BT-Drucksache 18/5107

Herkunft von Konfliktrohstoffen konsequent offenlegen

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5107
18. Wahlperiode 10.06.2015
Antrag
der Abgeordneten Niema Movassat, Caren Lay, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, Karin Binder, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, ,
Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin
Kunert, Sabine Leidig, Stefan Liebich, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte,
Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.
sowie der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs,
Dr. Franziska Brandtner, Bärbel Höhn, Dieter Janecek, Omid Nouripour, Annalena
Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris
Wagner, Dr. Thomas Gambke, Anja Hajduk, Dieter Janecek, Corinna Rüffer,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Julia Verlinden und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Herkunft von Konfliktrohstoffen konsequent offenlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Europäische Parlament (EP) befasste sich am 20. Mai 2015 mit dem Vorschlag
der Kommission für eine Verordnung „zur Schaffung eines Unionssystems zur
Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch ver-
antwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus
Konflikt- und Hochrisikogebieten“ (COM(2014)0111).

Der Bundestag begrüßt grundsätzlich die Absicht des Vorschlags, mit einer solchen
Verordnung gegen den Handel mit sogenannten Konfliktmineralien vorzugehen.
Obwohl der Vorschlag der Kommission diesem Anspruch nicht gerecht wird, unter-
stützt ihn die Bundesregierung ausdrücklich.

Der Entwicklungsausschuss des EP hatte bereits am 9.3.2015 nahezu einstimmig
eine Stellungnahme beschlossen, die die Präzisierung des Vorschlags forderte. Der
Ausschuss schlug insbesondere vor, den Geltungsbereich der Verordnung auf die
gesamten Lieferketten, auf alle Einführer von Mineralien enthaltenden Produkten
und auf weitere Rohstoffe auszuweiten und die in der Verordnung vorgesehenen
Sorgfaltspflichten für alle einführenden Unternehmen verpflichtend festzulegen, an-
statt sich auf freiwillige Selbstzertifizierung zu verlassen.

Dabei erhielten die Entwicklungspolitikerinnen und -politiker des EP viel Unterstüt-
zung aus der Zivilgesellschaft. Über 130 katholische Bischöfe haben sich in einem

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Brief an die Abgeordneten des EP für verbindliche Regeln und gegen die im Kom-
missionsvorschlag enthaltenen Einschränkungen ausgesprochen. Entwicklungspoli-
tische Organisationen kritisieren, eine schwache Gesetzgebung würde bereits beste-
hende globale Bemühungen, den Handel mit Konfliktrohstoffen zu unterbinden, un-
terlaufen.

Am 20. Mai 2015 folgte das EP nun der Kritik am Vorschlag der Kommission in
wesentlichen Punkten und beschloss mit einer Mehrheit aus Sozialdemokraten, Lin-
ken, Grünen sowie Abgeordneten der italienischen „5 Sterne“ und einzelnen Abge-
ordneten der liberalen Fraktion, dass die Verordnung verbindlich und auf die ge-
samte Lieferkette ausgedehnt werden müsse. Mit dieser Position wird das EP mit
dem Rat in Verhandlungen treten, sobald dieser seine Position ebenfalls festgelegt
hat. Der Bundestag begrüßt die Entscheidung des Europäischen Parlaments.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rat folgende Änderungen am Vorschlag der Kommission für eine Verordnung
des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionssystems zur
Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch ver-
antwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus
Konflikt- und Hochrisikogebieten (COM(2014)0111) einzubringen:
1. Die OECD-Leitlinien für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung ver-

antwortungsvoller Lieferketten für Mineralien aus Konflikt- und Hochrisikoge-
bieten werden zum verbindlichen Standard für die Europäische Union.

