Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2013, Az. 5 StR 258/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2740

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Gegenstand

Strafverfahren: Feststellung über die Nichtanordnung des Verfalls wegen entgegenstehender Verletztenansprüche; Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über das Absehen von Verfallsanordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Betruges in 23 Fällen und versuchten Betruges in elf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass dem Verfall von [X.] in Höhe von 2.193.056,40 € die Ansprüche der Verletzten entgegenstehen.

2

Die hiergegen gerichteten, auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben im Umfang der Beschlussformel Erfolg.

3

1. Nach den Feststellungen erwarben die Angeklagten im Wege von Zwangsversteigerungen über von ihnen gegründete [X.] Scheinunternehmen „Schrottimmobilien“ in Ortschaften [X.] zu geringen fünfstelligen Preisen. Diese Grundstücke ließen sie von Privatpersonen, die sie gegen eine Belohnung von jeweils 5.000 € als „Zwischenkäufer“ angeworben hatten, zum Schein ankaufen, um unter deren Namen mit gefälschten Kreditanträgen und unrichtigen Exposés über die Immobilien bei [X.] Darlehen über sechsstellige Beträge zu erlangen. Dabei wurden diese Darlehen auf Veranlassung der Angeklagten an die von ihnen geführten [X.]n Gesellschaften ausgezahlt. Diese leiteten die Gelder an die Angeklagten weiter, die sie teilweise zur Führung eines aufwendigen Lebensstils verwendeten. Den geschädigten Banken entstand im Tatzeitraum von März 2008 bis Mai 2011 ein Gesamtschaden von rund 3,7 Millionen Euro. Um die erbeuteten Gelder zu „waschen“, gründeten und führten die Angeklagten zwei – im vorliegenden Verfahren nebenbeteiligte – Gesellschaften mit beschränkter Haftung. An diese leiteten sie Geldbeträge in einer Gesamthöhe von knapp 2,2 Millionen Euro weiter, mit denen u.a. die Wohnhäuser der Angeklagten erworben wurden.

4

2. Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.], die sich nach dem Wortlaut des [X.]s und nach den Entscheidungsgründen ([X.]) auf das Vermögen der Angeklagten und nicht auf das der [X.] bezieht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da die tatsächlichen Feststellungen der [X.] lückenhaft sind.

5

a) Zwar ist dem Urteil zu entnehmen, dass die Angeklagten „etwas erlangt“ haben (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB), als sie die Gelder, die auf den Konten der von ihnen geführten [X.]n Scheingesellschaften eingegangen waren, von deren [X.] abheben und sich jeweils durch Boten aushändigen ließen. Insoweit liegen entgegen der Auffassung des [X.] die Voraussetzungen einer Feststellung nach § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB, § 111i Abs. 2 [X.] im Hinblick auf das Vermögen der Angeklagten vor. Denn beim [X.] im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. [X.] ist danach schon dann etwas, wenn der Gegenstand in irgendeiner Phase des Tatablaufs in die Verfügungsgewalt des [X.] übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar etwas wirtschaftlich messbar zugute kommt. Eine spätere Weitergabe des [X.]en ändert am Eintritt der Voraussetzungen des Verfalls von [X.] nach § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB nichts und kann allenfalls noch im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein (vgl. [X.], Urteile vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65, 68; vom 4. Februar 2009 – 2 [X.], [X.]St 53, 179, 180 f.; vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]St 56, 39, 50; Beschluss vom 10. Januar 2008 – 5 [X.], [X.], 565, 566). Der vom [X.] in den Blick genommene Umstand, dass nach den Feststellungen die Verschiebung (eines Teils) der erlangten Gelder zu den [X.] stattgefunden hat und das [X.] damit die Voraussetzungen des Verfalls gegenüber einem Drittbegünstigten im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB in Gestalt eines Verschiebungsfalls beschrieben hat (vgl. [X.], Urteil vom 19. Oktober 1999 – 5 StR 336/99, [X.]St 45, 235, 246; Beschluss vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, [X.], 406), ohne freilich – auch insoweit – eine entsprechende Anordnung geprüft zu haben, bewirkt daher nicht, dass die Voraussetzungen einer Verfallsanordnung gegen die Angeklagten nach § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB bzw. einer gegen die Angeklagten gerichteten Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.] entfallen.

