BT-Drucksache 17/9070

Hartz-IV-Sonderregelung für unter 25-jährige abschaffen

Vom 21. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9070
17. Wahlperiode 21. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Diana Golze, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst,
Nicole Gohlke, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring,
Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma,
Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Hartz-IV-Sonderregelung für unter 25-Jährige abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Einführung von Hartz IV war ein historischer Fehler. Die repressive Aus-
gestaltung der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“, des Zweiten Buches So-
zialgesetzbuch (SGB II), ist grundlegend zu überwinden durch die Schaffung
einer sanktionsfreien und bedarfsdeckenden sozialen Mindestsicherung. Ein
kurzfristig umsetzbarer Schritt auf dem Weg zur Überwindung von Hartz IV ist
die Abschaffung der Sonderregelungen für junge Menschen bis zu 25 Jahren.

Das SGB II beinhaltet für junge Erwachsene ein nicht begründbares Sonder-
recht. Eine gezielte Förderung von jungen Menschen auf der Grundlage subjek-
tiver Rechte wäre als Beitrag zur Eingliederung der betroffenen Menschen zu
begrüßen; entsprechende gesetzliche Vorgaben bleiben aber weitgehend rheto-
rische Floskel. Das SGB II regelt den Umgang mit jungen erwerbsfähigen Leis-
tungsberechtigten vielmehr besonders repressiv: Volljährige Personen werden
nicht als Erwachsene mit individuellen Rechten behandelt, sondern als An-
hängsel der Bedarfsgemeinschaft, in der sie leben. Junge Erwachsene im Hartz-
IV-System beziehen aufgrund der 2006 vollzogenen Eingliederung in die elter-
liche Bedarfsgemeinschaft geringere Leistungen, sie werden strenger und häu-
figer mit Leistungskürzungen oder -streichungen sanktioniert und unterliegen
einem besonderen Genehmigungsvorbehalt für Wohnungsauszüge, der sie fak-
tisch in der elterlichen Bedarfsgemeinschaft „verhaftet“. Ab einem Alter von
15 Jahren gelten junge Menschen als erwerbsfähig. Sofern sie sich in Ausbil-
dung befinden, werden sie im Grundsatz von dem Bezug von SGB-II-Leistun-
gen ausgeschlossen; für Schülerinnen und Schüler fehlt eine ausdrückliche Be-
freiung von der Pflicht, eine Erwerbstätigkeit zu suchen (vgl. Uwe Berlit: Die
besondere Rechtsstellung der unter 25-Jährigen im SGB II, Teil 1 und 2, in:
info also 2/2011 und 3/2011).
Das Sondersystem für unter 25-jährige erwerbsfähige Leistungsberechtigte be-
trifft mit über 800 000 Personen annähernd 20 Prozent aller erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten, d. h. fast jede/jeder fünfte erwerbsfähige Leistungsbe-
rechtigte unterliegt einem verschärften Sondersystem innerhalb des SGB II
(Daten für August 2011).

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Ungleichbehandlungen nach dem Alter müssen plausibel gerechtfertigt werden.
Anderenfalls verstoßen Ungleichbehandlungen gegen das allgemeine Gleich-
behandlungsgebot des Artikels 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Die Alters-
grenze von 25 Jahren als Anknüpfungspunkt für Sonderregeln ist willkürlich
gewählt. Die schärfere Behandlung steht zudem in einem grundlegenden Wi-
derspruch zu den Einschätzungen der Kinder- und Jugendhilfe. Dieses Rechts-
gebiet geht von einer besonderen Entwicklungsphase aus, die eine besondere
Unterstützung und Förderung begründet statt der undifferenzierten Härte des
SGB II. Eine sachlich überzeugende Begründung für die rigiden Sonderbe-
handlungen im SGB II ist nicht erkennbar. Die Sonderbehandlungen sind nicht
nur schädlich für die Entwicklung junger Menschen zu selbstständigen Persön-
lichkeiten, sondern sie verstoßen im Grundsatz auch gegen das Diskriminie-
rungsvorbot des Artikels 3 GG.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

als ersten Schritt hin zu einer sanktionsfreien und bedarfsdeckenden Mindest-
sicherung umgehend einen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Sonderregelun-
gen für junge Menschen im SGB II vorzulegen, der insbesondere folgende
Aspekte umsetzt:

1. Die Einbeziehung erwachsener junger Menschen in die Bedarfsgemein-
schaft der Eltern ist aufzuheben. Das zivilrechtliche Unterhaltsrecht darf
grundsätzlich nicht durch sozialpolitische Bestimmungen ausgeweitet wer-
den.

2. Auf dem Weg zu einer komplett sanktionsfreien Mindestsicherung ist kurz-
fristig das Sanktionssondersystem für unter 25-Jährige erwerbsfähige Leis-
tungsberechtigte aufzuheben.

3. Der besondere Genehmigungsvorbehalt für Umzüge bei unter 25-Jährigen
ist abzuschaffen, die Beeinträchtigung der Verselbstständigung junger Men-
schen ist zurückzunehmen.

4. Die vollständige Sicherung des verfassungsgerichtlich anerkannten men-
schenwürdigen Existenzminimums ist auch für alle jungen Menschen in
Ausbildung zu garantieren. Solange und soweit die Ausbildungsförderung
gemäß BAföG bzw. die Berufsausbildungsbeihilfe diesen Anspruch nicht
erfüllt, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren.

5. Schülerinnen und Schüler sind ausdrücklich von der sogenannten Erwerbs-
sucheobliegenheit zu befreien.

6. Soweit die Forderungen zu einer finanziellen Mehrbelastung der Kommu-
nen führen, hat der Bund diese durch eine entsprechende Kostenbeteiligung
gegenüber den Ländern (und insbesondere unter Berücksichtigung des Arti-
kels 104a ff. GG) vollständig auszugleichen.

Berlin, den 21. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1. Bedarfsgemeinschaft
Das Bürgerliche Gesetzbuch erklärt eine Person mit Vollendung des 18. Le-
bensjahres für volljährig. Mit dem Status der Volljährigkeit erlangt eine Person
die volle Geschäftsfähigkeit. Der Status der Volljährigkeit ist auch für die An-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9070

rechte auf soziale Unterstützungsleistungen anzuerkennen. Mit der Einführung
von Hartz IV wurde dieser Grundsatz vorübergehend anerkannt. Erst 2006
wurde § 7 Absatz 3 SGB II dergestalt erweitert, dass dem gemeinsamen Haus-
halt angehörige unverheiratete Kinder bis zum 25. Lebensjahr der elterlichen
Bedarfsgemeinschaft zugerechnet werden. Der Leistungsanspruch der betroffe-
nen jungen Menschen reduzierte sich durch diese Gesetzesänderung von 100
Prozent auf 80 Prozent der Regelleistung. Die Bedarfsbestimmung von 80 Pro-
zent ist bis heute gültig und entbehrt unverändert jeglicher bedarfsorientierten
Begründung.

Die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft in der Grundsicherung ist grund-
sätzlich abzulehnen, weil sie dem Grundsatz widerspricht, dass Unterhaltsbe-
ziehungen nur durch das Zivilrecht geregelt werden sollten. Das Unterhalts-
recht darf nicht durch sozialrechtliche Regelungen erweitert werden. In diesem
Sinne dürfen auch die zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen von Eltern
gegenüber den im Haushalt lebenden unverheirateten Kindern nicht durch das
Sozialrecht erweitert werden.