2. Die Verordnung trägt dem Umstand, dass die Sorgfaltspflicht entlang der ge-
samten Lieferkette vom Abbauort der natürlichen Ressourcen bis zum Endpro-
dukt erfüllt werden muss, Rechnung. Alle Unternehmen, die Ressourcen im
Sinne dieser Verordnung – einschließlich der Produkte, die diese Ressourcen
enthalten – zuerst auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, werden dazu ver-
pflichtet, ihre Sorgfaltspflicht in der Lieferkette zu erfüllen und öffentlich dar-
über Bericht zu erstatten. Nicht nur Schmelzhütten und Raffinerien, sondern alle
Unternehmen, die die betroffenen Rohstoffe erstmalig auf den EU-Markt brin-
gen, sind der Sorgfaltspflicht unterworfen. Verpflichtungen sind auf die Unter-
nehmensgröße, den Einfluss und die Position in der Lieferkette zugeschnitten.
Vorgelagerte Unternehmen treffen alle vernünftigen Maßnahmen, um in ihrer
Lieferkette der unter diese Verordnung fallenden Mineralien und Metalle Risi-
ken zu ermitteln und ihnen zu begegnen. Dabei unterliegen sie einer Pflicht zur
Information über ihre Praxis zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht in Bezug auf eine
verantwortungsvolle Beschaffung.

3. Es gibt keine freiwillige Selbstzertifizierung durch die betroffenen Unterneh-
men, sondern eine Offenlegungspflicht für die gesamte Lieferkette. Die Auf-
sichtspflicht obliegt einer zuständigen Behörde der Mitgliedstaaten, welche der
Kommission Bericht erstattet. Die Kommission veröffentlicht eine Liste verant-
wortungsvoller Akteure.

4. Die Liste Verantwortungsvoller Hüttenwerke wird auch für nichteuropäische
Unternehmen geöffnet. Die sich auf den Listen befindenden Unternehmen wer-
den regelmäßig durch unabhängige Audits überprüft.

5. Die Sorgfaltspflicht schließt die Wahrung der Menschenrechte ausdrücklich mit
ein.

6. Die Definition von Konflikt- und Hochrisikogebieten wird breiter gefasst und
bezieht neben Gebieten mit bewaffneten Konflikten auch solche ein, in denen
Gewalt weit verbreitet und die zivile Infrastruktur zusammengebrochen ist, au-
ßerdem Gebiete, die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden

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sowie Gebiete, in denen Staatsführung und Sicherheit schwach oder nicht vor-
handen sind, wie zum Beispiel so genannte gescheiterte Staaten und die durch
weit verbreitete und systematische Verletzungen der im internationalen Recht
verankerten Menschenrechte gekennzeichnet sind.

7. Die Liste der betroffenen Rohstoffe ist für spätere Weiterungen in einem regel-
mäßigen Review-Verfahren offen.

8. Das Europäische Parlament und der Rat werden von der Kommission mit allen
zur effektiven Kontrolle notwendigen Dokumenten versorgt.

9. Flankierende Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Staaten und Regi-
onen mit dem Ziel der Erhöhung der Wirksamkeit der Verordnung werden von
der EU-Kommission zeitnah in einem Legislativvorschlag vorgelegt und mit ei-
nem jährlichen Leistungsbericht der Kommission verbunden. Die Verordnung
selbst benennt die Ziele des vorzulegenden Maßnahmenkataloges.