6

b) Das Urteil lässt jedoch eine hier nahe liegende Prüfung der Voraussetzungen der Vorschrift des § 73c Abs. 1 StGB vermissen, die auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 [X.] zu treffenden Entscheidung zu beachten ist (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]St 56, 39, 44, 50 mwN). Hierzu bedarf es näherer Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der beiden Angeklagten, die das [X.] nicht getroffen hat. Darauf konnte hier nicht verzichtet werden, da sich aus den Urteilsgründen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der vom [X.] für einen Auffangrechtserwerb des Staates (§ 111i Abs. 5 [X.]) zugrunde gelegte Betrag, der allerdings auch schon angesichts der insgesamt deutlich höheren [X.] nicht nachvollziehbar begründet worden ist, zum Zeitpunkt der Entscheidung wertmäßig nicht mehr in vollem Umfang im Vermögen der Angeklagten befunden haben könnte (§ 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB). Insoweit begegnet es durchgreifenden Bedenken, dass sich das [X.] bei der Berechnung des [X.] offensichtlich an den Geldsummen orientiert hat, die an die drittbegünstigten [X.] verschoben wurden, dabei aber nicht erkennbar berücksichtigt hat, dass die in das Gesellschaftsvermögen der beiden nebenbeteiligten Gesellschaften weitergeleiteten Vermögensvorteile trotz Zugriffsmöglichkeiten geschäftsführender Gesellschafter nicht ohne weiteres zugleich deren private Vermögensvorteile darstellen (vgl. für originär dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossene [X.] auch [X.] [Kammer], Beschlüsse vom 14. Juni 2004 – 2 BvR 1136/03, [X.], 409, 411; vom 3. Mai 2005 – 2 BvR 1378/04, NJW 2005, 3630, 3631; [X.], Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227, 256). Den Feststellungen ist nichts Näheres dazu zu entnehmen, ob die Angeklagten hier noch eine Trennung zwischen ihren eigenen Vermögenssphären und denjenigen der zur Beutesicherung genutzten Gesellschaften vorgenommen haben und wie sich deren Geschäftsanteile verteilten.

7

c) Damit folgt der Senat nicht dem weitergehenden Antrag des [X.], gemäß § 349 Abs. 4 [X.] hinsichtlich des Angeklagten [X.]die Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.] entfallen zu lassen. Auch insoweit entscheidet er durch Beschluss. § 349 Abs. 5 [X.] steht dem nicht entgegen. Die Befugnis des [X.], nach (teilweiser) [X.] die Sache zurückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 [X.]; sie setzt keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Februar 2004 – 4 StR 24/04; [X.], [X.], 6. Aufl., § 349 Rn. 39).

8

d) Das neue Tatgericht wird bei einem erneuten Absehen von der Verfallsanordnung gemäß § 111i Abs. 2 [X.] das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 [X.] zu beachten haben. Dieses erfasst mit der Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat die Anordnung des Verfalls, auch in Verbindung mit einer Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.] ([X.], 132; [X.], [X.], 56. Aufl., § 331 Rn. 21). Weiter wird zu berücksichtigen sein, dass der einem Auffangrechtserwerb des Staates gemäß § 111i Abs. 5 [X.] unterliegende Zahlungsanspruch die Angeklagten als Gesamtschuldner treffen könnte (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]St 56, 39, 46 ff., auch zur Formulierung einer Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.] im [X.]; Beschluss vom 13. Juli 2011 – 1 StR 42/11, [X.], 343).

9

Weiterhin wird zu den vom [X.] nicht geprüften Voraussetzungen einer Verfallsanordnung hinsichtlich des bei dem Angeklagten [X.]am 6. März 2012 sichergestellten Bargeldes in Höhe von 105.000 € ebenso auf die Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] Bezug genommen wie zu der unterlassenen Entscheidung über eine Anordnung des [X.]verfalls gegen die [X.]; insoweit ist das [X.] seiner diesbezüglichen Kognitionspflicht nicht ausreichend nachgekommen und ist das Strafverfahren, soweit es sich gegen die [X.] richtet, beim [X.] noch anhängig.

3. Im Übrigen erweisen sich die Revisionen aus den in der Antragsschrift des [X.] dargelegten Gründen, die auch durch die Gegenerklärungen der Verteidigung nicht entkräftet werden, als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]. Ergänzend verweist der Senat in Bezug auf die [X.], es sei gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] verstoßen worden, zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift, die lediglich Erörterungen nach den §§ 202a, 212 [X.] betrifft, auf das Urteil des 2. Strafsenats vom 10. Juli 2013 (2 StR 47/13, zum Abdruck in [X.]St bestimmt; vgl. auch [X.], Beschluss vom 22. August 2013 – 5 [X.]/13).

Sander                      Schneider                         Dölp

               Berger                            [X.]

Meta

5 StR 258/13

17.09.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 14. Dezember 2012, Az: 25 KLs 12/12

§ 111i Abs 2 StPO, § 358 Abs 2 StPO, § 73 Abs 1 S 2 StGB, § 73 Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2013, Az. 5 StR 258/13 (REWIS RS 2013, 2740)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1546 REWIS RS 2013, 2740


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 StR 258/13

Bundesgerichtshof, 5 StR 258/13, 25.02.2015.

Bundesgerichtshof, 5 StR 258/13, 17.09.2013.


Az. 2 BvR 2400/13

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2400/13, 29.01.2015.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2400/13, 26.08.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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