BT-Drucksache 18/4712

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/3994, 18/4708 - Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes

Vom 22. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4712
18. Wahlperiode 22.04.2015

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Nicole Maisch, Dr. Konstantin von Notz,
Lisa Paus, Dr. Thomas Gambke, Annalena Baerbock, Harald Ebner, Bärbel
Höhn, Stephan Kühn (Dresden), Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler,
Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/3994, 18/4708 –

Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine Regulierung aller Bereiche des Grauen Kapitalmarkts ist überfällig. Dies haben
die Erfahrungen der letzten Jahre bitter gezeigt. Eine von der Grünen Bundestags-
fraktion in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass bei Finanzprodukten des
„Grauen“ Kapitalmarkts, die auch zur Altersvorsorge verwendet werden, ein jährli-
cher Schaden von circa 30 Milliarden Euro bei AnlegerInnen entstehen.* Erst der
Prokon-Skandal hat die Bundesregierung aufgeweckt und aktiv werden lassen. Mit
der Erfassung der bislang unregulierten Anlageformen Nachrangdarlehen und parti-
arische Darlehen wird erstmals eine umfassende Abdeckung der marktgängigen kol-
lektiven Kapitalanlageformen durch das Vermögensanlagengesetz, das Kreditwe-
sengesetz und das Kapitalanlagegesetzbuch erreicht. Viele langjährige grüne Forde-
rungen werden mit dem Kleinanlegerschutzgesetz endlich verwirklicht. So ist zu be-
grüßen, dass der kollektive Verbraucherschutz nun ausdrücklich zum Aufsichtsziel
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhoben wird. Richtig
ist weiter, dass die BaFin ausdrücklich zur Produktintervention ermächtigt wird.
Künftig kann sie den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte verbieten, wenn der
Schutz der Anleger dies erfordert. Auch die verbesserten Anforderungen zur Aktu-
alität des Verkaufsprospekts sind vernünftig. Zudem wird die Prospektprüfung durch
die BaFin zumindest auf die Widerspruchsfreiheit der im Verkaufsprospekt anzuge-
benden Informationen zur Funktionsfähigkeit des Geschäftsmodells erweitert. Es ist

* Oehler, Andreas; Die Verbraucherwirklichkeit: Mehr als 50 Milliarden Euro Schäden jährlich bei Alters-
vorsorge und Verbraucherfinanzen. Befunde, Handlungsempfehlungen und Lösungsmöglichkeiten; De-
zember 2012; www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/finanzen/Mil-
liardenschaeden-bei-Altersvorsorge-und-Verbraucherfinanzen.pdf.

