Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2015, Az. 1 StR 187/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 4696

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Gegenstand

Verfall von Wertersatz bei Steuerhinterziehung: Urteilsfeststellungen zum Absehen von einer Verfallsanordnung bei unbilliger Härte; Auffangrechtserwerb des Staates


Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 14. Juli 2014 - soweit es ihn betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.213.703,29 Euro die Ansprüche Verletzter der Anordnung des ([X.] entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO).

II. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

[X.] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf (Wertersatz-)Verfall in Höhe von 1.213.703,29 Euro erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Es hat weiterhin ausgesprochen, dass die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.

2

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet [X.]. § 349 Abs. 2 StPO.

3

Die vom [X.] getroffene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat die Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen.

4

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 4 [X.]; vom 18. März 2015 - 3 [X.], [X.], 270; vom 12. März 2015 - 2 StR 322/14, [X.], 171 f. und vom 6. November 2014 - 4 StR 290/14, [X.], 44). Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB ganz oder teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Entscheidungsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem [X.] bzw. dessen Wert zurückbleibt ([X.], Beschluss vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, [X.], 386; [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], NJW 2011, 624 f.). Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB sind zu erörtern, wenn naheliegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind ([X.], Beschlüsse vom 12. März 2015 - 2 StR 322/14, [X.], 171 f.; vom 17. Juli 2013 - 4 StR 208/13, [X.], 386 und vom 11. April 2013 - 4 StR 39/13, [X.], 610). So verhält es sich hier.

5

Das [X.] hat die im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionszahlungen ersichtlich in voller Höhe in die [X.] nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Angeklagte die erhaltenen Zahlungen für seinen Lebensunterhalt, Alkohol und Glücksspiel aufgewendet hat, weiterhin unterstützte er Freunde und Verwandte ([X.]). Danach ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Daran anknüpfend hätte sich das [X.] mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung der Härtevorschrift auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen [X.], Urteile vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, [X.], 176, 178 und vom 2. Oktober 2008 - 4 [X.], [X.], 234 f.).

6

Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO. Der [X.] hebt - entsprechend dem Antrag des [X.] - auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen - insbesondere zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten - zu ermöglichen.

Rothfuß                           Jäger                           Cirener

                    Radtke                        Fischer

Meta

1 StR 187/15

29.09.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 14. Juli 2014, Az: 10 KLs 501 Js 102530/12

§ 73c Abs 1 StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 111i Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2015, Az. 1 StR 187/15 (REWIS RS 2015, 4696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4696

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