BT-Drucksache 18/9493

Weiterhin hohe Dispositions- und Überziehungszinsen

Vom 29. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9493
18. Wahlperiode 29.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann,
Renate Künast, Markus Kurth, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Corinna Rüffer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiterhin hohe Dispositions- und Überziehungszinsen

Die Zinssätze für die Überziehung von Konten sind in Deutschland immer noch
sehr hoch, was in einer aktuellen Studie der Stiftung Warentest erneut unterstri-
chen wird (Finanztest, 9/2016, S. 26 ff.). Dispozinssätze, also Zinssätze für die
Überziehung des Kontos im erlaubten Rahmen, von aktuell rund 9,5 Prozent im
Durchschnitt (FMH Finanzberatung, 2016, https://girokonto.fmh.de/rechner/
fmh2/schnellcheck.aspx) stellen eine große Diskrepanz im Verhältnis zum Leit-
zinssatz der Europäischen Zentralbank dar, der aktuell bei 0,00 Prozent liegt
(EZB, 2016, www.ecb.europa.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html). Bei
der Überziehung eines Kontos über den vorgesehenen Rahmen fallen sogar noch
höhere Zinssätze an (bei einzelnen Banken mehr als15 Prozent; FMH Finanzbe-
ratung, 2016, https://girokonto.fmh.de/rechner/fmh2/schnellcheck.aspx). Die Un-
kosten der Banken für die Gewährung eines Kredits können die Bruttomarge der
Banken nicht rechtfertigen, zumal sich der Interbankenzinssatz sogar im negati-
ven Bereich befindet (EMMI, 2016, https://girokonto.fmh.de/rechner/fmh2/
schnellcheck.aspx). Das Vorgehen der Finanzinstitute stellt somit in einigen Fäl-
len eine ungerechtfertigte Belastung zahlreicher Menschen in Deutschland dar,
die sich häufig bereits ohnehin am Rande des Existenzminimums bewegen.
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Än-
derung handelsrechtlicher Vorschriften wollte die Bundesregierung anstatt einer
Deckelung der Zinssätze lediglich die Transparenz für die Ausweisung der Zinss-
ätze erhöhen und die Beratungsmöglichkeiten verbessern. Unter den gegebenen
Marktbedingungen wären die Banken jedoch selbst bei höherer Transparenz nicht
gezwungen, ihre Dispositions- und Überziehungszinssätze anzupassen, da Per-
sonen bei der Eröffnung ihres Kontos in der Regel zuerst auf die laufenden Kos-
ten der Kontoführung achten müssen und nicht auf die Höhe der Dispositions-
und Überziehungszinsen (vzbv, 2015, S. 24, www.vzbv.de/sites/default/files/
downloads/Wohnimmobilienkreditrichtlinie-Umsetzung-Stellungnahme-vzbv-
2015-02-13.pdf). Hinzu kommt, dass sich die Institute gerade im ländlichen
Raum oftmals in einer Monopol- oder Oligopolposition befinden, sodass bei den
Zinssätzen ein mangelnder Wettbewerbsdruck vorliegt. Die Preisspanne der an-
gebotenen Zinssätze (zwischen 4,23 Prozent und 12,59 Prozent; FMH Finanzbe-
ratung, 2016, https://girokonto.fmh.de/rechner/fmh2/schnellcheck.aspx) offenbart,
dass in vielen Fällen keinerlei Orientierung an den realen Kosten stattfindet. Das
Vorgehen der Banken ist durchaus lukrativ, da die Verbraucherinnen und Ver-
braucher laut Bundesbank wegen Kontoüberziehungen über 34 Milliarden Euro
Schulden bei den Banken haben und somit ein Prozentpunkt höhere Zinsen

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340 Millionen Euro Mehreinnahmen für die Banken bedeuten (Finanztest,
9/2016, S. 27).
Wie eine aktuelle Untersuchung des Marktwächters Finanzen der Verbraucher-
zentralen zeigt, fehlt es aber auch nach wie vor an der von der Bundesregierung
angestrebten Transparenz. Bei einer Analyse im November 2015 wurde deutlich,
dass die Informationen zu den Bedingungen des Dispozinses schwer zu finden
waren und insbesondere Informationen zu Zinsanpassung oder Referenzzinssät-
zen fehlten. Bei 69 Prozent der 371 untersuchten Kreditinstitute waren zwar An-
gaben über den Sollzinssatz auf den Internetseiten zu finden. Nur 32 Institute,
also weniger als 10 Prozent, hatten aussagekräftige und belastbare Informationen
zu den von ihnen angebotenen Dispositionskrediten bereitgestellt. Bei den ande-
ren Instituten waren keinerlei Angaben zum zugrunde liegenden Referenzzinssatz
oder zu Anpassungsregeln und -zeitpunkten zu finden. In der aktuellen Untersu-
chung haben die Verbraucherzentralen nun diese 32 Banken genauer untersucht
und festgestellt, dass diese in Sachen Transparenz vorbildlichen Institute sich je-
doch nicht alle an die auf ihrer Internetseite dargestellten Zinsanpassungsregeln
halten. Dies war bei acht der 32 Institute der Fall. Bei vier Instituten waren die
Angaben zu den Anpassungsregeln des Dispozinses mittlerweile nicht mehr zu
finden (ZEIT online, 2016, www.zeit.de/news/2016-07/30/banken-verbraucher
schuetzer-intransparenz-und-willkuer-beim-dispo-30110403). Bei einer Untersu-
chung der Stiftung Warentest wurde festgestellt, dass 30 Institute sich nicht an
die neuen Regelungen halten. Ein Kreditinstitut veröffentlichte den Zinssatz gar
nicht und bei 29 Banken war nicht klar erkennbar, wie hoch die Überziehungsge-
bühren tatsächlich ausfallen (ZEIT ONLINE, 2016, www.zeit.de/wirtschaft/
2016-08/dispokredit-zu-hoch-banken-finanztest). Beispielsweise orientiert sich
in einem Fall der Zinssatz an der Bonität der Kundschaft, was zu einer Spanne
von 4,75 bis 12,75 Prozent führt. Wie es zur Einstufung der Zahlungsfähigkeit
kommt, bleibt jedoch unklar (Finanztest, 9/2016, S. 28).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmo-

bilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften in
seiner Fassung vom 11. März 2016 bezüglich der Dispositions- und Überzie-
hungszinsen evaluieren?

2. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, wie die im Gesetz zur
Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handels-
rechtlicher Vorschriften vorgesehenen Informationspflichten der Kreditinsti-
tute, auf ihren Internetseiten die Höhe der Zinsen für den Dispokredit anzu-
geben, umgesetzt werden?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Umsetzung der im Gesetz zur
Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handels-
rechtlicher Vorschriften vorgeschriebenen Beratungsangebote der Kreditin-
stitute:
a) über die Anzahl der Schreiben der Kreditinstitute,
b) über den Anteil der tatsächlich stattgefundenen Beratungsgespräche,
c) über den Anteil der tatsächlich stattgefundenen Umschuldungen?

4. Inwiefern ist nach Auffassung der Bundesregierung die bei einer Bank für
neue Zahlungskonten geltende Regelung, dass bei häufiger bzw. länger an-
haltender Beanspruchung des Dispokredites die Bank selbständig eine Um-
schuldung vornimmt, eine geeignete Lösung?

5. Warum sind aus Sicht der Bundesregierung trotz der Umsetzung der
Wohnimmobilienkreditrichtlinie die Zinsen für Kontoüberziehungen laut
Stiftung Warentest nur minimal unter dem Vorjahreswert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9493
6. Welches Ziel hat sich die Bundesregierung gesetzt, bis wann und auf welche
marktentsprechende Höhe (Orientierung an einem Referenzzinssatz) die Dis-
positions- und Überziehungszinssätze gesenkt werden sollen?

7. Liegt nach Einschätzung der Bundesregierung ein „transparenter Wettbe-
werb“ bereits vor, in dessen Umfeld ein Wert für Dispozinsen „von 10 Pro-
zent und mehr nicht gehalten werden“ kann (Parlamentarischer Staatssekre-
tär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Ulrich Kelber,
2015, Plenarprotokoll 18/125, S. 12172), wie begründet sie diese Bewertung,
beziehungsweise welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den jüngsten Er-
gebnissen des Marktwächters Finanzen der Verbraucherzentralen und der
Stiftung Warentest, wonach
a) sich einzelne Banken nicht an die eigenen Zinsanpassungsregeln halten,
b) eine Bank den Zinssatz gar nicht ausweist,
c) die Transparenz bei den Angaben der gerade vormals vorbildlichen Ban-

ken bezüglich deren Dispositions- und Überziehungszinsen zum Teil ab-
genommen hat?

9. Inwieweit hält die Bundesregierung Überziehungszinssätze bei mangelnder
Transparenz und der Oligopolstellung einzelner Banken im ländlichen Raum
von teils mehr als 15 Prozent für gerechtfertigt (bitte begründen)?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass allein durch eine höhere
Transparenz und mehr Beratung die Höhe der Dispositions- und Überzie-
hungszinssätze in absehbarer Zeit nicht maßgeblich reduziert werden wird,
oder wie begründet sie eine abweichende Einschätzung, und welchen Zeit-
raum hält sie dafür für realistisch?

11. Lehnt die Bundesregierung die Deckelung der Dispositions- und Überzie-
hungszinssätze, zum Beispiel in Form eines monatlich anzupassenden De-
ckels, der sich an einheitlichen Regeln orientiert, welche die volatilen Zins-
entwicklungen am Markt widerspiegeln, nach wie vor ab?

12. Können aus Sicht der Bundesregierung die zusätzlichen Zinsen für die Ver-
braucherinnen und Verbraucher, die bei einer Überschreitung des Disporah-
mens anfallen, aufgrund einer höheren Bruttomarge zu Fehlanreizen bei den
Banken führen und eine bessere Beratung verhindern?

13. Wann wird die im Zahlungskontengesetz vorgesehene Rechtsverordnung zur
Konkretisierung der Anforderungen an Vergleichswebsites für Zahlungskon-
ten vorgelegt?

Berlin, den 29. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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