BT-Drucksache 18/10125

Geldanlagen der gesetzlichen Krankenkassen

Vom 20. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10125
18. Wahlperiode 20.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Gerhard Schick,
Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, Dr. Harald Terpe, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dieter Janecek, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Kai Gehring, Beate Müller-Gemmeke, Sven-Christian Kindler, Markus Kurth,
Dr. Tobias Lindner, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg,
Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geldanlagen der gesetzlichen Krankenkassen

Durch den durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialge-
setzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-ÄndG) neu eingefügten Absatz 2a des
§ 171e des SGB V wird es gesetzlichen Krankenkassen ab dem 1. Januar 2017
erlaubt, maximal 10 Prozent ihrer Anlage für Mittel zur Finanzierung des De-
ckungskapitals für Altersrückstellungen in Euro-denominierten Aktien im Rah-
men eines passiven, indexorientierten Managements anzulegen. Damit gleicht
diese Regelung der Regelung, welche in § 15 Satz 2 bis 4 des Versorgungsrück-
lagegesetzes für den Bund und die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstal-
ten und Stiftungen (VersRücklG) getroffen wurde. Der Bundesrat hingegen hat
die Streichung der entsprechenden Artikel gefordert, „insbesondere, weil es sich
bei der Versorgungsrücklage der gesetzlichen Krankenkassen um Beitragsgelder
und nicht um privat von Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich ange-
sparte Wertguthaben zur Finanzierung von Arbeitszeitmodellen handelt und weil
die in der geplanten Änderung genannten Anlageformen von der Fachebene in
dem zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen nicht ausreichend bewertet wer-
den können“ (Bundesratsdrucksache 117/16).
Aus Sicht der Fragesteller kann darüber hinaus nicht sichergestellt werden, dass
die Investition in passiv verwaltete Fonds nicht dazu führt, dass Krankenkassen
letztlich in Unternehmen investieren, die durch ihre Produkte oder deren Produk-
tionsprozesse zu höheren Gesundheitsausgaben beitragen. Beispielhaft zu nennen
wären hier Tabak- oder Alkoholproduzenten, aber auch Unternehmen mit hohen
Treibhausgasemissionen.
Die Geldanlagen der gesetzlichen Krankenkassen beschränken sich jedoch
nicht nur auf die für Mittel zur Finanzierung des Deckungskapitals für Alters-
rückstellungen. Im Jahr 2014 verfügten die 78 gesetzlichen Krankenkassen, die
dem Bundesversicherungsamt (BVA) damals unterstellt waren, laut Auskunft
des BVA über ein Geldanlagevolumen von 26,4 Mrd. Euro. Diese Liquiditäts-
reserven dienen den Krankenkassen zum Ausgleich von Einnahme- und Ausga-
beschwankungen. Auch im Gesundheitsfonds werden hohe Summen verwaltet.
Dieser hat ein Gesamtvolumen von über 200 Mrd. Euro, die auf Konten bei der
Bundesbank und verschiedenen inländischen Geschäftsbanken deponiert sind.

Drucksache 18/10125 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds wies zum Jahresende 2015 ein Vo-
lumen von 10 Mrd. Euro aus. Laut Medienberichten (www.faz.net/aktuell/
wirtschaft/gesundheitsfonds-zahlt-erstmals-strafzinsen-14084899.html) wurden
auf das Vermögen des Gesundheitsfonds im Jahr 2015 erstmals „Strafzinsen“
in Höhe von 1,8 Mio. Euro erhoben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sieht die Bundesregierung es als ausreichend gesichert an, dass Krankenkas-

sen im Rahmen der Aktienanlage gemäß § 171e Absatz 2a SGB V n. F. nicht
in Unternehmen investieren, die durch ihre Produkte oder deren Produkti-
onsprozesse zu höheren gesamtgesellschaftlichen Gesundheitsausgaben bei-
tragen und somit nicht ihrem gesetzlichen Auftrag aus § 1 Absatz 1 Satz 1
SGB V zuwiderhandeln, der da lautet „Die Krankenversicherung als Solidar-
gemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten,
wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“ (Antwort
bitte begründen und belegen)?

2. Wie hoch beläuft sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Summe der
von den gesetzlichen Krankenkassen gehaltenen Rücklagen i. S. d. § 171e
Absatz 2a SGB V n. F.?

3. In welcher Form sind die Rücklagen i. S. d. § 171e Absatz 2a SGB V bislang
von den gesetzlichen Krankenkassen investiert worden?

4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Krankenkassen, welche bereits
vor dem 1. Januar 2017 Teile ihrer Altersrückstellungen in Aktien angelegt
haben, und falls ja, geschah dies mit Billigung des BVA oder der Versiche-
rungsaufsichtsbehörden der Länder bzw. auf welcher gesetzlichen Grundlage
wurden die Aktienanlagen getätigt?

5. In welche Unternehmen bzw. Fonds haben der Bund und die bundesunmit-
telbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen nach Kenntnis der Bun-
desregierung im Rahmen des § 15 Satz 2 bis 4 VersRücklG seit dem 1. Ja-
nuar 2007 investiert?

6. Existieren Durchführungsbestimmungen für die Aktienanlage im Rahmen
des § 15 Satz 2 bis 4 VersRücklG?
a) Wenn ja, wie lauten diese?
b) Wenn nicht, existiert nach Einschätzung der Bundesregierung eine andere

Möglichkeit, ethisch, sozial oder ökologisch bedenkliche Investitionen im
Rahmen der Aktienanlage gemäß § 15 Satz 2 bis 4 VersRücklG zu ver-
hindern?

