BT-Drucksache 18/7879

Betrug mit manipulierten Registrierkassen gesetzlich verhindern - Zeitgleich Abschreibungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter verbessern

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7879
18. Wahlperiode 16.03.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dr. Konstantin von Notz, Kai Gehring, Anja
Hajduk, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Betrug mit manipulierten Registrierkassen gesetzlich verhindern –
Zeitgleich Abschreibungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter
verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Spätestens seit 2003 ist das Problem des organisierten Betrugs mit manipulierten
Kassensystemen bekannt. Der Bundesrechnungshof gab in seinen Bemerkungen zur
Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes 2003 sehr konkrete Hinweise auf
diese Art des (Umsatz-)Steuerbetrugs und sprach schon damals von drohenden Steu-
erausfällen in Milliardenhöhe (Bundestagsdrucksache 15/2020, Bemerkung 54). In
der Zwischenzeit wurde immer wieder ausführlich über aufgedeckte Manipulationen
in einzelnen Betrieben (Schaden durch Kassenbetrug in einer einzigen Eisdiele in
Rheinland-Pfalz 2,8 Millionen Euro: http://www.sis-verlag.de/archiv/andere-sons-
tige-steuerarten/rechtsprechung/2179-fg-rheinland-pfalz-haftung-fuer-hinterzogene
-steuern-fg-rheinland-pfalzhaftung-fuer-hinterzogene-steuer) oder sogar in ganzen
Branchen (vgl. z. B. Bericht über Kassenbetrug von Apotheken: z. B. DIE WELT
vom 4. April 2014 „Steuerbetrug per Knopfdruck“) berichtet. Auch wenn die jährli-
che Schadenshöhe nur aufgrund von Einzelfällen hochgerechnet und abgeschätzt
werden kann, wird in Fachkreisen (Finanzministerium NRW, OECD und Bundes-
rechnungshof) von einem Volumen von mindestens 5 bis 10 Mrd. Euro Steuerausfall
p. a. ausgegangen. Dieses stellt eine signifikante Wettbewerbsverzerrung dar, die im
Interesse eines fairen Wettbewerbs für steuerehrliche Unternehmen nicht akzeptabel
ist.
Gesetzgeberische Maßnahmen gegen den Betrug mit Registrierkassen wurden trotz
der bestehenden Warnungen nicht umgesetzt. 2008 scheiterte eine Gesetzesinitiative
an Bedenken innerhalb der damaligen Großen Koalition. Trotz eigener großer Mehr-
heit in Bundestag und Bundesrat konnte der damalige Finanzminister Steinbrück
sich nicht gegen Bedenken aus den Ländern und anderen Ministerien durchsetzen
(vgl. Bundestagsdrucksache 18/6481, Antwort der Bundesregierung zu Frage 5).
Aktuell bremsen sowohl das Bundesfinanzministerium (BMF), das Berechnungen
über Steuerausfälle aus dem Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen, der OECD
und des Bundesrechnungshofes in Frage stellt (vgl. z. B. vgl. Bundestagsdrucksa-

