BT-Drucksache 17/9036

Neuen Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen zurücknehmen

Vom 21. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9036
17. Wahlperiode 21. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Markus Kurth, Viola von Cramon-Taubadel, Katrin
Göring-Eckardt, Memet Kilic, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Brigitte Pothmer,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Josef Philip Winkler, Kerstin Andreae, Marieluise
Beck (Bremen), Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger,
Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Tom Koenigs,
Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neuen Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen zurücknehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die schwarz-gelbe Bundesregierung legte im Dezember 2011 einen Vorbehalt
gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) ein. Hiernach soll Zuwande-
rinnen und Zuwanderern aus 14 EU-Ländern sowie Norwegen, Island und der
Türkei, die ausschließlich zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, fortan
kein Anspruch mehr auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Hilfen zur Überwin-
dung besonderer sozialer Schwierigkeiten (Achtes Kapitel SGB XII) zustehen.
Ein solch weit reichender Vorbehalt verstößt gegen den Kern des EFA, wonach
allen Angehörigen der Unterzeichnerstaaten dieselben Fürsorgeleistungen zur
Verfügung zu stellen sind wie den eigenen Staatsangehörigen und kommt mithin
einer Teilkündigung gleich.

Die Bundesagentur für Arbeit hat derweil entsprechend reagiert und am 23. Fe-
bruar 2012 eine Geschäftsanweisung erlassen, die den Angehörigen der EFA-
Staaten mit sofortiger Wirkung die angezeigten Leistungen untersagt.

Auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Markus Kurth (Bundestagsdruck-
sache 17/8699, Antwort der Bundesregierung zu Frage 60) begründete die Bun-
desregierung diesen Schritt mit der Ungleichbehandlung von Unionsbürgerin-
nen und -bürgern gegenüber Angehörigen der EFA-Staaten. So hätten
arbeitsuchende Angehörige aus Ländern der Europäischen Union im Gegensatz
zu Angehörigen aus EFA-Staaten keinen Anspruch auf SGB-II-Leistungen.
Künftig sollten daher ausnahmslos alle Staatsangehörigen, die sich allein zum
Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, vom Leistungsausschluss be-
troffen sein.
Die Bundesregierung hat mit der Einlegung des Vorbehalts einen zentralen und
wichtigen Grundsatz – die gegenseitige europäische Solidarität – angegriffen.
Dies ist ein europapolitisch verheerendes Signal. Denn anstatt, wie überwiegend
in der Literatur vertreten, die hiesige Sozialgesetzgebung europarechtskonform
auszugestalten, um allen ernsthaft und nachweislich arbeitsuchenden Unions-
bürgerinnen und -bürgern entsprechende SGB-II-Leistungen zukommen zu
lassen, nimmt die Bundesregierung nun eine Anpassung nach unten vor.

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Dieser Schritt ist das Gegenteil einer allgemein angestrebten Willkommenskultur
zur Anwerbung qualifizierter Fachkräfte. Es entbehrt dabei jeglicher Grundlage,
den grundsätzlichen SGB-II-Anspruch für alle arbeitsuchenden Unionsbürge-
rinnen und -bürger mit einer Einladung zur Einwanderung in die Sozialsysteme
gleichzusetzen. So hat sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA)
die Zahl der arbeitsuchenden Ausländerinnen und Ausländer trotz des Urteils
des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2010 und der seit Mai 2011 geltenden
Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht verändert. Rund 10 000 Personen einschließ-
lich Familienangehörige kommen monatlich zur Arbeitssuche nach Deutsch-
land. Auch die Zahl der Anträge auf Arbeitslosengeld II liegt unterhalb der
Wahrnehmungsgrenze, so eine BA-Sprecherin (Berliner Zeitung vom 9. März
2012). Vermutlich handelte es sich um einige Hundert Fälle.

Die Bundesregierung hat es außerdem versäumt, den Bundestag und den Bun-
desrat von der Einlegung des Vorbehalts zu unterrichten. Dies beeinträchtigt die
beiden gesetzgebenden Organe in der Erfüllung ihrer von der Verfassung zuge-
wiesenen Aufgaben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen betreffend Leistungen
nach dem SGB II zurückzunehmen,

2. sich im Rahmen des Europarates und der Europäischen Union dafür einzuset-
zen, allen arbeitsuchenden Unionsbürgerinnen und -bürgern einen Anspruch
auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewäh-
ren und

3. den Deutschen Bundestag künftig bei Einlegung entsprechender Vorbehalte
rechtzeitig vorher zu informieren.

