein faires Verfahren verletzt worden ist. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen wurde zwar nicht zu der Anhörung geladen, das ist aber nicht auf einen Verfahrensfehler des [X.] zurückzuführen. Nach dem von dem Beschwerdegericht wiedergegebenen Nichtabhilfebeschluss war dem Haftrichter, auch nach den von ihm durchgeführten Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG), nicht bekannt, dass der Betroffene für das Haftverlänge-rungsverfahren einen Rechtsanwalt beauftragt hatte. Der Haftrichter hat ausge-führt, den Verfahrensbevollmächtigten, der sich im Haftanordnungsverfahren für den Betroffenen bestellt hatte, von dem Anhörungstermin telefonisch in Kennt-6
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nis gesetzt zu haben. Von diesem sei mitgeteilt worden, er habe das Mandat abgegeben und ein anderer Rechtsanwalt habe es übernehmen wollen. Der Haftrichter hat weiter ausgeführt, eine Mandatsübernahme sei nicht mitgeteilt worden. Er habe sich unmittelbar vor Beginn des [X.] explizit bei dem Vertreter der beteiligten Behörde erkundigt, ob ein [X.] angezeigt worden sei, was dieser verneint habe. Bei dieser Sach-lage konnte der Haftrichter nicht wissen, dass es einen Verfahrensbevollmäch-tigten gab, der zu laden gewesen wäre.

3. Die Anordnung der Haftverlängerung war auch nicht deshalb rechts-widrig, weil der bei der Anhörung des Betroffenen hinzugezogene Dolmetscher (§ 185 Abs. 1 Satz 1 [X.]) sich auf seine allgemeine Vereidigung berufen hat, obwohl diese zum Zeitpunkt der Anhörung wegen Fristablaufs erloschen war.

a) Richtig ist allerdings, dass der Dolmetscher [X.] dahin zu leisten hat, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde (§ 189 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des [X.] und der Länder die Berufung auf [X.] (§ 189 Abs. 2 [X.]). Diese Möglichkeit entfällt, wenn die allgemeine Beeidigung erlo-schen ist. Das war hier nach § 31 Abs. 1 NJG (Nds. GVBl. 2014, 436) der Fall. Der Dolmetscher hätte deshalb vor der Anhörung des Betroffenen [X.] leis-ten müssen, was nicht erfolgt ist.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt aber allein der Umstand, dass eine Beeidigung des Dolmetschers unterblieben ist, nicht zu einem Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Verfahrensfehler bei der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 420 Abs. 1 9
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FamFG verletzen den Betroffenen in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur, wenn sie nicht nur den formal ordnungsmäßigen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen betreffen und ihr den [X.], Beschluss vom 18. Februar 2016

V
ZB
23/15, [X.] 2016, 235 Rn. 26 mwN; Beschluss vom 20. Mai 2016

V
[X.], [X.] 2016, 381 Rn. 10). Zu diesen zählt die unterbliebene Beeidigung des Dolmetschers nicht. Eine treue und gewissenhafte Übersetzung durch den Dolmetscher ist für die Anhörung des Betroffenen zwar unverzicht-bar. Dass dem Dolmetscher seine Verpflichtung zu einer solchen Übertragung vor der Anhörung nicht (erneut) vor Augen geführt worden ist, lässt aber nicht den Schluss zu, dass die
Übertragung insgesamt unzuverlässig und daher als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung ungeeignet war. Nur dann wäre es gerechtfertigt, eine -
ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung [X.] -

chen Sachverhalt stützt sich die Rechtsbeschwerde jedoch nicht.
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IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des [X.] auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann Schmidt-Räntsch

Weinland

Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.01.2016 -
43 [X.] B -

LG Hannover, Entscheidung vom 20.04.2016 -
8 [X.] -

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Meta

V ZB 59/16

06.04.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2017, Az. V ZB 59/16 (REWIS RS 2017, 12759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12759

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 59/16

V ZB 32/14

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