2. Das Sanktionssystem für junge Erwachsene unter 25 Jahren

Sanktionen führen zu einer Unterschreitung des menschenwürdigen Existenz-
minimums und sind daher grundsätzlich abzuschaffen (Bundestagsdrucksache
17/5174). Das Sanktionssondersystem straft junge Erwachsene in besonderer
Weise. Die Kritik an den Sanktionen gilt daher bei jungen Erwachsenen in be-
sonderer Weise. Für das Sondersystem gibt es keinerlei Rechtfertigung. Mit
dem Ziel einer generellen Abschaffung aller Sanktionen in der Grundsicherung
ist kurzfristig das verfassungswidrige Sondersystem für junge Erwachsene zu
streichen.

Junge Erwachsene werden nach den Regeln des SGB II für tatsächliche oder
vermeintliche Pflichtverletzungen besonders drastisch sanktioniert. Bereits
nach der ersten Pflichtverletzung werden bei jungen Erwachsenen die Leistun-
gen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung reduziert. Bei einer weiteren
Pflichtverletzung entfällt auch noch diese (Rest-)Leistung. Junge Erwachsene
werden darüber hinaus gegenüber älteren Leistungsberechtigten deutlich häufi-
ger sanktioniert. Die sogenannte Sanktionsquote liegt bei jungen Menschen im
SGB-II-Leistungsbezug mit 4,9 Prozent gegenüber 3,2 Prozent bei allen SGB-
II-Leistungsberechtigten deutlich höher. Wird die Sanktionsquote auf die Zahl
der arbeitslosen Leistungsberechtigten bezogen, so wird die Diskrepanz mit
12,2 Prozent bei den jungen Erwachsenen gegenüber 4,6 Prozent bei allen
arbeitslosen Leistungsberechtigten noch deutlicher.

Das Sondersystem für die jungen Erwachsenen behandelt diese strenger als
sonstige Leistungsberechtigte. Eine besonders strenge Behandlung von jungen
Erwachsenen wäre verfassungsrechtlich allenfalls zulässig, wenn nachgewie-
sen werden könnte, dass die besonders harte Behandlung geeignet und erforder-
lich wäre, um einen legitimen Zweck (Eingliederung in den Arbeitsmarkt) zu
erreichen.

Dieser Nachweis scheitert aber bereits an den fehlenden Kenntnissen über die
tatsächlichen Wirkungen der Sanktionen; dies gilt generell, aber insbesondere
auch bei jungen Erwachsenen (vgl. die Stellungnahmen und Wortbeiträge fol-
gender Sachverständiger zur Anhörung des Ausschusses für Arbeit und So-
ziales am 6. Juni 2011: Deutscher Gewerkschaftsbund, Institut für Arbeits-
markt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA), Diako-
nisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V., Deutscher Verein
für öffentliche und private Fürsorge e. V., Klaus Lauterbach, Sara Schwarzlos,
Stephan Lessenich, Ausschussdrucksache 17(11)538 und Protokoll 17/67). Die

mit der Umsetzung des SGB II befassten Institutionen – BA, Kommunen bei
Optionskommunen – können keine Argumente für ein Sondersystem benennen

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(Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Protokoll 17/67,
S. 13 f.). Das Sondersystem für junge Erwachsene ist – so das IAB – weder ge-
eignet noch erforderlich, um das gesetzliche Ziel der Eingliederung von jungen
Menschen zu erreichen (IAB-Kurzbericht 102/2010). In der Stellungnahme zur
Ausschussanhörung führt das IAB folglich aus: „Die schärferen Sanktions-
regeln bei unter 25-Jährigen entbehren einer wissenschaftlichen Begründung
[…] Die Sanktionsregeln bei Jüngeren seien aber zu hart und wenig zielfüh-
rend. So trügen sie allenfalls zur Aufnahme von unqualifizierter und prekärer
Erwerbsarbeit bei, kaum aber zur nachhaltigen Integration junger Menschen ins
Erwerbsleben“ (IAB, Ausschussdrucksache 11(11)538, S. 11).