Berlin, den 20. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Mitglieder des Europarates hatten sich im Jahr 1953 zum Ziel gesetzt, die
Zusammenarbeit der Mitglieder auf das soziale Gebiet auszudehnen und mithin
die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen ihrer Länder auf dem Gebiet der
Fürsorgegesetzgebung festzulegen (siehe BGBl. II 1956, S. 564). Mit der An-
nahme des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) haben sich die unterzeich-
nenden Staaten – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – völkerrecht-
lich dazu verpflichtet, Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien ohne
ausreichende Mittel und bei erlaubtem Aufenthalt dieselben Leistungen der So-
zial- und Gesundheitsfürsorge zur Verfügung zu stellen wie ihren eigenen
Staatsangehörigen.

Die Bundesregierung hat im Hinblick auf die Einführung des SGB II und
SGB XII ihrer Pflicht nach Artikel 16 des Europäischen Fürsorgeabkommens
(EFA) sechs Jahre lang nicht genügt, dem Europarat relevante Änderungen in der
Sozialgesetzgebung mitzuteilen. Dieser Pflicht ist sie verspätet erst im Dezember
letzten Jahres nachgekommen. Dabei hat sie es jedoch nicht bewenden lassen.
Sie hat zugleich Vorbehalte zum SGB II und SGB XII eingelegt. Der Vorbehalt

zum SGB XII wiederholt dabei inhaltlich nur die schon zum Bundessozialhilfe-
gesetz (BSHG) abgegebene Erklärung, dass auf einen ganz spezifischen und

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kleinen Teil des Leistungsspektrums der SGB-XII-Leistungen (Überwindung
besonderer sozialer Schwierigkeiten) das Gebot, Angehörige der anderen Ver-
tragsstaaten gleich zu behandeln, nicht angewendet werden soll. Für das SGB II,
das für große Teile der Leistungsberechtigten (Erwerbsfähige) an die Stelle der
Sozialhilfe getreten ist, hat sie jedoch folgenden Vorbehalt eingelegt:

„Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflich-
tung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeit-
suchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staats-
angehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen
Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden.“

Damit negiert die Bundesregierung den Grundsatz der Gleichbehandlung von
Staatsangehörigen der Vertragsstaaten im Bereich des SGB II vollständig. Zu
diesem bedeutsamen europapolitischen Vorgang, den die Bundesregierung in
aller Stille (ohne Information von Parlament und Öffentlichkeit) vollzogen hat,
hat die Bundesregierung auf Befragen des Abgeordneten Markus Kurth ihre
Motivation des Vorgehens und ihre Einschätzung der Auswirkungen erläutert
(Bundestagsdrucksache 17/8699, Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 60
und 61). Die Einlegung des Vorbehaltes sei in Reaktion auf eine Entscheidung
des Bundessozialgerichts (BSG) vom Oktober 2010 erfolgt (gemeint ist wohl
die Entscheidung vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10), die einen gesetz-
lichen Leistungsausschluss wirkungslos gemacht habe. Außen- und europa-
politisch sei die Bedeutung der Sache gering. Der Ausschluss von der Gleich-
behandlung sei auch nötig gewesen, „um die Schlechterstellung von Unions-
bürgern zu vermeiden, die nicht zugleich Staatsangehörige eines EFA-Vertrags-
staates sind“. Im Übrigen kämen für die vom Ausschluss betroffenen Personen
„Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Betracht“. Diese Be-
gründung der Bundesregierung für ihr Handeln ist falsch, auch weil ihre Analyse
der Situation und der Folgen von schwerwiegenden Fehlannahmen ausgeht.

Es wiegt europapolitisch schwer, wenn sich die Bundesregierung pauschal für
einen großen Bereich der Sozialpolitik vom Grundsatz der Gleichbehandlung
von bestimmten Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europarates – die
weit überwiegend zugleich Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind – ver-
abschiedet. Dies ist ein Bruch mit der im Rahmen des europäischen Zusammen-
wachsens normalen europäischen Solidarität, die jedenfalls die antragstellende
Fraktion weiterbefördern und nicht beschränken oder zurückdrehen will. Soli-
darität muss nicht nur gegenüber den Staaten, sondern auch gegenüber den Men-
schen Europas gelten. Ein Integrationsrückschritt im Bereich der Sozialpolitik
kann daher, anders als die Bundesregierung meint, keine Sache von geringer Be-
deutung sein. Die Bundesregierung verstärkt mit diesem Vorgehen das Bild, dass
sie Europa nicht als immer engere Gemeinschaft gleichberechtigter Menschen
und Völker sieht.

