BT-Drucksache 18/4864

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes - Verbesserung der Transparenz und der Bedingungen beim Scoring (Scoringänderungsgesetz)

Vom 8. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4864
18. Wahlperiode 08.05.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, Nicole Maisch,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Britta Haßelmann, Katja
Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Bundesdatenschutzgesetzes – Verbesserung der
Transparenz und der Bedingungen beim Scoring
(Scoringänderungsgesetz)

A. Problem
Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, das am
01.04.2010 in Kraft getreten ist, sollten Informations- und Auskunftsrechte von
Betroffenen in Bezug auf ihre Scoring-Werte bei Auskunfteien und Unternehmen
erweitert werden. Die Regelungen haben jedoch nicht den erhofften Transparenz-
zuwachs erbracht.
Unternehmen und Auskunfteien nutzen den weiten Spielraum, den das jetzige Ge-
setz bietet, aus und geben lediglich zu Datensätzen zusammengefasste Daten her-
aus, deren Bedeutung sich den betroffenen Personen ohne weitere Informationen
nicht erschließt.
Zudem berufen sie sich bezüglich der Gewichtung der verwendeten Daten, der
verwendeten Vergleichsgruppen und der Zuordnung der betroffenen Personen zu
den Vergleichsgruppen auf ihr Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Diesbezüglich
haben sie Bestätigung durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2014
(VI ZR 156/13) erhalten.
Die Art der zu speichernden und für das Scoring verwendbaren Daten unterliegt
kaum einer Eingrenzung. Unternehmen und Auskunfteien verwenden Daten, die
nicht bonitätsrelevant bzw. diskriminierungsgeeignet sind. Von den Datensamm-
lungen erfahren die Betroffenen häufig erst, wenn ihnen ein Kreditgeschäft vor-
enthalten oder zu ungünstigen Bedingungen angeboten wird. Eine Überprüfung
der Auskunfteien und Unternehmen findet, wenn überhaupt, nur sporadisch statt.
Gleiches gilt für das bezüglich des Scorings anzuwendende mathematisch-statis-
tische Verfahren. Daten dürfen zudem über einen langen Zeitraum gespeichert
werden, sofern die Auskunfteien und die Unternehmen dies für erforderlich hal-
ten. Auch bei Erteilung einer Restschuldbefreiung können Daten der betroffenen
Personen weiter gespeichert werden.

Drucksache 18/4864 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

B. Lösung
Der Gesetzentwurf sieht eine Ausweitung des Auskunftsanspruchs auf die Ein-
zeldaten, die Gewichtung der verwendeten Daten und auf die verwendeten Ver-
gleichsgruppen vor. Eine Speicherung von Daten, die nicht bonitätsrelevant oder
diskriminierungsgeeignet sind, ist für Zwecke der Überprüfung der Bonität unzu-
lässig. Hierzu zählen auch Daten aus sozialen Netzwerken und das sogenannte
„Geo-Scoring“, also die Nutzung von Wohnortdaten.
Zukünftig muss der Einsatz von Scoringverfahren vorab dem Verbraucher offen-
gelegt werden. Außerdem werden aktive Informationspflichten der Auskunfteien
eingeführt: Durch eine jährliche Informationspflicht sollen Betroffene falsche Da-
ten möglichst schnell korrigieren können. Daten über erledigte Sachverhalte müs-
sen spätestens nach sieben Jahren gelöscht werden, bei Erteilung einer Rest-
schuldbefreiung sind entsprechende Daten ebenfalls zu löschen.
Darüber hinaus wird eine stärkere Kontrolle der Aufsichtsbehörde verpflichtend.
Der Gesetzentwurf sieht eine jährliche Überprüfung der Auskunfteien und Unter-
nehmen, die Daten zur Wahrscheinlichkeitsberechnung für Bonitätsprüfungen
speichern, vor.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Nicht bekannt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4864

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Bundesdatenschutzgesetzes – Verbesserung der
Transparenz und der Bedingungen beim Scoring

(Scoringänderungsgesetz)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Bundesdatenschutzgesetz

Das Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66),
das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist, wird wie
folgt geändert:
1. In § 4d Absatz 5 wird nach Satz 2 folgender Satz eingefügt:

„Ferner ist im Fall des § 28b eine Vorabkontrolle stets durchzuführen.“
2. § 4e Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 9 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.
b) Folgende Nummer 10 wird angefügt:

„10. im Fall des § 28b eine Beschreibung des wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen
Verfahrens sowie Angaben zu § 28b Nummer 4.“

3. § 28b wird wie folgt geändert:
a) Der Wortlaut wird Absatz 1 und wie folgt geändert:

aa) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:
„4. für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts zum Zwecke der Bonität keine Anschrif-

tendaten, Daten aus sozialen Netzwerken, Daten aus Internetforen, Angaben zur Staatsange-
hörigkeit, zum Geschlecht, zu einer Behinderung oder Daten nach § 3 Absatz 9 genutzt wer-
den,“.

bb) Nach Nummer 4 wird folgende Nummer 5 angefügt:
„5. der Betroffene vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung

seiner Daten schriftlich unterrichtet worden ist. Die Unterrichtung ist zu dokumentieren. Soll
die Unterrichtung zusammen mit anderen Erklärungen erfolgen, ist sie besonders hervorzu-
heben.“

b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
„(2) Das wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren muss dem Stand der

Wissenschaft und Forschung entsprechen. Das Nähere zu den Anforderungen an das wissenschaftlich
anerkannte mathematisch-statistische Verfahren bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverord-
nung mit Zustimmung des Bundesrates.“

4. § 33 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 werden nach dem Wort „Zwecke“ die Wörter „oder geschäftsmäßig zum Zweck der Über-

mittlung“ eingefügt.
b) Satz 2 wird aufgehoben.
c) In dem neuen Satz 2 werden die Wörter „der Sätze 1 und 2“ durch die Wörter „des Satzes 1“ ersetzt.

