BT-Drucksache 18/12873

Bargeldversorgung - Status quo und Entwicklung

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12873
18. Wahlperiode 21.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Dr. Konstantin von Notz,
Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bargeldversorgung – Status quo und Entwicklung

„Nur Bares ist Wahres.“ – So sieht das nach wie vor die Mehrheit der deutschen
Verbraucherinnen und Verbraucher. Mehr als 75 Prozent aller Einkäufe werden
bar bezahlt (EHI Retail-Institut (2017): www.ehi.org/de/pressemitteilungen/
kartenzahlung-waechst-bargeld-bleibt/). Jede dritte Verbraucherin bzw. jeder
dritte Verbraucher zahlt ausschließlich mit Bargeld (Bundesbank (2015):
www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Studien/
zahlungsverhalten_in_deutschland_2014.pdf?__blob=publicationFile). Rund
84 Prozent können sich laut einer Studie nicht vorstellen, ohne Bargeld zu leben
bzw. wollen niemals auf Bargeld verzichten müssen (www.handelsblatt.com/
finanzen/anlagestrategie/trends/bargeld-nur-bares-ist-wahres/19748606.html).
Obwohl vor allem kleinere Beträge mit Bargeld bezahlt werden, liegt der Umsatz-
anteil von Bargeld im Handel nach wie vor über 50 Prozent. Bei Beträgen unter
20 Euro liegt der Bargeldanteil bei 89 Prozent, bei Beträgen unter 5 Euro sogar
bei 96 Prozent (Paysol (2017): www.bezahlen.de/wie-deutsche-bezahlen.php).
Bargeld ist vor allem deshalb so beliebt, weil es aus Sicht vieler Verbraucherinnen
und Verbraucher Anonymität, Datenschutz, mehr Sicherheit und Kontrollierbarkeit
gegenüber bargeldlosen Transaktionsformen bietet. Diese Wahrnehmung scheint
etwa durch Berichte über vermehrte Straftaten rund um das Onlinebanking bestä-
tigt zu werden (www.zeit.de/digital/datenschutz/2017-05/onlinebanking-hacker-
konten-mtan-ss7/seite-2).
Verschiedene Entwicklungen deuten gleichwohl darauf hin, dass sich die Rolle
des Bargeldes in Zukunft grundlegend verändern wird.
Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, hat vorgeschlagen,
eine „Bargeld-Obergrenze“ in Höhe von 5 000 Euro einzuführen, um Geldwäsche
und Terrorfinanzierung zu erschweren (www.welt.de/wirtschaft/article152042791/
Schaeuble-beharrt-auf-Bargeld-Obergrenze.html). Aufbauend auf einer bereits
bestehenden Roadmap wird auf EU-Ebene derzeit an genaueren Vorgaben dies-
bezüglich gearbeitet (Europäische Kommission (2017): http://ec.europa.eu/
smart-regulation/roadmaps/docs/plan_2016_028_cash_restrictions_en.pdf). Ab
dem Jahr 2018 wird die Europäische Zentralbank keine neuen 500-Euro-Scheine
mehr ausgeben (www.tagesschau.de/wirtschaft/500euro-abschaffung-101.html).
Der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
(BMWi) hat dagegen ein Gutachten vorgelegt, in dem von Bargeldobergrenzen
zum Ziele der Bekämpfung von Schattenwirtschaft und Terrorismus abgeraten

