BT-Drucksache 17/7031

Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung

Vom 21. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7031
17. Wahlperiode 21. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Krista Sager, Volker Beck (Köln),
Kai Gehring, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Sven-Christian Kindler,
Agnes Krumwiede, Jerzy Montag, Tabea Rößner, Till Seiler, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den
Resultaten öffentlich geförderter Forschung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die fortschreitende Digitalisierung bietet der Wissenschaft vielversprechende
neue Möglichkeiten im Umgang mit Wissen und Informationen. Im Zentrum
des Interesses steht vor allem die offene Wissenschaftskommunikation, das
heißt der freie, also für die Nutzung gebührenfreie, Onlinezugang zu wissen-
schaftlichen Beiträgen insbesondere aus öffentlich geförderter Forschung ohne
finanzielle, technische und rechtliche Barrieren (Open Access).

Open Access vereinfacht und beschleunigt den wissenschaftlichen Austausch,
die Sichtbarkeit, den Zugriff, die Verarbeitung und die Verwaltung wissen-
schaftlicher Informationen. Zugleich unterstützt Open Access die Interdiszipli-
narität und internationale Zusammenarbeit. Open Access erleichtert den
Wissenstransfer in die Gesellschaft und trägt so zu technischen, sozialen und
kulturellen Innovationen bei. Schließlich lässt sich mit Open Access die Trans-
parenz über öffentlich geförderte Forschung entscheidend erhöhen.

Die Idee von Open Access stößt bei den Wissenschaftsorganisationen und
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern national und international inzwi-
schen fast durchweg auf positive Resonanz und viele Forscherinnen und
Forscher arbeiten in ihrem Alltag heutzutage wissentlich oder unwissentlich mit
Open-Access-publizierten Beiträgen. Dazu hat auch beigetragen, dass sich für
wissenschaftliche Open-Access-Zeitschriften und Repositorien inzwischen
strenge Qualitätsanforderungen (zum Beispiel Peer-Review-Verfahren) durch-
setzen, die für die Akzeptanz von Open Access in der Wissenschaft entschei-
dend sind. Während die Rezeption und Nutzung von Open-Access-Publikatio-
nen stark zunimmt, publiziert allerdings aus verschiedenen Gründen weiterhin
nur eine sehr kleine Minderheit der deutschen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler selbst Open Access.
Die deutschen Wissenschaftsorganisationen haben in den vergangenen Jahren
viele Aktivitäten zur Förderung von Open Access und zur Entwicklung und
Vernetzung digitaler Infrastrukturen unternommen. Diese gilt es fortzusetzen,
bekannter zu machen und auszubauen. Die politische Debatte konzentrierte
sich bislang noch in erster Linie auf das Urheberrecht. Hier sind vor allem
Regelungen zu ändern, die die Verbreitung von Open Access durch Rechtsun-
sicherheiten erschweren und behindern und die schwache Position der Urhebe-

Drucksache 17/7031 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rinnen und Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen zementieren. Auch die
rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung neuer Formen der For-
schungskooperation und der Lehre in virtuellen Forschungsumgebungen und
digitalen Lehr- und Lernplattformen müssen verbessert werden.

Angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen der Nutzung von Open-
Access-Publikationen und der großen Zurückhaltung, selbst Open Access zu
publizieren, reicht es aber nicht, die Rechte der publizierenden Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler im Urheberrecht zu stärken. Vielmehr ist ein brei-
tes Maßnahmenbündel nötig, um Open Access im Wissenschaftsbereich umfas-
send voranzubringen und für die gesamte Gesellschaft nutzbar zu machen. Dies
ist auch die Voraussetzung dafür, die weiterreichenden Potenziale von Open
Access zum Beispiel auch im Bereich der Primärdaten, der Recherche und der
kooperativen Infrastrukturen auszuschöpfen.

