BT-Drucksache 18/2243

Planungen des Bundesministeriums der Verteidigung zum Einsatz waffenfähiger bzw. bewaffneter Drohnen

Vom 28. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2243
18. Wahlperiode 28.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner, Doris Wagner,
Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Annalena Baerbock, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Renate Künast,
Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Cem Özdemir,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Planungen des Bundesministeriums der Verteidigung zum Einsatz waffenfähiger
bzw. bewaffneter Drohnen

In einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2014 präsen-
tierte die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, ihre
Pläne hinsichtlich der Ausstattung der Bundeswehr mit waffenfähigen Drohnen,
die im Bedarfsfall bewaffnet werden sollen. Dies hatte sie zuvor in einem Inter-
view mit der „Süddeutschen Zeitung“ dargestellt. Gleichzeitig verwies die Bun-
desministerin der Verteidigung darauf, dass sich zurzeit kein Szenario ab-
zeichne, welches den Einsatz einer bewaffneten Drohne notwendig machen
würde. Während sich die Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen damit
grundsätzlich positioniert hat, bleibt eine Vielzahl von Fragen offen, die sich aus
ihren Einlassungen u. a. vor dem Deutschen Bundestag ergeben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Einsatzszenarien machen aus Sicht der Bundesregierung

die Verfügbarkeit von waffenfähigen Drohnen, die im Bedarfsfall bewaffnet
werden können, für die deutschen Streitkräfte erforderlich, jenseits des von
der Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen in ihrer Rede angeführten
Beispiels bezüglich des Abzugs der Bundeswehr aus dem Regionalen Wie-
deraufbauteam (Provincial Reconstruction Team – PRT) Kunduz?
a) Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass ähnliche Einsätze wie

der ISAF-Einsatz (ISAF – International Security Assistance Force) die
wahrscheinlichen Einsatzszenarien der Bundeswehr in den nächsten Jah-
ren darstellen werden?
Wenn ja, auf welcher Grundlage kommt sie zu dieser Einschätzung?

b) Welche sicherheitspolitische Begründung liegt der Erwägung der Bundes-
ministerin der Verteidigung zugrunde, Drohnen, die im Bedarfsfall be-
waffnet werden können, zu beschaffen?

2. Welche Argumente sprechen aus Sicht des Bundesministeriums der Vertei-
digung (BMVg) für eine Beschaffung und welche Argumente für eine
Leasinglösung von waffenfähigen Drohnen, die im Bedarfsfall bewaffnet
werden können, und inwiefern ist ein Leasingmodell für solche Drohnen
rechtlich und praktisch durchführbar?

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3. Hat sich das BMVg bereits entschieden, inwiefern es eine Leasing- oder
Beschaffungslösung geben soll, und wenn ja, wann, und mit welchem Er-
gebnis?
a) Wenn ja, welche Angebote werden dazu für die angestrebte Lösung in

den nächsten Monaten eingeholt und geprüft (bitte Hersteller und Mo-
dell angeben)?

b) Wenn nein, warum nicht, und wann ist eine Entscheidung in dieser Frage
geplant?

4. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung für, und was gegen die Beschaf-
fung der US-amerikanischen Drohne Predator, und welche Schlussfolge-
rungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Möglichkeit,
dass die USA auch im Falle eines Kaufvertrages ggf. keinen vollständigen
Zugriff bzw. Einblick in die Black Box dieses Fluggerätes gewähren wür-
den?

5. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung für und was gegen den Kauf der
israelischen Drohne Heron TP, und welche Rolle spielt dabei die Frage der
Zulassung dieses Fluggerätes?

6. Welche deutschen und europäischen Rüstungsunternehmen kommen aus
Sicht der Bundesregierung für einen Entwicklungsauftrag einer europä-
ischen Drohne in Betracht?
Beabsichtigt die Bundesregierung den Auftrag auszuschreiben?

7. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung vor diesem Hinter-
grund aus der gescheiterten Entwicklung des Euro Hawks unter Beteiligung
des deutschen Unternehmens AIRBUS (damals EADS), bei der Steuer-
gelder in Höhe von einer 0,5 Mrd. Euro ausgegeben worden sind (Bundes-
tagsdrucksache 17/14650), ohne dass bisher ein funktionsfähiges Gerät
übergeben wurde?

8. Welchen zeitlichen Vorlauf hinsichtlich
a) des Leasings/der Beschaffung der Plattform inklusive Bodenstationen,
b) der umfassenden Einführung des Systems in die Bundeswehr,
c) der Ausbildung und des Beübens des Systems durch Soldatinnen und

Soldaten der Bundeswehr
hält das BMVg für notwendig, um eine neu in die Bundeswehr einzufüh-
rende Drohne – ob mit oder ohne Bewaffnung – im Falle eines Auslandsein-
satzes, bei dem die Bundesregierung deren Einsatz anstrebt, verfügbar zu
haben und ohne zeitlichen Verlust einsetzen zu können (bitte für beide Fälle
gesondert darlegen)?

