BT-Drucksache 18/4695

Seenotrettung jetzt - Konsequenzen aus Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer ziehen

Vom 22. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4695
18. Wahlperiode 22.04.2015
Antrag
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Volker Beck
(Köln), Britta Haßelmann, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth
(Augsburg), Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Seenotrettung jetzt – Konsequenzen aus Flüchtlingskatastrophen auf
dem Mittelmeer ziehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Jahresbeginn sind mehr als 1.800 Menschen auf der Flucht im zentralen Mittel-
meer ums Leben gekommen. Bei der bisher tödlichsten Katastrophe in der Nacht
vom 18. April 2015 sind etwa 900 Schutzsuchende 130 Kilometer vor der libyschen
Küste ums Leben gekommen. Es gibt keine einfachen Antworten auf diese mensch-
lichen Tragödien, festzuhalten aber ist, dass ein Grund für die steigenden Todeszah-
len das Fehlen einer ausreichend effektiven und schnellen Seenotrettung ist. Neben
der humanitären Hilfe in Kriegs- und Krisengebieten und einer auf Frieden ausge-
richteten Außenpolitik, ist es zentral, dass die EU geeignete Maßnahmen zur Rettung
von Menschenleben auf dem Mittelmeer auf den Weg bringt. Solche Maßnahmen
sind ein Gebot der Menschlichkeit. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass solche
menschenrechtlichen Maßnahmen kriminellen Schleppern Vorschub leistet. Das
Fehlen legaler Einreisewege ist, was dieses Geschäft überhaupt erst lukrativ macht.

Als Konsequenz aus der Katastrophe vor Lampedusa im Oktober 2013, bei der 366
Menschen ums Leben kamen, hatte Italien die Seenotrettungsmission „Mare Nost-
rum“ ins Leben gerufen. Dies war nicht zuletzt eine Antwort auf das Ausbleiben
einer effektiven europäisch getragenen Rettungsmission. Auch wenn weitere 3.600
Menschen im Jahr 2014 auf der Flucht über das Meer starben, konnte Mare Nostrum
150.000 Menschenleben retten. Da die EU-Mitgliedstaaten die monatlichen Kosten
von 9 Millionen Euro dieser Marineoperation nicht mittragen wollten, wurde Mare
Nostrum Ende 2014 eingestellt. Es war ein Fehler, dass die Rettungsaktion „Mare
Nostrum“ – auch und gerade auf Betreiben der Bundesregierung – Ende 2014 ein-
gestellt worden ist. Und es war ein Fehler, dass die Bundesregierung bis zuletzt, das
Ende von „Mare Nostrum“ gerechtfertigt hat. Dadurch wurden Zeit und Ressourcen
vergeudet, die zur Rettung Tausender Menschen dringend benötigt worden wären.

Die an ihre Stelle getretene und durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex organi-
sierte Mission „Triton“, die aus acht Booten, drei Flugzeugen und lediglich einem
deutschen Rettungshubschrauber besteht, hat jedoch nur ein Drittel dieses Budgets
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4695 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
und einen sehr viel geringeren Rettungsradius. „Triton“ ist zudem bisher nicht pri-
mär darauf ausgerichtet, Leben zu retten, sondern die Grenzabwehrmaßnahmen zu
verstärken.

Wenn das Vakuum humanitärer Verantwortung nicht geschlossen wird, drohen die
Todesopfer dieser Flüchtlingspolitik zuzunehmen. Als Reaktion auf die neuen
Flüchtlingskatastrophen haben die Regierungen von Italien und Malta schnelle eu-
ropäische Unterstützung eingefordert – zu Recht, denn was auf dem Mittelmeer ge-
schieht kann nicht allein die Verantwortung einzelner Mitgliedstaaten sein. Auch
Papst Franziskus verlangte eine schnelle und entschiedene Reaktion. Die EU-Staats-
und Regierungschefs dürfen es bei ihren Beratungen nicht bei Ankündigungen be-
lassen, sondern müssen mit kurz- und langfristigen Maßnahmen verhindern, dass
sich Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer wiederholen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich im Europäischen Rat dafür einzusetzen, dass das Massensterben von Schutzsu-
chenden an den Außengrenzen der EU mit folgenden Maßnahmen eingedämmt wird:
sofort eine europäische Initiative zur Seenotrettung auf dem Niveau der italieni-

schen Seenotrettungsmission „Mare Nostrum“ zu starten, die gesamteuropäisch
finanziert und organisiert wird, damit kurzfristig und schnell auf die dramatische
Situation an unseren Küsten reagiert werden kann, anstatt weiterhin auf Grenz-
abwehrmaßnahmen zu setzen,

damit Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen und in Europa Schutz suchen
müssen, nicht auf eine lebensgefährliche Mittelmeerüberquerung und Schleu-
serorganisationen angewiesen sind, müssen alle EU-Mitgliedstaaten bereits be-
stehende Möglichkeiten der legalen Einreise für Schutzsuchende, wie etwa die
Familienzusammenführung, humanitäre Aufnahmeprogramme oder das Resett-
lement-Programm der Vereinten Nationen, ausschöpfen und ausbauen,

zusätzlich müssen weitere legale und geschützte Einreisemöglichkeiten für
Schutzsuchende, wie etwa die Vergabe humanitärer Visa, geschaffen werden,

an einer friedensfördernden Strategie in den Herkunfts- und Transitländern zu
arbeiten um Fluchtursachen zu bekämpfen und Maßnahmen hin zu einer demo-
kratischen Transformation zu unterstützen.

Berlin, den 21. April 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.