BT-Drucksache 18/8123

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB)

Vom 14. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8123
18. Wahlperiode 14.04.2016

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Renate Künast, Dr. Konstantin
von Notz, Tabea Rößner, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Britta
Haßelmann, Katja Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur
Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB)

A. Problem
§ 103 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) ist
ein Relikt aus der Zeit, als es noch eine Monarchie in Deutschland gab, und geht
zurück auf den Tatbestand der „Majestätsbeleidigung“. Dieser gegenüber dem all-
gemeinen Beleidigungstatbestand des § 185 StGB mit verschärfter Strafandro-
hung versehene Sondertatbestand macht in Verbindung mit den Erfordernissen
eines Strafverlangens der ausländischen Regierung und der Strafverfolgungser-
mächtigung durch die Bundesregierung (§ 104a StGB) die Strafverfolgung in der-
artigen Fällen zum Spielball der Politik.

B. Lösung
§ 103 StGB wird ersatzlos aufgehoben.

C. Alternativen
Keine.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8123

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur
Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das
zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 103 wie folgt gefasst:

„§ 103 (weggefallen)“.

2. § 103 wird aufgehoben.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Berlin, den 14. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/8123 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Der Tatbestand des § 103 StGB geht zurück auf die Majestätsbeleidigung, die sich im Strafgesetzbuch des Deut-
schen Reichs von 1871 findet. 1953 fand die Vorschrift zurück in das bundesdeutsche StGB und soll seither
Organe oder Vertreter ausländischer Staaten schützen. Als Besonderheit kommt hinzu, dass eine Straftat nach
§ 103 StGB unter anderem nur verfolgt wird, wenn die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung
erteilt. Zu welchen Verwicklungen und politischen Zwängen dies sowie der Tatbestand insgesamt führen können,
lässt sich aktuell am Fall Böhmermann/Erdogan beobachten. Neu sind diese Schwierigkeiten allerdings nicht.
Bereits in den sechziger Jahren sorgte § 103 StGB für Aufsehen und bekam den Beinamen „Schah-Paragraph“,
weil der Schah von Persien sich mehrfach darauf berief. Er fühlte sich von deutschen Studenten beleidigt. Die
damalige Bundesregierung war durch die Norm ebenfalls erheblich unter Druck geraten. Das ging so weit, dass
der Bundesinnenminister nach Teheran reiste und den Schah dazu brachte, das Strafverlangen zurückzuziehen.

Bereits 1953 im Rahmen der Debatte um die (Wieder-)Einführung der §§ 103 ff. StGB wies beispielsweise der
Abgeordnete Dr. Arndt (SPD) auf die Problematik der nach § 104a StGB erforderlichen Gegenseitigkeit hin. Zur
Begründung seines Antrags auf Streichung des § 103 StGB führte er unter anderem aus: „Ich darf Ihnen das an
einer vielleicht nicht unbekannten Anekdote klarmachen. Ein Amerikaner und ein Russe unterhalten sich über die
Vorzüge ihres Landes, und der Amerikaner sagt zu dem Russen: „Sehen Sie, ich kann in meinem Lande mich
jederzeit auf die Straße stellen und“ – es war in der Zeit der Präsidentschaft von Mr. Truman – „rufen: Nieder mit
Truman!“ „Worauf der Russe antwortet: „Aber gewiss, Brüderchen, das kannst du in Moskau jederzeit auch!“
Sehen Sie, das ist nicht die echte Gegenseitigkeit, weil eben in einer Diktatur das nicht angeht, was in Demokratien
zulässig ist“ (StenProt 1/265, S. 13015).

Angesichts der Historie aus vordemokratischen Zeiten und der genannten Schwierigkeiten ist eine Streichung des
§ 103 StGB unumgänglich. Über § 185 StGB können Beleidigungen – auch die ausländischer Politiker – geahndet
werden. Insofern entsteht durch eine Streichung keine Strafbarkeitslücke. Die Bewertung, ob der Tatbestand einer
Beleidigung erfüllt ist oder der Vorgang z. B. durch die Meinungs- und Kunstfreiheit geschützt ist, ist in unserem
Rechtsstaat Sache der Strafverfolgungsbehörden und der unabhängigen Gerichte bis hin zum Bundesverfassungs-
gericht.

Völkerrecht steht der Streichung des § 103 StGB nicht entgegen. Den kraft (teils geschriebenen, teils ungeschrie-
benen) Völkerrechts geltenden, Ehrenschutz einschließenden Grundsätzen der Unverletzlichkeit der Staatsober-
häupter, Regierungsmitglieder und Diplomaten fremder Staaten (zu Letzteren siehe Wiener Übereinkommen über
diplomatische Beziehungen) ist bereits durch die allgemeine deutsche Rechtsordnung Rechnung getragen. Das
Völkerrecht verlangt keine darüber hinausgehenden Sondertatbestände.

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