BT-Drucksache 17/7187

Kinderrechte stärken

Vom 28. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7187
17. Wahlperiode 28. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Katja Dörner, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Tom Koenigs, Agnes Krumwiede, Monika Lazar,
Agnes Malczak, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Tabea Rößner, Krista
Sager, Till Seiler, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kinderrechte stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als die Vereinten Nationen am 20. November 1989 in der Vollversammlung das
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention –
UN-KRK) einstimmig verabschiedeten, war dies ein Meilenstein in der Ge-
schichte der Kinderrechte. Seitdem wird jährlich am 20. November den Kinder-
rechten und der Lage der Kinder besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Konvention ist ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen, das die
Menschenrechte in ihrer für Kinder notwendigen Spezifik umfassend formuliert.
Als völkerrechtlich bindende Konvention ist die UN-Kinderrechtskonvention
keineswegs nur „ein wichtiger Leitfaden“ für die nationale Politik, sie enthält
vielmehr objektive und subjektive Rechte, deren Achtung und Umsetzung ein
rechtsstaatliches Gebot sind (Artikel 25 des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland).

Die UN-Kinderrechtskonvention ist auch international von großer Bedeutung.
Sie ist das am häufigsten ratifizierte UN-Abkommen. Mit Ausnahme der USA
und Somalias sind alle anderen Staaten diesem Abkommen beigetreten.

Auch die EU-Grundrechtecharta sieht ausdrücklich eigenständige Rechte für
Kinder vor und macht Kinder zu subjektiven Rechtsträgern. Nach Artikel 24
Absatz 1 der Grundrechtecharta haben Kinder – ebenso wie gemäß der UN-Kin-
derrechtskonvention – Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr
Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Mei-
nung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und
ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt. Absatz 2 des Artikels
betont außerdem deutlich den Vorrang des Kindeswohls bei allen sie betreffen-
den Maßnahmen.

Die UN-Kinderrechtskonvention definiert Kinder als Menschen, die das 18. Le-

bensjahr noch nicht abgeschlossen haben. Sie stellt nicht nur die Wichtigkeit und
den Wert von Kindern und deren Wohlbefinden heraus, sie legt mit ihren 54 Ar-
tikeln vielmehr wesentliche Standards für den Umgang mit Kindern weltweit
fest. Die elementaren Grundsätze, auf denen die Konvention beruht, beinhalten
die vorrangige Beachtung des Kindeswohls, das Überleben und die Entwick-
lung, die Nichtdiskriminierung, die Wahrung der Interessen der Kinder sowie
deren Beteiligung.

Drucksache 17/7187 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland im Jahr
1992 hat sich in den darauf folgenden Jahren zunehmend ein Kinderrechteansatz
etabliert. Zahlreiche gesetzliche Reformen wie zum Beispiel die Einführung des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII),
die Reform des Kindschaftsrechts oder die Einführung des Gesetzes zur Äch-
tung der Gewalt in der Erziehung gehen auch auf die UN-Kinderrechtskonven-
tion zurück.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist in Deutschland noch nicht vollständig um-
gesetzt. Der Deutsche Bundestag stellt daher fest, dass die Umsetzung der UN-
Kinderrechtskonvention wie auch die Schaffung einer kindgerechten Welt eine
ständige Herausforderung und Aufgabe ist. Anlässlich des 20. Jahrestages der
UN-Kinderrechtskonvention (2009) hatte das Deutsche Kinderhilfswerk e. V.
1 026 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 15 Jahren zu Bekanntheit
und Inhalten der UN-Kinderrechtskonvention sowie zu ihren persönlichen
Einschätzungen, was Rechte von Kindern angeht, befragen lassen. Die Umfrage
lieferte zum Teil ernüchternde Erkenntnisse. Nur 46 Prozent der befragten Kin-
der und Jugendlichen haben eine Vorstellung, worum es bei der UN-Kinder-
rechtskonvention geht, nur 15 Prozent kennen den Begriff „UN-Kinderrechts-
konvention“. Handlungsbedarf ergibt sich aus der Tatsache, dass sich alle
Vertragsstaaten, also auch die Bundesrepublik Deutschland, in Artikel 42 der
Konvention verpflichten, die UN-Kinderrechtskonvention „durch wirksame
Maßnahmen bei Erwachsenen und Kindern allgemein bekannt zu machen“.