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5. § 34 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa) Satz 1 wird wie folgt geändert:

aaa) In Nummer 2 wird das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt und werden die Wörter „die
verwendeten Einzeldaten, die Gewichtung der verwendeten Daten, die verwendeten Ver-
gleichsgruppen und die Zuordnung der betroffenen Personen zu den Vergleichsgruppen,
die in die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts einfließen,“ eingefügt.

bbb) In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch das Wort „sowie“ ersetzt.
ccc) Folgende Nummer 4 wird angefügt:

„4. die Dauer der Speicherung.“
bb) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

„Der Zugang zu diesen Informationen kann nicht unter Berufung auf das Betriebs- und Geschäfts-
geheimnis abgelehnt werden.“

cc) In dem neuen Satz 3 wird nach der Angabe „Satz 1“ die Angabe „und 2“ eingefügt.
dd) In dem neuen Satz 4 wird die Angabe „2“ durch die Angabe „3“ ersetzt.
ee) In dem neuen Satz 5 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ ersetzt.
ff) In dem neuen Satz 6 wird die Angabe „2“ durch die Angabe „3“ ersetzt.
gg) In dem neuen Satz 7 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ und die Angabe „4“ durch die

Angabe „5“ ersetzt.
b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Auskunfteien, die einen Wahrscheinlichkeitswert oder einen Bestandteil des Wahrschein-
lichkeitswerts für Zwecke des § 28b berechnen, haben dem Betroffenen einmal jährlich unverlangt in
Schriftform kostenlos Auskunft über die in Absatz 2 Satz 1 genannten Daten zu erteilen. Absatz 2 Satz
2 gilt entsprechend. Die Verpflichtung nach Satz 1 kann auch durch eine einmalige Mitteilung an den
Betroffenen erfüllt werden, die dem Betroffenen über eine Internetplattform den jederzeitigen Zugriff
auf seine Daten ermöglicht. Satz 3 gilt nicht, wenn der Betroffene dem Zugriff auf seine Daten über
eine Internetplattform widerspricht. In der einmaligen Mitteilung ist der Betroffene durch eine deutliche
und hervorgehobene Angabe über die Möglichkeit des Widerspruchs in Kenntnis zu setzen. Die näheren
Anforderungen an die Datensicherheit der Internetplattform bestimmt die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“

c) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
aa) Satz 1 wird wie folgt geändert:

aaa) In Nummer 3 wird das Wort „sowie“ durch ein Komma ersetzt und werden die Wörter
„die verwendeten Einzeldaten, die Gewichtung der verwendeten Daten, die verwendeten
Vergleichsgruppen und die Zuordnung der betroffenen Personen zu den Vergleichsgrup-
pen, die in die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts einfließen sowie“ eingefügt.

bbb) Nach Nummer 4 wird folgende Nummer 5 eingefügt:
„5. die Dauer der Speicherung.“

bb) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„Der Zugang zu diesen Informationen kann nicht unter Berufung auf das Betriebs- und Geschäfts-
geheimnis abgelehnt werden.“

cc) In dem neuen Satz 3 wird nach der Angabe „Satz 1“ die Angabe „und 2“ eingefügt.
d) Folgender Absatz 10 wird angefügt:

„(10) Die nach den Absätzen 2, 2a und 4 zur Auskunft verpflichteten Stellen haben hierfür ein
vorgegebenes Formular zu nutzen. Durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates be-
darf, bestimmt das Bundesministerium des Innern das verbindliche Formular.“

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4864
6. § 35 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 4 werden die Wörter „am Ende des vierten“ durch die Wörter „nach vier“ und die Wörter
„am Ende des dritten Kalenderjahres beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung
folgt“ durch die Wörter „nach drei Jahren“ ersetzt.

b) Nach Satz 2 werden die folgenden Sätze eingefügt:
„Eine Speicherung nach den Nummern 3 und 4 ist insbesondere dann nicht mehr erforderlich, wenn
eine Restschuldbefreiung gemäß § 300 der Insolvenzordnung erteilt, öffentlich bekannt gemacht und
nach der Insolvenzbekanntmachungsverordnung gelöscht wurde. Ferner ist eine Speicherung nicht
mehr erforderlich, wenn es sich um Daten über erledigte Sachverhalte handelt und sieben Jahre seit der
erstmaligen Speicherung verstrichen sind.“

