BT-Drucksache 18/8807

Die Auswirkungen von CETA auf die kommunale Daseinsvorsorge, insbesondere die Wasserwirtschaft

Vom 8. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8807
18. Wahlperiode 08.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Katharina Dröge, Peter Meiwald,
Christian Kühn (Tübingen), Bärbel Höhn, Dr. Gerhard Schick, Harald Ebner,
Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel, Anja Hajduk, Uwe Kekeritz,
Stephan Kühn (Dresden), Markus Kurth, Steffi Lemke, Beate Müller-Gemmeke,
Dr. Tobias Lindner, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Auswirkungen von CETA auf die kommunale Daseinsvorsorge, insbesondere
die Wasserwirtschaft

Die Wasserwirtschaft, vor allem sowohl die öffentliche Versorgung mit saube-
rem, preiswerten Trinkwasser als auch die öffentliche Abwasserbeseitigung, ist
in Deutschland in überwiegend öffentlicher Hand. Dies trifft auch überwiegend
auf Zustimmung in der Bevölkerung. Denn Wasser ist keine Ware, sie darf nicht
allein kommerziellen Interessen überlassen bleiben. Als die Europäische Union
im Jahr 2012 im Zuge der Reform des Vergaberechtes im Sinne einer stärkeren
Kommerzialisierung eine Liberalisierung der öffentlichen Wasserversorgung
durchsetzen wollte, wurden dagegen europaweit 1,9 Millionen Unterschriften ge-
sammelt. Nie zuvor haben sich so viele Menschen gegen einen Gesetzesvorschlag
auf EU-Ebene mobilisiert. Die Europäische Kommission musste schließlich die
aus Sicht der Fragesteller durch die Hintertür des Vergaberechtes geplante Libe-
ralisierung der öffentlichen Wasserversorgung aufgeben und den Wassersektor
aus der sogenannten Konzessionsrichtlinie ausklammern. Die Kommunen kön-
nen weiterhin selbst über die öffentliche Wasserversorgung und gegebenenfalls
der infrastrukturell eng hieran gekoppelten öffentlichen Abwasserbeseitigung
nach den kommunalen Bedürfnissen entscheiden.
Durch Freihandelsabkommen wie das geplante Handelsabkommen mit den USA
(Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) und mit Kanada (Com-
prehensive Economic and Trade Agreement, CETA) sowie das Abkommen für
den Dienstleistungshandel (Trade in Services Agreement, TiSA) droht die öffent-
liche Wasserversorgung wie auch andere Bereiche kommunaler gemeinwirt-
schaftlicher Betätigung unter erneuten Liberalisierungsdruck zu kommen. Diese
Abkommen gehen in ihren Verpflichtungen über das bestehende Dienstleistungs-
abkommen der Welthandelsorganisation – WTO – (General Agreement on Trade
in Services, GATS) hinaus. Sie stellen nach Auffassung der Fragesteller das In-
strumentarium, welches die Europäische Union bisher zur Sicherung des Hand-
lungsspielraums in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen einsetzt, in Frage.
Die Bundesregierung versichert auf der Homepage des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Energie, dass die Daseinsvorsorge durch Vorbehalte in dem Ab-
kommen geschützt ist und durch CETA nicht in ihrer Regelungshoheit beschränkt
wird (www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta,
did=654766.html). Doch inzwischen liegen Rechtsgutachten vor, die bestätigen,

