BT-Drucksache 18/13040

Nachrichtenlose Konten in Deutschland

Vom 29. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13040
18. Wahlperiode 29.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Renate Künast,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nachrichtenlose Konten in Deutschland

Ein Konto wird als nachrichtenlos bezeichnet, wenn zu diesem Konto kein Kun-
denkontakt besteht und Bankpost als unzustellbar zurückkommt. Einer Schätzung
des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans zufolge
liegen rund 2 Mrd. Euro auf nachrichtenlosen Konten (siehe www.n-tv.de/
wirtschaft/Auf-herrenlosen-Konten-liegen-Milliarden-article18525136.html).
Diese Summe wird von der Bundesregierung als zu hoch eingestuft, jedoch ist es
ihr auch nicht möglich, konkrete Zahlen oder eine andere Schätzung abzugeben
(siehe Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Nicole Maisch auf
Bundestagsdrucksache 18/10923, S. 13). Nach Auskunft des Verbands Deutscher
Erbenermittler VDEE hat der Bundesverband öffentlicher Banken erst vor Kur-
zem einen Brief an die Justizminister der Bundesländer geschrieben, dass er nicht
mehr institutsübergreifend nach nachrichtenlosen Konten suchen wird, sodass es
ggf. für Erbinnen und Erben schwieriger wird, ihr Erbe zu finden (siehe
www.presseportal.de/pm/100355/3648038).
Um Erbinnen und Erben leichter Zugang zu nachrichtenlosen Konten zu ver-
schaffen, wird die Einführung eines zentralen Registers gefordert, sodass sie dort
abfragen können, ob die verstorbene Person noch ein Konto hatte, über das bisher
keine Kenntnis bestand. In anderen europäischen Ländern gibt es solche Register
längst. In der Schweiz werden langfristig nachrichtenlose Vermögenswerte sogar
auf einer Homepage eingestellt, die jede Person einsehen kann. Darüber hinaus
können Personen in der Schweiz auch bei allen Banken direkt nachfragen oder
sich für eine zentrale Suche an den Bankenombudsmann wenden (siehe www.
bankingombudsman.ch/nachrichtenlose-vermogen/). Diese Maßnahmen wurden
von den Schweizer Banken offenbar begrüßt, da sie bei sehr alten Konten auch
ihren Ruf bzw. ihre Glaubwürdigkeit gefährdet sahen (siehe www.swissinfo.
ch/ger/nachrichtenlose-vermoegen_schweiz-veroeffentlicht-liste-mit-konten/418
46374).
Die Bundesregierung bewertet die Einrichtung eines zentralen Registers kritisch
(Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Nicole Maisch auf Bun-
destagsdrucksache 18/10923, S. 13). Sollte über einen Zeitraum von 30 Jahren
ein nachrichtenloses Konto bestehen, müssen Banken und Sparkassen die Ver-
bindlichkeit ausbuchen, d. h. das entsprechende Konto hat keinen Bestand mehr.
Jedoch bleibt der Anspruch des Kunden bzw. der Kundin erhalten.

Drucksache 18/13040 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zusammengefasst ergibt sich nach Auffassung der Fragesteller eine dünne Da-
tengrundlage, um weitere, tiefgreifende und durchdachte Maßnahmen wirklich
ablehnen oder beschließen zu können. Ein zentrales Register müsste natürlich da-
tenschutzrechtlichen Bedenken in jedem Fall Stand halten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum hat die Befragung der Deutschen Kreditwirtschaft zu keinen Ergeb-

nissen bzgl. nachrichtenloser Konten geführt (Antwort auf die Schriftliche
Frage 17 der Abgeordneten Nicole Maisch auf Bundestagsdrucksache
18/10923, S. 13)?
Welche Hürden sieht die Bundesregierung für Banken und Sparkassen, um
eine Erhebung durchzuführen, wie viele der Konten nachrichtenlos sind und
welche Salden diese aufweisen?

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse oder Schätzungen vor, welche
Summen die Finanzinstitute aufgrund von Nachrichtenlosigkeit nach 30 Jah-
ren ausgebucht haben?

3. Sieht die Bundesregierung diese Problematik auch im Versicherungsbereich,
beispielsweise bei Lebensversicherungen?
Hat die Bundesregierung Versuche unternommen, zu erheben, wie viele Ver-
sicherungspolicen nachrichtenlos sind (wenn ja, mit welchem Ergebnis)?

4. Welche gesetzlichen Vorgaben kann sich die Bundesregierung vorstellen,
um die Anzahl unnötig nachrichtenloser Konten, z. B. von Personen, die
umgezogen sind, aber das Institut nicht informiert haben, zu reduzieren?

5. Welche Maßnahmen kann sich die Bundesregierung vorstellen, um dafür zu
sorgen, dass Konten, die eigentlich nachrichtenlos gestellt werden müssten,
auch tatsächlich umgestellt werden?
Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass in Zeiten zunehmenden digitalen
Schriftverkehrs mehr Konten, die eigentlich nachrichtenlos gestellt sein
müssten, nicht als solche ausgewiesen werden?

6. Welche zivilrechtlichen Möglichkeiten für eine Kontenabrufmöglichkeit
wurden von der Bundesregierung geprüft?
Anhand welcher Datengrundlage, welcher Kriterien, und mit welchem Er-
gebnis?

7. Von welchem „Verwaltungsaufwand“ für die Einrichtung eines Zentralre-
gisters geht die Bundesregierung aus, wenn sie diesen als zu hoch ausweist
(Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Nicole Maisch auf
Bundestagsdrucksache 18/10923, S. 13)?
Inwiefern könnte hier ggf. auf die Strukturen bestehender Kontoabrufmög-
lichkeiten zurückgegriffen werden?

8. Wie kann die Bundesregierung die „Notwendigkeit“ einer solchen Maß-
nahme beurteilen (Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten
Nicole Maisch auf Bundestagsdrucksache 18/10923, S. 13), wenn ihr kein
Zahlenmaterial zum Aufkommen nachrichtenloser Konten vorliegt?

9. Wie kommt die Bundesregierung zu der Einschätzung, dass nachrichtenlose
Konten geringes Guthaben ausweisen?
Was versteht die Bundesregierung unter „geringem Guthaben“ und unter
„vorrangig“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Nicole
Maisch auf Bundestagsdrucksache 18/10923, S. 13)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13040

10. Welche datenschutzrechtlichen Bedenken sprechen aus Sicht der Bundesre-

gierung gegen ein solches Register, wenn dieses unabhängig organisiert wird
und nur beim Nachweis einer klaren Erbberechtigung Auskunft gibt?

11. Was versteht die Bundesregierung unter „bankgeheimnisbezogenen Beden-
ken“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Nicole Maisch
auf Bundestagsdrucksache 18/10923, S. 13)?

12. Welche Abfragen hat die Bundesregierung selbst vorgenommen, um geerbte
nachrichtenlose Konten zu ermitteln?

Traten hierbei Probleme auf?
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass Banken und Sparkassen
in den letzten Jahren weniger Hilfe zum Auffinden von Konten in Erbfällen
leisten?

Berlin, den 27. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.