7. In § 38 Absatz 1 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:
„Werden Daten nach § 28b zum Zwecke der Bonität erhoben oder gespeichert, soll die Aufsichtsbehörde
mindestens einmal jährlich insbesondere die Einhaltung der Vorgaben der §§ 28b und 34 Absatz 2 und 2a
kontrollieren.“

8. § 48 wird wie folgt geändert:
a) Der Wortlaut wird Absatz 1.
b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:

„(2) Die Bundesregierung legt zwei Jahre nach Inkrafttreten des Scoringänderungsgesetzes dem
Deutschen Bundestag einen Bericht zu den Auswirkungen der durch dieses Gesetz geänderten Vor-
schriften vor.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 5. Mai 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Drucksache 18/4864 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

A. Allgemeiner Teil

Scores werden bereits seit Längerem insbesondere für die Bonitätsbewertung von natürlichen Personen und Un-
ternehmen herangezogen. Umfang und Anwendungsbereich des Scoring haben sich in den letzten Jahren durch
neue technische Möglichkeiten der Datenbeschaffung und Datenauswertung erheblich erweitert. Insbesondere
über das Internet können beinahe unbegrenzt Daten zur umfangreichen Analyse abgerufen werden. Diese Sco-
ringverfahren haben weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen, vor allem, wenn Wahrscheinlichkeitswerte
zur Bewertung finanzieller Ausfallrisiken ermittelt werden, welche sich auf Vertragsabschlüsse und die Zusage
und Höhe von Kreditgeschäften auswirken.
Die bestehende Gesetzeslage schützt die Betroffenen jedoch nicht ausreichend vor diesen weitreichenden Eingrif-
fen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Weder unterliegen die Auskunfteien und Unternehmen
einer ausreichenden Prüfung durch die Aufsichtsbehörde noch erlaubt der bestehende Auskunftsanspruch in ge-
bührendem Maße Einsicht in die Scoring-Bewertungen. Daten, die die Betroffenen von den Auskunfteien und
Unternehmen erhalten, sind nicht hinreichend transparent. Für die Betroffenen ist nicht nachvollziehbar, wie ein-
zelne Score-Werte zustande kommen. Hierfür müssten die Auskunfteien und Unternehmen die Gewichtung der
Elemente, die in die Berechnung der Scores eingeflossen sind, offenlegen und Angaben zu den Vergleichsgruppen
machen, in die die Betroffenen eingeordnet werden. Die Auskunfteien und Unternehmen berufen sich jedoch auf
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Dies wurde durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs aufgrund der bestehen-
den Gesetzeslage bestätigt. Die Qualität der Score-Werte wird damit weitgehend einer Sachprüfung entzogen.
Dies wird durch den Umstand verstärkt, dass es keine Vorgaben für das der Score-Wert-Berechnung zugrunde
liegende mathematisch-statistischen Verfahren gibt. Nach welchen Kriterien sich die „wissenschaftliche Aner-
kanntheit“ des Verfahrens, die der Gesetzestext fordert, bemisst, ist nicht festgelegt. Die Auskunfteien und Un-
ternehmen können somit weitgehend uneingeschränkt und unkontrolliert Daten der Betroffenen sammeln und
auswerten.
Deshalb sieht der vorliegende Gesetzentwurf Regelungen vor, die die Datenschutz-Novelle von 2009 im Bereich
Scoring ergänzen und konkretisieren.
Zwar plant die EU eine Datenschutzgrundverordnung, die europaweit einheitliche und verbesserte Regelungen
auch für den Bereich Scoring schaffen soll. Aber gerade die Bundesregierung hat diese immer wieder blockiert.
Es ist derzeit weitgehend unsicher, wann die EU-Datenschutzverordnung überhaupt in Kraft treten kann, zumal
bislang nicht einmal die Aufnahme von Trilog-Verhandlungen terminiert werden kann. Der frühestmögliche Zeit-
punkt des Inkrafttretens der inhaltlich noch offenen Bestimmungen wäre damit nicht vor Ende 2017 zu erwarten.
Insbesondere die Transparenz des statistischen Analyseverfahrens beim Scoring muss daher im Interesse der Be-
troffenen rasch grundlegend verbessert werden. Zu diesem Schluss kommt auch ein vom Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz vorgestelltes Gutachten (Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schles-
wig-Holstein / GP Forschungsgruppe, 2014, Scoring nach der Datenschutz-Novelle 2009) zur Evaluation der
Neuregelungen, welches die Transparenz der Verfahren für unzureichend hält und kritisiert, dass dadurch den
Betroffenen keine Grundlage für einen effektiven Rechtsschutz gewährt werde. Es kommt darüber hinaus zu dem
Schluss, dass weder die Datenqualität der genutzten Daten gewährleistet noch die Wissenschaftlichkeit der ein-
gesetzten Verfahren wirksam überprüfbar sei.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird den Interessen der Betroffenen umfassend Rechnung getragen:
Der Einsatz von Scoringverfahren muss den Betroffenen in allen Einsatzbereichen vorab offengelegt werden. Der
Auskunftsanspruch der Betroffenen wird dahingehend erweitert, welche ihrer persönlichen Daten mit welcher
Gewichtung in den Score eingeflossen sind, welchen Vergleichsgruppen sie zugeordnet wurden und wie lange
die Daten gespeichert werden. Diese Informationen können nicht mehr mit dem Verweis auf Betriebs- und Ge-
schäftsgeheimnisse abgelehnt werden. Anforderungen an das wissenschaftlich-mathematische Verfahren zur Be-
rechnung der Wahrscheinlichkeitswerte müssen über eine Rechtsverordnung festgelegt werden. Löschungen er-
folgen nach dem vorliegenden Regelungsentwurf taggenau. Bei erledigten Sachverhalten sieht der Entwurf eine