Drucksache 18/4712 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
außerdem zu begrüßen, dass nun endlich die Verjährungsfrist des Schadenersatzan-
spruches im Wertpapierhandelsgesetz an die regelmäßige Verjährungsfrist im Bür-
gerlichen Gesetzbuch angepasst wird und dass eine Nachschusspflicht bei Vermö-
gensanlagen ausgeschlossen wird.
Diese Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, das Gesetz kommt jedoch insge-
samt zu spät, hat zudem Regelungslücken und ist an einigen Stellen schlecht ge-
macht. Wichtige Fragen des Anlegerschutzes werden nicht angepackt. An einigen
Stellen ist die Regulierung ungenau und bringt die Belange des Verbraucher- und
Anlegerschutzes nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang. Die zahlrei-
chen Nachbesserungen am Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren zeigen,
dass das Gesetz, so wie es von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, bürger-
schaftlich getragene Projekte der solidarischen Wirtschaft in einem Ausmaß getrof-
fen hätte, das nicht hinnehmbar war. Es ist deshalb richtig, dass nun erweiterte Aus-
nahmen für Projekte der solidarischen Ökonomie festgelegt worden sind. Die Ände-
rungen in diese Richtung sind grundsätzlich zu begrüßen, da sie die gravierendsten
Folgen für Projekte der solidarischen Wirtschaft verhindern. Dennoch fehlt es die-
sem Gesetz an Passgenauigkeit und Verhältnismäßigkeit, es belässt einige Rechts-
unsicherheiten für Genossenschaften und nimmt notwendige, weitere Regulierungs-
schritte nicht vor.
Es ist nicht ausreichend, bürgerschaftlich getragene Projekte der solidarischen Wirt-
schaft lediglich nicht zu behindern. Die Bundesregierung sollte solche Projekte viel-
mehr aktiv stärken und ihnen politischen Rückenwind geben. Denn diese Initiativen
realisieren konkrete soziale und ökologische Projekte vor Ort und sind bedeutende
Treiber für ökologische und soziale Fortschritte. Rund die Hälfte der in Deutschland
installierten Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien wurde beispiels-
weise direkt von Bürgerinnen und Bürgern errichtet. Und eine wachsende Zahl von
Genossenschaften und anderen Organisationen haben damit begonnen, innovative
Energieeffizienzprojekte, die auf dem Finanzmarkt nicht auf ein adäquates Finan-
zierungsangebot treffen, über Nachrangdarlehen zu finanzieren. Ohne das genossen-
schaftliche und bürgerschaftliche Engagement wäre der Erfolg der Energiewende in
Deutschland nicht denkbar.
Nachrangdarlehen sind eine wichtige Grundlage für viele bürgerschaftlich getragene
Investitionen in der solidarischen Wirtschaft. Sie werden z. B. genutzt, um Liquidi-
tätsengpässe in Wohnungsgenossenschaften zu überbrücken, oder auch zur Finan-
zierung von am Gemeinwohl orientierten Wohnprojekten, Dorfläden und Schulen.
Wichtige Impulse im Wohnungswesen für bezahlbaren Wohnraum, für neue ge-
meinschaftliche und generationsübergreifende Wohnformen gehen von bürger-
schaftlich getragenen Initiativen und Genossenschaften aus. Um Bankkredite für
neue Vorhaben in Anspruch zu nehmen, sind sie auf finanzielle Eigenanteile ange-
wiesen. Dabei greifen sie häufig auf Nachrangdarlehen aus dem Unterstützerkreis
zurück. Um sie nicht existenziell zu gefährden, braucht es klare Ausnahmeregelun-
gen, die auf die wirtschaftliche Realität der solidarischen Ökonomie zugeschnitten
sind.
Es ist von zentraler Bedeutung, dass Genossenschaften, Vereine und andere Organi-
sationen des bürgerschaftlichen Engagements nicht durch das Kleinanlegerschutz-
gesetz behindert werden. Denn zahlreiche solcher Projekte sind praktisches Engage-
ment vor Ort und erfüllen für die Aktiven nicht vorrangig den Zweck einer Geldan-
lage, schon gar nicht mit hohen Renditeerwartungen. Heute bereits vorhandene bü-
rokratische Hürden müssen abgebaut werden. Wie in allen Bereichen des Finanz-
marktes muss hier das Prinzip der Proportionalität gelten. Betreiber von Projekten
der solidarischen Ökonomie dürfen nicht behandelt werden, als seien sie große pro-
fessionelle Finanzmarktakteure. Die Aufsicht muss auch Energiegenossenschaften
anders behandeln als große Investmentfonds. Für alle Bereiche des Finanzmarktes
muss gelten: Die Vorschriften zum Schutz der Anleger müssen sich zielgerichtet am
Bedürfnis der Verbraucher und an den Risiken der Finanzanlage orientieren.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4712
