BT-Drucksache 18/6045

UN-Nachhaltigkeitsziel 1 in Deutschland schon jetzt umsetzen - Armut in jeder Form und überall beenden

Vom 22. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6045
18. Wahlperiode 22.09.2015

Antrag
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Valerie Wilms,
Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Matthias Gastel, Harald Ebner, Kai Gehring, Anja Hajduk, Dieter Janecek,
Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs, Oliver Krischer,
Christian Kühn (Tübingen), Markus Kurth, Steffi Lemke, Dr. Tobias Lindner,
Peter Meiwald, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Frithjof Schmidt, Kordula Schulz-Asche, Markus
Tressel, Jürgen Trittin, Dr. Julia Verlinden, Beate Walter-Rosenheimer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 1 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Armut
in jeder Form und überall beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Gipfeljahr 2015 haben wir die Chance, einen echten Durchbruch für Klimaschutz

und globale Gerechtigkeit zu erreichen. In einer Zeit, in der weltweit Millionen von

Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, hängen Hunger, gewaltsame

Konflikte, Verlust der Biodiversität, Klimakrise, Armuts- und Ressourcenkrisen eng

zusammen, globale Gerechtigkeit und Klimaschutz lassen sich nicht getrennt vonei-

nander erreichen. Die Ergebnisse der Verhandlungen bei den Vereinten Nationen in

New York für globale Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) wer-

den zusammen mit den Verhandlungen um ein neues Klimaabkommen in Paris für

die kommenden Jahrzehnte die internationale, europäische und deutsche Politik prä-

gen. Sie sind entscheidend für die Frage, ob wir endlich die Chance für eine nach-

haltige und gute Zukunft für alle nutzen wollen.

Eine nachhaltige Entwicklung, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und

echter Klimaschutz können global nur dann erreicht werden, wenn alle damit bei

sich zu Hause anfangen. Deutschland ist von echter Nachhaltigkeit noch weit ent-

fernt und hat zugleich als führendes Industrieland in der EU eine besondere Verant-

wortung. Für einen Aufbruch in nachhaltiges Leben und Wirtschaften fordert der

Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, sich für Politikkohärenz im Sinne von

Frieden, Demokratie und einer menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklung

einzusetzen, wofür es eine bessere ressortübergreifende Abstimmung braucht. Zu-

dem muss die Bundesregierung für jedes der von den Vereinten Nationen vorgeleg-

ten 17 Nachhaltigkeitsziele entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung gerade auch

in Deutschland und innerhalb der EU ergreifen.

Drucksache 18/6045 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

UN-Nachhaltigkeitsziel 1 in Deutschland umsetzen

Gerade in den letzten Jahren zeichnet sich eine Verfestigung der Armut in Deutsch-

land auf einem hohen Niveau ab. Insbesondere die Kinder- und Jugendarmut ist da-

bei skandalös hoch und immer mehr ältere Menschen und Erwerbstätige sind von

Armut betroffen.

Deutschland muss daher mehr tun und gezielte Strategien gegen Armut entwickeln.

Die Politik der Bundesregierung geht an den Armen vorbei. Beim Rentenpaket fehlte

es an Maßnahmen gegen Altersarmut. Der Mindestlohn reicht nicht, um Armut trotz

Erwerbstätigkeit signifikant zu verringern, da er Familien, Teilzeiterwerbstätige und

Selbständige nicht vor Armut schützt. Die Grundsicherung als letztes Netz ist nicht

armutsfest. Die Bundesregierung kommt ihrer Verpflichtung im Rahmen des EU-

2020-Prozesses nicht nach, die Armut in Deutschland zu reduzieren und trägt durch

ihre inkohärente Politik eine Mitverantwortung für die globale Armut. All diese Bei-

spiele verdeutlichen, dass die Bundesregierung das Problem Armut vernachlässigt

und es dringender strukturverändernder Reformen bedarf, um auch in Deutschland

die Nachhaltigkeitsziele der UN zu verwirklichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Existenzminimum zu gewährleisten um den tatsächlichen Bedarf zu decken

und dafür die Regelsätze für Kinder und Erwachsene im SGB II und SGB XII

schnellstmöglich anzuheben sowie in diesem Zusammenhang bei der Neube-

rechnung auf die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Rechentricks zu

verzichten sowie Maßnahmen zu ergreifen, um durch vorgelagerte Sicherungs-

systeme Grundsicherungsbezug zu vermeiden;

2. Kinder- und Jugendarmut zu vermeiden und vorzubeugen, indem mittel- bis

langfristig das Kindergeld in eine Kindergrundsicherung überführt wird und

kurzfristig mehr Alleinerziehende durch eine Verlängerung der Bezugsdauer

und eine Anhebung der Altersgrenze beim Unterhaltsvorschuss vor Armut ge-

schützt werden; zudem Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben,

bei Bedarf der Zugang zu Jugendhilfeleistungen gewährt und Jugendlichen

durch die Einrichtung von Jugendberufsagenturen der Zugang zu einem Aus-

bildungsplatz erleichtert wird;

3. Altersarmut zu vermeiden, indem eine Garantierente für langjährig Versicherte

eingeführt wird und Maßnahmen ergriffen werden, um ein angemessenes Ren-

tenniveau sicherzustellen;

4. ein soziales Europa weiter voranzubringen und so im Rahmen der Strategie

EU 2020 die auf europäischer Ebene vereinbarten Indikatoren für Armut und

soziale Ausgrenzung auch für Deutschland anzuerkennen und für das nationale

Ziel festzulegen, wie groß der deutsche Anteil an dem europäischen Ziel der

Reduzierung der Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten

Menschen um 20 Millionen Personen beträgt und dafür eine ernsthafte Strategie

vorzulegen, wie die Zahl der Armen in Deutschland entsprechend reduziert

werden kann;

5. Die weltweite Armut zu reduzieren, indem sie sich mit Nachdruck für die Um-

setzung der EU-Kohärenzstrategie einsetzt, um insbesondere die Bereiche

Landwirtschaft, Fischerei und Handel, Sicherheit, Energie und Rohstoffe ent-

wicklungsfreundlich auszurichten.

Berlin, den 22. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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