Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. 2 StR 7/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17730

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Gegenstand

Strafurteil: Anforderungen an die Beweiswürdigung der Angaben eines "Zeugen vom Hörensagen"


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. August 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen den Angeklagten [X.]wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen und Einzelstrafen aus einem weiteren Urteil eine Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verhängt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von fünf Monaten verhängt. Die Angeklagten [X.]     und B.     hat es jeweils wegen schweren Raubs verurteilt und gegen den Angeklagten [X.]     unter Einbeziehung eines früheren Urteils und der Strafe aus einem früheren Strafbefehl eine Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, gegen den [X.]     eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten [X.]     verhängten Jugendstrafe und der gegen den [X.]     verhängten Freiheitsstrafe hat das [X.] zur [X.]währung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getroffen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s betrat der Angeklagte [X.]     am 8. Juni 2012 aufgrund eines zuvor mit den Angeklagten [X.]  und B.     gefassten Tatentschlusses gegen 03.50 Uhr zugleich mit dem [X.]. die Spielhalle        in [X.]       . Er spielte am Automaten. Um 04.05 Uhr betrat der Angeklagte [X.]  maskiert und mit einer Pistole bewaffnet die Spielhalle. Er rief „Überfall“ und bedrohte die Angestellte S.       mit der Pistole. Als sie ihn fragte: „[X.]?“, schlug er ihr mit der Pistole sowie mit einer Faust gegen den Kopf und stieß sie gegen den Tresen. Dann entnahm er aus der Kasse ungefähr 340 Euro Bargeld und flüchtete zu dem bereitstehenden Fluchtfahrzeug, das von dem [X.]      geführt wurde.

3

2. Die Angeklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen. Das [X.] hat sich vor allem auf die Aussage des Zeugen [X.]gestützt und die Anwesenheit des Angeklagten [X.]  in der Spielhalle zur Tatzeit durch die Angaben der Zeugen S.      und [X.].    bestätigt gesehen. Der Zeuge [X.]habe bekundet, der [X.]     habe ihm am Morgen nach der Tat aufgeregt erzählt, er habe gemeinsam mit dem Angeklagten [X.]     und einem „E.   “ die Spielhalle überfallen. Dabei habe B.     einen schwarzen [X.] mit sich geführt. Nach seiner Schilderung habe er bei der Tatbegehung das Fluchtfahrzeug gefahren, während [X.]     ein „Aufpasser“ und „E.   “ der Haupttäter gewesen seien.

4

Das [X.] hat unter anderem auch den in [X.]täubungsmittelverfahren ermittelnden [X.]     als Zeugen vernommen, der angegeben hat, der Zeuge [X.]  habe ihn aus eigenem Antrieb um ein Gespräch gebeten. Er, der Zeuge P.    , sei zunächst davon ausgegangen, dass es dabei „um Dinge der dienstlichen Zusammenarbeit“ gehen solle. [X.]i dem Gespräch habe ihm der Zeuge [X.]  aber von den Äußerungen des [X.]     zum Spielhallenüberfall berichtet.

5

Das [X.] hat die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeuge [X.]  erörtert und berücksichtigt, dass er in einzelnen Punkten unzutreffende Angaben gemacht habe. Diese hätten allerdings außerhalb des [X.] gelegen. Der Zeuge [X.]  neige nach dem Eindruck des Gerichts in belastenden Situationen dazu, „auch falsche, leicht widerlegbare [X.]gründungen abzugeben“. Er sei jedoch „kein kaltschnäuziger Lügner“. Seine Angaben zum Kerngeschehen würden durch das übrige [X.]weisergebnis bestätigt. Schließlich sei „kein Motiv festzustellen, das den Zeugen [X.]  veranlasst haben könnte, einen oder mehrere Angeklagte zu Unrecht zu belasten“.

II.

6

Die Revisionen der Angeklagten sind jeweils mit der Sachrüge begründet, sodass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt. Die [X.]weiserhebung des [X.]s begegnet durchgreifenden rechtlichen [X.]denken. Sie ist lückenhaft.