Explorative Studien belegen im Gegenteil massive soziale Verwerfungen –
vom Kontaktverlust zur Behörde über Verschuldung bis hin zu Wohnungslosig-
keit – als Folgen der Sanktionen. Dies gilt insbesondere für junge Menschen
unter 25 Jahren. Sanktionen zwingen die betroffenen Personen in einen Überle-
benskampf, der das Ziel der sozialen Eingliederung systematisch konterkariert
(vgl. etwa: Anne Ames: Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen nach
§ 31 SGB II, NDV 3/2100, S. 11 ff.; Susanne Götz u. a.: Sanktionen im SGB II.
Unter dem Existenzminimum, IAB-Kurzbericht 10/2010; Berliner Kampagne
gegen Hartz IV: Wer nicht spurt, kriegt kein Geld, Sanktionen gegen Hartz-IV-
Beziehende. Erfahrungen, Analysen, Schlussfolgerungen, Berlin 2008).

Es fehlt somit nicht nur an einer sachlichen Rechtfertigung für ein Sanktionsson-
dersystem, sondern es liegen zahlreiche Hinweise vor, dass die Sanktionen sys-
tematisch zu sozialen Verwerfungen führen, die das gesetzliche Integrationsziel
konterkarieren. Eine verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung muss
daher zu dem Schluss kommen, dass die Sanktionsregeln für die jungen Erwach-
senen „nicht nur mit dem Grundgesetz unvereinbar, sondern nichtig sind“ (Uwe
Berlit: Die besondere Rechtsstellung der unter 25-Jährigen im SGB II, Teil 1
und 2, in: info also, 2/2011, S. 59 ff., Teil 1, und 3/2011, S. 124 ff., Teil 2, hier
S. 126, vgl. auch schon ders.: Kommentierung zu § 31 SGB II, in: Johannes
Münder – Hg. –: Lehr- und Praxiskommentar SGB II, 2. Aufl. 2007, Rn. 17 sowie
Sofia Davilla: Die schärferen Sanktionen im SGB II für Hilfebedürftige unter
25 Jahren – ein Plädoyer für ihre Abschaffung, in: Sozialgesetzbuch 2010, S. 557
bis 564).

3. Genehmigungsvorbehalt bei Wohnungsauszug

Die Möglichkeit eines Auszuges junger Menschen bis zu ihrem 25. Geburtstag
aus der elterlichen Wohnung wird durch § 22 Absatz 5 SGB II gesetzlich einge-
schränkt. Der Gesetzgeber verpflichtet den kommunalen Träger durch das „Ge-
setz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“
vom 24. März 2006 lediglich zur Zusicherung, wenn die oder der Betroffene
aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder
eines Elternteils verwiesen werden kann, der Bezug der Unterkunft zur Einglie-
derung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder ein sonstiger, ähnlich schwer-
wiegender Grund vorliegt. Diese erhebliche Verschärfung kommt einem fak-
tischen Auszugsverbot erwerbsloser junger Menschen, die volljährig und noch
nicht 25 Jahre alt sind, gleich.

Der Genehmigungsvorbehalt ist grundsätzlich abzulehnen, weil nicht nachvoll-
ziehbar ist, warum volljährige Menschen nicht aus freien Stücken einen eige-
nen Hausstand gründen dürfen. Die „Verhaftung junger Volljähriger in der fa-
miliären Bedarfsgemeinschaft“ (Peter Schruth: Zur Rechtsqualität des § 22 Ab-
satz 2a SGB II für junge Volljährige mit Verselbständigungsbedarf, Berlin
2008, S. 4) kann aber darüber hinaus gravierende Auswirkungen haben. Das fa-
miliendynamische Konfliktpotential wird erheblich verstärkt; junge Volljäh-

rige, die es zu Hause trotz der verweigerten Auszugsgenehmigung nicht länger
aushalten, davonlaufen und prekäre Bedingungen eines Lebens auf der Straße