http://www.sis-verlag.de/archiv/andere-sonstige-steuerarten/rechtsprechung/2179-fg-rheinland-pfalz-haftung-fuer-hinterzogene%20-steuern-fg-rheinland-pfalzhaftung-fuer-hinterzogene-steuer
http://www.sis-verlag.de/archiv/andere-sonstige-steuerarten/rechtsprechung/2179-fg-rheinland-pfalz-haftung-fuer-hinterzogene%20-steuern-fg-rheinland-pfalzhaftung-fuer-hinterzogene-steuer
http://www.sis-verlag.de/archiv/andere-sonstige-steuerarten/rechtsprechung/2179-fg-rheinland-pfalz-haftung-fuer-hinterzogene%20-steuern-fg-rheinland-pfalzhaftung-fuer-hinterzogene-steuer
Drucksache 18/7879 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
che 18/6481) sowie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das auf hohe Büro-
kratiekosten für Unternehmen hinweist (vgl. z. B. „Alles gebongt“, DER SPIEGEL,
Heft 6/2015 und Stuttgarter Nachrichten Nr. 194/2016: „Hat der Fiskus zu viel
Geld“). Dabei wurde die aktuell wohl günstigste Lösung einer technischen
Sicherung für Kassensysteme (INSIKA-Verfahren) mit Mitteln des BMWi geför-
dert und wird im Internetauftritt des Bundesministeriums aktiv beworben
(vgl.: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Technologie/Innovationsfoerderung-Mittel-
stand/hightechlights,did=542504.html).
Auch die CDU/CSU-Fraktion hat einen Beschluss gefasst, eine gesetzliche Betrugs-
bekämpfung im Bereich der Registrierkassen zu verhindern (vgl.: www.uwe-fei-
ler.de/download/?file=positionspapier_insika.pdf).
Die Große Koalition im Bund und die Bundesregierung blockieren damit einen ein-
stimmigen Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 25. Juni 2015, der ein Maß-
nahmenpaket gegen den Betrug mit Registrierkassen vorsah. Damit nehmen Union
und SPD sowie das im Steuervollzug völlig praxisferne BMF gegen den Rat der
Finanzverwaltungen und Praktiker aus den Bundesländern Wettbewerbsverzerrun-
gen zwischen ehrlichen und betrügerisch agierenden Unternehmen billigend in Kauf.
Die Einführung der so genannten INSIKA-Lösung zur Betrugsbekämpfung im Ham-
burger Taxi-Gewerbe hat dazu geführt, dass der dortige Taxi-Markt von betrügeri-
schen Unternehmen befreit wurde und gleichzeitig enorme Umsatzsprünge bei den
steuerehrlichen Unternehmen stattfanden. Die Folge sind ein fairer Wettbewerb,
steigende Steuereinnahmen und höhere Einnahmen für die Sozialversicherungen,
weil auch Schwarzarbeit eingedämmt werden konnte. Die Akzeptanz in der Taxi-
branche für INSIKA ist durch die Erfolge in Hamburg groß.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bunderegierung auf,

1. schnellstmöglich eine gesetzliche Regelung zur Eindämmung des Betrugs mit
Registrierkassen vorzulegen, die verbindliche und seitens der Finanzverwaltung
akzeptierte Sicherheitsstandards für die Unveränderbarkeit und Vollständigkeit
von Kassendaten vorgibt, um so auch einen möglichst hohen Grad an Rechtssi-
cherheit für Unternehmen zu gewährleisten;

2. die gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit einer unangemeldeten Kassen-
Nachschau nach Vorbild der Umsatzsteuer-Nachschau zu schaffen;

3. die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter zeitgleich von
410 auf 1000 Euro zu erhöhen.

Berlin, den 15. März 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

http://www.uwe-feiler.de/download/?file=positionspapier_insika.pdf
http://www.uwe-feiler.de/download/?file=positionspapier_insika.pdf
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7879
Begründung