Der Gesetzentwurf versäumt es, die grundsätzlichen Fragen der Anlegerinformation
anzugehen. Das bestehende Format des Verkaufsprospekts schafft für Anlegerinnen
und Anleger oftmals keine transparente, nachvollziehbare und sichere Information
über die Risiken der Anlagemöglichkeit. Die Erfahrungen zeigen, dass das Prospekt
eher zur Haftungsfreizeichnung des Emittenten genutzt wird als zur Information von
interessierten Verbraucherinnen und Verbrauchern. Hier besteht dringender Hand-
lungsbedarf im Sinne einer verbraucherfreundlichen Regelung. Zumindest ist eine
Standardisierung erforderlich, die eine Struktur des Prospekts schafft, die es dem
Verbraucher einfach macht, die für ihn relevanten Informationen ohne großen Auf-
wand zu erfassen. Dieses Gesetz sollte dafür genutzt werden, einen solchen Prozess
wenigstens anzustoßen.
Es ist gut, dass die Ausnahmen im neuen § 2b des Vermögensanlagegesetzes für
soziale oder gemeinnützige Projekte gegenüber dem ursprünglichen Regierungsent-
wurf erweitert worden sind. Dies betrifft sowohl die darin vorgesehenen Obergren-
zen für Anlagesumme und Verzinsung als auch die Erweiterung auf andere Gesell-
schaftsformen als die Kleinstkapitalgesellschaft. Für die Finanzierung vieler Pro-
jekte ist entscheidend, dass eine Verzinsung angeboten werden darf, die sicher ober-
halb der Inflationsrate liegt und damit der Werterhalt der Investition ermöglicht wird.
Deshalb ist zu begrüßen, dass künftig die maximale Verzinsung nicht unter 1,5 %
fallen kann. Die Obergrenze für alle angebotenen Vermögensanlagen in Höhe von
2,5 Millionen Euro ist allerdings zu niedrig. Angesichts von solidarischen Projekten
z. B. in der Wohnungswirtschaft, die künftig auf eine höhere Anlagesumme durch
Nachrangdarlehen angewiesen sind, wäre eine Grenze von 4 Millionen Euro ange-
messen gewesen. Auch wenn die Anzahl der Projekte in dieser Größenordnung noch
begrenzt ist: Die steigende Erwartung an die Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv an
der Finanzierung von öffentlichen Aufgaben zu beteiligen, wird insbesondere im
Wohnbereich sehr stark zunehmen. Die Mieten und die Kaufpreise können dann je-
doch von vielen nicht mehr finanziert werden, was zu mehr Eigeninitiative insbe-
sondere im Bereich (gemeinschaftliches) Wohnen (im Alter) führen wird. Mit dieser
Entwicklung muss auch die Obergrenze mitgehen, damit Projekte nicht auf lange
Sicht Probleme bekommen. Dies ist auch aus Sicht des Anlegerschutzes vertretbar,
da gleichzeitig die Anforderung an soziale und gemeinnützige Projekte aufgenom-
men wurde, dass der Abschluss und die Vermittlung ohne Provisionen erfolgen müs-
sen. Diese Anforderung ist für schwarze Schafe, die diese Ausnahme für zweifel-
hafte Geschäfte nutzen könnten, eine wirkungsvolle Hürde.
Zum anderen sind für die genossenschaftlich organisierten Initiativen einige Rechts-
unsicherheiten weiterhin nicht beseitigt. So muss mehr Rechtssicherheit bei der Aus-
nahme für Mitgliederdarlehen von Genossenschaften geschaffen werden. Hier
braucht es eine Klarstellung, dass Genossenschaften auch Personen über die Mög-
lichkeit einer Unterstützung durch ein Mitgliederdarlehen informieren können, die
noch nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, sich aber für eine Mitgliedschaft in-
teressieren und spätestens beim Abschluss des Darlehens Genossenschaftsmitglied
wären. Rechtsunsicherheiten für Genossenschaften entstehen aber auch durch das
Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Die Auslegung des KAGB durch die BaFin in
deren Verwaltungspraxis war bisher höchst unbefriedigend und für viele Genossen-
schaften eine Gefahr für deren Existenz. Zwar gehen die Änderungen vom 9. März
2015 am Auslegungsschreiben der BaFin in die richtige Richtung. Gerade angesichts
der Erfahrung, dass die BaFin bei ihrer Prüfungspraxis zuweilen den Wortlaut des
Gesetzestextes über den erklärten Willen des Gesetzgebers stellt, wäre es aber vor-
zuziehen gewesen, auch gesetzlich für Klarstellung zu sorgen. Um die Rechtssicher-
heit für Energiegenossenschaften zu erhalten, muss die bisherige Ausnahme in § 2
Absatz 4b KAGB an die neuen Verhältnisse angepasst werden. Die bisherige For-
mulierung „langfristig sichergestellt“ zielt auf die unter Geltung des EEG 2012 ge-
währten festen Einspeisevergütungen. Da die Betreiber von EEG-Anlagen ihren
Strom künftig direkt vermarkten müssen und nur noch in Ausnahmefällen von der

