BT-Drucksache 18/12365

Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln und kommunale Wirtschaftskreisläufe fördern

Vom 16. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12365
18. Wahlperiode 16.05.2017
Antrag
der Abgeordneten Kerstin Kassner, Susanna Karawanskij, Caren Lay, Klaus
Ernst, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter,
Roland Claus, Jutta Krellmann, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Birgit Menz, Thomas Nord, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln und
kommunale Wirtschaftskreisläufe fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Trotz vermehrter Steuereinnahmen sind viele Kommunen kaum in der Lage, eine be-
darfsorientierte Erfüllung aller freiwilligen Aufgaben zu leisten und den kommunalen
Investitionsstau abzubauen. Eine zunehmende strukturelle Überforderung vieler Kom-
munen zeigt sich nicht zuletzt in dem Anstieg der in Anspruch genommenen Kassen-
kredite. Lagen diese 1992 noch bei 1,4 Milliarden Euro, waren es Anfang 2015 schon
über 51 Milliarden Euro, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau 2016 ermittelte. 2020
werden Kassenkredite von über 70 Milliarden Euro erwartet. Kassenkredite werden
längst nicht mehr als kurzfristige Finanzierungshilfe genutzt, sondern sind zum Be-
standteil der Finanzierung laufender Ausgaben geworden. Die Maßnahmen der Bun-
desregierung, um den Kommunen bei der Lösung dieser Probleme zu helfen, bleiben
weiterhin hinter ihren Möglichkeiten zurück. Eine Möglichkeit, die Einnahmeseite der
Kommunen zu verbessern, ist eine gezielte Förderung von wirtschaftlicher Betätigung
durch den Abbau von Einschränkungen zu Gunsten der öffentlichen Hand und die
Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirt-
schaftsteuer weiterentwickelt und folgende Punkte beinhaltet:
a) Jede selbstständige wirtschaftliche Betätigung, die im Sinne des Einkom-

mensteuergesetzes mit der Absicht Gewinn zu erzielen unternommen wird
und sich als Betätigung im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt,
mit Ausnahme der Land- und Forstwirtschaft, wird miteinbezogen.

Drucksache 18/12365 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

b) Die Bemessungsgrundlage wird um Schuldzinsen, Finanzierungsanteile von
Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren, die in voller Höhe bei
der Ermittlung der Steuerbasis berücksichtigt werden, erweitert.

c) Es werden angemessene Freibeträge für Selbstständige und Kleinunterneh-
men (etwa 30.000 Euro) angesetzt;

2. auf die Länder dahingehend einzuwirken, dass
a) die Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen in den

Kommunalverfassungen/Gemeinde- und Kreisordnungen zurückgenommen
werden;

b) die Auftragsvergabe von Kommunen nach hohen sozialen und ökologischen
Standards erfolgt;

c) zur Aufgabenerfüllung in der kommunalen Daseinsvorsorge eine Präferenz
zugunsten kommunaler Unternehmen in die Kommunalverfassungen/Ge-
meinde- und Kreisordnungen festgeschrieben wird;

d) die im Gemeindewirtschaftsrecht zugunsten der privaten Unternehmen be-
stehenden Subsidiaritätsklauseln abgeschafft werden.

Berlin, den 16. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12365
Begründung

Viele Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland leiden unter einer chronischen Unterfinanzierung. Dies
führt in beinahe allen Regionen des Landes dazu, dass etliche Kommunen die Verhältnisse vor Ort nicht mehr
aktiv gestalten können. Ihre Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und oftmals wird nur noch der Mangel
verwaltet. Einige Kommunen können nicht einmal mehr ihren pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben nachkom-
men.
Eine Vielzahl anderer Kommunen kann sich die Eigenanteile nicht leisten, um für nötige und allein kaum finan-
zierbare Investitionen Fördermittel zu bekommen. Darunter leidet vor allem die öffentliche Daseinsvorsorge,
aber auch die wirtschaftliche Standortentwicklung. Dies hat zur Folge, dass ärmere Kommunen langfristig gese-
hen immer ärmer werden. Die Spaltung der kommunalen Familie in arm und reich wird dadurch massiv voran-
getrieben. Der Investitionsstau in den Kommunen lag laut Angaben des Städte- und Gemeindebundes alleine
2016 bei 136 Milliarden Euro. In ärmeren Kommunen kann dieser nicht aufgehalten und in finanziell stärkeren
Kommunen kaum abgebaut werden.
Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen Stabilität und finanzielle Planungssicherheit, um all ihre Aufgaben
wahrnehmen zu können. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Kommunalfinanzen lässt sich nur er-
reichen, wenn ihre Gesamteinnahmen erhöht werden. Dazu müssen sie u. a. in die Situation gebracht werden,
ihre Einnahmeseite selbständig zu verbessern, um unabhängiger zu sein. Die derzeit wichtigste kommunale Steu-
ereinnahmequelle ist die Gewerbesteuer. Sie bildet ein Band zwischen den Städten und Gemeinden und der vor
Ort ansässigen Wirtschaft. Städte und Gemeinden schaffen die notwendige Infrastruktur und unterstützen sowie
kümmern sich um die Ansiedlung von Unternehmen. Die Gewerbesteuer muss jedoch zu einer Gemeindewirt-
schaftsteuer weiterentwickelt werden, um als originäre Kommunalsteuer die Einnahmeseite der Kommunen zu
verbessern. Dafür muss die Bemessungsgrundlage erweitert und freie Berufe, wie vom Deutschen Städte- und
Gemeindebund gefordert, miteinbezogen werden.
Kommunale Unternehmen sowie deren Gründungen sollen außerdem vornehmlich in Organisationsformen des
öffentlichen Rechts (Regiebetriebe, Eigenbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts) organisiert werden. Vorhan-
dene Einschränkungen müssen abgebaut, interkommunale Zusammenarbeit zum Vorbild und im Bereich der
kommunalen Daseinsvorsorge eine Präferenz zugunsten der öffentlichen Hand in den Kreis- und Gemeindeord-
nungen erreicht werden. Soziale und ökologische Kriterien müssen für kommunale Unternehmen selbstverständ-
lich werden, auch um den Vorbildcharakter und ihre Akzeptanz weiter zu erhöhen. Im Gemeindewirtschaftsrecht
sollen die bestehenden Subsidiaritätsklauseln zugunsten privater Unternehmen abgeschafft werden. Diese Maß-
nahmen fördern nicht nur regionale Wirtschaftskreisläufe und schaffen Arbeitsplätze in den Kommunen, sie sor-
gen auch dafür, das vor Ort erwirtschaftete Geld nicht abfließen, sondern vor Ort den Bürgerinnen und Bürgern
zu Gute kommen kann. Dies stärkt in vielerlei Hinsicht die Einnahmeseite der Kommunen. Zudem vergeben
kommunale Betriebe in öffentlicher Hand Aufträge eher an Unternehmen in der Region. Damit profitiert auch
die private Wirtschaft vor Ort.
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