Berlin, den 10. Juni 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die Diskussion darüber, wie global agierende Unternehmen dazu gebracht werden können, in ihren Lieferket-
ten menschenrechtliche Standards einzuhalten, hat in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen. Ein wich-
tiger Aspekt ist der Handel mit bzw. die Verarbeitung von Rohstoffen aus Konfliktregionen. Denn die daraus
erzielten Gewinne heizen Konflikte in den Ländern, in denen die Rohstoffe lagern, an. Der Abbau und die
kriegerischen Auseinandersetzungen zerstören die natürliche Lebensgrundlage der Menschen. Die Demokrati-
sche Republik Kongo ist ein weithin bekanntes Bespiel dafür. Dort kämpfen staatliche und nichtstaatliche Ge-
waltakteure seit vielen Jahren in grausamen Konflikten und verschaffen sich dabei immer wieder Kontrolle
über Minengebiete. So dient der illegale Handel mit Rohstoffen den Milizen zur Finanzierung. Viele Menschen
werden dabei getötet oder zur Flucht gezwungen. Gleichzeitig ist in Nord- und Süd-Kivu der Abbau von
Mineralien und Metallen eine Haupteinnahmequelle der lokalen Bevölkerung, in einer Region, die wenig wirt-
schaftliche Möglichkeiten bietet. Das Europäische Parlament (EP) hat im November 2014 den kongolesischen
Gynäkologen und Menschenrechtsaktivisten Dr. Denis Mukwege, der sich vor allem für Frauen und Kinder als
Opfer der Konflikte in seiner Heimatregion einsetzt, mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte ausgezeich-
net und damit ein Schlaglicht auf diese Problematik geworfen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verfolgt mit ihren Leitlinien
für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Mineralien aus Kon-
flikt- und Hochrisikogebieten aus dem Jahr 2011 (aktualisiert 2013) das Ziel, die Verletzung von Menschen-
rechten und das Anheizen von Konflikten durch den Abbau und Handel mit Konfliktmineralien auszuschließen
und formuliert dabei sehr konkrete und umfassende Vorgaben. 43 Regierungen, darunter auch die Bundesre-
gierung, stimmten den Leitlinien zu. Doch die OECD kann keine bindenden Regelungen erlassen. Die Freiwil-
ligkeit der Leitlinien verhindert eine konsequente Umsetzung. Nur wenige Unternehmen setzen die Vorgaben
um. OECD-Mitgliedsregierungen sollten es sich daher konkret zur Aufgabe machen, die OECD-Leitlinien ver-
pflichtend in ihren Gesetzen zu verankern. Im Rahmen des Dodd-Frank Acts, eines US-Gesetzes zur Änderung
des Finanzmarktrechts, das im Jahr 2010 in Reaktion auf die Weltfinanzmarktkrise erlassen worden war, wird
der Handel mit potenziellen Konfliktmineralien aus der DR Kongo und ihren Nachbarländern einer Berichts-
pflicht unterworfen. In den USA börsennotierte Unternehmen müssen nachweisen, dass von ihnen gehandelte
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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Mineralien (konkret: Gold, Wolfram, Zinn und Tantal, genannt 3TG) nicht im Kontext von kriegerischen Kon-
flikten abgebaut werden. Ähnliche Gesetze wurden auch in den Herkunftsländen angenommen und Zentralaf-
rikanische Länder sind nun dabei, ein entsprechendes Zertifizierungssystem auf regionaler Ebene aufzubauen.
Trotz wichtiger Fortschritte konnte dieses aber aufgrund des akuten Mangels an Kapazitäten sowie logistischen
Schwierigkeiten noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Diese Vorgänge haben auch einen ähnlichen
Prozess in China angestoßen, wo derzeit, mit der Unterstützung der OECD, ähnliche Standards für die chine-
sische Metallindustrie entwickelt werden und für börsennotierte Unternehmen bereits eingeführt wurden.

Die EU-Kommission hat nun einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt (COM(2014)0111), der dieses
Anliegen in europäisches Recht umsetzen soll. Doch zahlreiche Fachleute und Entwicklungsorganisationen
halten den Vorschlag der Kommission für unzureichend. So sieht der Vorschlag der Kommission vor, dass
Importeure entscheiden können, ob sie an dem System teilnehmen, oder nicht. Im Falle einer freiwilligen Teil-
nahme sieht der Vorschlag vor, dass sich die Importeure selbst ein Zertifikat ausstellen, in welchem sie erklä-
ren, dass er den in dieser Verordnung festgelegten Sorgfaltspflichten in der Lieferkette „in Bezug auf ihr Ma-
nagementsystem, das Risikomanagement, von Dritten durchgeführte Audits und die Offenlegung von Informa-
tionen“ nachkommen. Dieser Vorschlag bildet nicht die konsequente Sorgfaltspflicht entlang der gesamten
Lieferkette wie in der OECD-Leitlinie vorgesehen ab und ist zudem auf deutlich weniger Unternehmen an-
wendbar als die OECD-Leitlinien selbst, da er sich ausschließlich auf Hüttenwerke und Raffinieren bezieht.

