BT-Drucksache 18/9420

Mehrfache Staatsangehörigkeit

Vom 17. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9420
18. Wahlperiode 17.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Luise Amtsberg,
Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, Irene Mihalic, Claudia Roth (Augsburg),
Britta Haßelmann, Katja Keul, Monika Lazar, Omid Nouripour,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehrfache Staatsangehörigkeit

Medienberichten zufolge halten die Innenminister der Union die mehrfache
Staatsangehörigkeit für „ein großes Integrationshindernis“, das „zurückgenom-
men“ werden müsse. „Wer sich für die Politik ausländischer Regierungen enga-
gieren will, dem legen wir nahe, Deutschland zu verlassen“, so die Innenminister
(www.ksta.de/politik/sicherheitsgesetze-unions-innenminister-gegen-doppelte-
staatsbuergerschaft-24533858 <15.08.2016>). Der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière, hat am 11. August 2016 hingegen erklärt, keine weitere
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in dieser Wahlperiode anzustreben
(www.zeit.de/politik/deutschland/2016-08/innere-sicherheit-thomas-de-maiziere-
pressekonferenz <15.08.2016>). Der Bundesminister des Innern weckt damit den
Eindruck, zwei entgegengesetzte Positionen gleichzeitig zu vertreten.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält den Versuch, die mehrfache
Staatsangehörigkeit abzuschaffen, zu verhindern bzw. einzuschränken, für ein
anachronistisches Unterfangen, das die Realitäten einer zunehmend globalen Ge-
sellschaft verkennt und dem demokratischen Anspruch, dass Herrschaftsgewalt
möglichst von all denjenigen ausgeht, die ihr unterworfen sind, zuwiderläuft. Die
Erfahrung aus zahlreichen demokratischen Staaten, die die mehrfache Staatsan-
gehörigkeit als selbstverständliche Konsequenz der gesellschaftlichen Diversität
erachten, lehrt, dass sie keine relevanten Probleme mit sich bringt. Die fragestel-
lende Fraktion hat daher auch in dieser Wahlperiode einen Gesetzentwurf zur Er-
leichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung der mehrfachen Staatsange-
hörigkeit in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksache 18/5631).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele deutsche Staatsangehörige sind nach Kenntnis der Bundesregie-

rung in Besitz einer oder mehrerer weiterer Staatsangehörigkeiten (bitte Ge-
samtzahl angeben und nach den 20 häufigsten weiteren Staatsangehörigkei-
ten aufschlüsseln)?

2. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen handelt es sich nach Kennt-
nis der Bundesregierung bei der bzw. den weiteren Staatsangehörigkeit(en)
um die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union?

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3. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen handelt es sich nach Kennt-
nis der Bundesregierung bei der weiteren Staatsangehörigkeit um die türki-
sche Staatsangehörigkeit, und wie viele der betreffenden Personen stehen
nach Kenntnis bzw. Einschätzung der Bundesregierung Präsidenten Recep
Tayyip Erdogan bzw. der AKP
a) freundlich,
b) kritisch oder
c) neutral gegenüber,
und woraus speist sich diese Kenntnis bzw. Einschätzung der Bundesregie-
rung?

4. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen beruht die mehrfache Staats-
angehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf dem Erwerb der aus-
ländischen Staatsangehörigkeit(en) durch Abstammung?

5. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen beruht die mehrfache Staats-
angehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf dem Erwerb der aus-
ländischen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Ausland?

6. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen beruht die mehrfache Staats-
angehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Hinnahme der
Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung?

7. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen beruht die mehrfache Staats-
angehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Genehmigung der
Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit vor Annahme einer auslän-
dischen Staatsangehörigkeit?

8. In wie vielen von den in Frage 1 erfassten Fällen beruht die mehrfache Staats-
angehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf dem Erwerb der deut-
schen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland bei Abstammung von aus-
ländischen Eltern?

9. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die in den letzten zehn Jahren
daraus entstanden sind, dass Kinder eines deutschen Elternteils durch Ab-
stammung von dem anderen Elternteil neben der deutschen Staatsangehörig-
keit eine weitere Staatsangehörigkeit erworben haben (wenn ja, bitte mit de-
taillierten Angaben nach Jahr und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)?

10. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die in den letzten zehn Jahren
daraus entstanden sind, dass Kinder deutscher Eltern durch Geburt im Aus-
land neben der deutschen Staatsangehörigkeit eine weitere Staatsangehörig-
keit erworben haben (wenn ja, bitte mit detaillierten Angaben nach Jahr und
Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)?

11. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die in den letzten zehn Jahren
daraus entstanden sind, dass die Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung hin-
genommen worden ist (wenn ja, bitte mit detaillierten Angaben nach Jahr
und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)?

12. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die in den letzten zehn Jahren
daraus entstanden sind, dass deutschen Staatsangehörigen bei Erwerb einer
ausländischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der deutschen Staatsan-
gehörigkeit erlaubt worden ist (wenn ja, bitte mit detaillierten Angaben nach
Jahr und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9420

13. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die seit Inkrafttreten der letzten

Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Dezember 2014 daraus entstan-
den sind, dass sog. optionspflichtige Deutsche nicht mehr der Optionspflicht
unterlagen (wenn ja, bitte mit detaillierten Angaben nach Jahr und Staatsan-
gehörigkeit aufschlüsseln)?

14. Sind der Bundesregierung Probleme bekannt, die in den letzten zehn Jahren
daraus entstanden sind, dass Menschen neben der deutschen Staatsangehö-
rigkeit etwa durch Abstammung aus einer binationalen Partnerschaft und Ge-
burt in einem Drittstaat mehr als eine weitere Staatsangehörigkeit erworben
haben (wenn ja, bitte mit detaillierten Angaben nach Jahr und Staatsangehö-
rigkeit aufschlüsseln)?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die generelle
Vermeidung der Mehrstaatigkeit deutscher Staatsangehöriger, die Abschaf-
fung des Abstammungsprinzips voraussetzen würde, da der deutsche Gesetz-
geber keinen Einfluss darauf hat, ob die Staatsangehörigkeit eines anderen
Staates durch Geburt auf seinem Staatsgebiet erworben werden kann?

16. In welchen Staaten gilt nach Kenntnis der Bundesregierung das Abstam-
mungsprinzip nicht, und welche Probleme ergeben sich gegebenenfalls dar-
aus?

17. In welchen Staaten setzt die Einbürgerung nach Kenntnis der Bundesregie-
rung den Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit voraus?

18. Welche Staaten knüpfen nach Kenntnis der Bundesregierung an den Erwerb
einer ausländischen Staatsangehörigkeit den Verlust der eigenen Staatsange-
hörigkeit?

19. Welche Staaten knüpfen an die Beibehaltung einer ausländischen Staatsan-
gehörigkeit nach Vollendung eines bestimmten Alters den Verlust der durch
Geburt auf ihrem Staatsgebiet erworbenen Staatsangehörigkeit (bitte gege-
benenfalls die Altersgrenze angeben)?

20. Mit welchen Staaten hat die Bundesrepublik Deutschland Abkommen ge-
schlossen, die die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit generell oder
in bestimmten Fällen ermöglichen bzw. vorschreiben?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller dass sich deutsche
Staatsangehörige, die zugleich eine oder mehrere weitere Staatsangehörig-
keiten haben, in gleicher Weise wie deutsche Staatsangehörige, die keine
weitere Staatsangehörigkeit haben, auf die Meinungsfreiheit, die Versamm-
lungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit berufen können, und dass ihnen
aus der Wahrnehmung dieser Grundrechte kein rechtlicher Nachteil entste-
hen darf?
Wenn nein, warum nicht?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass deutsche
Staatsangehörige, unabhängig davon, ob sie neben der deutschen Staatsan-
gehörigkeit eine oder mehrere weitere Staatsangehörigkeiten haben, in ande-
ren Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter den dort geltenden, den
Vorgaben des Unionsrechts genügenden Voraussetzungen von der Mei-
nungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit auch
dann Gebrauch machen dürfen, wenn sie damit Stellung zur Politik der Re-
gierungen dieser Staaten beziehen, und dass ihnen daraus kein rechtlicher
Nachteil entstehen darf?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/9420 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

23. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass deutsche

Staatsangehörige, unabhängig davon, ob sie neben der deutschen Staatsan-
gehörigkeit eine oder mehrere weitere Staatsangehörigkeiten haben, in ande-
ren Staaten unter den dort geltenden Voraussetzungen von der Meinungsfrei-
heit, der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit auch dann Ge-
brauch machen dürfen, wenn sie damit Stellung zur Politik der Regierungen
dieser Staaten beziehen, dass ihnen daraus kein rechtlicher Nachteil entste-
hen darf und dass die jeweiligen Staaten bei der Beschränkung dieser
Rechte – auch insofern sie lediglich Ausländerinnen und Ausländer betref-
fen – die für sie verbindlichen völkerrechtlichen Vorgaben beachten müs-
sen?
Wenn nein, warum nicht?

24. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass es rechtmä-
ßig und legitim ist, wenn deutsche Staatsangehörige, insbesondere auch
Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, auf Versammlungen im Inland wie
im Ausland unter Achtung der maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingun-
gen zu politischen Fragen Stellung beziehen, die die Politik der Bundesre-
gierung wie auch der Regierungen anderer Staaten betreffen?
Wenn nein, warum nicht?

25. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-britischer Doppelstaatler, für die Erleichte-
rung der Einbürgerung in Deutschland lebender britischer Staatsangehöriger
(vgl. Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundes-
tagsdrucksache 18/9181), für staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch
vor dem Hintergrund, dass die Einbürgerung auch bei einem Aufenthalt von
weniger als sechs Jahren ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland auch nach dem
zu erwartenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen
Union nachhaltig absichern würde?

26. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-britischer Doppelstaatler, für die Politik der
ehemaligen britischen Regierung unter David Cameron, den Austritt des
Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu vermeiden, für
staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

27. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-französischer Doppelstaatler, für die Politik
der französischen Regierung, rassistischen und antisemitischen Äußerungen
rechtsextremer Politikerinnen und Politiker in Frankreich entgegenzutreten,
für staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

28. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-ukrainischer Doppelstaatler, für die Politik der
ukrainischen Regierung, völkerrechtswidrige Angriffe Russlands auf ihr
Staatsgebiet abzuwehren, für staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

29. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-kanadischer Doppelstaatler, für die Politik der
kanadischen Regierung, syrische Flüchtlinge aus Jordanien, dem Libanon
und der Türkei in Kanada aufzunehmen, für staatsangehörigkeitsrechtlich
problematisch?

30. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-costaricensischer Doppelstaatler, für die Poli-
tik der costaricensischen Regierung, Biodiversität zu schützen und erneuer-
bare Energien zu fördern, für staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9420

31. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-

höriger, insbesondere deutsch-kolumbianischer Doppelstaatler, für die Poli-
tik der kolumbianischen Regierung, die Beendigung des kolumbianischen
Binnenkonflikts anzustreben, für staatsangehörigkeitsrechtlich problema-
tisch?

32. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-marokkanischer Doppelstaatler, für die Politik
der marokkanischen Regierung, in Marokko ein funktionierendes Asylsys-
tem aufzubauen, für staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

33. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-liberianischer Doppelstaatler, für die Politik
der liberianischen Regierung, Frauenrechte zu fördern, für staatsangehörig-
keitsrechtlich problematisch?

34. Inwieweit hält die Bundesregierung das Engagement deutscher Staatsange-
höriger, insbesondere deutsch-mosambikanischer Doppelstaatler, für die Po-
litik der mosambikanischen Regierung, die Strafbarkeit einvernehmlicher
gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen abzuschaffen, für
staatsangehörigkeitsrechtlich problematisch?

Berlin, den 17. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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