Drucksache 18/4712 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gesetzlichen Einspeisevergütung profitieren, läuft diese Regelung ins Leere. Ener-
giegenossenschaften errichten nicht nur Anlagen, um erneuerbaren Strom zu erzeu-
gen, sondern wollen auch Stromnetze übernehmen, errichten Nahwärmenetze und
weitere Energieinfrastruktur, investieren in Energieeffizienz und Energiesparen.
Dieser Realität muss nun insofern Rechnung getragen werden, dass die Definition
für Energiegenossenschaften im KAGB erweitert wird.
Proportionalität und Verhältnismäßigkeit bedeuten natürlich auch, dass sicherge-
stellt ist, dass Geldgeber auch bei Investitionen in sozial oder ökologisch ausgerich-
tete Projekte ausreichend und transparent über die wirtschaftlichen und rechtlichen
Risiken informiert werden. Das ist heute leider noch nicht immer der Fall. Nach-
rangdarlehen sind für die Geldgeber mit einem hohen rechtlichen und wirtschaftli-
chen Risiko verbunden. Denn die Geldgeber erhalten ihr Geld nur nachrangig zu-
rück: Steckt ein Projekt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, müssen alle anderen
Gläubiger (insbesondere Banken) vorrangig befriedigt werden. Eine solche Investi-
tion ist wegen des Insolvenzrisikos nicht als Altersvorsorge und nur bedingt zum
Sparen geeignet. Nur wer auf das Geld nicht angewiesen ist, sollte ein Nachrangdar-
lehen geben. Das damit verbundene Risiko muss bei allen Anlageformen stets klar
und deutlich kommuniziert werden.
Der Schutz für Anleger muss insgesamt so ausgestaltet werden, dass er für die un-
terschiedlichen Bereiche des Wirtschaftens passt und Abstufungen nach der Größe,
Professionalität und Renditeorientierung der Akteure zulässt. Dabei ist von einem
realitätsorientierten Verbraucherleitbild auszugehen und es sind grundlegende Er-
kenntnisse der ökonomischen Verhaltensforschung zu berücksichtigen, die ein-
drücklich die Grenzen des sogenannten Informationsmodells belegen.
Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung erfüllt dieses Ziel allerdings nicht.
Zwar ist zu begrüßen, dass Projekte, die bei Bürgern pro Jahr mehr als 100.000 Euro
als Nachrangdarlehen einsammeln wollen, künftig ein Vermögensanlagen-Informa-
tionsblatt erstellen müssen, in dem die wesentlichen wirtschaftlichen und rechtlichen
Informationen zusammengefasst werden. Allerdings müsste dieses Vermögensanla-
gen-Informationsblatt einer Kohärenzprüfung und Billigung der BaFin unterstellt
werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass das für den Anlegerschutz entschei-
dende Vermögensanlagen-Informationsblatt vollständig und verständlich ist. Zudem
war die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Unterschriftenerforder-
nis des Anlegers zur Bestätigung der Kenntnisnahme des Vermögensanlage-Infor-
mationsblattes aus Verbrauchersicht höchst bedenklich. Damit nicht der Anleger
durch seine Unterschrift seine rechtliche Situation im Fall eines späteren Streits um
Falschberatung schwächt, war hier eine Änderung dringend erforderlich.
Auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Regulierung für Crowdinvesting-Plattfor-
men ist unzureichend. Es ist richtig, dass die Marktentwicklung alternativer Finan-
zierungsformen wie das Crowdfunding politisch stärker unterstützt wird. Denn diese
tragen oftmals dazu bei, Projekte zu finanzieren, die sich über den „klassischen“ Fi-
nanzmarkt kaum Finanzmittel verschaffen können, wie zum Beispiel innovative, un-
orthodoxe unternehmerische Projekte oder auch Energie-Effizienzinvestitionen.
Deshalb ist es gut, dass der Vorschlag der Bundesregierung, dass das Informations-
blatt beim Crowdinvesting ausgedruckt und unterschrieben werden muss, nicht um-
gesetzt worden ist. Ein solcher Medienbruch wäre eine unzumutbare bürokratische
Hürde gewesen, die mutmaßlich viele potentielle Anleger abgeschreckt hätte. Zwar
ist zu begrüßen, dass für Vermögensanlegen, die über eine Crowdinvesting-Platt-
form vertrieben werden, Ausnahmen von der Prospektpflicht vorgesehen sind. Al-
lerdings sollten die Ausnahmen nicht allein auf Nachrangdarlehen und partiarische
Darlehen begrenzt sein, sondern auch auf die Anlageformen Beteiligungen, Treu-
handvermögen, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen.
Allerdings handelt es sich vor allem bei der Finanzierung von Startup-Unternehmen
um oftmals durchaus riskante Investitionen. Die Insolvenzquote bei Startups ist nach