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dass dies nicht der Fall ist. Ein im Auftrag des Landes Baden-Württemberg er-
stelltes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass CETA „den Gestaltungsspielraum
der Länder und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland nicht unberührt
[lässt]“ und „[d]ie Freiheit der Länder und Gemeinden, den Bürgerinnen und Bür-
gern umfassende, effiziente und kostengünstige Leistungen der Daseinsvorsorge
zu erbringen, […] durch die in CETA begründete Niederlassung kanadischer Un-
ternehmen berührt wird“ (Prof. Dr. Martin Nettesheim, Die Auswirkungen von
CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden im
Auftrag des Landes Baden-Württemberg). Insbesondere wird kritisch analysiert,
dass die von der Europäischen Union benutzten Instrumente zum Schutz des
Handlungsspielraums in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen keine eindeutige
Definition von öffentlichen Dienstleistungen benutzen, keinen ausreichenden
Schutz garantieren und keine ausreichende Rechtsbindung erzeugen (siehe auch
das Gutachten von Prof. Dr. Markus Krajewski, Model clauses for the exclusion
of public services from trade and investment agreements, im Auftrag der Euro-
pean Federation of Public Service Unions und der Arbeiterkammer Wien). Prob-
lematisch ist auch, dass durch Handelsabkommen, wie TTIP und CETA, auslän-
dische Investoren die Möglichkeit bekommen, Deutschland wegen Regelungen
in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen vor Investor-Staat-Schiedsgerichten
verklagen zu können und nicht den üblichen nationalen Rechtsweg bestreiten
müssen.
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung zu TiSA vom 3. Februar
2016 die Gefahren für die kommunale Handlungsfreiheit bzw. Daseinsvorsorge
erkannt und unbeschadet des GATS die Vereinbarung einer unmissverständlichen
„Goldstandard-Klausel“ für öffentliche Dienstleistungen gefordert, „die in alle
Abkommen aufgenommen werden könnte und sicherstellen würde, dass die die
Dienstleistungen der Daseinsvorsorge betreffende Klausel für alle Erbringungs-
arten und alle Dienstleistungen in allen Bereichen gilt, die von den europäischen,
nationalen oder regionalen Behörden als öffentliche Dienstleistungen angesehen
werden und zwar ungeachtet der Monopolstellung der Dienstleistungen“. In einer
weiteren Entschließung vom 8. September 2015 zu den Folgemaßnahmen der Eu-
ropäischen Bürgerinitiative Right2Water fordert das Europäische Parlament „die
Kommission auf, Wasserversorgung und sanitäre Grundversorgung sowie Ab-
wasserentsorgung auf Dauer von den Binnenmarktvorschriften und allen Han-
delsabkommen auszunehmen, da diese als Teil der Daseinsvorsorge vorwiegend
in öffentlichem Interesse sind und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung ge-
stellt werden sollen“.
Vor dem Hintergrund der rechtsgutachterlichen Kritik an den generellen Ausnah-
men kommt für den Schutz der öffentlichen Wasserwirtschaft vor Liberalisie-
rungsverpflichtungen insbesondere den sektoralen Ausnahmen in Annex I und II
des CETA-Abkommens eine besondere Bedeutung zu. Der Verband, der die In-
teressen der Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand vertritt (Allianz der öffentli-
chen Wasserwirtschaft e. V., AöW), hat in seinem Positionspapier „Wasserwirt-
schaft im Sog des Freihandels – CETA“ vom April 2016 Zweifel geäußert, ob die
gewählten Formulierungen in den sektoralen Ausnahmen in Annex I und II des
CETA-Abkommens zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung noch genü-
gend Handlungsspielraum lassen, um den Erfordernissen, die von der Bundesre-
gierung an die öffentliche Wasserwirtschaft gestellt werden, einerseits gerecht zu
werden und andererseits nicht im Bereich von EU-Marktzugangsverpflichtungen
zu geraten.

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Wir fragen die Bundesregierung:

Allgemein
1. Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung des oben genannten rechts-

wissenschaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass CETA
„den politischen Gestaltungsspielraum der Länder und Gemeinden in der
Bundesrepublik Deutschland nicht unberührt [lässt]“ und „Beschränkungen
und Vorgaben […] in den für Länder und Gemeinden besonders relevanten
Bereichen Daseinsvorsorge, Kultur (einschließlich Medien und Rundfunk)
sowie Erziehung und Bildung vorsieht“, und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus, insbesondere auch

im Hinblick auf die vom Gutachter vorgeschlagenen und für notwendig
erachteten Klarstellungen bzw. Umformulierungen der Ausnahmen und
Vorbehalte (bitte einzeln für die vorgeschlagenen Änderungen auf S. 2 f.
erläutern),

b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?
2. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-

schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass durch CETA
„Rekommunalisierungen im Anwendungsbereich von Annex I fühlbare
Grenzen gesetzt sind“ (ebd., S. 13), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

3. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass die Klauseln
der Präambel in CETA nicht „als eigenständige Grundlage für die Herleitung
von Freiräumen der Vertragsparteien – gar gegen ausdrückliche Verpflich-
tungen im operativen Teil – dienen“ (ebd., S. 9), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

4. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass das „right to
regulate“ „nur innerhalb der Liberalisierungsstrukturen von CETA wahrge-
nommen werden kann“ (ebd., S. 9), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

5. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass das Kapitel
in CETA zu „State Enterprises, Monopolies and Enterprises granted Special
Rights or Privileges“ eine „Einschränkung der Gestaltungsfreiheit von Län-
dern und Gemeinden [bewirkt ]“ und „die Entscheidung über die Reichweite
und die Grenzen einer Privilegierung von Unternehmen zum Gegenstand von
CETA [macht]“ (ebd., S. 11), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

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6. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass die Regelun-
gen in CETA im Kapitel „Domestic regulation“ „die Freiheit der Vertrags-
parteien bei der Formulierung von Zulassungsregeln und Tätigkeitsanforde-
rungen begrenzen“, die „Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in
den Ländern und Gemeinden nicht umfassend [abschirmen]“ und „die Trag-
weite der damit begründeten Verpflichtungen […] bislang kaum abzuschät-
zen“ ist (ebd., S. 17), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Forderung einer unmiss-
verständlichen „Goldstandard-Klausel“, die das Europäische Parlament in
seinem Bericht zum Dienstleistungsabkommen TiSA vom 3. Februar 2016
in Bezug auf TiSA erhebt, auch für CETA gelten müsste, und falls nein, wa-
rum nicht?

8. Ist die Bundesregierung auch nach Vorliegen der oben genannten rechtswis-
senschaftlichen Gutachten, die die Wirkung und Reichweite der „Public-Uti-
lities-Klausel“ und der Ausnahme für Tätigkeiten der Kommunen in hoheit-
licher Gewalt in Frage stellen, der Auffassung, dass das CETA-Abkommen
den Anspruch einer unmissverständlichen „Goldstandard-Klausel“, wie sie
das Europäische Parlament fordert, erfüllt, und
a) wenn ja, warum (bitte ausführlich begründen),
b) wenn nein, was hat die Bundesregierung unternommen, um in der Euro-

päischen Union eine solche „Goldstandard-Klausel“ auch in CETA
durchzusetzen?

9. Inwieweit wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass eine Ausnah-
meklausel zum Schutz der öffentlichen Dienstleistungen, die das Konzept
der öffentlichen Dienstleistungen klar definiert, einen adäquaten Schutzlevel
garantiert und ausreichende Rechtsbindung entfaltet, wie sie zum Beispiel
Prof. Dr. Markus Krajewski in seinem oben genannten Gutachten vorschlägt,
in CETA und weiteren Handelsabkommen aufgenommen wird, um den Be-
reich der öffentlichen Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich eines
Abkommens oder wenigstens den umstrittensten Teilen eines Abkommens
auszunehmen?

10. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der rechtsgutachter-
lichen Einschätzung, dass die Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen
nicht hinreichend bestimmt formuliert sind, insbesondere weil
a) durch den in CETA gewählten Regelungsansatz Bereiche, in denen Mit-

gliedstaaten Leistungen der Daseinsvorsorge durch Unternehmen mit
Monopolstellung (wie zum Beispiel durch kommunale Wasserwerke) er-
bringen lassen, nicht allgemein von den aus CETA resultierenden Ver-
pflichtungen freigestellt werden, einschließlich der Privilegierung eines
einheimischen Unternehmens mit Vorrechten, wie einem Anschluss- und
Benutzungszwang Anwendung findet (Prof. Dr. Martin Nettesheim, ebd.,
S. 24),

b) der in CETA in Annex II formulierte „Public-Utilities-Vorbehalt“ im
Streitfall nur auf öffentliche Versorgungsunternehmen sicher angewandt
werden kann und weite Bereiche der in den Ländern und Gemeinden er-
brachten öffentlichen Dienstleistungen nicht erfasst (Prof. Dr. Martin
Nettesheim, ebd., S. 25),

