BT-Drucksache 17/9557

Keine Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 in Belarus

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9557
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Uta Zapf, Dagmar Freitag, Dr. h.c. Gernot Erler,
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher, Martin
Gerster, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Rolf Mützenich, Thomas Oppermann, Axel
Schäfer (Bochum), Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Katrin Göring-Eckardt,
Viola von Cramon-Taubadel, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln),
Agnes Brugger, Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 in Belarus

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Belarus werden grundlegende demokratische Freiheiten und Menschen-
rechte mit Füßen getreten. Das Regime wendet zunehmend diktatorische und
willkürliche Methoden zur Unterdrückung von Opposition und Zivilgesell-
schaft an.

Seit der brutalen Niederschlagung der Proteste gegen die Fälschung der Präsi-
dentenwahlen am 19. Dezember 2010 verfolgt das Regime in Belarus jegliche
Opposition mit unerbittlicher Härte. Hunderte Demonstranten wurden verhaf-
tet, die wichtigsten Oppositionsführer in Schauprozessen zu langjährigen Haft-
strafen verurteilt. Die Inhaftierten berichten über Misshandlungen und Folter,
um Bezichtigungen und Schuldeingeständnisse zu erpressen. Die Hinweise
über schlimme Haftbedingungen und den schlechten gesundheitlichen Zustand
der politischen Häftlinge Mikalaj Autuchowitsch, Ales Bjaljazki, Dsmitrij
Daschkewitsch, Sjarhej Kawalenka, Eduard Lobau, Pawal Sewjarijnez und
Mikalaj Statkewitsch geben Anlass zur Befürchtung, dass in der Haft an ihrer
physischen und psychischen Zerstörung gearbeitet wird. Die Opponenten des
Regimes sollen offenbar dauerhaft mundtot gemacht werden.

Im vergangenen Jahr hat das belarussische Regime eine Reihe von Gesetzes-
verschärfungen vollzogen, die den Druck auf Opposition, unabhängige Medien
und Zivilgesellschaft weiter verschärfen. So wurden jegliche ausländische Un-

terstützung von Privatpersonen und Organisationen, der Aufruf zu und die Teil-
nahme an nichtgenehmigten Versammlungen sowie das organisierte Nichtstun
unter Strafe gestellt. Die Möglichkeiten zur Anordnung psychiatrischer
Zwangsbehandlungen und Befugnisse des KGB wurden ausgeweitet. Der Ge-
heimdienst kann ohne richterliche Genehmigungen Durchsuchungen und Ver-
höre durchführen. Angeordnete Folter und Tötung durch den KGB wurde lega-

Drucksache 17/9557 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lisiert. Das Regime erstellt Listen Oppositioneller, Menschenrechtler und unab-
hängiger Journalisten, denen die Ausreise aus Belarus verweigert wird.

Nach dem Bombenanschlag auf die Minsker Metro im April 2011 wurden
zwei Männer des Attentats beschuldigt und vor Gericht gestellt. Wladislaw
Kowaljow und Dmitrij Konowalow wurden in einem Schauprozess zum Tode
verurteilt und hingerichtet. Es gibt begründete Zweifel an ihrer Schuld. Der
Prozess entbehrte jeglichen rechtsstaatlichen Standards. Das Todesurteil be-
ruhte auf Geständnissen, die durch Folter erpresst worden waren. Wladislaw
Kowaljow widerrief sein Geständnis im Prozess. Der Machthaber Aljaksandr
Lukaschenka lehnte ein Gnadengesuch ab. Trotz internationaler Proteste wur-
den die beiden Verurteilten hingerichtet. Die sofortige Vernichtung der Beweis-
mittel und die ungewöhnlich schnelle Hinrichtung deuten darauf hin, dass die
wahren Hintergründe des Attentats verschleiert werden sollten. Die Leichname
der Hingerichteten wurden den Angehörigen nicht übergeben und damit den
Familien ein Ort der Trauer verwehrt.

Bereits 1999 und 2000 verschwanden vier Oppositionspolitiker. Der Europarat
stellte 2004 in einem Bericht fest, dass vermutlich höchste Staatsebenen in die
Verschwundenenfälle Wiktar Gantschar, Anatol Krasauski, Jurij Sacharanka,
Dmitrij Sawadski verwickelt waren.

Der Deutsche Bundestag ist der Ansicht, dass das belarussische Regime kein
würdiger Gastgeber für die 2014 in Belarus geplante Eishockey-Weltmeister-
schaft ist. Belarus vollstreckt weiterhin als einziges Land in Europa die Todes-
strafe und stellt sich damit weit außerhalb des europäischen Konsenses zur
Ächtung dieser unmenschlichen und irreversiblen Bestrafung. Das Regime hat
das mit der Weltmeisterschaft verbundene internationale Prestige nicht ver-
dient. Als europäisches Land tragen wir besondere Verantwortung für unsere
Nachbarn in Belarus. Der Respekt vor den Opfern des brutalen Regimes gebie-
tet es, die Weltmeisterschaft in einem anderen Land als in Belarus auszutragen.

Der Deutsche Bundestag respektiert die Unabhängigkeit des Sports. Dennoch
kann der Sport seinen Einfluss geltend machen und ist in diesem Falle ge-
fordert, seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden. Der Deutsche
Bundestag bittet den Deutschen Eishockey-Bund und seinen Präsidenten Uwe
Harnos daher, sich auf dem IIHF-Kongress (IIHF: Internationale Eishockey-
Föderation) im Mai 2012 in Helsinki dafür einzusetzen, die Vergabe der Welt-
meisterschaft an Belarus zurückzunehmen. Der Deutsche Bundestag ist der
Auffassung, dass auch die große Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler sich
nicht gerne von einem Diktator auszeichnen lassen will.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich gegenüber dem Deutschen Eishockey-Bund und der Internationalen Eisho-
ckey-Föderation nachdrücklich dafür einzusetzen, die Eishockey-Weltmeister-
schaft 2014 nicht in Belarus austragen zu lassen.

Berlin, den 8. Mai 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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