Zu 1)
Nur eine gesetzliche Vorschrift (z. B.: eine Klarstellung in § 146 Abgabenordnung, vgl. Antwort Landesregie-
rung Sachsen-Anhalt auf Kleine Anfrage 6/8657) zur Implementierung von technischen Sicherungssystemen in
Bezug auf die Unveränderbarkeit und Vollständigkeit von Daten aus Registrierkassen kann die kriminelle Um-
satzverkürzung im Bereich von Kassensystemen wirksam verhindern und für Unternehmen durch Bindung der
Verwaltung eine größtmögliche Rechtssicherheit gewährleisten. Neue Anforderungen und die spätestens zum
1. Januar 2017 einzuhaltenden geänderten Anforderungen zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bar-
geschäften (BMF-Schreiben vom 26. November 2010 zur Aufbewahrung (Gz. IV A 4 – S 0316/08/10004-07,
DOK 2010/0946087) könnten von Unternehmen in einem Schritt umgesetzt und unnötige Kosten so vermieden
werden. Aufgrund der festgestellten signifikanten Steuerverkürzung durch manipulierte Kassensoftware ist eine
Lösung des Problems erforderlich, die auch in dieser kurzen Frist umgesetzt werden kann. Das ist bei der Aus-
wahl von Lösungskonzepten neben den Kosten der Einführung als wichtiges Entscheidungskriterium zu be-
rücksichtigen, denn eine weitere Verzögerung würde die bereits erhebliche Wettbewerbsverzerrung weiter ma-
nifestieren.
In Zeiten digitaler Kassensysteme ist es geboten, auch die Steuerverwaltung und die Betrugsbekämpfung auf
neueste technische Standards anzuheben. Verschlüsselungs- und Signaturmechanismen sollten dabei höchsten
technischen Sicherheitsstandards entsprechen. Mit dem vom BMWi geförderten INSIKA-Verfahren liegt eine
einfache, kostengünstige und schnell umzusetzende Lösungsmöglichkeit vor. Das Verfahren entspricht nach
Prüfung der Physikalisch Technischen Bundesanstalt höchsten Sicherheitsstandards und ist weitestgehend tech-
nologieneutral, d. h. es beeinträchtigt Kassenhersteller nicht in der Entwicklung neuer Technologien. Auch in
bestehende Kassensysteme kann INSIKA relativ leicht und kostengünstig implementiert werden. Bestehende
Bedenken des BMF und des BMWi bezüglich des INSIKA-Verfahrens können von Fachleuten aus den Steuer-
verwaltungen leicht widerlegt werden (vgl. z. B.: http://elektronische-steuerpruefung.de/faqs/becker-kassen-
fuehrung-und-kryptografischer-manipulationsschutz.pdf). Die beeindruckenden Zahlen aus dem Hamburger
Taxi-Gewerbe verdeutlichen zudem, dass fairer Wettbewerb durch Implementierung der INSIKA-Lösung er-
reicht wird und ehrliche Unternehmen profitieren. Unternehmen würden zudem von schnellen und rechtssiche-
reren Verfahren bei Betriebsprüfungen profitieren.

Zu 2)
Gesetzliche Vorgaben zur Betrugssicherung von Kassen können nur erfolgreich sein, wenn auch die Kontroll-
möglichkeiten der Finanzbehörden erweitert werden. Unerlässlich für eine Wirksamkeit der Einführung tech-
nischer Maßnahmen ist die Möglichkeit unangemeldeter Kontrollen der Finanzbehörden, wie es sich bei der
Umsatzsteuer-Nachschau bewährt hat.

Zu 3)
Aktuell müssen Registrierkassen über sechs Jahre steuerlich abgeschrieben werden, sofern sie über 410 Euro
kosten. Durch die Anhebung der Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter könnten kleine und
mittlere Unternehmen in der Regel innerhalb eines Jahres Kassenneuanschaffungen steuerlich geltend machen.
Diese Maßnahme wird von allen Bundestagsfraktionen inhaltlich unterstützt und lediglich vom Bundesfinanz-
ministerium blockiert (vgl.: Plenarprotokoll vom 2. Juli 2015: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18115.pdf).
Im Saldo würden die Änderungen dazu führen, dass trotz Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Betrugssi-
cherung von Registrierkassen Bürokratie insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen abgebaut würde
und die Steuereinnahmen steigen würden. Der für den Fiskus negative Liquiditäts- bzw. Zinseffekt (es entstehen
keine Steuerausfälle durch die Anhebung der Abschreibungsgrenze der GWG) würde durch die Mehreinnahmen
aus der Betrugsbekämpfung sicher überkompensiert.

http://elektronische-steuerpruefung.de/faqs/becker-kassen-fuehrung-und-kryptografischer-manipulationsschutz.pdf
http://elektronische-steuerpruefung.de/faqs/becker-kassen-fuehrung-und-kryptografischer-manipulationsschutz.pdf
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18115.pdf
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