Serviceorientierte und nutzerfreundliche Dienste und Infrastrukturen können
die Akzeptanz von Open Access im Wissenschaftsbereich fördern. Auf die
Qualitätssicherung und die Garantie der langfristigen und dauerhaften Archi-
vierung wissenschaftlicher Publikationen ist weiterhin ein hohes Augenmerk
zu legen. Hindernisse finanzieller, technischer und fachspezifischer Art sind
abzubauen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei nicht nur der Allianz der
deutschen Wissenschaftsorganisationen, den Hochschulen und Forschungsein-
richtungen zu, sondern auch den Fachgesellschaften. Durch die Stärkung der
Selbstorganisationskräfte der Wissenschaft lassen sich den jeweiligen Fachkul-
turen entsprechende Open-Access-Formate, Qualitätssicherungssysteme und
Primärdatenstrategien entwickeln.

Auch die Politik ist gefordert, sich unzweifelhaft zu Open Access im Wissen-
schaftsbereich zu bekennen, die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisa-
tionen gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz zu nehmen und die Möglich-
keiten des Bundes zur Förderung und Verbreitung von Open Access konsequent
zu nutzen. Neben der ideellen und finanziellen Unterstützung der Wissen-
schaftsorganisationen und -einrichtungen gilt es, im Bereich der öffentlich finan-
zierten Projektförderung und auch bei der Ressortforschung zu verpflichtenden
Regelungen für Open Access zu kommen.

Schließlich sollten die neuen informationstechnischen Möglichkeiten genutzt
werden, um die Transparenz über die öffentlich geförderten Forschungspro-
jekte zu erhöhen und den Wissenstransfer in die Gesellschaft zugunsten von
technischen, sozialen und kulturellen Innovationen zu verbessern, indem
zentrale Informationen über die Projekte und die Resultate dieser Forschungen
allgemeinverständlich in einer zentralen Datenbank öffentlich zugänglich ge-
macht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Open-Access-Prinzip im Wissenschaftsbereich zu fördern. Dazu sollte in
Kooperation mit den Forschungsorganisationen und den Ländern und unter
Auswertung internationaler Erfahrungen die Entwicklung einer umfassenden
Open-Access-Strategie für den Wissenschaftsbereich vorangetrieben und ihre
Umsetzung unterstützt werden. Im Fokus der Strategie muss insbesondere
stehen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Nutzung und
Publikation von Open-Access-Beiträgen durch Informationen, Beratung und
Serviceleistungen zu unterstützen und dadurch die Verbreitung von Open-
Access-Veröffentlichungen zu beschleunigen. In folgenden Feldern besteht dazu
Handlungsbedarf:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7031

1. Rechtliche Voraussetzungen für Open Access im Wissenschaftsbereich
schaffen

a) Die Bundesregierung soll einen Gesetzentwurf vorlegen, der für alle wis-
senschaftlichen Beiträge in Periodika und Sammelbänden, die aus mit
öffentlichen Mitteln finanzierter Lehr- und Forschungstätigkeit entstan-
den sind, ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für Urheber
schafft, um so die freie und dauerhafte Zugänglichmachung im Internet
zu ermöglichen.

Die Urheberinnen und Urheber sollen ihre Werke formatgleich nach Ab-
lauf einer Frist von sechs Monaten bei Periodika und zwölf Monaten bei
Sammelbänden seit der Erstveröffentlichung frei zugänglich machen
können.

b) Bei der anstehenden Reform des Urheberrechts muss darauf geachtet
werden, dass insbesondere die Langzeitarchivierung, digitale Kopien,
virtuelle Forschungsumgebungen und digitale Lehr- und Lernplattformen
auch über rein vervielfältigende Maßnahmen zur Erhaltung des eigenen
schon vorhandenen Bestandes hinaus privilegiert werden müssen und die
zu schaffende rechtliche Regelung auch bearbeitende und umgestaltende
Bestandserhaltungsmaßnahmen sowie Bestandsaufbaumaßnahmen erfas-
sen sollte.

