Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.11.2014, Az. 4 StR 290/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1567

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Gegenstand

Verfallsanordnung bei Betrug: Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls bei unbilliger Härte; Erstreckung der Aufhebung der Verfallsanordnung auf nicht revidierenden Mitangeklagten


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2013, soweit es sie betrifft, im Ausspruch über das Absehen von Verfallsanordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und drei Monaten (A.) sowie fünf Jahren ([X.].  ) verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass gegen den Angeklagten A. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 279.823,97 € und gegen den Angeklagten [X.].  wegen eines Geldbetrages in Höhe von 110.390,04 € nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO halten materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme der Wirtschaftsstrafkammer, die von verschiedenen Bankkonten abgehobenen Beträge seien wertmäßig noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden, erweist sich als rechtsfehlerhaft.

3

a) Das [X.] hat zwar nicht verkannt, dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berück- sichtigen ist (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39, 44; Beschluss vom 17. September 2013 - 5 [X.], [X.], 32). Die Wirtschaftsstrafkammer ist aber davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten A. in der [X.] vom 17. November 2009 bis zum 13. April 2010 von Konten der [X.]. abgehobenen Geldbeträge von insgesamt 279.823,97 € wertmäßig noch im Vermögen dieses Angeklagten vorhanden sind. Das hat es auch in Bezug auf den Angeklagten [X.].  angenommen, so- weit dieser in der [X.] vom 24. November 2009 bis zum 13. April 2010 102.698,65 € von seinem Konto abgehoben hatte.

4

Die Annahme der Wirtschaftsstrafkammer, diese Geldbeträge seien noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden, entbehrt einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das [X.] hat bei beiden Angeklagten hervorgehoben, dass der Verbleib dieser Bargeldbestände ungeklärt sei. Schon diese Feststellung schließt es aus, zu Lasten der Angeklagten davon auszugehen, dass die Geldbeträge wertmäßig noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden sind. Hinzu kommt, worauf der [X.] in seinen Antragsschriften mit Recht hingewiesen hat, dass die Gelder mehr als drei Jahre vor der Verkündung des angefochtenen Urteils von den Konten abgehoben wurden. Einer dauerhaften Erwerbstätigkeit konnten beide Angeklagte in diesem [X.]raum infolge des Vollzugs von Untersuchungshaft nicht nachgehen. Der Angeklagte [X.].  bezog nach seiner letzten Entlassung staatliche Leistungen nach [X.]; der Angeklagte A. ist Frau und [X.] unterhaltspflichtig. Über Geldanlagen oder den Erwerb von Vermögensgegenständen ist im Urteil nichts festgestellt.

5

b) In den der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO beim Angeklagten [X.].  zu Grunde gelegten Geldbetrag von 110.390,04 € ist auch die auf dem Konto dieses Angeklagten sichergestellte Summe von 7.691,39 € eingeflossen. Zwar ist dieser Betrag unverändert dem Vermögen des Angeklagten zuzuordnen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juli 2014 - 2 StR 20/14). Der [X.] hat jedoch die Feststellung auch insoweit aufgehoben, um dem neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter gegebenenfalls eine insgesamt einheitliche und widerspruchsfreie Ermessensausübung zu ermöglichen.

6

2. Im Übrigen erweisen sich die Revisionen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

7

3. Eine Erstreckung der Aufhebung der Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO auf die - nicht revidierende - [X.] gemäß § 357 Satz 1 StPO ist nicht geboten. Zwar ist diese Vorschrift grundsätzlich auch auf Verfallsentscheidungen anzuwenden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Februar 2004 - 3 [X.], und vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 498/04). Dies gilt aber nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichtanwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht. Die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB oder - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB - auf Grund tatrichterlichen Ermessens von einer Verfallsentscheidung abzusehen ist, beruht grundsätzlich auf individuellen Erwägungen, deren Beantwortung - wie hier - ganz wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 [X.], [X.], 565, 567). Der dem Urteil des [X.]s vom 28. Oktober 2010 (4 [X.], [X.]St 56, 39, 51) zu Grunde liegende Sonderfall, dass der Tatrichter von der Unanwendbarkeit des § 73c StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Feststellung ausgegangen ist, liegt hier, wie ausgeführt, nicht vor.

[X.]                               Roggenbuck                            Cierniak

                          Mutzbauer                                  [X.]

Meta

4 StR 290/14

06.11.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 18. Juli 2013, Az: 35 KLs 10/10

§ 73c Abs 1 StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 357 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.11.2014, Az. 4 StR 290/14 (REWIS RS 2014, 1567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1567

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