Der insgesamt positive Blick auf die Situation der Kinderrechte in Deutschland
wurde lange Zeit durch die Vorbehaltserklärung getrübt, die die Bundesrepublik
Deutschland bei der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1992
abgegeben hatte und die zur Folge hatte, dass die Schutzbedürftigkeit und das
Kindeswohl von Flüchtlingskindern nicht ausreichend Berücksichtigung fanden.
Nach der Rücknahme dieser Vorbehaltserklärung durch die Bundesregierung im
Mai 2010 und der offiziellen Mitteilung gegenüber dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen am 15. Juli 2010 ist der Weg frei gemacht worden für die
volle Gültigkeit insbesondere des in Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechts-
konvention festgelegten Grundsatzes: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder
betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der
sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen
getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu
berücksichtigen ist.“

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich die Rücknahme der Vorbehaltser-
klärung. Er stellt aber fest, dass die Rücknahme der Vorbehaltserklärung allein
nicht ausreicht. Es muss auch zu einer entsprechenden Anpassung einer Reihe
von Gesetzen im Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht kommen, damit die UN-
Kinderrechtskonvention für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland voll-
ständig umgesetzt wird (siehe Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Bundesrechtliche Konsequenzen aus der Rücknahme des deutschen Vorbehalts
gegen die UN-Kinderrechtskonvention ziehen“, Bundestagsdrucksache 17/
2138). Der Deutsche Bundestag begrüßt zudem die Ankündigungen der Bundes-
ministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, vor dem Deutschen
Bundestag, auf der Ebene der Justizministerkonferenz, mit den Ländern darüber
zu reden, welche Konsequenzen sich aus der Rücknahme der Vorbehalte ergeben
(Plenarprotokoll 17/39 vom 5. Mai 2010, S. 3747 C). Diese Ankündigungen hat
die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bisher nicht
umgesetzt.

Der unter der rot-grünen Bundesregierung 2005 initiierte Nationale Aktionsplan
„Für ein kindergerechtes Deutschland 2005 – 2010“ hatte in den vergangenen

Jahren zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und zur Stärkung der
Kinderrechte in Deutschland beigetragen. An seiner Erstellung waren erstmals

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7187

zahlreiche Fachverbände und Expertinnen und Experten intensiv beteiligt. Für
die Umsetzung waren in den Kapiteln des Aktionsplans bzw. in den Handlungs-
feldern umfassende und konkrete Arbeitsziele und Strategien beschrieben. Ein
Monitoringverfahren sollte die Umsetzung begleiten. Der Nationale Aktions-
plan endete mit Ablauf des Jahres 2010. Viele Ziele des Aktionsplans wurden
nicht erreicht bzw. sie haben nicht an Gültigkeit verloren. Eine Fortsetzung oder
Neuauflage des Aktionsplans ist daher dringend notwendig.

Hintergrund für die Erstellung des Nationalen Aktionsplans war der sog. Welt-
kindergipfel der Vereinten Nationen 2002 in New York. In dessen Rahmen
hatten sich die Vertragsstaaten verpflichtet, Nationale Aktionspläne, ggf. auch
regionale Aktionspläne entsprechend dem Abschlussdokument des Weltkinder-
gipfels, zu erstellen. Diese sollten eine Reihe konkreter termingebundener und
messbarer Ziele und Vorgaben enthalten. Nationale Aktionspläne, so wurde im
Abschlussdokument weiter ausgeführt, würden sich jedoch nur dann als wirk-
sam erweisen, wenn ihre Umsetzung auch gewissenhaft überprüft werde. Eine
derartige Evaluierung hat jedoch nicht stattgefunden. Insgesamt braucht
Deutschland ein verbindliches Monitoringsystem zur Umsetzung der Kinder-
rechte.

Nach Artikel 44 der UN-Kinderrechtskonvention sind die Vertragsstaaten ver-
pflichtet, dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes über den Generalsekre-
tär der Vereinten Nationen in regelmäßigen Abständen Berichte über die Maß-
nahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten
Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte vorzulegen.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes kommentiert und bewertet die
Staatenberichte in seinen „Abschließenden Beobachtungen“ (Concluding Ob-
servations). Seit 1995 rät der UN-Ausschuss der Bundesregierung, die Einrich-
tung eines permanenten und effektiven Koordinationsinstrumentariums für die
Rechte des Kindes auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu prüfen.
Überlegungen sollten ebenso zur Entwicklung eines Auswertungs- und Über-
prüfungssystems für alle Bereiche, die von der UN-Kinderrechtskonvention er-
fasst sind, angestellt werden.