2. Open-Access-Strategien der Wissenschaft unterstützen

a) Die Bundesregierung soll gemeinsam mit den Ländern die Deutsche For-
schungsgemeinschaft dabei unterstützen, ihre vielfältigen Maßnahmen
zur Förderung von Open Access in der Wissenschaft wie zum Beispiel zur
Etablierung von wissenschaftlichen Open-Access-Zeitschriften, zum Er-
werb von Nationallizenzen, zur Entwicklung innovativer Modelle elektro-
nischen Publizierens, zum Aufbau von Publikationsfonds als Förderung
des sogenannten Goldenen Wegs, zum Aufbau vernetzter Repositorien
und virtueller Forschungsumgebungen fortzusetzen und auszubauen. Bei
der Übernahme von Publikationsgebühren im Rahmen der Publikations-
fonds sind weiterhin strikte Obergrenzen zu setzen.

b) Die öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen dazu
angehalten und dabei unterstützt werden, Open-Access-Strategien für ihre
Einrichtungen zu erarbeiten bzw. ihre bestehende Open-Access-Strategie
zu aktualisieren, zu veröffentlichen und Maßnahmen zu deren Umsetzung
zu benennen und durchzuführen. Dafür sollte die Hochschulrektorenkon-
ferenz Handreichungen für lokale Open-Access-Strategien an den Hoch-
schulen entwickeln und Best-Practice-Beispiele nennen.

c) Die Fachgesellschaften sind zu einer aktiven und gestaltenden Open-
Access-Politik zu ermutigen und dabei zu unterstützen. Ein wichtiges
Signal wäre es, insbesondere die Zeitschriften, die von den Fachgesell-
schaften selbst herausgegeben werden, Open Access zu publizieren.

d) Die Wissenschaftsorganisationen sollen bei der Initiierung einer Primär-
dateninitiative unterstützt werden, mit der die Selbstorganisationsfähig-
keit der Disziplinen in diesem Bereich gestärkt wird. Der freie Zugriff auf
und die Langzeitarchivierung von Primärdaten unterstützen die Qualitäts-
sicherung von Forschungsergebnissen und erleichtern Folgeauswertun-
gen. Wissenschaftliche Primärdaten sollten umfassend unter Angabe der
verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zitationsfä-
hig werden.

e) Die nationale, europäische und internationale Vernetzung der Open-

Access-Infrastrukturen für Open-Access-Zeitschriften und Archive soll
befördert werden. Bei der Vernetzung von Open-Access-Infrastrukturen

Drucksache 17/7031 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sind hohe Qualitätsstandards für Repositorien sicherzustellen; insbeson-
dere müssen die dauerhafte Archivierung und die Qualität der Metadaten
gesichert sein. Bei der Weiterentwicklung und Vernetzung der For-
schungsinfrastrukturen sind die Empfehlungen des Wissenschaftsrates
und der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur im Auftrag
der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zu berücksichtigen.

3. Benachteiligungen von Open-Access-Publikationen abbauen

a) Gemeinsam mit den Wissenschaftsorganisationen soll dafür Sorge getra-
gen werden, dass bei Antragsverfahren Veröffentlichungen ungeachtet
der Publikationsart entsprechend der Qualität des wissenschaftlichen Bei-
trags gewürdigt werden. Darüber hinaus soll dafür geworben werden,
dass es auch bei Berufungs- und Besetzungsverfahren zu keinen Benach-
teiligungen kommt.

b) Qualitätsgesicherte wissenschaftliche Veröffentlichungen, die ausschließ-
lich online publiziert werden, sollen angemessen durch die Verwertungs-
gesellschaft WORT (VG WORT) vergütet werden. Dabei soll angestrebt
werden, wie bei den wissenschaftlichen Printveröffentlichungen die Tat-
sache der qualitätsgesicherten wissenschaftlichen Veröffentlichung und
nicht tatsächliche Zugriffszahlen als Bewertungsgrundlage der Vergütung
zu nehmen. Das gesetzliche Vergütungssystem muss so ausgestaltet sein,
dass neue digitale elektronische Geräte und Speichermedien effektiv und
zeitnah einbezogen werden können.

