BT-Drucksache 17/8023

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/7374, 17/7993 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation

Vom 30. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8023
17. Wahlperiode 30. 11. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Caren Lay, Karin Binder, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert,
Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/7374, 17/7993 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation wird
einem modernen Informationsrecht für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht
gerecht. Viel zu spät greift er einige Forderungen von Verbraucherverbänden
und aus parlamentarischen Initiativen auf (Bundestagsdrucksachen 16/5975,
16/12847, 17/1576). Hierzu zählen eine allgemeine Abwägungsklausel zwi-
schen Verbraucher- und Geheimhaltungsinteressen, das leichtere Antragsver-
fahren, der Wegfall der verpflichtenden Anhörung von Unternehmen, und dass
Entscheidungen über die Informationsherausgabe bei Rechtsverstößen sofort
vollzogen werden können. Es ist bedauerlich, dass erst der Dioxin-Skandal im
Januar 2011 die Bundesregierung zu einer zögerlichen Reform der Verbraucher-
informationsrechte veranlasste, obwohl viele Mängel bereits bei Verabschie-
dung des Gesetzes bekannt waren.

Notwendig ist eine demokratische Informationskultur statt amtlicher Geheim-
niskrämerei. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen gegenüber der Wirt-
schaft gleichgestellt werden. Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) muss zu
einem Hilfsmittel für den umfassenden Informationsanspruch der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher weiterentwickelt werden. Es ist daher in keiner Weise
nachzuvollziehen, warum Dienstleistungen in dieser Novelle vom Anwen-
dungsbereich des VIG weiter ausgeklammert werden. Die Ausweitung des VIG
von Lebensmitteln auf Produkte wie Kinderspielzeug und Elektrogeräte ist ein

richtiger, aber viel zu beschränkter Schritt. Gerade bei Finanzdienstleistungen,
in der Energieversorgung, in der Telekommunikation sowie bei Mobilität/Trans-
port haben Verbraucherinnen und Verbraucher mit den größten Problemen in
undurchsichtigen, teilweise gezielt verschleierten Märkten zu kämpfen. Bedauer-
licherweise wird auch die proaktive Information durch Behörden nicht zur
Pflicht gemacht. Darüber hinaus wurden wichtige Regelungen aus den ersten

Drucksache 17/8023 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwürfen wieder gestrichen. Das betrifft die Beschwerdemöglichkeit beim
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ebenso
wie eine Informationspflicht der Unternehmen über ihre ökologischen und
sozialen Standards in der Produktionskette. Außerdem konterkarieren die Ab-
lehnungsmöglichkeiten von Informationsanträgen sowie die Möglichkeit einer
unbegrenzten Gebührenerhebung einen effektiven Verbraucherschutz. Diese
Mängel verdeutlichen, dass der Gesetzentwurf nur das deutsche Amts- und
Aktengeheimnis sichert und den internationalen Standard an Informationsfreiheit
ohne soziale Ausgrenzung und Markttransparenz nicht erfüllt.

Der Deutsche Bundestag bedauert, dass die Bundesregierung mit dieser Geset-
zesnovelle nicht die Gelegenheit nutzt, rechtssichere Grundlagen für die von
den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewünschte bundesweite Einführung
eines Kontrollbarometers zu schaffen. Am 19. Mai 2011 hatte die Verbraucher-
schutzministerkonferenz beschlossenen, ein bundeseinheitliches Modell zur
Transparentmachung der Kontrollergebnisse von Lebensmittelunternehmen
einzuführen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Verbraucherinformationsgesetz wie folgt zu ändern:

● Das Gesetz ist zu einem umfassenden Informationsrecht zu allen verbrau-
cherrelevanten Fragen weiterzuentwickeln. Dafür muss die Anwendung
des Gesetzes auf alle Produkte, Erzeugnisse und Dienstleistungen, insbe-
sondere auf die Finanzdienstleistungsmärkte erweitert werden. In diesem
Kontext ist ein grundsätzliches Auskunftsrecht gegenüber der Finanzauf-
sicht einzuführen.

● Es ist ein direkter Auskunftsanspruch von Verbraucherinnen und Ver-
brauchern gegenüber privaten Unternehmen aufzunehmen. Darunter fal-
len auch Informationspflichten über die ökologischen und sozialen Stan-
dards ihrer Arbeits- und Produktionsbedingungen.

● Die Abwägung zwischen Verbraucherinteressen und Geheimhaltungs-
interessen der Unternehmen ist zugunsten des Verbraucherschutzes zu
regeln. Auch Informationen, die auf Meldepflichten der Unternehmen
basieren, müssen unter das Abwägungsgebot fallen. Ferner sind Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse enger zu definieren und für diese eine Begrün-
dungspflicht durch die Unternehmen einzuführen.

● Es werden alle behördlichen und unternehmerischen Untersuchungs-
ergebnisse ohne Beschränkung auf Grenzwert- oder Höchstmengenüber-
schreitungen veröffentlicht.

● Informationszugänge für Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ge-
genüber Behörden generell kostenfrei und gegenüber Unternehmen kos-
tenfrei bzw. sozialverträglich ausgestaltet werden. Das Kostendeckungs-
prinzip ist aufzugeben.

● Die proaktive Information durch Behörden muss zur Regel werden. Be-
hörden müssen verpflichtet werden, die Öffentlichkeit eigeninitiativ und
routinemäßig auch ohne Auskunftsanträge nach festgelegten Standards
zu informieren.

● Es soll eine Instanz ähnlich dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit eingerichtet werden, die die Einhaltung der
Verbraucherinformationsrechte überwacht.

● Das Gesetz muss der Bedeutung von Verbraucherverbänden, Medien und

Bürgerinitiativen als Informationsvermittlern und Interessenvertretern für
Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht werden. Behörden dürfen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8023

Informationsanfragen nicht mit dem Hinweis, dass dadurch die Erfüllung
ihrer Aufgaben beeinträchtigt würde, ablehnen.

● Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird ergänzt um den Zweck, ein
Informationsgleichgewicht zwischen Verbraucherinnen und Verbrau-
chern einerseits und der Wirtschaft andererseits zu schaffen;

2. die §§ 40 und 40a (neu) im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch nach
folgenden Maßgaben zu regeln:

● Die gesetzlichen Hürden zur Veröffentlichung von Verstößen gegen Vor-
schriften zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesund-
heitsgefährdungen, ihrer Täuschung oder zur Einhaltung hygienischer
Anforderungen, wie ein zu erwartendes Bußgeld von mindestens
350 Euro, sind zu streichen.

● Warnmeldungen der europäischen Schnellwarnsysteme müssen zu einer
unverzüglichen aktiven Information der Öffentlichkeit durch die deut-
schen Behörden führen.

● Mit diesem Gesetzentwurf die gesetzliche Grundlage für die bundesweit
einheitliche Einführung einer Hygienekennzeichnung nach dem Vorbild
des dänischen Lebensmittel-Smileys zu schaffen.

Berlin, den 29. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.