Die Darlegung der Bundesregierung, der Vorbehalt sei nötig gewesen, um eine
Schlechterstellung (anderer) Unionsbürgerinnen und -bürger zu verhindern, ist
schon im Ansatz verfehlt. Wenn es der Bundesregierung darum gegangen wäre,
eine Schlechterstellung anderer Unionsbürgerinnen und -bürger zu verhindern,
so hätte sie eine Gleichstellung dieser – aus ihrer Sicht – bisher nicht begünstig-
ten Gruppen erwägen müssen. Das Unionsrecht schließt eine Gleichstellung von
Unionsbürgerinnen und -bürgern jedenfalls nicht aus. Vielmehr spricht viel da-
für, dass es gerade auch in der vom BSG entschiedenen Konstellation eine
Gleichstellung gebietet. Das BSG hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

Der Kläger war mit einem Anspruch auf französisches Arbeitslosengeld ein-
gereist, das in Deutschland ausgezahlt wurde (Formular E 303). Er hatte hier
danach mehrere Monate gearbeitet und – nachdem er unverschuldet arbeitslos

geworden war – sogar Versuche gemacht die Existenz als Selbständiger zu
sichern. Gerade auch dieser Sachverhalt bietet nach der Rechtsprechung des

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Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinreichende Anhaltspunkte, um den Arbeit-
nehmerstatus und damit den Anspruch auf Gleichbehandlung nicht nur auf das
EFA, sondern auch auf das Unionsrecht zu stützen. Zwar hat das Bundessozial-
gericht die Leistungsberechtigung im Hinblick auf eine Regelung im Freizügig-
keitsgesetz und in der zu Grunde liegenden Richtlinie mit sehr kurzer Begrün-
dung abgelehnt: mit den sich anschließenden unionsrechtlichen Fragen hat das
BSG sich – wohl auch weil es den Anspruch auf Grund des EFA bejahte – jedoch
nicht vertieft beschäftigt. Um eine Vorlage an den EuGH wäre das BSG jeden-
falls kaum herumgekommen, wenn es die Ansprüche hätte ablehnen wollen.
Zwar nehmen einige Landessozialgerichte und Sozialgerichte eine gemein-
schaftsrechtskonforme Auslegung des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II vor und be-
jahen einen entsprechenden SGB-II-Anspruch. Eine Mehrzahl der Sozialgerichte
aber hält die Frage der sozialrechtlichen Stellung arbeitsuchender Unionsbürge-
rinnen und -bürger nach wie vor für ungeklärt. Sie gewähren daher nur abhängig
von der konkreten Notlage „unabweisbare Leistungen“ als reduzierten Regel-
satz nach dem SGB II oder SGB XII.

Insgesamt bestehen gute Gründe anzunehmen, dass den Unionsbürgerinnen und
-bürgern in wesentlichen Bereichen auch Ansprüche auf Gleichbehandlung aus
dem Unionsrecht zur Verfügung stehen. Die – schon im Ansatz verfehlte – Be-
hauptung der Bundesregierung, sie wolle Unionsbürgerinnen und -bürger nicht
schlechter stellen, trägt auch aus diesem Grunde nicht.

