Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2013, Az. 2 StR 306/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2396

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Gegenstand

Beweisaufnahme im Strafverfahren: Hinreichend konkrete Beweistatsache im Beweisantrag


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2013

a) im Fall [X.],

b) in den [X.] mit den zugehörigen Feststellungen

c) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung, soweit darin eine Feststellungsentscheidung bezüglich der Erstattung weiterer materieller Schäden ergangen ist,

aufgehoben.

Von einer Entscheidung über den aufgehobenen Teil des [X.] wird abgesehen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren, den [X.]     wegen derselben Delikte sowie darüber hinaus wegen Diebstahls ebenfalls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es [X.] getroffen. Die auf die Verletzung förmlichen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2

Hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall [X.] haben die Revisionen mit einer gleichlautenden Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die Sachrüge insoweit nicht mehr ankommt. Der Schuldspruch im Übrigen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

3

1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

4

Am neunten [X.] stellte der Verteidiger des [X.]     einen Beweisantrag, den [X.]     unter anderem zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser Anfang Januar 2012 über die Vermittlung des [X.].     eine Gaspistole erhalten und mit dieser gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des darauf folgenden Tags die Spielhalle in [X.]auf der [X.] überfallen habe. Der Verteidiger des Angeklagten [X.]schloss sich dem Beweisantrag an, den die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag zurückwies. Zur Begründung führte das [X.] aus, es handele sich nicht um einen Beweisantrag, da die Bezeichnung des [X.] "Die Spielhalle in [X.]auf der [X.]" nicht hinreichend bestimmt sei. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass nach der Bekundung des Zeugen U.     eine silberfarbene Gaspistole im Umlauf gewesen sei, während ausweislich der Lichtbilder und des [X.] vom [X.] ausschließlich schwarzfarbene pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt worden seien. Weshalb der Zeuge [X.]  deshalb eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt. Daraufhin stellte der Verteidiger des Angeklagten [X.]u.a. unter Beweis, der Zeuge [X.]  werde bekunden, dass er von       [X.].    am 2. Januar 2012 eine Gaspistole bekommen, am darauffolgenden zwei weitere schwarzfarbene [X.] von einem Bekannten erhalten und mit diesen zusammen mit jenem Bekannten in der Nacht des 3. Januar 2012 die Spielhalle "    " in [X.]auf der [X.] überfallen habe. Den Beweisantrag, dem sich nunmehr der Verteidiger des [X.]    anschloss, wies die Kammer ebenfalls zurück. Es fehle an einer zulässigen Beweisbehauptung und damit an einem Beweisantrag, soweit nunmehr behauptet werde, der Zeuge könne bestätigen, mit einem Bekannten die Spielhalle "    " am 3. Januar 2012 überfallen und dabei eine schwarzfarbene Pistole verwendet zu haben. Beide Angeklagte und beide Verteidiger hätten im ersten Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen noch behauptet, dieser habe den Überfall mit der im Antrag vorbenannten Pistole (nach dem bisherigen Beweisergebnis sei diese silberfarben) begangen. Weshalb die gleichartige Behauptung nunmehr unter Bezugnahme auf eine andere Pistolenfarbe aufgestellt werden könne, sei für die Kammer nicht nachvollziehbar. Diesen Widerspruch hätten die Verteidiger auf Nachfrage nach der Herkunft ihres Wissens auch nicht aufgelöst.

5

2. Schon die Ablehnung des ersten Beweisantrages, dessen Beweisbehauptung auch nicht im Rahmen des zweiten Antrags zurückgenommen worden ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3.

6

a) Entgegen der Ansicht des [X.]s erfüllte der Antrag alle Voraussetzungen eines Beweisantrags. Insbesondere war er hinreichend bestimmt, soweit er die Behauptung eines Überfalls auf "die Spielhalle in [X.]     auf der [X.]" enthielt. Erkennbar war insoweit die Spielhalle in Bezug genommen, deren Überfall den Angeklagten am 3. Januar 2012 vorgeworfen worden war. Andere Gründe für die Annahme, es liege kein Beweisantrag vor, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet die Erwägung der [X.], es sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt, warum der Zeuge eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, nicht den Schluss, es liege kein Beweisantrag vor. Sie belegt vielmehr nur, dass die [X.] die Erfolgsaussichten des Beweisantrags unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und damit unter Verstoß gegen das Verbot einer antizipierenden Beweiswürdigung beurteilt hat.