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c) keine umfassende Freistellung von Staatsunternehmen, Monopolen und
Unternehmen mit besonderen Rechten erfolgt, es insbesondere zu Span-
nungen mit dem politischen Gestaltungsinteresse von Ländern und Ge-
meinden kommen kann, wenn diese einen bestimmten Tätigkeitsbereich
nicht marktförmig organisieren wollen, die Zahl der Marktakteure be-
schränken, wirtschaftliche Bedarfsprüfungen vornehmen oder Privilegien
gewähren (Prof. Dr. Martin Nettesheim, ebd., S. 22), und deshalb beson-
dere Aufmerksamkeit auf den Schutz sektoraler Ausnahmen gelegt wer-
den muss?

11. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Markus Krajewski, dass in dem neuen
Investitionsschutzmodell, das auch in CETA umgesetzt ist und in TTIP um-
gesetzt werden soll, die öffentlichen Dienstleistungen nicht von den Investi-
tionsschutzbestimmungen, insbesondere dem Investor-Staat-Schiedsmecha-
nismus, ausgenommen sind und nicht geschützt werden (S. 4 f.), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

12. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass das Commit-
tee on International Trade bei CETA „es in der Hand [hat], Verhaltensstan-
dards zu definieren, deren Beachtung oder Verletzung zu Schadensersatz
führen“ und eine „Rückbindung dieser Festlegungen in den innerstaatlichen
Willensbildungsprozess […] nicht vorgesehen [ist]“ (Prof. Dr. Martin
Nettesheim, ebd., S. 19), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

13. Teilt die Bundesregierung die Aussage des oben genannten rechtswissen-
schaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass im Kapitel
zum Investitionsschutz „das Konzept der greifbaren Übertreibung (‚main-
festly excessive‘) […] hochgradig unbestimmt [ist]“ und hier „ein Einfalls-
tor [liegt], mit dem das ‚right to regulate‘ unterlaufen werden kann“
(Prof. Dr. Martin Nettesheim, ebd., S. 20), und
a) falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus,
b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

Wasserwirtschaft
14. Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung des oben genannten rechts-

wissenschaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. Martin Nettesheim, dass die
sektoralen Vorbehalte für die Wasserwirtschaft in Annex II für die Samm-
lung, Reinigung und Verteilung von Wasser sich nur auf den Marktzugang
und die Inländerbehandlung beziehen, aber nicht auf die Meistbegünstigung
und den Investitionsschutz und nicht auf den Bereich der Abwasserwirt-
schaft, und der Versuch der Bundesregierung, diese Lücke durch eine Erklä-
rung in Annex II zu schließen, ebenfalls unvollständig ist, weil durch den
Einbezug der Abwasserwirtschaft in das Abfallmanagement ein noch be-
schränkterer Vorbehalt gilt, der sich nur auf den Marktzugang, nicht jedoch
auf die Inländerbehandlung, die Meistbegünstigung und den Investitions-
schutz bezieht (Prof. Dr. Martin Nettesheim, ebd., S. 27)?

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15. Welche Schlussfolgerungen für den Umfang des Schutzbereiches der Aus-
nahme in Annex II zieht die Bundesregierung aus der Einschätzung der
AöW, dass die Tätigkeiten der öffentlichen Unternehmen der Wasserwirt-
schaft für die Versorgung nicht allein auf „sammeln, aufbereiten und vertei-
len“ sowie für Abwasser nicht ausschließlich aus Beseitigung, Behandlung
und Entsorgung, wie in der CETA-Ausnahme mit „CPC 9401“ enthalten,
beschränkt sind, zum Beispiel wenn es um energieeffiziente Anlagen oder
die Rückgewinnung und Verwendung von Rohstoffen aus Abwasser geht,
wie sie derzeit durch neuere rechtliche Vorgaben geplant sind und notwendig
werden?

