BT-Drucksache 18/4439

Maßnahmen gegen den Betrug mit manipulierten Kassensystemen

Vom 25. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4439
18. Wahlperiode 25.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus,
Dr. Gerhard Schick, Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner,
Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Maßnahmen gegen den Betrug mit manipulierten Kassensystemen

Der Bundesrechnungshof hat bereits im Jahr 2003 in seinen Bemerkungen zur
Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes auf die Betrugsanfälligkeit
moderner Kassensysteme hingewiesen. Durch Manipulationssoftware können
Umsätze heruntergerechnet oder ganz gelöscht werden. Betriebsprüfer haben
diese Betrugsform zuletzt sogar bei Apotheken nachgewiesen (vgl. DIE WELT,
4. April 2014). Nach den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes entwickelte
eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorschläge zur Lösung des Problems. Eine
Gesetzesinitiative scheiterte im Jahr 2008 an Bedenken des damaligen Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie und anderen (Entwurf eines Zwei-
ten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze, Bundestagsdrucksache 16/10488). Die damalige Große Koalition ver-
zichtete auf weitere Initiativen zur Lösung des Problems, obwohl der Bundes-
rechnungshof und auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) das Problem (vgl. OECD 2013 „Umsatzverkürzung
mittels elektronischer Kassensysteme: eine Bedrohung für die Staatseinnah-
men“) als sehr relevant bewerteten. Somit wird auf ein Betrugsphänomen, das
spätestens seit dem Jahr 2003 erkannt ist und mit erheblichen Steuerausfällen
verbunden ist, seit über zehn Jahren politisch nicht reagiert. Erst im Dezember
2014 hat die Finanzministerkonferenz beschlossen, doch noch tätig zu werden
(www.deutsche-apotheker-zeitung.de/politik/news/2015/01/13/unangemeldete-
kassenpruefung-auch-in-apotheken-geplant/14771.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den jährlichen Steuerausfall (bitte

nach Steuerart aufschlüsseln) durch Betrug mit manipulierten Registrierkas-
sen ein, und hält die Bundesregierung die Annahmen der OECD diesbezüg-
lich für plausibel?

2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den jährlichen Steuerausfall durch
Bar- bzw. sog. Neben-der-Kasse-Geschäften ein, und sieht die Bundesregie-
rung die Gefahr, dass bei einer Betrugssicherung von Registrierkassen dieses
Volumen steigt?

3. Liegen der Bundesregierung konkrete Fälle und Fallzahlen aus den Steuer-
verwaltungen der Länder vor, die Ausmaß und Gestaltung des Betrugs mit
manipulierten Kassensystemen aufzeigen (wenn ja, bitte benennen)?

Drucksache 18/4439 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Möglichkeiten für eine Verlagerung der Betrugsversuche sieht die
Bundesregierung bei einer Betrugssicherung von Registrierkassen, und
welchen Umfang könnte diese Verlagerung nach Auffassung der Bundes-
regierung bekommen?

5. Hält die Bundesregierung das so genannte INSIKA-Verfahren (INSIKA –
Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme)
für technisch geeignet, um Manipulationen mit Registrierkassen zu verhin-
dern?
Wenn nein, welche sind die Bedenken, und welche Schritte hat die Bundes-
regierung unternommen, diese Schwächen bzw. Mängel zu beseitigen oder
Alternativen zu entwickeln?

6. Hält die Bundesregierung Schätzungen für plausibel, dass für eine Umstel-
lung bestehender Kassen auf das INSIKA-Verfahren Kosten in Höhe von
20 bis 30 Euro pro Kasse anfallen (vgl. DIE WELT, 4. April 2014), oder hat
die Bundesregierung eigene Schätzungen bezüglich möglicher Umstel-
lungskosten?
Wenn ja, wie hoch sind die eigenen Schätzungen, und wie sind diese be-
gründet?

7. Liegen der Bundesregierung Stellungnahmen seitens der Wirtschaftsver-
bände vor, die Kostenabschätzungen bezüglich einer möglichen Umstel-
lung auf das INSIKA-Verfahren enthalten, und wenn ja, wie hoch sind die
genannten Schätzkosten seitens der Verbände, und inwieweit hält die Bun-
desregierung diese Zahlen für plausibel?

8. Wie viele bestehende Kassen müssten nach Schätzung der Bundesregierung
auf ein betrugssicheres Verfahren umgerüstet werden?

9. Welche Umsätze und Geschäfte werden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung aktuell größtenteils ohne Kassen (etwa Stände auf Wochenmärkten
etc.) abgewickelt, wie hoch schätzt die Bundesregierung dieses Geschäfts-
volumen insgesamt, und hält die Bundesregierung eine Erfassung dieser
Umsätze mit einem betrugsicheren Kassensystem für möglich?

10. Gibt es aktuell Planungen oder Arbeitsgruppen der Bundesregierung, die
sich mit der Einführung etwa des INSIKA-Verfahrens zur Sicherung von
Kassensystemen beschäftigen, und plant die Bundesregierung, selber ge-
setzgeberisch aktiv zu werden, und wenn ja, wann?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung insgesamt nach den ihr vorliegenden Da-
ten die Kosten einer möglichen Umstellung aller Kassensysteme in Bezug
auf den Nutzen, also insbesondere die zu erwartenden steuerlichen Mehr-
einnahmen und die Schaffung eines fairen Wettbewerbs zwischen steuer-
ehrlichen und betrügerischen Unternehmerinnen und Unternehmern?

12. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung neben dem INSIKA-Verfahren
weitere in der Diskussion befindliche Möglichkeiten, um den Betrug mit
manipulierten Kassen zu erschweren bzw. zu verhindern?

13. Sieht die Bundesregierung bei einer möglichen Einführung des INSIKA-
Verfahrens Probleme bei den neuen cloudbasierten Abrechnungssystemen,
die z. B. in der Gastronomie eingesetzt werden?

14. Hält die Bundesregierung längere Übergangsfristen für eine Umstellung be-
stehender Kassen für ein Mittel, den Umstellungsaufwand für Unternehmen
niedrig zu halten, und welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundes-
regierung an dieser Stelle für einen Übergang mit wenig Umstellungsauf-
wand?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4439
15. Hält die Bundesregierung die Beibehaltung des Status Quo alternativ für
vertretbar und nach den seit dem Jahr 2003 erfolgten Warnungen für ange-
messen?
Wenn nein, welchen Zeitplan setzt sich die Bundesregierung, um Maßnah-
men zu entwickeln, die mit manipulierten Kassen verbundene Wettbe-
werbsverzerrung zu verringern?

Berlin, den 24. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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