Drucksache 18/12873 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

wird (BMWi (2017): www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/
Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-wissenschaftlicher-beirat-
gutachten-diskussion-um-bargeld.pdf?__blob=publicationFile&v=8).
Auch aus geldpolitischen Gründen wird über den Umgang mit Bargeld diskutiert.
Denn bei niedrigen Zinsen oder Negativzinsen ist es für Sparerinnen und Sparer
nicht mehr attraktiv, ihr Geld in der Bank zu belassen. Doch wenn Verbrauche-
rinnen und Verbraucher ihre Spareinlagen als physisches Bargeld zu Hause oder
andernorts deponieren, dann ist eine geldpolitische Steuerung des Finanzmarktes
zumindest teilweise nur noch eingeschränkt möglich.
Jenseits politischer Erwägungen zur möglichen Einschränkung des Bargeldes
deuten die Gebühren- und Service-Politik vieler Banken und Sparkassen sowie
der veränderte Umgang mit Bargeld im Handel in eine ähnliche Richtung.
Unterschiedlichen Schätzungen zufolge könnten in den nächsten zehn Jahren
10 000 bis 15 000 Filialen geschlossen werden, auch wenn dies nicht in jedem
Fall bedeutet, dass auch die Automaten abgebaut werden. Allerdings sind darüber
hinaus Pläne bekannt, sog. SB-Stellen, also Automatenräume, zu reduzieren (bei-
spielsweise www.ruhrnachrichten.de/staedte/luenen/Reaktion-auf-Kritik-Sparkasse-
rechtfertigt-Schliessung-der-Geldautomaten;art928,2456818). Dabei sind ländli-
che, siedlungsärmere Regionen deutlich stärker betroffen als urbane Räume.
Im April 2017 wurde öffentlich, dass bereits viele Sparkassen sowie Volks- und
Raiffeisenbanken am eigenen Bankautomaten Gebühren ab einer bestimmten An-
zahl von Bargeldabhebungen pro Monat verlangen (www.biallo.de/geldanlage/
news/ueber-150-volks-und-raiffeisenbanken-kassieren-bei-eigenen-kunden-ab/).
Die Gebührenhöhe sowie die Anzahl kostenloser Abhebungen variierte dabei je
nach Kontomodell. Mitunter fallen die Gebühren auch zu unterschiedlichen Ta-
geszeiten anders aus (www.huffingtonpost.de/2017/06/09/versteckte-gebuhren-
warum-ihr-bargeld-kunftig-nur-noch-zu-bestimmten-uhrzeiten-abheben-solltet_n_
17016722.html). Zudem zeigten die Untersuchungsergebnisse, dass es bereits et-
liche Kontomodelle verschiedener Institute gibt, die bereits ab der ersten Abhe-
bung Gebühren verlangen.
Auch der Umgang mit Münzgeld verändert sich. Vermehrt nehmen Banken das
Hartgeld nur noch in wenigen Filialen an, verlangen hohe Gebühren oder be-
schränken die einzahlbare Menge (www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/
hannover_weser-leinegebiet/Viele-Banken-nehmen-keine Muenzen-mehr-an,
hartgeld100.html). Gebühren von bis zu 10 Euro sind möglich (www.welt.de/
finanzen/article135783784/Banken-wollen-Muenzen-ihrer-Kunden-nicht-mehr.html).
Auch die Versorgung des Einzelhandels mit Münzgeld hat sich in den letzten
Jahren erheblich verteuert (www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-
ausgeben/dank-eu-voschrift-muenzen-kosten-mehr-als-ihr-wert-13756893.html).
Entsprechend ändert sich auch im Einzelhandel zunehmend die Bezahlpraxis. So
gibt es hier bereits erste Fälle, in denen für Bargeldzahlungen zusätzliche Gebüh-
ren verlangt werden (www.spiegel.de/wirtschaft/service/wenn-barzahlen-extra-
kostet-a-1146037.html). Seit einiger Zeit testen erste Einzelhändler die Abschaf-
fung der 1- und 2-Cent-Münzen (www.welt.de/wirtschaft/article151312842/
Erste-Stadt-schafft-Ein-und-Zwei-Cent-Muenzen-ab.html). Gleichzeitig führen
sie neue Bezahlmethoden, z. B. kontaktloses Bezahlen ein.
Um das kostenintensive Zählen und Transportieren des Bargeldes zu minimieren
und Kundinnen und Kunden einen zusätzlichen Service zur Verfügung zu stel-
len, bieten Einzelhändler zunehmend Cash-back-Funktionen, also Bargeldaus-
zahlungen beim Einkauf an (www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-
ausgeben/cash-back-service-bargeld-aus-dem-supermarkt-13150250-p2.html).
Oft ist Cash-back jedoch an einen Minimal-Einkaufsbetrag von zum Beispiel
20 Euro gekoppelt und in einigen Fällen ist die Abhebung auch nur für Kundinnen
und Kunden bestimmter Banken kostenlos.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12873

Wir fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Zeitplan und den der-
zeitigen Arbeitsstand auf EU-Ebene zur Einführung einer Bargeldober-
grenze?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Zeitplan und den der-
zeitigen Arbeitsstand zu anderen bargeldrelevanten Überlegungen auf EU-
Ebene?

3. Welche anderen bargeldrelevanten Überlegungen hat die Bundesregierung?
4. Über welche Erkenntnisse und Zahlen (bitte nach Jahren gesondert auf-

schlüsseln) verfügt die Bundesregierung hinsichtlich des Anstiegs von Straf-
taten im Bereich des digitalen Zahlungsverkehrs (Phishing-Betrug; Hacking-
Angriffe etc.)?

5. Wie groß ist nach Ansicht der Bundesregierung die Gefahr, dass Verbrau-
cherinnen und Verbraucher ihre Ersparnisse zunehmend als Bargeld zu
Hause oder andernorts deponieren, und somit zins- und geldpolitische Maß-
nahmen nur noch eingeschränkt wirksam sind?
a) Welche Erkenntnisse, Studien und konkrete Zahlen zur Bargelddeponie-

rung von Verbraucherinnen und Verbrauchern liegen der Bundesregie-
rung vor?

b) Welche Konsequenzen folgen daraus?
6. Teilt die Bundesregierung die insbesondere von Vertretern der Datenschutz-

behörden hervorgehobene Bedeutung des Bargeldverkehr als eines wichti-
gen und alltäglichen Schutzraums für die Gewährleistung von Persönlich-
keitsrechten und Datenschutz angesichts einer immer umfassenderen Erfas-
sung und Auswertung von persönlichen Daten und Informationen für kom-
merzielle Zwecke und staatliche Sicherheitsinteressen?