7

b) Damit hätte der Antrag nur zurückgewiesen werden können, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gegeben gewesen wäre. Ein solcher aber ist weder ausdrücklich mitgeteilt noch lässt er sich den Beschlussgründen im Übrigen entnehmen. Daraus, dass der Zeuge [X.] zu der unter Beweis gestellten Behauptung, der Begehung eines Überfalls mit der von        [X.].    übergebenen Gaspistole, aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des schon vernommenen Zeugen U.    nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, weil die von [X.].    übergebene Pistole silberfarben gewesen sein soll, bei dem Überfall aber schwarze verwendet worden sind, lässt sich kein gesetzlicher Ablehnungsgrund herleiten. Insbesondere war damit das für diese Behauptung angegebene Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet.

8

c) Aus der Stellung des zweiten Beweisantrags lässt sich - entgegen der Ansicht des [X.] - nicht folgern, damit sei der erste Antrag insgesamt zurückgenommen, so dass dessen Zurückweisung mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden könne. So erklärt sich der später gestellte Antrag allein aus der Existenz des ersten, an dessen (fehlerhafte) Ablehnung er inhaltlich anknüpft. Darin eine Rücknahme des zuerst gestellten Beweisbegehrens zu sehen, ließe diesen prozessualen Zusammenhang außer Betracht, bei dem die Angeklagten lediglich auf die (fehlerhafte) Ablehnungsbegründung der [X.] reagieren und ersichtlich nicht ihre ursprünglich unter Beweis gestellte Behauptung aufgeben wollten. Dies erhellt sich im Übrigen daraus, dass beiden Anträgen die (Kern-)Behauptung inne wohnt, der Zeuge [X.]könne bekunden, am fraglichen Tag zusammen mit einer dritten Person den dem Angeklagten vorgeworfenen Überfall auf die Spielhalle in [X.]begangen zu haben.

9

d) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht auch die angefochtene Entscheidung. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass der Zeuge [X.]  wie behauptet bestätigt hätte, er habe zusammen mit einer anderen Person den fraglichen Überfall begangen, und dass sich das [X.] angesichts einer solchen Aussage nicht (mehr) von der Täterschaft der beiden Angeklagten hätte überzeugen können.

II.

Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.3 zieht ohne Weiteres die Aufhebung der [X.] nach sich.

III.

Die Adhäsionsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte [X.]verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger S.    den diesem aus der Tat vom 24. April 2011 erwachsenen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 [X.]) voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können ([X.], Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 [X.]; s. [X.], Urteil vom 27. Februar 2013 - 2 [X.]/12; Beschluss vom 12. März 2013 - 2 [X.]). Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht ([X.], Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382, 2383; Urteil vom 15. Juli 1997 - [X.], [X.], 160). Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.

Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte Erwägung der [X.], die Entstehung künftiger Schäden sei hinreichend wahrscheinlich ([X.]), ist nicht mit Tatsachen belegt, die für die Annahme eines Dauer- oder Folgeschadens sprechen könnten. Sie steht im Übrigen im Widerspruch zu der an anderer Stelle zu findenden Feststellung des [X.]s, der dem Adhäsionskläger durch den Angeklagten verursachte Nasenbeinbruch sei ohne Dauerfolgen verheilt ([X.]). Angesichts dessen ist für die Zuerkennung eines Feststellungsanspruchs kein Raum. Insoweit war daher - auch weil neue Feststellungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, nicht zu erwarten sind - von einer weiteren Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abzusehen.

Fischer                Schmitt                      Krehl

               Ott                         [X.]

Meta

2 StR 306/13

26.09.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 10. Januar 2013, Az: 28 KLs 785 Js 36/12 - 3/12

§ 244 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2013, Az. 2 StR 306/13 (REWIS RS 2013, 2396)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2396

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