BT-Drucksache 18/8984

Familiennachzug zu anerkannten syrischen Flüchtlingen

Vom 22. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8984
18. Wahlperiode 22.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Dr. Franziska Brantner, Omid Nouripour,
Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Annalena Baerbock,
Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Corinna Rüffer, Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Familiennachzug zu anerkannten syrischen Flüchtlingen

Anerkannte Flüchtlinge in Deutschland haben einen Rechtsanspruch auf Famili-
enzusammenführung. Doch oft können Betroffene diesen Anspruch nicht einlö-
sen, weil ihnen unüberwindbare bürokratische Hürden in den Weg gelegt werden.
Einen Antrag auf ein Visum können Angehörige von anerkannten syrischen
Flüchtlingen aufgrund des Krieges in Syrien nur in den deutschen Botschaften
oder Konsulaten in den Nachbarländern stellen. Die Bearbeitung der Visuman-
träge verläuft sehr schleppend und ist nur bei wenigen Auslandsvertretungen
möglich, die für die Betroffenen zudem nur schwer zu erreichen sind.
Familienangehörige warten überdies viele Monate oder sogar länger als ein Jahr
auf ihre Termine bei den deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei, in Jor-
danien und im Libanon. Allein in Beirut beträgt die Wartezeit auf einen Termin
mindestens 14 Monate. Dort gab es Ende Dezember 2015 bereits 6 000 festste-
hende Termine für Anträge auf Familienzusammenführung für insgesamt
ca. 18 000 Personen (siehe Bundestagsdrucksache 18/7200, S. 19). Auch für die
deutsche Botschaft in der Türkei beträgt die Wartezeit für einen Termin derzeit
mindestens 14 Monate.
Als weitere Erschwernis kommt die Einführung der Visumpflicht für syrische
Staatsangehörige in der Türkei hinzu. Tausende von Flüchtlingen stecken derzeit
an der syrisch-türkischen Grenze fest und werden nicht ins Land gelassen. Weil
ein Visum für die Türkei nicht oder nicht zeitnah beschafft werden kann, verfallen
die Termine bei den deutschen Auslandsvertretungen, auf die die Familienange-
hörigen monatelang gewartet haben.
Mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfen Angehörige von anerkannten syrischen
Flüchtlingen, die Termine für die Visumantragstellung zwecks Familienzusam-
menführung über die deutsche Botschaft in Jordanien gebucht haben. Nach Jor-
danien kann die nachziehende Person nur einreisen, wenn das jordanische Innen-
ministerium dem Antrag auf Einreise zustimmt. Eine solche Einreisegenehmi-
gung wird nach Kenntnis der Fragesteller in etlichen Fällen verweigert.
Am 6. Mai 2016 erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Dr. Martin Schäfer,
in der Bundespressekonferenz, dass zum einen das Personal in den Auslandsver-
tretungen der Anrainerstaaten Syriens verstärkt worden sei, zum anderen sei das
Antragsverfahren entbürokratisiert worden. Auch bauliche Maßnahmen zur Er-
weiterung der Auslandsvertretung Erbil würden durchgeführt.

Drucksache 18/8984 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den anfallenden Kosten für

die Ausstellung neuer Reisedokumente bei den zuständigen Stellen in Syrien
bzw. in syrischen Botschaften (insbesondere Höhe und Angemessenheit der
Kosten)?

2. Bei Vorliegen welcher Umstände gehen die deutschen Auslandsvertretungen
davon aus, dass die Gebühren für die Ausstellung syrischer Reisepässe un-
zumutbar hoch sind, so dass deutsche Reiseausweise ausgestellt werden?

3. Wie viele Reiseausweise für Ausländer wurden von Mai 2015 bis Mai 2016
an Familienangehörige syrischer Flüchtlinge von den deutschen Auslands-
vertretungen in den Anrainerstaaten ausgestellt (bitte nach Monaten und
Auslandsvertretungen aufschlüsseln)?

4. Wie lang sind derzeit in den deutschen Auslandsvertretungen in den Anrai-
nerstaaten Syriens die Wartezeiten auf einen Termin zur Vorsprache zur Be-
antragung eines Visums zur Familienzusammenführung mit in Deutschland
lebenden, anerkannten syrischen Flüchtlingen (bitte nach Visastellen diffe-
renzieren), und wie lang sind die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten ent-
sprechender Anträge bis zur Visumerteilung?

5. Wie hat sich die personelle Besetzung der deutschen Visastellen in den An-
rainerstaaten Syriens seit dem Jahr 2014 entwickelt (bitte nach Visastellen,
eingesetztem Personal – Ortskräfte bzw. Entsandte – und Jahr aufschlüsseln)?

6. Ist die personelle Besetzung der Auslandsvertretungen in den Anrainerstaa-
ten Syriens nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend oder bedarf
sie einer weiteren Aufstockung (bitte begründen)?

7. Nach welchen Kriterien wird nach Kenntnis der Bundesregierung über den
Personalbedarf an den jeweiligen Auslandsvertretungen entschieden, und
warum wurde eine Personalaufstockung angesichts der hohen Zahl an Aner-
kennungen syrischer Flüchtlinge in Deutschland nicht bereits zu einem
früheren Zeitpunkt erkannt und umgesetzt?

8. Welche Botschaften und Visastellen in den Anrainerstaaten Syriens sind seit
dem Jahr 2015 baulich erweitert worden und wie (bitte nach den einzelnen
Vertretungen aufschlüsseln)?