In Bezug auf den sog. zweiten Staatenbericht hat der Ausschuss Deutschland
ermutigt, die Einrichtung einer unabhängigen Menschenrechtsinstitution auf
Bundesebene in Erwägung zu ziehen, um die Fortschritte der Umsetzung des
Übereinkommens auf Bundes- und Kommunalebene zu überwachen und zu be-
werten. Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss, diese Institution mit ausrei-
chenden personellen, technischen und finanziellen Ressourcen auszustatten und
sie mit der Befugnis zu erteilen, Beschwerden über Kindesrechtsverletzungen
entgegenzunehmen und in kindgerechter Art und Weise zu untersuchen sowie
diese Beschwerden effektiv zu bearbeiten.

Auch hatte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Deutschland wieder-
holt aufgefordert, die Aufnahmen der Rechte von Kindern in das Deutsche
Grundgesetz zu prüfen.

Kinder genießen in Deutschland alle in der Verfassung formulierten Menschen-
rechte. In Artikel 6 des Grundgesetzes werden sie sogar erwähnt, allerdings ver-
mittelt die Formulierung den Eindruck, dass sie nicht als Subjekte im Mittel-
punkt der sie betreffenden Handlungs- und Entscheidungsprozesse stehen. Den
Kindern wird nur eine passive Rolle im Bereich von Fürsorge und Erziehung zu-
gesprochen.

Seit Verabschiedung des Grundgesetzes hat sich die Stellung der Familie in der
Gesellschaft ebenso gewandelt wie das „Bild vom Kind“. Die Einsicht in die
Notwendigkeit einer Stärkung der Kinderrechte ist durch wichtige Entscheidun-

gen des Bundesverfassungsgerichts vorgezeichnet (BVerfGE 10, 59 (84); 24,
119 (143); 56, 363 (381); 61, 358 (371); 72, 155 (172); 75, 201 (218)). Der Ge-

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setzgeber sollte sich aber nicht allein auf die Auslegung der Verfassung verlas-
sen, sondern seiner eigenen Verantwortung gerecht werden. Aufgabe des Verfas-
sungsgesetzgebers ist es, das Grundgesetz zum Wohle der Kinder verantwortlich
zu gestalten.

Trotz des in den letzten Jahren eingetretenen Paradigmenwechsels und der er-
kennbaren Stärkung der Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen werden
sie von Politik, Behörden und Gesellschaft weiterhin nicht ausreichend als
eigenständige Akteure mit individuellen Interessen wahrgenommen.

Die Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern sind komplexer geworden
und bergen vielfältige Chancen und Risiken. Kinder brauchen als eigene Persön-
lichkeiten viel mehr als Erwachsene Begleitung und Förderung, aber auch
Schutz. Die zahlreichen Fälle von sexueller Gewalt gegenüber Kindern und von
Vernachlässigung von Kindern haben in den letzten Jahren die Frage nach der
Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft für den Schutz von Kindern aufge-
worfen. Dem Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft kommt angesichts des-
sen eine besondere Bedeutung zu. Die zahlreichen Missbrauchs- und Vernach-
lässigungsfälle zeigen aber auch, dass es grundsätzlich einer Stärkung der
Kinderrechte bedarf: Es geht um mehr als um die Stärkung der Schutzrechte, es
muss grundsätzlich klar sein: Kinder haben Rechte.