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4864
Speicherung der Daten von längstens sieben Jahren vor. Bei einer Restschuldbefreiung sind entsprechende Daten
nach Veröffentlichung zu löschen.
Vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit von Auskunfteien und Unternehmen im Rahmen des § 28b erfolgt eine
Vorabkontrolle durch den internen Datenschutzbeauftragten und eine erweiterte Prüfung durch die Aufsichtsbe-
hörde.
Eingeführt werden spezielle Regelungen für Scorings zum Zwecke der Bonitätsprüfung. Eine Bonitätsprüfung im
Sinne des § 28b BDSG liegt vor, wenn mithilfe eines automatisierten Verfahrens die Wahrscheinlichkeit berech-
net wird, mit der eine Person fähig und bereit ist, eine aufgenommene Schuld zu begleichen.
Hier wird die Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften bei Auskunf-
teien und Unternehmen, die Wahrscheinlichkeitsberechnungen zum Zwecke der Bonitätsprüfung durchführen,
jährlich zu kontrollieren. Daten, die nicht bonitätsrelevant sind oder die diskriminierend wirken könnten, wie
Anschriftendaten, Daten aus sozialen Netzwerken, Daten aus Internetforen, Angaben zur Staatsangehörigkeit,
zum Geschlecht, zu einer Behinderung, Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinun-
gen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben
dürfen nicht verwendet werden. Die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts ist nur zulässig, wenn der Be-
troffene über die vorgesehene Nutzung seiner Daten von den Unternehmen informiert wurde. Dies gilt nach dem
geltenden § 28b Nr. 4 BDSG bereits jetzt im Falle der Nutzung von Anschriftendaten. Laut Gesetzesbegründung
wurde diese Unterrichtungspflicht eingeführt, um zusätzliche Transparenz zu schaffen. Die Regelung soll „der
besonderen Sensibilität der Öffentlichkeit hinsichtlich der Verwendung von Anschriftendaten im Rahmen von
Scoringverfahren zur Bewertung der Kreditwürdigkeit der Betroffenen Rechnung“ tragen (Drs. 16/10529, S. 16).
Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt diese Regelung für die Nutzung aller zulässigen Daten des Betroffe-
nen.
Zusätzlich werden betroffene Personen durch Auskunfteien, die Wahrscheinlichkeitswerte zum Zwecke des Sco-
ring berechnen, unverlangt über ihre gespeicherten Daten informiert. Die Unterrichtung muss jährlich schriftlich
per Post oder in elektronischer Form, wenn der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elekt-
ronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versieht, erfolgen.
Die Auskunfteien können die jährliche Unterrichtung durch einen Zugang auf ein Internetportal ersetzen, wenn
der Betroffene nicht widerspricht.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu 1. (§ 4d)
§ 4d Absatz 5 sieht eine Vorabkontrolle durch den internen Datenschutzbeauftragten vor, soweit automatisierte
Verarbeitungen besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen aufweisen. Diese Vorabkontrolle
entfällt bisher, soweit ein Wahrscheinlichkeitswert für ein zukünftiges Verhalten des Betroffenen zum Zwecke
der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dem Be-
troffenen erhoben oder verwendet wird.
Durch den neu eingefügten Satz 3 wird eine Vorabkontrolle immer im Rahmen des Scoring (§ 28b) vorgesehen.
Scoringverfahren begründen besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen. Mit der neuen
Regelung soll die Kontrolle innerhalb der Unternehmen und Auskunfteien gestärkt und eine frühzeitige Überprü-
fung der internen Abläufe ermöglicht werden.

Zu 2. (§ 4e)
Zweck der Meldung ist die Ermöglichung einer Prüfung der Zulässigkeit der beabsichtigten Verfahren. Die Mel-
dung ist an die nach § 38 Abs. 1 zuständige Aufsichtsbehörde zu richten. Zentraler Gegenstand der Meldung sind
unter anderem die Zwecke, zu denen die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten erfolgt. Hierdurch soll
eine Beurteilung ermöglicht werden, ob Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung ange-
messen sind.

Drucksache 18/4864 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Entwurf sieht im Rahmen des Scoring eine Erweiterung der Überprüfung in Bezug auf das verwendete ma-
thematisch-statistische Verfahren sowie den Ausschluss bestimmter personenbezogener Daten (siehe dazu Glie-
derungspunkt 3. a) aa) des Entwurfs) vor. Bislang unterliegen die Nutzer von Score-Werten keinen Vorgaben in
Bezug auf das anzuwendende Verfahren. Der Gesetzentwurf führt diese ein. Durch die Erweiterung der Melde-
pflicht soll eine Überprüfung erfolgen, ob die Vorgaben eingehalten werden.
Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung soll zudem kontrolliert werden, ob bei Datenerhebungen und -speicherun-
gen zum Zwecke der Bonität auf bestimmte, nicht bonitätsrelevante oder diskriminierungsgeeignete Merkmale
verzichtet wird.
Ein Verstoß gegen die Meldepflicht ist nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 bereits jetzt mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro
bewehrt.