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9070

oder im Mitwohnen (bei Bekannten) notgedrungen vorziehen, sind in ihrer
Existenz gefährdet. Zudem kann es durch familiäre Konflikte zu schulischen
und ausbildungsbezogenen Abbrüchen kommen oder es werden zweifelhafte
Auswege zur Begründung von Ausnahmen einer zu erwartenden verweigerten
Auszugsgenehmigung gesucht.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe e. V. beobachtet
seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Wohnungslosigkeit von jungen
Menschen unter 25 Jahren. Als eine zentrale Ursache für diese Entwicklung
wird neben den drastischen Sanktionen auch das faktische Auszugsverbot im
SGB II genannt (www.bagw.de/presse/BAG_W-Information_U25.pdf).

Die langfristig wirkenden sozialen Kosten übersteigen die kurzfristig zu reali-
sierenden fiskalischen Einsparungen durch das faktische Auszugsverbot bei
weitem; insofern sprechen sowohl soziale als auch vernünftige Gründe für eine
Korrektur der Regelung.

4. Junge Menschen in Ausbildung

Junge Menschen in Ausbildung haben im Grundsatz keinen Anspruch auf SGB-
II-Leistungen. Diese Personen werden auf die besonderen Systeme der Ausbil-
dungsförderung verwiesen. Der ausschlaggebende Grund für die Regelung be-
steht darin, dass das SGB II keine Ausbildungsförderung übernehmen soll. Die-
ses System ist lediglich unter den Bedingungen nicht zu kritisieren, dass die
Ausbildungsförderung alle Leistungselemente des SGB II abdeckt. Dies ist in-
des nicht durchweg der Fall. Das menschenwürdige Existenzminimum ist aber
auf alle Fälle zu garantieren.

Das Ausbildungsfördersystem ist daher soweit auszubauen, dass in allen Fällen
zumindest das menschenwürdige Existenzminimum gesichert ist. Soweit dies
derzeit nicht gewährleistet ist, sind die entsprechenden Leistungen über das
SGB II zu garantieren.

5. Leistungsberechtigte in Schulen

Mit der Vollendung des 15. Lebensjahres wird ein junger Mensch nach dem Ge-
setz zum erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Immer wieder wird von Fällen
berichtet, in denen Schülerinnen und Schüler sich beim Jobcenter melden sollen.
Um grundsätzlich zu vermeiden, dass Schülerinnen und Schüler ab dem 15. Le-
bensjahr zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angehalten werden, statt ihre
schulische Ausbildung fortzusetzen und abzuschließen, ist deren Freistellung
von der sog. „Erwerbssucheobliegenheit“ ausdrücklich gesetzlich klarzustellen.

Die von der BA empfohlene Anerkennung von Schulbesuch als „sonstiger
wichtiger Grund“ nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 SGB II zur Befreiung von der
Erwerbssuche (vgl. Fachliche Hinweise der BA zu § 10 SGB II) ist nicht aus-
reichend, da hier kein gesetzlicher Rechtsanspruch der Betroffenen normiert
wird, sondern lediglich eine rechtlich nicht verbindliche Auslegungshilfe im
Einzelfall. Nach den Hinweisen der BA ist die Anerkennung zudem „auf be-
gründete Einzelfälle zu beschränken.“

6. Kostenbeteiligung des Bundes

Insbesondere durch eine Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts bei Woh-
nungsauszügen kommt es zu einer begrenzten Erhöhung der Anspruchsberech-
tigten für kommunal zu finanzierende Kosten der Unterkunft und Heizung. Um
sicherzustellen, dass die Kostenerhöhung nicht zu Lasten der Kommunen geht,
werden die zu erwartenden Mehrkosten durch eine Erhöhung der Bundesbetei-

ligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeglichen. Aufgrund der
verfassungsrechtlichen Vorgaben muss dies durch eine Erhöhung der Bundes-
beteiligung gegenüber den Ländern erfolgen.

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