7. Welche Möglichkeiten bestehen laut Einschätzung der Bundesregierung zur-
zeit für Krankenkassen auszuschließen, dass Aktienanlagen in Euro-denomi-
nierten Aktien im Rahmen eines passiven, indexorientierten Managements,
Unternehmen fördern, die durch ihre Produkte oder Produktionsprozesse zu
höheren gesamtgesellschaftlichen Gesundheitsausgaben beitragen?

8. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Anlagepo-
litik jener Bundesländer, die bereits auf nachhaltigere Indexprodukte (bspw.
Euro Stoxx ESG Leaders 50 im Falle der Versorgungsrücklage des Landes
Hessen) umgestellt haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10125
9. Plant die Bundesregierung, Durchführungsbestimmungen für die Aktienan-
lage im Rahmen des § 171e Absatz 2a SGB V n. F. zu erlassen?
a) Wenn ja, mit welchem Inhalt?
b) Wenn nicht, plant die Bundesregierung andere Maßnahmen zu treffen, um

zu verhindern, dass Krankenkassen im Rahmen der Aktienanlage gemäß
§ 171e Absatz 2a SGB V n. F. in Unternehmen investieren, die durch ihre
Produkte oder deren Produktionsprozesse zu höheren gesamtgesellschaft-
lichen Gesundheitsausgaben beitragen, wenn ja, welche, und wenn nein,
warum nicht?

10. Wird nach Einschätzung der Bundesregierung die am 30. Juni 2016 vom Eu-
ropäischen Parlament und dem Rat der EU bekannt gemachte Einigung auf
die „Richtlinie über Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen
der betrieblichen Altersversorgung“ bei Inkrafttreten der Richtlinie auch An-
passungen oder Konkretisierungen beim Recht der Aktienanlage von gesetz-
lichen Krankenkassen gemäß § 171e Absatz 2a SGB V n. F. erforderlich ma-
chen?
a) Wenn ja, welche Anpassungen oder Konkretisierungen sieht die Bundes-

regierung als erforderlich an?
b) Wenn nein, wird die Bundesregierung die Richtlinie zum Anlass nehmen,

um den Grundgedanken der Richtlinie, die für die Altersrückstellungen
investierten Gelder nach sozialen und ökologischen Kriterien anzulegen
und eine gute Unternehmensführung zu berücksichtigen, auch in das
Recht der Aktienanlage von gesetzlichen Krankenkassen zu übertragen
(falls nein, bitte begründen)?

11. In welcher Form haben die gesetzlichen Krankenkassen nach Kenntnis der
Bundesregierung ihre Liquiditätsreserven angelegt?

12. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Einlagen der Liquiditätsreserven
der Krankenkassen bei inländischen Geschäftsbanken von diesen ausschließ-
lich zur Finanzierung jener Aktivitäten gebraucht werden können, die ihrem
gesetzlichen Auftrag aus § 1 Absatz 1 Satz 1 SGB V („die Gesundheit der
Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand
zu bessern“) nicht zuwiderlaufen, indem beispielsweise Unternehmen finan-
ziert werden, die durch ihre Produkte oder Produktionsprozesse zu höheren
gesamtgesellschaftlichen Gesundheitsausgaben beitragen?

13. Falls die Bundesregierung die Erfüllung der gesetzlichen Zielsetzung des
SGB V (§1 Absatz 1 Satz 1 SGB V: „die Gesundheit der Versicherten zu
erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“) für
Einlagen der Liquiditätsreserven der Krankenkassen bei inländischen Ge-
schäftsbanken aufgrund der vollen Fungibilität der Einlagen nicht sicherstel-
len kann, wie beurteilt sie die Maßnahme, nur solche Geschäftsbanken mit
der Kontoführung zu betrauen, die anerkannte Nachhaltigkeitsrichtlinien für
ihre gesamte unternehmerische Tätigkeit, insbesondere dem Kreditgeschäft,
befolgen?

14. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Einlagen des Gesundheitsfonds
bei inländischen Geschäftsbanken von diesen ausschließlich zur Finanzie-
rung jener Aktivitäten gebraucht werden können, die die Zielsetzung des
SGB V (§1 Absatz 1 Satz 1 SGB V: „die Gesundheit der Versicherten zu
erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“)
a) unterstützen oder
b) zumindest nicht konterkarieren?

Drucksache 18/10125 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Falls die Bundesregierung die Erfüllung der gesetzlichen Zielsetzung des § 1

Absatz 1 Satz 1 SGB V für Einlagen des Gesundheitsfonds aufgrund der vol-
len Fungibilität der Einlagen nicht sicherstellen kann, wie beurteilt sie die
Maßnahme, nur solche Geschäftsbanken mit der Kontoführung zu betrauen,
die anerkannte Nachhaltigkeitsrichtlinien für ihre gesamte unternehmerische
Tätigkeit, insbesondere dem Kreditgeschäft, befolgen?

16. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Berichterstattung bspw.
der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/
gesundheitsfonds-zahlt-erstmals-strafzinsen-14084899.html) zutreffend,
nach der im Jahr 2015 auf das Vermögen des Gesundheitsfonds Negativ-
zinsen in Höhe von 1,8 Mio. Euro zu zahlen waren, und wenn nein, wie
verhält sich die Sachlage nach Kenntnis der Bundesregierung?

17. Erwartet die Bundesregierung, dass auch für das Jahr 2016 Negativzinsen
auf das Vermögen des Gesundheitsfonds anfallen werden, wenn ja, auf wel-
cher Grundlage und in welcher Höhe, und wenn nein, warum nicht?

18. Bestehen seitens der Bundesregierung Überlegungen, die Konten der Sozial-
versicherungen bei der Bundesbank von Negativzinsen freizustellen?
a) Wenn ja, wie soll dies konkret ausgestaltet werden?
b) Wenn nein, wie begründet sie dies?

Berlin, den 18. Oktober 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.