BT-Drucksache 18/10719

Zukunft des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht nach dem Beschluss des CDU-Parteitags

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10719
18. Wahlperiode 14.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Luise Amtsberg,
Britta Haßelmann, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht nach dem Beschluss
des CDU-Parteitags

Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts unter der ersten rot-grünen Bun-
desregierung, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, erwerben Kinder aus-
ländischer Eltern durch eine Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehö-
rigkeit, wenn sich ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt seit mindestens acht Jah-
ren rechtmäßig in Deutschland aufhält und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat
(§ 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes). Gemäß § 40b des Staatsangehö-
rigkeitsgesetzes wurden zudem ausländische Kinder, die sich am 1. Januar 2000
rechtmäßig aufhielten, das zehnte Lebensjahr nicht vollendet hatten und im Zeit-
punkt ihrer Geburt die Voraussetzungen des § 4 Absatz 3 des Staatsangehörig-
keitsgesetzes erfüllt hatten, auf Antrag eingebürgert, wenn der Antrag bis zum
31. Dezember 2000 gestellt wurde. Damit hat die damalige rot-grüne Bundesre-
gierung ein deutliches Zeichen zur Überwindung des ius sanguinis als kennzeich-
nendes Merkmal des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts gesetzt. Allerdings
mussten die Begünstigten nach Erreichen der Volljährigkeit auf ihre ausländi-
sche(n) Staatsangehörigkeit(en) verzichten bzw. deren Verlust nachweisen, um
die deutsche Staatsangehörigkeit mit Vollendung des 23. Lebensjahrs nicht wie-
der zu verlieren (sog. Optionszwang). Personen, bei deren hypothetischer Einbür-
gerung die Mehrstaatigkeit gem. § 12 des Staatsangehörigkeitsgesetzes hinzuneh-
men wäre, waren davon von vornherein ausgenommen. Daher unterfallen insbe-
sondere Kinder in Deutschland lebender Unionsbürgerinnen und Unionsbürger
nicht dem Optionszwang.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (BGBl.
2014 I Nr. 52) haben CDU, CSU und SPD den Optionszwang im Dezember 2014
zwar nicht abgeschafft, aber weitere Ausnahmen geregelt. Seitdem entfällt der
Optionszwang, wenn die Betroffenen nachweisen, dass sie sich bis zur Vollen-
dung des 21. Lebensjahres acht Jahre im Inland aufgehalten haben, sechs Jahre
die Schule besucht haben oder im Inland einen Schulabschluss erworben oder
eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Zudem entfällt der Optionszwang
auch, wenn im Einzelfall ein vergleichbar enger Bezug zu Deutschland besteht
und der Optionszwang nach den Umständen des Einzelfalls eine besondere Härte
bedeuten würde (vgl. § 29 Absatz 1a des Staatsangehörigkeitsgesetzes). Im Ge-
setzgebungsverfahren hatten die fragestellende Fraktion sowie zahlreiche Stim-
men aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft davor gewarnt, mit einer solchen Re-
gelung die Eigen- und Fremdwahrnehmung der Begünstigten als Staatsangehö-