7. a) Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung eine angemessene Bargeld-
versorgung der Bevölkerung insbesondere auf dem Land sichergestellt
werden, wenn die Befürchtung eintritt, dass in den kommenden Jahren
eine große Anzahl von Bank- oder Sparkassenfilialen verschwindet und
die Zahl der Selbstbedienungsstellen reduziert wird?

b) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um deutschlandweit eine
dauerhaft flächendeckende, preiswerte und unabhängige Bargeldversor-
gung sicherzustellen (bitte begründen, falls keine Maßnahmen geplant
sind)?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Gebührenpolitik der Banken und Sparkassen bzgl. des Geldabhe-
bens?
a) Kann die zunehmende Verteuerung von Bargeld nach Ansicht der Bun-

desregierung zu einer Bargeldabschaffung durch die Hintertür führen?
b) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie dementspre-

chend aus der Praxis von Banken, die bereits ab der ersten Bargeldabhe-
bung Gebühren verlangen?

Drucksache 18/12873 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
9. Inwieweit ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Gebühren für die Bar-
geldversorgung über die Kostendeckung hinaus vertretbar sind?
a) Sollten Gebühren für die Bargeldversorgung begrenzt werden?
b) Was kann und sollte aus Sicht der Bundesregierung gegen zunehmend

steigende Gebühren für die Bargeldabhebung getan werden?
10. Teilt die Bundesregierung Einschätzungen, wonach Transaktionen des Bar-

geldverkehrs für die Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor deut-
lich günstiger sind als Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr, und
wenn nein, warum nicht?

11. Was kann aus Sicht der Bundesregierung getan werden, damit Verbrauche-
rinnen und Verbraucher angesichts einer steigenden Anzahl von Kontomo-
dellen und Zusatzentgelten nicht den Überblick verlieren, welche Kosten mit
einem Girokonto und Bargeld-Abhebungen auf sie zukommen?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das im Bun-
destagsantrag auf Bundestagsdrucksache 18/12367 genannte Ziel, gesetzlich
festzulegen, dass Leistungen, die normalerweise bei der üblichen Führung
eines Kontos in Anspruch genommen werden, d. h. auch das Bargeldabhe-
ben, bereits durch die Zahlung der Kontoführungsgebühr abgedeckt sind?

13. Ist es aus Sicht der Bundesregierung ein Problem, wenn selbst die Stiftung
Warentest bei der Aufstellung günstiger Kontomodelle (Finanztest 10/2016)
einschränkend hinzufügen muss, dass sich diese Modelle gravierend ändern
könnten?
Wie kann sichergestellt werden, dass sich Verbraucherinnen und Verbrau-
cher auf eine ausreichende Beständigkeit des Angebotes und der Gebühren-
strukturen ihrer jeweils gewählten Kontomodelle verlassen können?

14. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung der ausreichenden Versorgung
mit Münzgeld der Bevölkerung durch die Umtauschmöglichkeit in den
35 Filialen der Bundesbank bereits ausreichend genüge getan?

15. Ist nach Auffassung der Bundesregierung derzeit eine flächendeckende und
bezahlbare Versorgung mit und Rücknahme von Münzgeld für Gewerbetrei-
bende in Deutschland gewährleistet?

16. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass es eine flächendeckende
und bezahlbare Versorgung mit und Rücknahme von Münzgeld gibt, ange-
sichts dessen, dass immer mehr Banken Gebühren für solche Dienstleistun-
gen nehmen oder diese gar nicht mehr anbieten?

17. Wäre es nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll, 1- und 2-Cent-Mün-
zen abzuschaffen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12873

18. Sieht die Bundesregierung im zunehmenden Angebot von Cash-back-Funk-

tionen im Einzelhandel und bei Tankstellen einen gleichwertigen Ersatz für
Bankautomaten?
a) Welche Konsequenzen gehen nach Ansicht der Bundesregierung mit der

Tatsache einher, dass viele Einzelhändler einen Minimal-Einkaufsbetrag
(oft in Höhe von 20 Euro) als Bedingung für die Auszahlung vorausset-
zen, oft nur eine begrenzte Höhe von Bargeld (oft 200 Euro) ausgezahlt
wird und die Bedingungen für die Auszahlung teilweise nach Bankzuge-
hörigkeit unterschiedlich sind?

b) Welche Zahlen liegen der Bundesregierung zur Verbreitung und Nutzung
von Cash-back-Funktionen im Einzelhandel und bei Tankstellen vor?

Berlin, den 20. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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