Vom 22. September 2015
Deutscher Bundestag Drucksache 18/6051
18. Wahlperiode 22.09.2015
Antrag
der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms, Oliver Krischer,
Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Jürgen Trittin,
Katja Dörner, Harald Ebner, Matthias Gastel, Kai Gehring, Anja Hajduk, Dieter
Janecek, Uwe Kekeritz, Sven Christian Kindler, Sylvia Kotting-Uhl, Stephan
Kühn (Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Dr. Tobias Lindner,
Nicole Maisch, Peter Meiwald, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Konstantin von Notz,
Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws, Dr. Gerhard Schick, Dr. Frithjof
Schmidt, Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
UN-Nachhaltigkeitsziel 7 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Zugang
zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für
alle sichern
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Gipfeljahr 2015 haben wir die Chance, einen echten Durchbruch für Klima-
schutz und globale Gerechtigkeit zu erreichen. In einer Zeit, in der weltweit Mil-
lionen von Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, hängen Hunger,
gewaltsame Konflikte, Verlust der Biodiversität, Klimakrise, Armuts- und Res-
sourcenkrisen eng zusammen, globale Gerechtigkeit und Klimaschutz lassen sich
nicht getrennt voneinander erreichen. Die Ergebnisse der Verhandlungen bei den
Vereinten Nationen in New York für globale Nachhaltigkeitsziele (Sustainable
Development Goals) werden zusammen mit den Verhandlungen um ein neues
Klimaabkommen in Paris für die kommenden Jahrzehnte die internationale, euro-
päische und deutsche Politik prägen. Sie sind entscheidend für die Frage, ob wir
endlich die Chance für eine nachhaltige und gute Zukunft für alle nutzen wollen.
Eine nachhaltige Entwicklung, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen
und echter Klimaschutz können global nur dann erreicht werden, wenn alle damit
bei sich zu Hause anfangen. Deutschland ist von echter Nachhaltigkeit noch weit
entfernt und hat zugleich als führendes Industrieland in der EU eine besondere
Verantwortung. Für einen Aufbruch in nachhaltiges Leben und Wirtschaften for-
dert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, sich für Politikkohärenz
im Sinne von Frieden, Demokratie und einer menschenrechtsbasierten nachhalti-
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gen Entwicklung einzusetzen, wofür es eine bessere ressortübergreifende Abstim-
mung braucht. Zudem muss die Bundesregierung für jedes der von den Vereinten
Nationen vorgelegten 17 Nachhaltigkeitsziele entsprechende Maßnahmen zur
Umsetzung gerade auch in Deutschland und innerhalb der EU ergreifen.
UN-Nachhaltigkeitsziel 7 in Deutschland umsetzen
Mit dem UN-Nachhaltigkeitsziel 7 zur Sicherung des Zugangs zu bezahlbarer,
verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie greifen die UN eine Debatte
auf, die auch in Deutschland seit langer Zeit intensiv geführt wird und zu beacht-
lichen Veränderungen, insbesondere im Rahmen der Energiewende, geführt hat
und weiterhin führen wird.
Die Energiewende ist aber nur dann erfolgreich, wenn es gelingt, die hohen Ener-
giesparpotentiale auszuschöpfen und möglichst schnell auf eine vollständige Ver-
sorgung aus erneuerbaren Energien umzusteigen. Das muss zu dauerhaft bezahl-
baren Preisen und unter Wahrung der Versorgungssicherheit erreicht werden.
Dieses Ziel ist am effektivsten durch einen reformierten und flexibleren Energie-
markt unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger als Erzeuger und Nutzer
(„Prosumer“) von Energie zu erreichen.
Diese Perspektive wird bislang aber noch vielfach negiert und die Schaffung der
erforderlichen Rahmenbedingungen wird behindert. So hat die EU-Kommission
gerade massive Subventionen für den Bau neuer Atomkraftwerke genehmigt und
in Deutschland zögert die Bundesregierung den für die Erreichung der Klimaziele
unverzichtbaren Einstieg in den Kohleausstieg hinaus. Dazu kommt eine unge-
rechte Verteilung der Kosten durch überbordende Industrieprivilegien zu Lasten
von Privathaushalten und Mittelstand sowie ein Versagen im Wärmebereich. Hier
steigt weder der Einsatz erneuerbarer Energien noch werden ausreichend Einspar-
maßnahmen umgesetzt. Damit entstehen für Energieverbraucher unnötig hohe
Kosten, die immer mehr Haushalte mit geringem Einkommen überfordern.
Bei der internationalen Zusammenarbeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen
dem Reden und dem Handeln der Bundesregierung. So unterstützt Deutschland
innerhalb Europas eine im Wesentlichen auf fossilen, teurer werdenden Energien
basierende Energieunion. Und selbst die internationale Förderung von klima-
schädlichen Kohlekraftwerke über die bundeseigene KfW wurde – im Gegensatz
zu den Entwicklungsbanken anderer Staaten – nicht vollständig beendet. Seine
Vorreiterrolle für den Klimaschutz hat Deutschland damit verloren.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den ökologischen Umbau der Energieversorgung zu forcieren und die
schnellstmögliche hundertprozentige Umstellung auf erneuerbare Energien
bei der Stromversorgung anzustreben, u. a. durch einen Kohleausstieg, in-
tensivere Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung, einen schnelleren Ausbau
erneuerbarer Energien sowie eine faire Verteilung der entstehenden Kosten
und Nutzen;
2. den Wärmemarkt zu reformieren durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer
Energien, um so das Innovationspotenzial bei der kostengünstigen, umwelt-
freundlichen und erneuerbaren Wärmeversorgung wirksam anzureizen;
3. den Energieverbrauch insgesamt zu reduzieren, indem sowohl ambitionierte
Stromsparmaßnahmen im privaten, öffentlichen und gewerblichen Sektor als
auch die energetische Sanierung des Gebäudebestands stärker und zielge-
nauer umgesetzt werden, etwa durch eine stadtteilbezogene Umsetzung unter
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Einbeziehung betroffener Mieter und Eigentümer sowie die Einführung ei-
nes Klimawohngelds für einkommensschwache Haushalte, um die Sanie-
rungsquote auf 3 Prozent pro Jahr sozialverträglich zu erhöhen;
4. KfW-Kredite ebenso wie Hermesbürgschaften nicht länger für Projekte zur
Nutzung von Kohle und anderen fossilen Energieträgern zu gewähren, son-
dern ausschließlich für Energieeinsparprojekte und Energieeffizienzmaß-
nahmen sowie die möglichst dezentrale Nutzung und Erzeugung von rege-
nerativen Energien;
5. eine Energieaußenpolitik zu entwickeln und umzusetzen, die auf globaler
Ebene die Abkehr von Atomkraft und fossilen Energien fördert, sich konse-
quent am 2-Grad-Limit orientiert und einen für alle Menschen bezahlbaren
Einsatz von erneuerbaren Energien weltweit konsequent stärkt.
Berlin, den 22. September 2015
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
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