BT-Drucksache 17/9963

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/9040, 17/9649, 17/9650, 17/9651 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012)

Vom 13. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9963
17. Wahlperiode 13. 06. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, Birgitt Bender, Cornelia Behm, Harald Ebner, Dr. Thomas
Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Maria Klein-Schmeink, Stephan Kühn, Markus
Kurth, Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Gerhard Schick, Daniela Wagner, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/9040, 17/9649, 17/9650, 17/9651 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung eines Nachtrags zum
Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012
(Nachtragshaushaltsgesetz 2012)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Nachtragshaushalt 2012 zur Finanzierung des Europäischen Stabilisie-
rungsmechanismus (ESM) entspricht weder formal noch inhaltlich den gebote-
nen Anforderungen. Der Nachtragshaushalt beschränkt sich weitgehend auf die
Einzahlung von zwei Tranchen in den ESM, also eine Aufstockung des Etats
um 8,6 Mrd. Euro. Dieser Betrag wird vollständig über die Neuverschuldung
finanziert.

Der Deutsche Bundestag sieht die Notwendigkeit eines dauerhaften Rettungs-
schirmes und setzt sich für seine Umsetzung ein. Dabei müssen die Beteili-
gungsrechte des Deutschen Bundestages gesichert sein. Die vorgezogenen Ein-
zahlungen sind ein wichtiger erster Schritt, um ein handlungsfähiges Instrument
zur Bewältigung von Krisensituationen in Euro-Staaten bereitzustellen. Nur mit
einer angemessenen Schlagkraft wird dieser in der Lage sein, die Finanzmärkte
zu beruhigen und die Euro-Zone zu stabilisieren. Vor diesem Hintergrund be-
grüßt der Deutsche Bundestag die im Nachtragshaushalt vorgesehene Bereitstel-
lung der beiden ESM-Tranchen, um den ESM schnellstmöglich funktionsfähig
zu machen.

Zur Wahrheit und Klarheit im Nachtragshaushalt gehört es aber auch, zentrale

Änderungen vorzunehmen, welche sich im Haushaltsvollzug offensichtlich als
anpassungsbedürftig herausstellen. Hierzu zählt die notwendige Aufstockung
der Mittel für die Energiewende und den Klimaschutz, finanziert durch den
Abbau umweltschädlicher Subventionen. In den staatlichen Bad Banks hat die
Griechenland-Umschuldung zu milliardenschweren, unwiederbringlichen Wert-
verlusten geführt. Es muss endlich Offenheit und Transparenz zu den Kosten der

Drucksache 17/9963 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bankenrettung geschaffen werden. Der Nachtragshaushalt ist der richtige Zeit-
punkt und der richtige Anlass, reinen Tisch zu machen und die offensichtlichen
Verluste im Bundeshaushalt zu etatisieren. Die Bundesregierung und die Koali-
tionsfraktionen der CDU/CSU und FDP verweigern aber leider die Kenntnis-
nahme der Realität.

Die Schuldenkrise in Europa zeigt, wie wichtig eine echte wirtschafts- und
finanzpolitische Koordination in Europa und nachhaltige Staatsfinanzen sind.
Darüber hinaus braucht Europa eine europäische Investitionsinitiative, die eine
nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den Krisenländern ermöglicht. Da-
für sollte unter anderem die Europäische Investitionsbank (EIB) genutzt wer-
den. Die Bundesrepublik Deutschland hat bisher von ihrer Stellung als verläss-
liches Land profitiert. Aufgrund der Zinsentwicklung wird der Bundeshaushalt
deutlich entlastet – trotz steigender Verschuldung. Im Moment refinanziert sich
der Bund deshalb so günstig wie noch nie. Die Gesamtverschuldung des Bun-
des beträgt mittlerweile deutlich mehr als 1 Bio. Euro. Das bedeutet, dass bei
kleinen Veränderungen nach oben die Zinsbelastungen sofort stark ansteigen
können. Deswegen muss das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt schnell
und nachhaltig abgebaut werden.