Zu 3. (§ 28b)

Zu a)

Zu aa)
Bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen zum Zwecke der Bonität darf nicht mehr auf Daten zurückgegriffen wer-
den, die nicht direkt das Zahlungsverhalten der betroffenen Personen betreffen. Es handelt sich hier um Daten
nach § 3 Absatz 9 BDSG und § 1 AGG sowie um Daten aus sozialen Netzwerken und Internetforen. Soziale
Netzwerke und Internetforen sind Plattformen, auf denen z. B. Kontakte, Meinungen, Interessen und das Ein-
kaufsverhalten der betroffenen Personen mitgeteilt werden. Diese Daten weisen entweder keine Bonitätsrelevanz
auf oder entfalten eine diskriminierende Wirkung für die Betroffenen.
Die Verwendung des Merkmals „Alter“ bleibt beim Bonitätsscoring aus Gründen der Relevanz weiterhin zulässig.

Zu bb)
Die bestehende Unterrichtungspflicht wird erweitert. Die Betroffenen sollen nicht mehr nur über den Einsatz von
Scoringverfahren vorab unterrichtet werden, wenn ihre Anschriftendaten genutzt werden. Nach der neuen Rege-
lung muss der Einsatz von Scoringverfahren in allen Bereichen vorab den Betroffenen offengelegt werden. Die
Unterrichtung kann auch über AGB erfolgen. Die Information hat schriftlich zu erfolgen und muss sich von an-
deren Informationen, die gleichzeitig mitgeteilt werden, abheben. Nur so kann die Warnfunktion der Schriftform
tatsächlich ihre Wirkung entfalten.

Zu b)
Der Wahrscheinlichkeitswert soll durch ein wissenschaftlich anerkanntes mathematisch-statistisches Verfahren
ermittelt werden. Zu der Frage, welche Verfahren verwendet werden dürfen und wie die Anerkennung eines Ver-
fahrens festgestellt werden kann, schweigt das Gesetz. Das kann zu fehlerhaften Berechnungen führen und ver-
hindert eine wirksame Kontrolle der Scoring-Verfahren. Zudem mangelt es am Zugang unabhängiger Experten
aus der Wissenschaft, denen momentan ein offener Zugang zu allen Verfahren verwehrt bleibt. Der wissenschaft-
liche Zugang sollte eine freie und publizierbare wissenschaftliche Diskussion der Methoden und auch die kritische
Bewertung durch Dritte umfassen. Damit kann sichergestellt werden, dass die Verfahren dem neuesten Stand der
Forschung entsprechen.
Durch die Neuregelung muss das wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistisches Verfahren stets dem
Stand der Wissenschaft und Forschung entsprechen. Die Anforderungen an das mathematisch-statistische Ver-
fahren sind durch Rechtsverordnung festzulegen.

Zu 4. (§ 33)
Die Regelung des derzeitigen Absatzes 1 Satz 2, nach der bei geschäftsmäßiger Datenspeicherung erst die Über-
mittlung der Daten die Benachrichtigungspflicht auslöst, kann dazu führen, dass Persönlichkeitsrechtsverletzun-
gen bereits eingetreten sind, ehe der Betroffene von der Speicherung und Übermittlung erfahren hat.
Daher sieht der Gesetzentwurf eine Benachrichtigungspflicht von Auskunfteien auch bei erstmaliger Speicherung
der Daten vor, wie es bereits jetzt für Unternehmen gilt, die Scoringververfahren selbst durchführen. Durch die
neue Regelung werden Auskunfteien diesen Unternehmen gleichgestellt.

Zu b) und c)
Es handelt sich um Folgeänderungen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4864

Zu 5. (§ 34)

Zu a) aa)