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4712
wie vor sehr hoch. Umso wichtiger ist es, sowohl für die Plattformen selbst, aber vor
allem für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sicherzustellen, dass die Platt-
formbetreiber seriös und professionell agieren, Transparenz hergestellt wird und we-
nige unseriöse Anbieter nicht den gesamten Plattformmarkt in Verruf bringen. Ge-
rade vor dem Hintergrund oftmals verbraucherschutzpolitisch problematischer
Machtgefälle zwischen klassischen Anbietern zu Verbraucherinnen und Verbrau-
chern können seriöse Crowdinvesting-Plattformen durchaus einen wichtigen Beitrag
dazu leisten, Verbrauchermacht zu erhöhen und für junge, innovative Unternehmen
und Vorhaben, denen sich anderweitig keine Finanzierungsmöglichkeiten bieten,
solche zu schaffen. Um die Vorteile von Crowdinvesting-Plattformen nutzen zu kön-
nen, ist jedoch eine stärkere Regulierung notwendig.
Die Bundesregierung versäumt die notwendige Regulierung der Plattformbetreiber
als Gatekeeper. Auch der nun vorgelegte Entwurf leistet sie nicht. Den Plattformen
soll eine Genehmigung als Finanzanlagenvermittler nach der Gewerbeordnung ge-
nügen. Sie unterliegen danach der Aufsicht durch Gewerbeämter oder Industrie- und
Handelskammern, die weder personell noch fachlich hierfür ausgestattet sind. Not-
wendig, sowohl im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch hinsicht-
lich der Rechtsicherheit der Anbieter, sind vielmehr eine einheitliche Aufsicht durch
die BaFin und die Etablierung von klaren Anforderungen an die Plattformen, die sich
an den Anforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen orientieren. Dies
gilt insbesondere für Anforderungen an die Sachkenntnis und Sorgfalt der Plattform-
betreiber und eine Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung. Um eine fundierte
Anlageentscheidung treffen zu können und einen sinnvollen Kostenwettbewerb zwi-
schen den Plattformen zu ermöglichen, ist zudem geboten, dass Anlegerinnen und
Anleger über sämtliche Entgelte und Provisionen transparent informieren werden.
Eine solche zielgerichtete Aufsicht und eine Provisionsoffenlegung würden nicht nur
einen besseren Schutz für die Anlegerinnen und Anleger bedeuten, als dies bei einer
beliebig festgesetzten Obergrenze für den Verkaufspreis der angebotenen Vermö-
gensanlagen eines Anbieters der Fall ist, sie wären auch im Sinne der Plattformen,
die ein Interesse an einer langfristigen Rechts- und Planungssicherheit haben. Im
Gegenzug zu diesen gebotenen, regulatorischen Verschärfungen könnte die Ober-
grenze von derzeit 2,5 Millionen Euro erhöht werden. Eine solche Erhöhung sollte
im Rahmen der vorgesehenen Evaluierung bis Ende 2016 geprüft werden.
Die vereinbarte Evaluierung bis Ende 2016 muss sowohl hinsichtlich Crowdinves-
ting als auch hinsichtlich der sozialen und gemeinnützigen Projekte dazu genutzt
werden, um die Wirkungen der Ausnahmen auf dem Markt zu überprüfen, etwaigen
Fehlentwicklungen entgegentreten zu können und eine ggf. notwendige Anpassung
der Grenzwerte zu ermöglichen. Es ist zu begrüßen, dass eine solche Evaluierung in
der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses festgelegt ist. Allerdings wäre es
vorzuziehen gewesen, wenn diese Evaluierung im Gesetzestext festgelegt worden
wäre.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– eine bessere Informationsbasis für den Anleger zu gewährleisten und für eine
Standardisierung der Verkaufsprospekte hinsichtlich Form und Inhalt vorzuse-
hen. So, wie die Wertpapierprospekte derzeit in der Praxis ausgestaltet sind,
dienen sie allzu oft mehr der Haftungsbeschränkung der Emittenten, sind je-
doch für die Anleger selbst nur wenig hilfreich. Sowohl hinsichtlich des Um-
fangs als auch der Verständlichkeit muss die Struktur der Verkaufsprospekte
dringend reformiert werden;