Die Bundesregierung hat den Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Kindern
und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung, der nach dem Weltkon-
gress gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung in Yokohama 2001 unter Feder-
führung der rot-grünen Bundesregierung entstanden war, trotz gegenteiliger An-
kündigungen nach dem Weltkongress von Rio 2008 fast drei Jahre lang nicht
aktualisiert und so wertvolle Zeit verschenkt. Die Konzentration auf Internet-
sperren hat die Sicht auf den breiteren Kontext von Kinderhandel, Kinderpros-
titution und Kinderpornografie und die Zusammenhänge zwischen diesen Ver-
brechen verstellt. Die Neuauflage des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von
Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt muss mit einer angemessenen
Budgetierung für Forschung, Monitoring und unabhängige Evaluation ausge-
stattet werden und darf die internationalen Verpflichtungen Deutschlands nicht
aus dem Blick verlieren.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass der Klimawandel und die Staatenver-
schuldung die Rechte der Kinder von heute wie auch die Rechte aller zukünfti-
gen Generationen betrifft. So tangieren die vom Klimawandel ausgehenden Ge-
fährdungen das Recht auf Leben und Überleben (gemäß Artikel 6 UN-KRK).
Ebenso gefährdet die Staatenverschuldung die Gestaltung positiver Rahmenbe-
dingungen für das Aufwachsen künftiger Generationen von Kindern. All dies
geschieht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Diese Dimensio-
nen der Politik für Kinder müssen künftig stärker in den Blick genommen wer-
den. Zahlreiche Verbände und Organisationen hatten anlässlich des 20-jährigen
Bestehens der Kinderrechtskonvention am 29. November 2009 auf der Nationa-
len Konferenz für die Rechte des Kindes gefordert.

Um die Durchsetzbarkeit der persönlichen, politischen, wirtschaftlichen und so-
zialen Rechte Minderjähriger zu stärken, haben sich die Vereinten Nationen auf
die Einführung eines Individualbeschwerdeverfahrens verständigt. Hierdurch
wird die Konvention für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern einklagbar.
Dieses Individualbeschwerdeverfahren ist ein Beitrag zur Verbesserung der Um-
setzung der UN-Kinderrechtskonvention. Es ist eine wirkungsvolle Ergänzung
zu den regelmäßigen Berichtspflichten gemäß Artikel 44 der UN-Kinderrechts-
konvention. Deutschland hat sich bei der Erarbeitung des Zusatzprotokolls zur
Schaffung der Individualbeschwerde besonders engagiert. Der Deutsche Bun-
destag begrüßt die Möglichkeit zur Individualbeschwerde.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7187

Deutschland hatte auch bei der Erarbeitung des Zusatzprotokolls betreffend die
Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten eine Vorreiterrolle einge-
nommen. Dieses Engagement sollte sich auch in dem Vorsitz der Arbeitsgruppe
„Kinder und bewaffnete Konflikte“ des UN-Sicherheitsrates widerspiegeln, den
Deutschland seit Januar 2011 innehat. Die Bundesregierung sollte diese Chance
nutzen, um national und international Fortschritte zu erzielen. Deutschland muss
in der Aufgabe als vorsitzender Staat seine Vorbildfunktion erfüllen und sollte
auch deswegen bestehende Defizite in Deutschland beseitigen. Hierzu muss das
Mindestalter für die Rekrutierung in die Bundeswehr auf 18 Jahre angehoben
werden. Außerdem müssen nach Deutschland geflohene Kindersoldaten geeig-
nete Unterstützung für ihre physische und psychische Genesung erhalten. Dies-
bezüglich sollten Kindersoldaten, die oft als unbegleitete Minderjährige nach
Deutschland gelangen, beispielsweise nicht in belastende Asylverfahren ge-
drängt werden.

Eine regelmäßige Debatte über den Stand der Umsetzung der UN-Kinderrechts-
konvention sollte zur guten parlamentarischen Gewohnheit werden. Der Jahres-
tag der UN-Kinderrechtskonvention – der 20. November – ist ein geeigneter An-
lass hierfür.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● den Nationale Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland“ fortsetzen
bzw. neu aufzulegen und diesen mit konkreten termingebundenen und mess-
baren Zielen und Vorgaben zu versehen;

● im Rahmen dessen weitergehende Maßnahmen zur Bekanntmachung der
Kinderrechte gemäß Artikel 42 der UN-Kinderrechtskonvention zu ergreifen
und dabei unter anderem auf die Bedeutung des Vorranggebotes des Arti-
kels 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention hinzuweisen;

● nach der nun erfolgten Rücknahme der Vorbehalte Deutschlands gegenüber
der UN-Kinderrechtskonvention die entsprechenden Änderungen im Asyl-,
Aufenthalts- und Sozialrecht vorzunehmen (siehe Antrag auf Bundestags-
drucksache 17/2138);