Der Abbau ökologisch schädlicher Subventionen, z. B. durch die Abschaffung
des Dienstwagenprivilegs oder das Ende der Steuerbegünstigungen von Kerosin
gegenüber anderen Kraftstoffen, wäre eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung.
Es wäre aber auch ein ordnungspolitisches Signal für eine ökologische Neuaus-
richtung der Volkswirtschaft. Das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“
(EKF) widerspricht nicht nur den Haushaltsgrundsätzen von Klarheit und Wahr-
heit, sondern unterliegt auch einem erheblichen Einnahmerisiko durch sinkende
Zertifikatepreise, das die notwendigen Investitionen in Energie und Klimaschutz
gefährdet. Die Energiewende in der Bundesrepublik Deutschland stockt. Trotz
offensichtlicher Notwendigkeit für eine zügige Energiewende streitet sich die
Bundesregierung, anstatt sich mit vereinten Kräften für den Wechsel ein-
zusetzen. Auf europäischer Ebene blockiert die Bundesregierung die Energieef-
fizienzrichtlinie, in der Bundesrepublik Deutschland treibt sie mit neuen Sub-
ventionen für die Industrie die Kosten für das Erneuerbare-Energien-Gesetz für
Privatverbraucher in die Höhe. Wegen der undurchsichtigen Konstruktion als
Sondervermögen scheitert die Finanzierung des CO2-Gebäudesanierungspro-
gramms und anderer Maßnahmen aus dem Energie- und Klimafonds. Weil die
Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel einbrechen und der Fonds als Son-
dervermögen nicht dem Gesamtdeckungsprinzip unterliegt, fehlt jetzt das nötige
Geld, um Klimaschutz und Energiewende zu finanzieren. Stattdessen werden
weiterhin Milliarden für ökologisch schädliche Subventionen ausgegeben und
technische Innovationen verhindert.

II. Der Deutsche Bundestag wolle des Weiteren beschließen:

Der Nachtragshaushalt 2012 ist nicht nur zur Finanzierung der europäischen
Verpflichtungen zu nutzen, sondern auch zu einer nachhaltigen und gerechten
Haushaltskonsolidierung. Dies findet durch die Bundesregierung nicht statt.
Strukturelle und nicht nur konjunkturelle Verbesserungen der Haushaltslage
sind dringend erforderlich. Zur Finanzierung der Krisenkosten sollen eine Ver-
mögensabgabe für Millionäre und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt
werden.

Das Rettungspaket muss um eine europäische Investitionsinitiative ergänzt
werden. Der Nachtragshaushalt ist deshalb dazu zu nutzen, die EIB finanziell
zu stärken, um so stärkere Impulse für eine wirtschaftliche Entwicklung in den
Krisenländern zu ermöglichen. Zur Aufstockung des dafür notwendigen Eigen-

kapitals ist im Nachtragshaushalt durch ausreichende Verpflichtungsermäch-
tigungen Vorsorge zu treffen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9963

Der Nachtragshaushalt 2012 ist nicht nur zur Finanzierung der europäischen
Verpflichtungen zu nutzen; auch eine solide Finanzierung der Energiewende ist
erforderlich. Dies missachtet die Bundesregierung. Das Sondervermögen EKF
ist aufzulösen und die einzelnen Programme sind wieder in die federführenden
Fachressorts zurückzuführen. Umweltschädliche Subventionen mit einem Volu-
men von mindestens 7,5 Mrd. Euro (volle Jahreswirkung) sind abzubauen, z. B.
Ausnahmen bei der Ökosteuer. Das Dienstwagenprivileg ist weiterhin abzu-
schaffen, die Kerosinbesteuerung im Inland einzuführen. Die Einnahmen daraus
sind zu nutzen, um die Energiewende und den Klimaschutz solide zu finanzieren,
insbesondere durch einen Energiesparfonds im Umweltetat in Höhe von 3 Mrd.
Euro und durch eine Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms im
Einzelplan 12 auf 2 Mrd. Euro.

Der Nachtragshaushalt 2012 ist nicht nur zur Finanzierung der europäischen
Verpflichtungen zu nutzen; erforderlich ist auch eine offene und transparente
Darlegung der Verluste der verstaatlichten Banken durch die Abschreibung bei
der privaten Gläubigerbeteiligung zur Wiederherstellung der Schuldentrag-
fähigkeit vor dem zweiten Kredithilfeprogramm für Griechenland.

Berlin, den 12. Juni 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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