Zu aaa)
§ 34 Abs. 2 BDSG regelt den Auskunftsanspruch der Betroffenen gegen den Nutzer von Score-Werten. Da die
durch den Score-Wert erfolgte Kategorisierung der Betroffenen in hohem Maße den Geschäftsverkehr dieser Per-
sonen beeinflusst, hat die Prüfbarkeit der Vergleichsgruppen und der Gewichtung der Einzeldaten eine hohe Re-
levanz. Mit diesen Parametern ändert sich die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte.
Zur Ermittlung der Score-Werte ordnen die Unternehmen bzw. Auskunfteien die betroffene Person einer Gruppe
mit gleichen oder ähnlichen Merkmalsausprägungen zu und ermitteln, ob und in wie vielen Fällen es in der Ver-
gangenheit bei der jeweiligen Vergleichsgruppe beispielsweise zu Zahlungsstörungen gekommen ist. Oftmals
erhalten betroffene Personen lediglich abstrakte Erläuterungen zur Ermittlung des Score-Werts. Da sich die ge-
setzliche Auskunftsverpflichtung nur auf Einzeldaten und „Datenarten“ bezieht, ist das gesetzgeberische Ziel, den
Betroffenen die Möglichkeit zu geben, falsche Daten zu korrigieren und den für sie errechneten Wahrscheinlich-
keitswert im konkreten Fall zu widerlegen, nicht erreichbar. Das Zustandekommen der Wahrscheinlichkeitswerte
kann derzeit von den Betroffenen nicht nachvollzogen werden, da die Kenntnis der Gewichtung der Einzelmerk-
male oder der zu ermittelnden Vergleichsgruppen fehlt.
Nach dem vorliegenden Entwurf ist den Betroffenen mitzuteilen, welche Elemente die Score-Berechnung beein-
flussen. Es reicht nicht aus, die betroffene Person über die „Datenarten“ ohne Nennung der Einzeldaten zu infor-
mieren. Das hat auch der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 28. Januar 2014 (VI ZR 156/13) entschieden.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sind weiter Angaben zu der Vergleichsgruppe zu machen, in die der Be-
troffene eingeordnet wird. Nur so kann er feststellen, ob er tatsächlich in diese Gruppe fällt oder ob die Zuordnung
fehlerhaft geschieht. Die verantwortliche Stelle hat darüber Auskunft zu erteilen, welche Daten sie zu einer Be-
wertung des Zahlungsverhaltens der Vergleichsgruppe führt. Weiterhin ist anzugeben, welchen Einfluss die dem
Betroffenen vorliegenden persönlichen Daten auf die Bildung des Score-Werts hat. Die Auskunft zu den Einzel-
daten, den Vergleichsgruppen und den Gewichtungsmerkmalen führt gerade zur Prüfung der Tatsachengrundlage
bzw. diese wird dadurch erst ermöglicht. Auch die Wissenschaftlichkeit des Verfahrens ist nur nachprüfbar, wenn
auch die Vergleichsgruppen bekannt sind.
Nach Erwägungsgrund 41 der Richtlinie 95/46/EG (41) muss das Auskunftsrecht die betroffene Person in die
Lage versetzen, sich insbesondere von der Richtigkeit dieser Daten und der Zulässigkeit ihrer Verarbeitung zu
überzeugen. Dann muss es dem Betroffenen aber auch möglich sein, auf die Korrektur des Scores hinzuwirken,
wenn die Verarbeitungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Vom Umfang der Auskunft hängt es ab, inwieweit ein
Betroffener überprüfen kann, ob sein Score rechtswidrig oder rechtmäßig ermittelt wurde. Der Betroffene hat
keinen Anspruch, mit einer bestimmten Bonitätsnote bewertet zu werden, er hat aber einen Beseitigungsanspruch
(§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 35 Abs. 1 S. 1 BDSG analog). Der Betroffene kann neben dem Widerruf des
fehlerhaften Negativeintrags auch durchsetzen, dass die Auskunftei den Score wieder so herstellt, als habe der
fehlerhafte Negativeintrag nicht existiert (vgl. KG, VuR 2012, 367; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2014
- I-16 U 7/14, Rn. 21). Ein allgemeiner Auskunftsanspruch genügt dafür nicht. Sollte sich beispielsweise heraus-
stellen, dass das Geschlecht bei der Scoreberechnung berücksichtigt wurde, geht der Anspruch dahin, den Score
unter Weglassung dieses Merkmals neu zu berechnen. Eine Überprüfung ist aber nicht möglich, wenn das Ge-
wicht dieses Merkmals für den zuvor fehlerhaft errechneten Score nicht bekannt ist. Es bedarf deshalb zwar keiner
Offenlegung sämtlicher Rechengrößen, aber doch der Gewichtung der Berechnungselemente und Vergleichsgrup-
pen.

Zu bbb) und ccc)
Um den betroffenen Personen umfassende Informationen zu den über sie gespeicherten Daten zukommen zu las-
sen, die sie in die Lage versetzen, Lösch- und Berichtigungsansprüche durchzusetzen, sieht der Entwurf vor, den
Personen auch die Dauer der Speicherung mitzuteilen.

Zu a) bb)
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2014 (VI ZR 156/13) bezüglich eines Auskunftsan-
spruchs einer Verbraucherin zu ihrem sog. SCHUFA-Score sollen betroffene Personen de lege lata über keinen
umfassenden Auskunftsanspruch hinsichtlich des angewandten Scoring-Verfahrens verfügen. Der BGH legte in