16. Müsste im Falle der Regulierung von Tätigkeiten, die über die definierte
Ausnahme für „sammeln, aufbereiten und verteilen“ oder Beseitigung, Be-
handlung und Entsorgung hinausgehen, wie die zuvor genannten (siehe
Frage 15) Tätigkeiten, der Marktzugang und die Inländerbehandlung für von
CETA begünstigte Investoren gewährt werden?

17. Warum ist der Bereich der Abwasserentsorgung in Annex II für Deutschland
als Vorbehalt gelistet und wird nicht schon durch die „Public-Utilities-Aus-
nahme“ als ausreichend geschützt angesehen, und wie verhält sich dieser
Vorbehalt zu den bestehenden Verpflichtungen im GATS?

18. Sind durch die Ausnahme in Annex II nach Auffassung der Bundesregierung
auch regulative Unterbereiche der Abwasserbehandlung, wie beispielsweise
die Klärschlammbehandlung, mit erfasst oder könnten sich hierfür nach In-
krafttreten für CETA auch kanadische Unternehmen bewerben (bitte Ant-
wort begründen)?
Falls ja, welche möglichen Konsequenzen hätte dies nach Auffassung der
Bundesregierung für die Weiterentwicklung von Umweltregulierung in die-
sem Bereich?

19. Welche Wirkungen auf die Wasserwirtschaft, auch im öffentlichen Versor-
gungsbereich, kann nach Auffassung der Bundesregierung der vergleichs-
weise eingeschränktere Vorbehalt im Entsorgungsbereich (siehe Frage 14)
angesichts der gegebenenfalls engen infrastrukturellen Verknüpfung der Ab-
wasserentsorger und Wasserversorger durch Leitungsnetze haben?

20. Welche Wirkungen auf den Schutz der Wasserwirtschaft vor Liberalisie-
rungsverpflichtungen und Klagemöglichkeiten vor Schiedsgerichten hat
nach Einschätzung der Bundesregierung die Tatsache, dass diese nicht mit
entsprechenden Verweisen auf bestehende Gesetze – zum Beispiel § 56
Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) – in Annex I, der bestehende
Maßnahmen und Regelungen listet, gelistet ist?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Reichweite des Begriffes „commer-
cial use“ in Artikel 1.9 CETA in Relation zum in Erwägungsgrund 1 der
Wasserrahmenrichtlinie definierten Schutzzieles, „Wasser ist keine übliche
Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entspre-
chend behandelt werden muss“, mit Blick auf Artikel 1.9 Nummer 1 und 2
CETA, und wenn sie in CETA geringer bzw. anders ist, eine dadurch mögli-
che stärkere Kommerzialisierung des Wassers?

22. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass die Nutzung der Was-
serressourcen zum Zwecke der öffentlichen Versorgung und Entsorgung als
ein „commercial use“ interpretiert werden können, und
a) falls ja, gilt dann Artikel 1.9 Nummer 3 CETA („If a Party permits the

commercial use of a specific water source, it shall do so in a manner con-
sistent with this Agreement.“), und welche Schlußfolgerungen zieht die
Bundesregierung daraus,

b) falls nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)?

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23. Dürfte eine Kommune gemäß der in CETA vorgesehenen Verpflichtungen
ein Unternehmen rekommunalisieren, das neben der Trinkwasserversorgung
auch Tätigkeiten ausführt, die nicht unter die in Annex II aufgeführten Vor-
behalte fallen (bitte Antwort begründen)?

24. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Investoren die Bundesrepublik
Deutschland oder die Europäische Union vor Investor-Staat-Schiedstribuna-
len verklagen, wie sie durch CETA eingerichtet werden sollen, wenn Kom-
munen und ihre wasserwirtschaftlichen Unternehmen besondere öffentlich-
rechtliche Rechte – zum Beispiel den Anschluss- und Benutzungszwang, die
Gebührenfestsetzung, die Festlegung von Schutzgebieten, Wegenutzungs-
rechte, Wasserentnahme- und Einleitungsrechte – wahrnehmen?

Berlin, den 8. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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