4. Transparenz über öffentliche Forschung erhöhen

a) Die Zuwendung öffentlicher Mittel für Forschungsprojekte, insbesondere
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Bundesmi-
nisterien, soll an die verpflichtende Bedingung geknüpft werden, in einer
frei zugänglichen zentralen Datenbank das Forschungsprojekt, die Ziele
und die Resultate in allgemeinverständlicher Form darzulegen und über
den Umfang der Förderung und die beteiligten Wissenschaftlerinnen,
Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen Auskunft zu geben. Erster
Ausgangspunkt kann die Datenbank „GEPRIS – Geförderte Projekte
Informationssystem“ der DFG sein.

b) In Anlehnung an entsprechende Regelungen im europäischen Ausland
soll die Zuwendung öffentlicher Mittel für Forschungsprojekte an die
rechtlich verpflichtende Bedingung geknüpft werden, dass daraus ent-
standene Publikationen in qualitätsgesicherten Periodika, Sammelbänden
und Conference Proceedings sowie Arbeitspapieren, die im Selbstverlag
öffentlicher Hochschulen und Forschungseinrichtungen erscheinen, bis
spätestens zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung frei zugänglich
gemacht werden. Private Stiftungen, die in Deutschland Forschungsför-
derungen betreiben, sollen zu parallelen Regelungen angeregt werden.
Angesichts der Europäisierung und Internationalisierung der Wissen-
schaft ist die Vereinheitlichung der entsprechenden Regelungen im euro-
päischen Forschungsraum anzustreben.

c) Die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes sind genauso zu ver-
pflichten, die im Rahmen ihrer Arbeit entstandenen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen in qualitätsgesicherten Periodika und Sammelbänden
bis spätestens zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung frei zugäng-
lich zu machen.

Nach drei Jahren soll die Bundesregierung dem Bundestag einen Bericht über
den Stand von Open Access im deutschen Wissenschaftsbetrieb, die Wirksam-
keit der genannten Maßnahmen und den Umfang von wissenschaftlichen Publi-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7031

kationen, die unter Open-Access-Bedingungen veröffentlicht wurden, vorlegen
und mit den internationalen Entwicklungen vergleichen.

Berlin, den 20. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

2003 haben alle großen deutschen Wissenschaftsorganisationen die Berliner
Erklärung für den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen unterzeich-
net, die als Meilenstein und neben der Budapest Open Access Initiative (2002)
und dem Bethesda Statement on Open Access Publishing (2003) als Grundlage
der Open-Access-Entwicklung im Wissenschaftsbereich gilt.

Frei im Sinne des Open Access bedeutet nach der Berliner Erklärung, dass alle
Nutzerinnen und Nutzer unwiderruflich das freie, weltweite Zugangsrecht zu
wissenschaftlichen Veröffentlichungen erhalten und ihnen erlaubt wird, diese
Veröffentlichungen zu kopieren, zu nutzen, zu verbreiten, zu übertragen und
öffentlich wiederzugeben sowie Bearbeitungen davon zu erstellen und zu ver-
breiten, sofern die Urheberschaft korrekt angegeben wird. Ein dauerhafter Zu-
gang erfordert, dass eine vollständige Fassung der Veröffentlichung in einem
geeigneten elektronischen Standardformat in mindestens einem Onlinearchiv
hinterlegt (und damit veröffentlicht) wird, das geeignete technische Standards
verwendet und das von einer wissenschaftlichen Einrichtung, einer wissen-
schaftlichen Gesellschaft, einer öffentlichen Institution oder einer anderen etab-
lierten Organisation in dem Bestreben betrieben und gepflegt wird, um den
freien Zugang, die uneingeschränkte Verbreitung, die Interoperabilität und die
langfristige Archivierung zu ermöglichen.