Das Plenum des Europäischen Parlaments hat nun am 20. Mai als Kogesetzgeber im ordentlichen Gesetzge-
bungsverfahren eine deutliche Korrektur des Kommissionsvorschlages beschlossen, die die Sorgfaltspflichten
im Einklang mit den OECD Leitlinien anpasst, für verbindlich erklärt und auf Unternehmen entlang der ge-
samten Lieferkette ausweitet. Dadurch würden alle relevanten Importe von Konfliktmineralen, insbesondere
auch die von in Endprodukten enthaltenden Mineralien erfasst. Des Weiteren sieht die Parlamentsposition vor,
dass die EU-Kommission einen Katalog von flankierenden Maßnahmen in den Partnerländern zur Steigerung
der Wirksamkeit der Verordnung vorlegen soll.

Der Vorschlag der Kommission nur den vorgelagerten („upstream“) Bereich, also vom Abbau der Rohstoffe
bis zur Verhüttung, offen zu legen, reicht nicht aus. Nur wenn alle Unternehmen ihren Anteil an der Verant-
wortung tragen, ist eine wirksame Kontrolle durch die kritische Öffentlichkeit möglich. Es bedarf daher einer
Regulierung, die ausdrücklich auch die verschiedenen Industriesektoren, also den nachgelagerten
(„downstream“) Bereich, umfasst.

Der Abbau von Rohstoffen spielt oft eine wesentliche Rolle in der Existenzsicherung der lokalen Bevölkerung
in den Ursprungsregionen. Die Umsetzung von Zertifizierungsmaßnahmen darf nicht dazu führen, dass Unter-
nehmen, um der Pflicht zur Offenlegung bzw. zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort zu entgehen,
die betroffenen Regionen als Lieferanten meiden. Stattdessen muss das Ziel der Zertifizierungsbemühungen
sein, die Rechte der im Rohstoffabbau tätigen Menschen zu stärken und die jeweiligen Regierungen im Hin-
blick auf die Notwendigkeit von Transparenz, Sicherheit und Menschenrechte zu sensibilisieren.

Die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Beschränkung auf Gold, Zinn, Tantal und Wolfram wiederum
ergibt nur in der ausschließlichen Bezugnahme auf die DR Kongo, wie im Dodd-Frank Act, einen Sinn. Die
Verordnung sollte nach Meinung vieler Fachleute allerdings einen breiteren Ansatz verfolgen und auch für
andere potenzielle Konfliktregionen und die dort lagernden Rohstoffe anwendbar sein. In einem ersten Schritt
wären Chrom, Steinkohle, Kobalt, Kupfer, Diamanten, Jade, Lapislazuli, Seltene Erden, Rubin und Saphir
aufzunehmen, deren Abbau vielfach im Kontext von Konflikten stattfindet. In einem regelmäßigen Review-
Verfahren wären dann weitere Rohstoffe gegebenenfalls hinzuzufügen, ohne dass dafür jeweils eine neue Ver-
ordnung notwendig würde.

Das Europäische Parlament hat auch beschlossen, eine Einigung mit dem Rat in erster Lesung anzustreben. In
den anstehenden Verhandlungen zwischen EP und Rat im Beisein der Kommission um die Ausgestaltung der
Verordnung sind deshalb weitere Anstrengungen der Bundesregierung für eine verbindliche Gesetzeslage nö-
tig, um die Geldquelle von Warlords endlich versiegen zu lassen.

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