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rige zweiter Klasse fortzuschreiben und für die zuständigen Behörden überflüssi-
gen Verwaltungsaufwand zu schaffen (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/1173,
18/1369 und 18/2579). Die Neuregelung des Optionszwangs knüpft zudem an
andere Altersstufen und Fristen an als die bisherige Regelung. So muss der Hin-
weis auf die Erklärungspflicht nicht mehr wie zuvor unverzüglich nach Vollen-
dung des 18. Lebensjahres ergehen, sondern innerhalb eines Jahres nach Vollen-
dung des 21. Lebensjahres. Dies führt dazu, dass Begünstigte, die im Zeitpunkt
des Inkrafttretens des Gesetzes das 22. Lebensjahr, aber nicht das 23. Lebensjahr
bereits vollendet hatten, unabhängig von der Erfüllung der Ausnahmetatbestände,
sämtliche Staatsangehörigkeiten behalten konnten (vgl. Tometten, Das Standes-
amt 2014, 321). Dieser Umstand war offensichtlich vom Gesetzgeber nicht ge-
wollt und beruht auf einer mangelhaften Sorgfalt bei der gesetzgeberischen Ar-
beit.
Am 6. Dezember 2016 hat die CDU auf ihrem Parteitag beschlossen, die Rück-
abwicklung der Reform aus dem Jahr 2014 anzustreben, für die das CDU-ge-
führte Bundesministerium des Innern federführend war. Die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel und der Bundesminister des Innern Dr. Thomas De Maizière
haben den Beschluss kritisiert (vgl. www.faz.net/aktuell/politik/inland/cdu-
parteitag-cdu-will-doppelte-staatsbuergerschaft-kippen-14562971.html <12. De-
zember 2016>).
Die Fragesteller halten an ihrer langjährigen Forderung fest, den Optionszwang
gänzlich abzuschaffen und allen Kindern rechtmäßig in Deutschland lebender El-
tern mit Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit zu gewähren. Zum
Staatsangehörigkeitsrecht hat die Fraktion in der 18. Wahlperiode zahlreiche Ini-
tiativen eingebracht (Bundestagsdrucksachen 18/4612, 18/5631, 18/9669 u. a.).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die weitgehende Abschaffung des Opti-

onszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht im Jahre 2014 und die Effekte die-
ser Reform?

2. Inwiefern hat diese Reform nach Auffassung der Bundesregierung dazu bei-
getragen, die rechtliche Situation von in Deutschland geborenen Kindern und
ihre Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben
abzusichern?

3. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, die Befreiung von der Op-
tionspflicht für in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern
wieder abzuschaffen, und wie begründet sie ihre Haltung?

4. Hält die Bundesregierung den Beschluss des CDU-Parteitags vom 6. Dezem-
ber 2016 in Übereinstimmung mit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
für falsch?

5. Wie viele Personen sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in
Deutschland in Besitz von mehr als einer Staatsangehörigkeit?

6. Wie viele Personen sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in
Deutschland neben der deutschen Staatsangehörigkeit in Besitz einer oder
mehrerer weiterer Staatsangehörigkeiten (bitte nach weiterer Staatsangehö-
rigkeit aufschlüsseln)?

7. Wie viele deutsche Staatsangehörige, die neben der deutschen Staatsangehö-
rigkeit in Besitz einer oder mehrerer weiterer Staatsangehörigkeiten sind, le-
ben derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung im Ausland (bitte nach wei-
terer Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstaat aufschlüsseln)?

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/cdu-parteitag-cdu-will-doppelte-staatsbuergerschaft-kippen-14562971.html
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/cdu-parteitag-cdu-will-doppelte-staatsbuergerschaft-kippen-14562971.html
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10719
8. Wie viele Personen haben seit dem 1. Januar 2000 als Kinder ausländischer
Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland erworben
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

9. Wie viele Personen haben gem. § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes die
deutsche Staatsangehörigkeit erworben?

10. Wie viele Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im
Inland oder gem. § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes erworben haben,
haben sie zu einem späteren Zeitpunkt wegen des staatsangehörigkeitsrecht-
lichen Optionszwangs wieder verloren (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im
Inland oder gem. § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) erworben
haben, haben sie seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderungen des
Staatsangehörigkeitsgesetzes wegen des staatsangehörigkeitsrechtlichen Op-
tionszwangs wieder verloren (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Wie viele dieser Personen hielten sich im Zeitpunkt des Verlusts der deut-
schen Staatsangehörigkeit in Deutschland auf, und wie lange hatten sich
diese Personen im Durchschnitt insgesamt in Deutschland aufgehalten?

12. In wie vielen Fällen ist seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung
des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Optionszwang entfallen, weil die Be-
troffenen sich mindestens acht Jahre im Inland aufgehalten haben (§ 29 Ab-
satz 1a Satz 1 Nummer 1 StAG)?

13. In wie vielen Fällen ist seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung
des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Optionszwang entfallen, weil die Be-
troffenen mindestens sechs Jahre im Inland die Schule besucht haben (§ 29
Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 StAG)?

14. In wie vielen Fällen ist seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung
des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Optionszwang entfallen, weil die Be-
troffenen im Inland die Schule oder eine Berufsausbildung abgeschlossen
haben (§ 29 Absatz 1a Satz 1 Nummer 3 StAG)?