Trotz der Entwicklung in den letzten Jahren, der rasanten Zunahme von wissen-
schaftlichen Open-Access-Publikationen und -Zeitschriften, des Aufbaus von
institutionellen und disziplinären Repositorien und Portalen steht die Wissen-
schaft in den meisten Disziplinen erst am Beginn, wenn es darum geht, das
Open-Access-Prinzip umfassend umzusetzen, und noch weiter ist sie davon
entfernt, die weiterreichenden Potenziale von Open Access zum Beispiel im
Bereich der Primärdaten, der Recherche und der kooperativen Infrastrukturen
auszuschöpfen.

Die Diskussionen über Open Access und die vielfältigen Aktivitäten der deut-
schen Wissenschaftsorganisationen haben viele Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler in ihrem Forschungsalltag noch nicht erreicht: Selbst einfache
Begriffe aus der Welt der Open-Access-Infrastrukturen, wie „Repository“ oder
„Selbstarchivierung“, sind einem großen Teil der deutschen Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler noch gänzlich oder in ihrer exakten Bedeutung
unbekannt. Daher ist es bei der Entwicklung einer umfassenden Open-Access-
Strategie nötig, den Fokus stärker auf die Information, Beratung und praktische
Unterstützung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu richten.

Nach wie vor gibt es große Unterschiede in der Akzeptanz und Verbreitung von
Open Access. Während in den Lebenswissenschaften und vielen Naturwissen-
schaften die Umstellung auf Open Access international weit fortgeschritten ist,
beginnt in vielen Gesellschafts- und Geisteswissenschaften die Auseinanderset-
zung über geeignete Open-Access-Strategien gerade erst.

Drucksache 17/7031 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gerade in Disziplinen, in denen Open Access noch nicht stark verbreitet ist,
können neben den Wissenschaftsorganisationen, den Hochschulen und den For-
schungseinrichtungen die Fachgesellschaften eine wichtige Vorreiterfunktion
übernehmen. Die Fachgesellschaften können beispielsweise Empfehlungen
herausgeben, welche disziplinären Repositorien genutzt werden sollten oder
welche Arten von Open Access für die jeweilige Disziplin adäquat und vielver-
sprechend sind. Die Tagungen der Fachgesellschaften bieten gute Möglichkei-
ten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler direkt anzusprechen. Ein wichti-
ges Signal wäre es, insbesondere die wissenschaftlichen Zeitschriften, die von
den Fachgesellschaften selbst herausgegeben werden, Open Access zu publi-
zieren.

Bei der Umsetzung von Open Access lassen sich zwei Wege unterscheiden: Der
Goldene Weg bezeichnet die unmittelbare Erstveröffentlichung wissenschaft-
licher Beiträge in qualitätsgesicherten (Peer Review) elektronischen Medien,
die den weltweit freien Zugang erlauben. Der Grüne Weg bezeichnet die Be-
reitstellung von Vorabversionen oder bereits erschienener Publikationen und
anderer digitaler Objekte in frei zugänglichen Repositorien. Die große Mehr-
heit der Wissenschaftsverlage gestattet inzwischen eine zeitverzögerte Publika-
tion der Autorenversion des Artikels in einem Repositorium. Die notwendige
Qualitätssicherung wird beim Grünen Weg weiterhin im Rahmen der Ur-
sprungsveröffentlichung gewährleistet.

Beim Goldenen Weg verlagert sich die Finanzierung der qualitätsgesicherten
Publikation. Statt der Subskriptionskosten, die von den Bibliotheken und den
Nutzerinnen und Nutzer zu tragen sind, werden gegebenenfalls von den Auto-
rinnen und Autoren oder deren Institutionen Veröffentlichungsgebühren erho-
ben. Die Publikationsgebühren werden zum Teil von der Deutschen Forschungs-
gemeinschaft und anderen Wissenschaftseinrichtungen übernommen. Dabei
muss der Gefahr entgegengewirkt werden, dass sich die Publikationsgebühren
zum Beispiel durch Konzentrationsprozesse im Bereich besonders reputations-
trächtiger Open-Access-Zeitschriften so nach oben schrauben, dass es zu einer
unangemessenen Belastung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder
ihrer Institutionen kommt und damit neue Selektionsmechanismen in Gang ge-
setzt werden.