Verfehlt ist die Beschreibung der (rechtlichen) Folgen für die Betroffenen, die
die Bundesregierung gibt. Danach sollen für die betroffenen Unionsbürgerinnen
und -bürger „Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Betracht“
kommen. Dieser Behauptung fehlt jeglicher Anhalt im Gesetz und damit jede
rechtliche Substanz. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nennt in § 1
abschließend die „Leistungsberechtigten“. Unionsbürgerinnen und -bürger, die
„ein (unionsrechtliches) Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeits-
suche“ haben, sind dort nicht genannt. Leistungen auf der Grundlage des AsylbLG
könnten daher nur entgegen den gesetzlichen Bestimmungen gewährt werden.
Den Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG hielt die Bundesregierung ver-
mutlich deshalb für erforderlich, weil selbst sie es für kaum erträglich halten
dürfte, dass sich Unionsbürgerinnen und -bürger zwar einerseits legal in
Deutschland aufhalten dürfen, ihnen aber andererseits keinerlei Unterstützung
gewährt wird. Diesen Zustand hätte die Bundesregierung bei Festhalten an ihrer
Auffassung, dass die Betroffenen nicht auch sozialrechtlich vom Unionsrecht
begünstigt sind, nur dann vermeiden können, wenn sie Ansprüche nach dem
SGB XII bejaht hätte. Eine solche Auslegung wäre – jenseits der unionsrecht-
lichen Argumente – jedenfalls heute geboten, da durch die Änderung der
schwarz-roten Bundesregierung im Jahr 2006 in § 23 SGB XII klargestellt wurde,
dass auch Ausländerinnen und Ausländer, „deren Aufenthaltsrecht sich allein
aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt“, grundsätzlich in den Anwendungsbe-
reich des SGB XII fallen (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/2711, S. 10). Ihr
Leistungsanspruch kann allenfalls nach § 23 Absatz 3 SGB XII gekürzt werden.

Das Einlegen des Vorbehaltes ist auch im Hinblick auf das Völkerrecht nicht be-
denkenfrei. Zwar lässt das EFA auch bei Mitteilung von Neuregelungen im na-
tionalen Recht, die Einlegung von Vorbehalten zu (Artikel 16 Buchstabe b Satz 2
EFA). Vorbehalte sind nach Artikel 19 der Wiener Vertragsrechtskonvention
jedoch völkerrechtswidrig, wenn sie mit „Ziel und Zweck des Abkommens
unvereinbar sind“. Kern des EFA ist aber die Gleichbehandlung im Bereich der
Fürsorgeleistungen. Deshalb bestehen Zweifel, ob es mit Ziel und Zweck des
Abkommens vereinbar sein kann, das Gleichbehandlungsgebot des Abkom-
mens durch Einlegen von Vorbehalten nicht nur punktuell für einige besondere
Leistungen oder spezielle Personengruppen, sondern generell für die zentrale

Fürsorgeleistung und die allermeisten Betroffenen auszuschließen. So liegt der
Fall hier. Denn nach Ablösung des BSHG ist die zentrale deutsche Fürsorgeleis-

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tung die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, zu dem der Vor-
behalt erklärt wurde. Dass das zentrale Gleichbehandlungsgebot des EFA im
gesamten Bereich der wichtigsten und umfangreichsten deutschen Fürsorgeleis-
tungen (SGB II) nicht mehr anwendbar sein soll, greift mithin seinen Sinn und
Zweck an. Eine (Teil-)Kündigung statt der Einlegung des Vorbehalts hätte das
Ziel der Bundesregierung jedenfalls klarer zum Ausdruck gebracht.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Vorbehalt auch zu einer Verschiebung
von Kosten zwischen Bund und Kommunen führt. Denn das SGB II wird anders
als das SGB XII und das Asylbewerberleistungsgesetz vom Bund finanziert.
Soweit SGB-II-Leistungen versagt werden, geht dies zu Lasten der Länder und
insbesondere der Kommunen, da der Aufenthalt der betroffenen Unionsbürge-
rinnen und -bürger regelmäßig nicht beendet werden kann und Länder und ins-
besondere die Kommunen die Finanzierungslast der anderen in Frage kommen-
den (dazu näher oben) Leistungen trifft.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Bundesregierung dadurch, dass sie den
Deutschen Bundestag nicht rechtzeitig vor der Einlegung des Vorbehaltes in-
formiert hat, auch das in der Staatspraxis grundsätzlich anerkannte Recht des
Deutschen Bundestages auf eine derartige Information verletzt hat (vgl. Fasten-
rath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 234
und dort abgedruckte Leitsätze des Rechtsausschusses des Deutschen Bundes-
tages zu den mit völkerrechtlichen Verträgen zusammenhängenden Rechtsfragen
vom 7. und 8. Juni 1977). Schon aus dem Grundsatz der Organtreue wird man
daher in derartigen Konstellationen eine Pflicht der Bundesregierung ableiten
müssen, die Gesetzgebungsorgane rechtzeitig vor Einlegung des Vorbehaltes zu
informieren, damit diese gegebenenfalls entsprechende Gegenmaßnahmen ein-
leiten können.

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