– auch das Vermögensanlagen-Informationsblatt einer Kohärenzprüfung und Bil-
ligung durch die BaFin zu unterstellen;

Drucksache 18/4712 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– die Veröffentlichung von Warnhinweisen durch die BaFin verpflichtend zu ma-

chen. Hierfür ist im Regierungsentwurf in § 26b VermAnlG lediglich eine
Kann-Bestimmung vorgesehen;

– angesichts der steigenden Immobilienpreise und der zu erwartenden zunehmen-
den Eigeninitiative im Bereich des gemeinschaftlichen Wohnens im Vermö-
gensanlagegesetz die Obergrenze des Verkaufspreises für sämtliche angebo-
tene Vermögensanlagen eines Anbieters mit sozialer oder gemeinnütziger Ziel-
setzung auf 4 Millionen Euro anzuheben und Artikel 2 Nummer 4 entsprechend
anzupassen;

– Crowdinvesting-Plattformen, sowohl im Sinne der Verbraucherinnen und Ver-
braucher als auch der Plattformbetreiber selbst, generell einer Aufsicht durch
die BaFin zu unterwerfen nebst Pflichten, die sich an die Anforderungen für
Wertpapierdienstleistungsunternehmen anlehnen (insbesondere Sachkenntnis-
und Sorgfaltsanforderungen und getrennten Vermögensverwahrung);

– Offenlegungspflicht für Provisionen bei Crowdfunding-Plattformen vorzuse-
hen, um durch die Angabe der Höhe der Provisionen, die von den Plattformbe-
treibern einbehalten werden, eine fundierte Anlageentscheidung zu ermögli-
chen;

– im Gegenzug zu diesen gebotenen, regulatorischen Verschärfungen, im Rah-
men der vorgesehenen Evaluierung bis Ende 2016 zu prüfen, ob die Obergrenze
von derzeit 2,5 Millionen Euro erhöht werden kann;

– für Rechtssicherheit für Genossenschaften zusätzlich zum Auslegungsschrei-
ben der BaFin vom 9. März 2015 auch durch eine europarechtlich konforme
Klarstellung im Kapitalanlagegesetzbuch zu sorgen, zumindest aber die bishe-
rige Ausnahme in § 2 Absatz 4b KAGB, die bislang nur für Energiegenossen-
schaften gilt, auch für andere Genossenschaften zu öffnen.

Berlin, den 21. April 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.