Beim Grünen Weg dominieren national und international bislang so genannte
Pre-print-Versionen. Diese Versionen entsprechen nicht dem Format der ge-
druckten Veröffentlichung. Damit ist zwar der Zugang zum Inhalt des wissen-
schaftlichen Beitrags sichergestellt, allerdings sind solche Versionen nur sehr
eingeschränkt zitierfähig und daher für die Wissenschaft von minderem Wert.

Der Goldene und der Grüne Weg sind zwei sich ergänzende Pfade einer umfas-
senden Open-Access-Strategie. In welchem Verhältnis zueinander sich die bei-
den Wege durchsetzen, wird unter anderem von den jeweiligen Wissenschafts-
kulturen in den verschiedenen Fachdisziplinen abhängen. Angesichts der stark
unterschiedlichen Publikationskulturen in den jeweiligen Disziplinen, der unter-
schiedlichen Relevanz von Zeitschriftenartikeln, Konferenzbeiträgen, Mono-
graphien oder Rezensionen und der fachspezifischen Qualitätssicherungssys-
teme kann und darf es nicht darum gehen, der Wissenschaft ein einheitliches
Publikationsschema aufzuzwingen. In jedem Fall gilt es aber, vor den Schwie-
rigkeiten und Nachteilen des jeweiligen Weges nicht die Augen zu verschließen,
sondern geeignete Lösungen zu finden und weiterzuentwickeln.

Insbesondere bei der Verpflichtung, wissenschaftliche Beiträge, die im Rahmen
der öffentlich finanzierten Projektförderung entstanden sind, Open Access zu
publizieren, sind die öffentlichen Forschungsförderer anderer Wissenschafts-
nationen inzwischen weiter gegangen als Deutschland. Zu nennen sind bei-

spielsweise der Schweizerische Nationalfonds, das Pilotprojekt im Rahmen des
Siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union oder die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7031

Research Councils UK. Ein wichtiges Beispiel sind auch die gesetzlichen Rege-
lungen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die die National Institutes of
Health zur Open-Access-Publikation verpflichtet haben. Diese internationalen
Entwicklungen sind zu beobachten und für die Formulierung einer umfassenden
Open-Access-Strategie in Deutschland zu nutzen.

Das bisher bestehende Zweitverwertungsrecht in § 38 des Urheberrechtsgesetzes
(UrhG) ermöglicht den Urheberinnen und Urhebern eine Zweitveröffentlichung
nach zwölf Monaten, soweit dieses Recht nicht vertraglich ausgeschlossen wird.
Mit einer Neuregelung soll sichergestellt werden, dass das Zweitveröffent-
lichungsrecht vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann, da es sonst durch
die Praxis der Verlage, sich pauschal alle Rechte vertraglich übertragen zu las-
sen, ins Leere läuft. Ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht verbessert
die Position der wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren. Durch die Frist
bleibt den Erstverwertern die kommerziell relevanteste Zeitspanne der Vermark-
tung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse exklusiv gesichert. Die öffent-
liche Finanzierung der Forschung rechtfertigt die Beschränkung der Vertrags-
gestaltung, wenn es um die Publikation der Ergebnisse aus dieser Forschung
geht. Hier muss das öffentliche Interesse an der freien Zugänglichkeit Vorrang
genießen.

Die Aufrechterhaltung und der Betrieb von Open-Access-Veröffentlichungen
über Portale, Datenbanken, Repositorien, Lehr- und Lernplattformen usw. unter-
liegt wechselnden technischen Anforderungen. Notwendige technische Verar-
beitungsformen, welche ausschließlich der Aufrechterhaltung des Betriebes von
Open-Access-Strukturen dienen, wie zum Beispiel die verteilte Speicherung bei
Langzeitarchivierungen, bedürfen der rechtlichen Absicherung. Dazu müssen
die einschlägigen Bestimmungen des Urheberrechts geprüft und gegebenenfalls
angepasst werden.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.