● ab der nächsten Justizministerkonferenz regelmäßig das Thema „Folgen aus
der Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention für
die Bundesländer“ auf die Tagesordnung zu setzen und den zuständigen Aus-
schüssen des Deutschen Bundestages hierüber fortlaufend Bericht zu erstat-
ten;

● den Dialog mit Verbänden und Organisationen aufzunehmen, um ein ver-
bindliches Monitoringsystem zur Umsetzung der Kinderrechte und der UN-
Kinderrechtskonvention zu etablieren;

● im Rahmen dessen und bei der Berichterstattung gemäß Artikel 44 der UN-
Kinderrechtskonvention voranzustellen, welchen rechtlichen Standard die
Bundesregierung bei den jeweiligen Artikeln zugrunde legt, und daran im
Einzelnen zu messen, ob Fortschritte vorliegen oder welche Hindernisse bei
der Umsetzung bestanden;

● im Zuge dessen entsprechend den Empfehlungen des UN-Ausschusses für
die Rechte des Kindes die Einrichtung einer unabhängigen Menschenrechts-
institution auf Bundesebene auf den Weg zu bringen;

● einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, in dem
die Rechtsträgerstellung von Kindern deutlicher herausgearbeitet und klar-
gestellt wird; bei dem insbesondere die Förderung der leiblichen und see-
lischen Entwicklung von Kindern, ihre Bildung sowie ihre Rechtsstellung in

der Gesellschaft benannt werden und die Verantwortung der staatlichen

Drucksache 17/7187 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gemeinschaft gegenüber Kindern zum Ausdruck gebracht wird, insbeson-
dere bei der Abwehr von Gefahren für ihr Wohl;

● das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention, die Individualbe-
schwerde betreffend, nach seiner Verabschiedung durch die UN-Generalver-
sammlung schnellstmöglich zu ratifizieren;

● den deutschen Vorsitz der Arbeitsgruppe „Kinder und bewaffnete Konflikte“
des UN-Sicherheitsrates zu nutzen, um Fortschritte auf internationaler und
nationaler Ebene zu erreichen;

● künftig auf die Rekrutierung Minderjähriger in die Bundeswehr zu verzichten
und dies auch gesetzlich zu verankern;

● eine jährlich zum Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention am 20. Novem-
ber stattfindende Generaldebatte im Bundestag zum Stand der Umsetzung
von Kinderrechten in Deutschland zu unterstützen und hierzu die Berichte
der Bundesregierung gemäß Artikel 44 der UN-Kinderrechtskonvention so-
wie die Abschließenden Beobachtungen des UN-Ausschusses für die Rechte
des Kindes dem Deutschen Bundestag zuzuleiten;

● sich bei den Vereinten Nationen für die Ausrichtung eines neuen Weltkinder-
gipfels zu engagieren.

Berlin, den 28. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Im November 2010 hatte sich die antragstellende Fraktion mit einer Kleinen
Anfrage zum Thema „Stärkung der Kinderrechte“ (Bundestagsdrucksache 17/
3644) an die Bundesregierung gewandt. Hintergrund waren die Ankündigungen
im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP „Wachstum. Bildung. Zu-
sammenhalt.“. Hier widmen die Parteien den Kinderrechten auf Seite 70 einen
eigenen Absatz, dessen Umsetzung mit der Kleinen Anfrage hinterfragt wurde.
Die Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/3938) wurde
durch die etablierten Verbände, die sich den Kinderrechten verschrieben haben,
konstruktiv und zugleich kritisch kommentiert. Diese Bewertung der Fachver-
bände, die ergänzenden Berichte der National Coalition für die Umsetzung der
UN- Kinderrechtskonvention in Deutschland zu den Staatenberichten der Bun-
desrepublik Deutschland, die Stellungnahme der Kinderkommission des Deut-
schen Bundestages zum Dritten und Vierten Staatenbericht der Bundesrepublik
Deutschland (Kommissionsdrucksache 17/07, 17. Wahlperiode) und die Con-
cluding Observations des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes zeigen
deutlich den Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Kinderrechtskonvention
auf. Der Antrag gibt die aus Sicht der antragstellenden Fraktion wesentlichsten
Forderungen, die sich aus den oben genannten Berichten ergeben, wieder.
Anlass ist der 20. November – der Jahrestag der Ratifizierung der UN-Kinder-
rechtskonvention.

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