15. In wie vielen Fällen ist seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung
des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Optionszwang entfallen, weil die Be-
troffenen im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland ha-
ben und der Optionszwang für sie eine besondere Härte bedeuten würde
(§ 29 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 StAG)?
a) Welche Fallkonstellationen werden nach Kenntnis der Bundesregierung

hiervon erfasst?
b) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige

Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – einen deutschen Hochschulabschluss erworben
haben?
Wenn nein, warum nicht?

c) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – einen Bundesfreiwilligendienst, einen ver-
gleichbaren staatlich anerkannten Freiwilligendienst oder freiwilligen
Wehrdienst geleistet haben?
Wenn nein, warum nicht?

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d) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – sich mindestens acht Jahre innerhalb der Eu-
ropäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der
Schweiz aufgehalten haben?
Wenn nein, warum nicht?

e) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – mindestens sechs Jahre innerhalb der Europä-
ischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweiz
die Schule besucht haben?
Wenn nein, warum nicht?

f) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – innerhalb der Europäischen Union, des Euro-
päischen Wirtschaftsraums oder in der Schweiz einen Schul- oder Hoch-
schulabschluss erworben oder eine Berufsausbildung abgeschlossen ha-
ben?
Wenn nein, warum nicht?

g) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – den Abschluss einer Deutschen Auslands-
schule erworben haben?
Wenn nein, warum nicht?

h) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – ein politisches Wahlamt in Deutschland oder
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehaben oder
innegehabt haben?
Wenn nein, warum nicht?

i) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – in Deutschland oder in einem anderen Mit-
gliedstaat der Europäischen Union in einem Beamtenverhältnis stehen
oder Soldaten sind?
Wenn nein, warum nicht?

j) Werden nach Kenntnis der Bundesregierung hiervon optionspflichtige
Deutsche erfasst, die – ohne die sonstigen Voraussetzungen des § 29 Ab-
satz 1a StAG zu erfüllen – bereits Kinder haben, die ihrerseits die deut-
sche Staatsangehörigkeit durch Abstammung erworben haben, ohne opti-
onspflichtig zu sein?
Wenn nein, warum nicht?

16. In wie vielen Fällen ist nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten
des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes der
Optionszwang schon deshalb entfallen, weil die Betroffenen im Zeitpunkt
des Inkrafttretens des Gesetzes bereits das 22. Lebensjahr, aber nicht das
23. Lebensjahr vollendet hatten, und in wie vielen dieser Fälle wurden die
Betroffenen darüber von welcher Behörde und zu welchem Zeitpunkt infor-
miert?

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17. Wie viele Personen und welche Personengruppen, die nach den geltenden

Vorschriften nicht mehr optionspflichtig sind, wären nach Einschätzung
bzw. Auffassung der Bundesregierung wieder vom Optionszwang betroffen,
wenn die gesetzliche Regelung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Staatsangehörigkeitsgesetzes rückgängig gemacht würde (bitte die Gesamt-
zahl angeben und nach Jahren aufschlüsseln, in denen der Verlust der deut-
schen Staatsangehörigkeit mangels Verzichts auf die andere(n) Staatsange-
hörigkeit(en) bzw. Verlust Letzterer aufschlüsseln)?
Welche verfassungsrechtlichen Grenzen sieht die Bundesregierung für ein
solches Vorgehen?

18. Wie viele Gerichtsverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes anhängig war und
die Folgen des Optionszwangs betrafen, wurden seitdem mit welchem Er-
gebnis nach Kenntnis des Bundesregierung abgeschlossen (bitte nach Bun-
desländern und Verfahrensausgang aufschlüsseln), und wie viele derartige
Verfahren sind derzeit noch aus welchen Gründen anhängig (bitte nach Bun-
desländern aufschlüsseln)?

19. Inwiefern und auf welche Art und Weise haben die Bundesregierung, ihre
nachgeordneten Behörden und die zuständigen Stellen der Länder nach In-
krafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsge-
setzes die Betroffenen über die Neuregelungen informiert?

Berlin, den 13. Dezember 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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