7

1. Es ist zwar nicht von vornherein rechtlich zu beanstanden, dass sich das [X.] auf die Angaben des Zeugen [X.]  gestützt hat, der „Zeuge vom [X.]“ ist. Die Angaben eines „Zeugen vom [X.]“ bedürfen wegen der erhöhten Gefahr unsachlicher Einflüsse auf die Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe von Informationen aus zweiter Hand sowie wegen der reduzierten Möglichkeiten für das Gericht und die Verfahrensbeteiligten, die Informationen durch Rückfragen bei der primären Auskunftsperson zu hinterfragen, stets einer besonders sorgfältigen [X.]weiswürdigung (vgl. [X.], [X.]schluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81, [X.]E 57, 250, 292; [X.], Urteil vom 1. August 1962 - 3 StR 28/62, [X.]St 17, 382, 385 f.). Dazu müssen auch die Aussageentstehung und Aussagemotivation möglichst genau überprüft werden, weil sich daraus Fehlerquellen für den Aussageinhalt ergeben können. An einer derart erschöpfenden [X.]weiswürdigung fehlt es hier.

8

2. Nach den im Urteil mitgeteilten Umständen, vor allem der damaligen Loslösung des Zeugen [X.]  aus der [X.]täubungsmittelszene, „der dienstlichen Zusammenarbeit“ mit dem [X.]      in Verbindung mit der „etwaigen“ Gewährung von Gegenleistungen für seine Aussage und der Erteilung einer Vertraulichkeitszusage durch den Kriminalhauptmeister [X.]aus Anlass einer Lichtbildvorlage zur Täteridentifizierung, erscheint es möglich, dass der Zeuge [X.]  eine Vergünstigung gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB (in der vom 1. September 2009 bis zum 31. Juli 2013) geltenden Fassung erstrebt haben kann. Dies hätte ein Motiv dafür bilden können, sein Wissen anders oder umfangreicher darzustellen, als es tatsächlich vorhanden war. Auch könnten unbewusste Fehlvorstellungen bei dem Zeugen vom [X.] bei seiner nachträglichen Identifizierung der beteiligten Personen oder der Konfrontation mit den Angeklagten wirksam geworden sein; die „Schnellschüsse“ des Zeugen an anderer Stelle unterstreichen eine solche Gefahr für die Feststellung der Wahrheit. Deshalb ist die Mitteilung des [X.]s, es sei „auch kein Motiv festzustellen, das den Zeugen [X.]  veranlasst haben könnte, einen oder mehrere Angeklagte zu Unrecht zu belasten“, nicht ausreichend.

9

Wegen der [X.] der [X.]weiswürdigung zur Frage der Tatbegehung durch die Angeklagten ist das Urteil insgesamt aufzuheben. Das gilt auch hinsichtlich des Angeklagten [X.]    , dessen Anwesenheit in der Spielhalle zur [X.] durch weitere Zeugenaussagen belegt ist, dessen [X.]teiligung an der Tat als „Aufpasser“ in der Rolle eines scheinbaren Spielhallenkunden jedoch nur aufgrund der Angaben des Zeugen [X.]  festgestellt wurde.

3. Der neue Tatrichter wird, wenn er die Mitwirkung der Angeklagten an der Tat erneut bejahen sollte, bei seiner rechtlichen Würdigung die Art der Tatbeteiligung der einzelnen Angeklagten als Täterschaft oder Teilnahme genau in den Blick zu nehmen haben.

Fischer                      Eschelbach                         Ott

                 Zeng                              Bartel

Meta

2 StR 7/15

14.01.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Schwerin, 22. August 2014, Az: 33 KLs 31/13

§ 261 StPO, § 267 StPO, § 46b Abs 1 S 1 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. 2 StR 7/15 (REWIS RS 2016, 17730)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17730

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2 StR 306/22

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