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seinem Urteil das 2009 novellierte Gesetz dahingehend aus, dass die Gewichtung der eingesetzten Datenkatego-
rien als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis den Betroffenen vorenthalten werden können.
Der vorliegende Entwurf regelt, dass die Auskunft zu den Elementen des Scoring-Verfahrens bzw. zu den Ver-
gleichsgruppen und Gewichtungen nicht dem Schutz eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses unterliegt.
Es liegt dadurch kein unzulässiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG der Scoring-Verwender vor. Verlangt werden
kann nicht die Offenlegung sämtlicher Rechengrößen oder des zugrunde liegenden Algorithmus. Um dem Be-
troffenen überhaupt die Möglichkeit der Kontrolle und der Berichtigung fehlerhafter Scoring-Werte zu eröffnen,
bedarf es aber der Information über die verwendeten einzelnen Daten, der Gewichtung der Berechnungselemente
und der Vergleichsgruppen. Der Auskunftsanspruch läuft ansonsten ins Leere, die Durchsetzung von Berichti-
gungsansprüchen nach § 35 Abs. 1 S. 1 BDSG ist nicht möglich. Die Transparenz der Verfahren bleibt unzu-
reichend und gewährt dem Betroffenen keine Grundlage für effektiven Rechtsschutz.
Die zur Auskunft verpflichteten Stellen haben nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 das Zustandekommen und die Bedeutung
der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form darzule-
gen. Das Ergebnis der Berechnung muss für den Betroffenen insoweit nachvollziehbar sein, dass er seine Rechte
sachgerecht ausüben, mögliche Fehler in der Berechnungsgrundlage aufdecken und Abweichungen von den au-
tomatisiert gewonnenen typischen Bewertungen des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts darlegen kann. Ent-
gegen der gesetzgeberischen Intention kann das Zustandekommen der Wahrscheinlichkeitswerte derzeit jedoch
aufgrund der fehlenden Bekanntgabe der dafür notwendigen Daten von den Betroffenen nicht nachvollzogen wer-
den.
Der Auskunftsanspruch der Betroffenen ist gerechtfertigt, da es sich bei der Datensammlung von schützenswerten
Daten des Betroffenen seinerseits um einen starken Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht handelt: Der
Schutz des Einzelnen vor der Unterwerfung unter ein intransparentes Verfahren, durch welches es zu einer per-
sonenbezogene Kategorisierung seiner Persönlichkeit kommt, ist von Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG,
Art. 8 der Grundrechtecharta umfasst. Die quantitative und qualitative Zunahme von Distanzgeschäften, insbe-
sondere im Internet, steigert die praktische Bedeutung und Verfahren für die Betroffenen. Scores bestimmen, ob
und wenn ja welche Verträge mit welchen Bedingungen angeboten werden und werden dadurch für die Freiheits-
wahrnehmung, insbesondere im Online-Bereich, existenziell. Erreicht ein Mensch nicht die entsprechenden
Score-Werte, so bleiben ihm Informationen, Dienstleistungen, Betätigungs- und Geschäftsmöglichkeiten vorent-
halten. Scores sind in der Informationsgesellschaft also nicht nur persönlichkeitsrechtlich im engeren Sinne, son-
dern für viele Formen der Grundrechtsrealisierung relevant. Die Kenntnis einzelner Daten allein ist für den Be-
troffenen nicht ausreichend und dient nicht einem angemessenen Schutz seines verfassungsrechtlich gewährleis-
teten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Offenbart die Auskunftei etwa, dass das Geschlecht in den Score einge-
flossen ist, geht der Anspruch dahin, den Score unter Weglassung dieses Merkmals neu zu berechnen. Dies zu
kontrollieren ist aber unmöglich, solange das Gewicht dieses Merkmals für den zuvor errechneten Score unbe-
kannt bleibt. Es bedarf zwar keiner Offenlegung sämtlicher Rechengrößen, aber doch der Gewichtung der Be-
rechnungselemente und Vergleichsgruppen.
Daher bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wonach die Auskunft zu den Vergleichsgruppen und den Gewich-
tungen nicht dem Schutz eines Geschäftsgeheimnisses unterliegt.
Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen lässt sich auch nicht aus Art. 12 a) der Richtlinie
95/46/EG herleiten: Der EuGH hat in der Entscheidung vom 7.5.2009, C 533/07 deutlich gemacht, dass das Recht
auf Schutz der Privatsphäre voraussetzt, dass sich die betroffene Person vergewissern kann, dass ihre personen-
bezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden und die Verarbeitung zulässig ist, d. h. insbesondere, dass die sie
betreffenden Basisdaten richtig sind und dass sie an Empfänger gerichtet sind, die zu ihrer Verarbeitung befugt
sind. Der EuGH hat keine abschließende Aufzählung vorgenommen und nicht nur sogenannte Basisdaten der
Auskunftsverpflichtung unterworfen.

Zu a) cc) bis gg)
Es handelt sich um Folgeänderungen.

Zu b)
Den wenigsten Verbraucher*innen ist bekannt, dass sie einmal pro Jahr eine kostenlose Selbstauskunft bei Un-
ternehmen und Auskunfteien anfordern können. Zudem fehlt oftmals die Kenntnis, bei welchen Auskunfteien und
Unternehmen sie Auskünfte erfragen sollen, da nicht bekannt ist, welche Unternehmen und Auskunfteien Infor-
mationen über sie zu Scoringzwecken verwenden. Indem eine jährliche Auskunftspflicht eingeführt wird, soll die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4864
Transparenz für die Verbraucher*innen erhöht werden. Auskunfteien, die Wahrscheinlichkeitswerte bzw. Teile
von Wahrscheinlichkeitswerten zum Zwecke des Scoring berechnen, werden verpflichtet, die betroffenen Perso-
nen einmal jährlich über diese Daten zu informieren.
Die Auskunfteien können dem Betroffenen den Zugriff auf die Daten auch über ein Onlineportal ermöglichen,
wenn dieser nicht widerspricht. Dabei muss gewährleistet sein, dass nur dem Betroffenen selbst die Einsichtnahme
in seine Daten möglich ist. Die hohen Anforderungen an die Datensicherheit sind in einer Rechtsverordnung zu
regeln.
Die Auskunfteien können auch ein gemeinsames Onlineportal anbieten, wenn gewährleistet ist, dass eine Ein-
sichtnahme in die Datenbestände der Auskunfteien untereinander nicht erfolgen kann.
Die Auskunft hat kostenlos und in Schriftform zu erfolgen. Die schriftliche Form kann durch die elektronische
Form nach § 126a Abs. 1 BGB ersetzt werden. In diesem Fall muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen
Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem
Signaturgesetz versehen.