9. Welche baulichen Maßnahmen in den deutschen Auslandsvertretungen in
den Anrainerstaaten Syriens sind zur Erweiterung zurzeit in Planung, in Ar-
beit oder bereits beauftragt (bitte nach den einzelnen Vertretungen aufschlüs-
seln)?

10. Wie viele Schalter stehen in den deutschen Auslandsvertretungen in den An-
rainerstaaten Syriens zur Annahme und Bearbeitung von Familiennachzugs-
anträgen zur Verfügung (bitte nach den einzelnen Vertretungen aufschlüs-
seln)?

11. Welche Botschaften in den Anrainerstaaten Syriens haben Baumaßnahmen
in den letzten drei Jahren beantragt?
Wurden diese Maßnahmen genehmigt?
Wenn nein, warum nicht (bitte nach den einzelnen Vertretungen aufschlüs-
seln)?

12. Wie viele finanzielle Mittel standen in den letzten fünf Jahren für den Aus-
bau der Botschaften in den Anrainerstaaten Syriens zur Verfügung?

13. Welche weiteren Maßnahmen wird die Bundesregierung außerdem unter-
nehmen, um die Kapazitäten zur Bearbeitung von Familiennachzugsanträgen
zu erhöhen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8984
 

14. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des Pilotprojekts des
Auswärtigen Amts zur zentralen Bearbeitung von Familiennachzugsanträgen
in Berlin?

15. Wie viele offene Verfahren zum Familiennachzug zu in Deutschland leben-
den anerkannten syrischen Flüchtlingen gab es zum 31. Mai 2016 (bitte nach
den einzelnen Vertretungen aufschlüsseln)?

16. Wie viele der infolge der Umsetzung des EU-Ratsbeschlusses vom 18. März
2016 seither direkt, legal aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland
verbrachten syrischen Flüchtlinge fallen unter den Familiennachzug, auf den
sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD am 28. Januar 2016 als
„vorrangig“ zu berücksichtigen verständigt hatten (siehe Schriftliche
Frage 28 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner auf Bundestagsdrucksache
18/8052)?

17. Womit begründet die Bundesregierung, dass sie in ihrer Antwort auf die
Schriftliche Fragen 5 und 6 der Abgeordneten Annalena Baerbock auf Bun-
destagsdrucksache 18/8191 schreibt, dass das Generalkonsulat in Erbil „be-
reits im laufenden Jahr Visa im vierstelligen Bereich erteilt“ habe, während
zuständige Landesbehörden aussagen, dass momentan keine Möglichkeit be-
stünde, über Erbil Visa zu erhalten?

18. Wann genau wird das Generalkonsulat Erbil die personellen und räumlichen
Vorrausetzungen erfüllen, um eine angemessene Bearbeitung von Visa-An-
trägen jeglicher Art zu gewährleisten?

19. Wie viele Anträge auf regulären Familiennachzug wurden vom 1. Januar
2014 bis heute im deutschen Generalkonsulat in Erbil (Irak) gestellt, und wie
viele Anträge wurden davon bereits bearbeitet?

20. Wie viele Anträge auf Familiennachzug mittels Verpflichtungserklärung
durch Verpflichtungsgeber in Deutschland wurden vom 1. Januar 2014 bis
heute im deutschen Generalkonsulat in Erbil (Irak) gestellt, und wie viele
Anträge wurden davon bereits bearbeitet?

21. Wie lange dauert ein durchschnittliches Antragsverfahren für Familiennach-
zug mittels Verpflichtungserklärung in den Auslandsvertretungen Deutsch-
lands im Irak, im Libanon, Jordanien und in der Türkei?

22. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die digitale Terminvergabe für
Visa-Anträge an deutschen Auslandsvertretungen in den Anrainerstaaten Sy-
riens zu kriminellen Handlungen Dritter führen kann, welche Termine für
Visa-Vorgänge blockieren, um sie im Anschluss auf dem Schwarzmarkt zu
verkaufen?
a) Wenn ja, wie viele solche Fälle sind der Bundesregierung aus dem Irak,

dem Libanon, Jordanien und der Türkei bekannt?
b) Wenn ja, was tut sie, um solche Praktiken zu verhindern?
c) Wenn nein, kann sie eine solche Praxis ausschließen?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation syrischer Kurden, welche
zum Zwecke der Visumsantragstellung an den deutschen Auslandsvertretun-
gen in Izmir, Ankara oder Istanbul in die Türkei einreisen wollen?

24. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob die Einreise für syrische
Kurden von der Türkei zum Zweck der Visumsantragstellung für Deutsch-
land verweigert wurde?
Wenn ja, wie will die Bundesregierung dieser Problematik begegnen?

Drucksache 18/8984 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

25. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob die Einreise für palästi-
nensische Volkszugehörige aus Syrien von Jordanien zum Zweck der Vi-
sumsantragstellung für Deutschland verweigert wurde?
Wenn ja, wie will die Bundesregierung dieser Problematik begegnen?

26. Welche Möglichkeiten und Hürden gibt es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung für Syrerinnen und Syrer, die bei der Botschaft in Amman einen Termin
zur Beantragung von Familienzusammenführungen haben, auch tatsächlich
aus Syrien nach Jordanien einzureisen?

27. Berücksichtigen die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei auch Vi-
sumsanträge von syrischen Staatsangehörigen, die sich ohne legalen Aufent-
haltsstatus in der Türkei aufhalten?

28. Wie viele Familienangehörige syrischer Flüchtlinge sind nach Kenntnis der
Bundesregierung im Jahr 2016 (bis zum 31. Mai 2016) tatsächlich nach
Deutschland eingereist?

Berlin, den 22. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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