9. Ab wann und wo genau plant das BMVg entsprechend, eine bewaffnete
Drohne in die Bundeswehr einzuführen und für Ausbildung und Übungen
bereitzustellen?
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus u. a. für die Frage der Zulas-
sung, und welche Maßnahmen will die Bundesregierung diesbezüglich er-
greifen?

10. Inwiefern kann in einem etwaigen Auslandseinsatz, der grundsätzlich aus
Sicht des BMVg den Einsatz einer bewaffneten Drohne notwendig machen
würde, mit dem derzeit verfügbaren Gerät der Bundeswehr der Schutz der
Soldatinnen und Soldaten gewährleistet werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2243
a) Wäre aus Sicht des BMVg eine Entsendung deutscher Soldatinnen und
Soldaten in einen solchen Einsatz ohne die Verfügbarkeit bewaffneter
Drohnen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der eigenen Kräfte ver-
tretbar?
Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, welche Notwendigkeit besteht
dann, auf bewaffnete unbemannte Plattformen zurückgreifen zu müs-
sen?

b) Wurde nach Ansicht der Bundesregierung vor dem Hintergrund des Ver-
weises auf die Einsatzrealität in Afghanistan als Begründung für die Not-
wendigkeit bewaffneter Drohnen in der Nachbetrachtung der Schutz der
Soldatinnen und Soldaten in den letzten Jahren während des ISAF-Ein-
satzes nur unzureichend gewährleistet?

11. Wer in der Hierarchie der Bundeswehr, in Sicherheitsbehörden und/oder der
Bundesregierung soll nach den Planungen der Bundesregierung im konkre-
ten Fall den Befehl zum Waffeneinsatz von bewaffneten Drohnen gegen
Menschen, Fahrzeuge und Einrichtungen geben?
a) Auf welcher Informationsgrundlage soll dies geschehen?
b) Von wo aus – Deutschland, dem Einsatzland oder einem Drittland – sol-

len solche Einsätze geleitet, durchgeführt und kontrolliert werden?
12. Wie soll im Falle eines Leasings einer solchen Plattform die Verfügbarkeit

der Bewaffnung in Form von Munition gewährleistet werden?
Soll Munition für den etwaigen Einsatz ebenfalls geleast oder aber beschafft
werden?

13. Inwiefern trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass der Deut-
sche Bundestag die konkrete Ausgestaltung eines Mandates zur Entsendung
bewaffneter Streitkräfte der Bundeswehr in einen Auslandseinsatz festlegt
und nicht die Bundesregierung, wie dies die Bundesministerin der Vertei-
digung im Rahmen der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am
2. Juli 2014 zum Thema „Beschaffungsprogramm von Drohnen für die
Bundeswehr“ im Deutschen Bundestag mit den Worten versah: „… und es
sind wir hier im Haus, die festlegen, wie ein Mandat aussieht, wie ein Ein-
satz aussieht …“?
a) Inwieweit steht die Aussage der Bundesministerin der Verteidigung im

Widerspruch insbesondere zu § 3 Absatz 1 sowie Absatz 3 des Gesetzes
über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den
Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungs-
gesetz)?

b) Wie soll die praktische Ausgestaltung die Vorschläge der Bundesminis-
terin der Verteidigung betreffend, aussehen, und wird es zu einer Ände-
rung der bisherigen Praxis kommen?
Wenn ja, wann, und wie soll die rechtliche Grundlage dahin gehend ge-
ändert werden?

14. Inwieweit wäre für die Bundesregierung ein etwaiger Einsatz bewaffneter
unbemannter Plattformen im Sinne eines Einsatzes von geringer Intensität
und Tragweite entsprechend § 4 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes denk-
bar, und wenn ja, wie wird diese Einschätzung begründet?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/2243 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
15. Wird der Einsatz von waffenfähigen und bewaffneten unbemannten Platt-
formen durch die Bundeswehr nach Ansicht der Bundesregierung Auswir-
kungen auf Taktiken, Strategien und Doktrin der Bundeswehr haben?
Wenn ja, wird sich dies nach Ansicht der Bundesregierung auf die ethischen
Leitprinzipien der Bundeswehr, wie z. B. der Inneren Führung, erstrecken?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr der Verbreitung der Techno-
logie unbemannter Plattformen auch an nichtstaatliche Akteure, wie z. B.
Hamas oder Hisbollah, vor dem Hintergrund des Schutzes der eigenen Sol-
datinnen und Soldaten?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Risiken durch Fehlprogrammierung,
Systemstörungen und Defekte beim Einsatz unbewaffneter und bewaffneter
unbemannter Systeme vor dem Hintergrund, dass allein die USA seit dem
Jahr 2001 418 Drohnenabstürzen zu verzeichnen haben, darunter eine be-
waffnete Drohne des Typs Reaper, welche über Afghanistan außer Kon-
trolle geriet und von US-Kampfjets abgeschossen werden musste (vgl. The
Washington Post vom 20. Juni 2014)?

18. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr vor dem Hintergrund der durch
den Iran „entführten“ amerikanischen Drohne RQ-170 (vgl. ZEIT ONLINE
vom 4. Dezember 2012) ein, dass Cyberattacken und das Hacken von un-
bemannten Plattformen durch gegnerische Kräfte erfolgen, und welche
Maßnahmen werden ergriffen, um ein solches Risiko zu minimieren?

19. Wie definiert die Bundesregierung den von der Bundesministerin der Ver-
teidigung verwendeten Begriff „autonome Killerdrohne“ genau, welche
konkreten Bemühungen zu deren internationaler Ächtung hat sie bereits
unternommen, und welche will sie darüber hinaus in Angriff nehmen?
a) Anhand welcher Kriterien klassifiziert die Bundesregierung unbemannte

Systeme als „autonom“, da es bereits jetzt schon Modelle gibt, die be-
stimmte Funktionen beispielsweise bei der Zielauswahl oder bei der
Landung selbstständig durchführen können?

b) Welchen Grad an Autonomie sowohl bemannter als auch unbemannter
Plattformen hält die Bundesregierung für vertretbar, um diese ggf. der
Bundeswehr zum Einsatz zur Verfügung zu stellen?

20. Welchen rüstungskontroll- und rüstungsexportpolitischen Regelungsbedarf
sieht die Bundesregierung in Bezug auf bewaffnete unbemannte Systeme,
und welche Initiativen hat sie in dieser Hinsicht unternommen bzw. sind ge-
plant?

21. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Studie „Living
Under Drones“ der Stanford Law School und der NYU School of Law die
psychologische Wirkung des Einsatzes bewaffneter Drohnen in nichtinter-
nationalen bewaffneten Konflikten, und ergibt sich eventuell ein zusätz-
licher Mobilisierungseffekt innerhalb der Bevölkerung, sich einer terroris-
tischen Organisation anzuschließen bzw. einer zunehmenden Radikalisie-
rung des Gegners?

22. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass in
Zukunft bewaffnete Kampfdrohnen, die der Bundeswehr sowie möglicher-
weise anderen deutschen Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen, nicht
gegen Menschen oder andere Ziele in Ländern und Gebieten eingesetzt wer-
den, die außerhalb bewaffneter Konflikte liegen, etwa mit der Begründung
des Kampfes gegen den „internationalen Terrorismus“?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2243
23. Wie lauten die Fragen, die die Bundesregierung laut Staatsministerin im
Auswärtigen Amt, Dr. Maria Böhmer (vgl. Fragestunde im Parlament am
2. Juli 2014), der amerikanischen Regierung zu einer „möglichen Beteili-
gung des AFRICOM und dessen Luftstreitkräftekommando in Ramstein“
an den tödlichen Drohneneinsätzen der US-Regierung übermittelt hat?
a) Liegt die Antwort der US-amerikanischen Regierung bereits vor, und

wenn ja, welchen Inhalt hatte sie?
b) Wenn nein, wann ist damit zu rechnen?
c) Hat die Bundesregierung im Zuge dessen der amerikanischen Regierung

ihre Rechtsauffassung mitgeteilt, dass „die Bundesregierung extralegale
völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ablehnt“ (vgl. Aussagen der
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen in der Aktuellen Stunde des
Deutschen Bundestages am 2. Juli 2014)?

d) Sollte sich herausstellen, dass die Beteiligung des AFRICOM und des-
sen Luftstreitkräftekommando in Ramstein an den tödlichen Drohnen-
einsätzen der US-Regierung zutrifft, wie gedenkt die Bundesregierung
mit dieser Information umzugehen?

24. Welche Erkenntnisse (nicht nur eigene) liegen der Bundesregierung über
die Beteiligung des AFRICOM und dessen Luftstreitkräftekommando in
Ramstein an den tödlichen Drohneneinsätzen der US-Regierung vor?

25. Warum hat die Bundesregierung erst jetzt Schritte unternommen, obwohl es
seit dem Jahr 2013 (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 30. Mai 2013) Hinweise
auf eine Beteiligung des AFRICOM und dessen Luftstreitkräftekommando
in Ramstein gibt?

Berlin, den 25. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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