Zu c) aa)
Es gelten die Ausführungen zu a) aa).

Zu c) bb)
Es gelten die Ausführungen zu a) bb).

Zu d)
Das fehlende Verständnis der Betroffenen in Bezug auf die gespeicherten Daten besteht neben dem Mangel an
Information an der oftmals intransparenten Aufbereitung der Daten. Dem soll mithilfe eines verbindlichen For-
mulars, welches die Unternehmen und Auskunfteien verpflichtet sind zu nutzen, abgeholfen werden.

Zu 6. (§ 35)

Zu a)
Der Grund für die Einführung nicht-taggenauer Berechnungen der Löschfristen in § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG
war eine damit verbundene Verfahrenserleichterung für die speichernden Stellen, nur einmal am Jahresende ihre
Datenbestände prüfen zu müssen. Durch die fortgeschrittenen Datenverarbeitungstechniken ist eine solche Ver-
fahrenserleichterung heute nicht mehr erforderlich, da die Auskunfteien die Daten vollautomatisiert speichern und
verarbeiten und eine taggenaue Löschung technisch unter Berücksichtigung einer angemessenen Übergangsfrist
umsetzbar ist.

Zu b)
Die Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO führt nach der Rechtsprechung zur Annahme eines erledigten Sach-
verhalts, wodurch sich an die sechsjährige Wohlverhaltensphase mindestens noch eine dreijährige Prüffrist an-
schließt. Obwohl in Bezug auf den Betroffenen im Zeitraum von sechs Jahren ein ordnungsgemäßes Zahlungs-
verhalten dokumentiert werden konnte, schließt sich nun eine Prüffrist an, nach deren Ablauf eine weitere Spei-
cherung offensteht. Dem Insolvenzschuldner soll jedoch ein Neuanfang ermöglicht werden, welcher durch die
Anwendung von Prüffristen erschwert wird. Daher sind diese Daten zu löschen, wenn eine Restschuldbefreiung
gemäß § 300 InsO erteilt, öffentlich bekannt gemacht und nach der Insolvenzbekanntmachungsverordnung ge-
löscht wurde.
Ferner sind allgemein Daten bei erledigten Sachverhalten zu löschen, wenn sieben Jahre nach der erstmaligen
Speicherung verstrichen sind. Hier besteht kein die Interessen des Betroffenen überwiegendes Bedürfnis einer
Speicherung mehr.

Zu 7. (§ 38)
§ 38 regelt die Einrichtung und die Kompetenz der die Privatwirtschaft als externe Kontrollinstanz überwachen-
den Aufsichtsbehörden. Ob, wie und in welchen Betrieben die Behörde Kontrollen durchführt, entscheidet sie
bislang nach pflichtgemäßem Ermessen, d. h. sie wird unter Berücksichtigung ihrer personellen Kapazitäten und
wohl vorrangig stichprobenartig tätig.
Durch die Datensammlung und -auswertung greifen die Unternehmen und Auskunfteien in relevante Bereiche
des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens der Betroffenen ein. Ein sorgfältiger Umgang mit diesen Daten ist
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4864 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
daher unverzichtbar. In der Vergangenheit wurde eine mangelnde Sorgfaltspflicht der Unternehmen und Aus-
kunfteien beklagt. Datenpflege wird von den verantwortlichen Stellen nur unzureichend durchgeführt. Das führt
zur Entstehung falscher Score-Werte. Um die Kontrolle im Bereich der Scoring-Verfahren bei Bonitätsprüfungen
zu verbessern, sieht der Entwurf eine jährliche Sollpflichtprüfung durch die Aufsichtsbehörden vor.

Zu 8.
Die Vorschrift regelt eine Berichtspflicht der Bundesregierung über den Stand des Scoring zwei Jahre nach In-
krafttreten dieses Gesetzes. Ziel der Vorschrift ist es, durch die Berichterstattung die Information des Bundestags
über Fragen des Scoring zu verbessern. Hierbei sind insbesondere die Entwicklung der Auskunftspflichten, die
Kosten der Auskunftspflichten sowie die Transparenz für die betroffenen Personen von Bedeutung. Auf diesem
Wege sollen Erfahrungen mit Neuregelungen des Scoring, sowie tatsächliche Entwicklungen im Bereich Scoring
erfasst werden.

Zu Artikel 2

Diese Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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