BT-Drucksache 17/660

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -17/504 Nr. A.15- Grünbuch Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat KOM(2009) 624 endg,; Ratsdok 17691/09

Vom 9. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/660
17. Wahlperiode 09. 02. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 17/504 Nr. A.15 –

Grünbuch
Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat
KOM(2009) 624 endg.; Ratsdok. 17691/09

A. Problem

In einer Reihe von Rechtsinstrumenten der Europäischen Union sind Verfahren
vorgesehen, wie in einer Strafsache mit Auslandsbezug verwertbare Beweise in
einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erhoben werden können.
Diese parallelen Rechtsinstrumente sind entweder auf den Grundsatz der
Rechtshilfe oder den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gestützt. Die
Europäische Kommission geht davon aus, dies erschwere die Anwendung die-
ser Vorschriften und könne Rechtsanwender verunsichern, was eine effiziente
grenzüberschreitende Zusammenarbeit behindern könne. Die Europäische
Kommission hat hierzu ein Grünbuch „Erlangung verwertbarer Beweise in
Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat“ vorgelegt. In diesem schlägt sie
vor, die bestehenden Vorschriften für die Beweiserhebung in Strafsachen durch
eine einzige Regelung auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Aner-
kennung zu ersetzen, die alle Beweisarten umfasse. Die Kommission hat die
Mitgliedstaaten und alle sonstigen Beteiligten gebeten, zu dem Grünbuch Stel-
lung zu nehmen.

B. Lösung

Kenntnisnahme des Grünbuchs und Annahme einer Entschließung, mit der der
Deutsche Bundestag zu dem Grünbuch der Europäischen Kommission Stellung
nimmt und seinen Präsidenten bittet, den Beschluss als Beitrag des Deutschen
Bundestages zum Konsultationsverfahren an den Präsidenten der Europäischen
Kommission zu übermitteln.

Kenntnisnahme der Unterrichtung und einstimmige Annahme einer Ent-
schließung

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 17/660 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/504 Nr. A.15 wolle der
Deutsche Bundestag beschließen, folgende Entschließung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag nimmt zu dem „Grünbuch der Europäischen
Kommission zur Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem
anderen Mitgliedstaat“ wie folgt Stellung und bittet seinen Präsidenten, den
Beschluss als Beitrag des Deutschen Bundestages zum Konsultationsver-
fahren an den Präsidenten der Europäischen Kommission zu übermitteln:

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kommission hat ein Grünbuch zur Erlangung verwertbarer Beweise in
Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat vorgelegt. Darin fragt die
Kommission insbesondere die Mitgliedstaaten der EU nach ihren Vorstel-
lungen über die Zukunft der europäischen Regelungen im Bereich der Be-
weiserhebung. Konkrete Vorschläge für ein neues europäisches Rechtsin-
strument enthält das Grünbuch nicht. Die Vorstellungen der Kommission
gehen allerdings dahin, ein möglichst umfassendes Rechtsinstrument zur
Erhebung von Beweisen zu schaffen. Die bestehenden Vorschriften für die
Beweiserhebung in Strafsachen sollen durch eine einzelne Regelung auf
der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung ersetzt werden.
Das neue Rechtsinstrument soll dabei über den Regelungsgehalt des Rah-
menbeschlusses über die Europäische Beweisanordnung (2008/978/JI vom
18. Dezember 2008) hinausgehen. So soll die neue Regelung auch Beweis-
mittel erfassen, die zwar direkt verfügbar sind, aber noch nicht existieren
wie Aussagen von Zeugen oder Verdächtigen oder Echtzeit-Informationen,
die beispielsweise bei der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs
oder von Kontenbewegungen erlangt werden. Erfasst würden auch Beweis-
mittel, die zwar bereits existieren, aber nicht ohne weitere Analysen oder
Untersuchungen verfügbar sind. Beispielhaft werden in dem Grünbuch Un-
tersuchungen vorhandener Gegenstände, Schriftstücke oder Daten oder die
Entnahme von DNA-Proben oder die Abnahme von Fingerabdrücken ge-
nannt. Zur Diskussion gestellt werden von der Kommission ferner gemein-
same Normen für die Beweiserhebung in Strafsachen.

Der Deutsche Bundestag hat bereits 2004 eine Stellungnahme abgegeben
zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über die Europäische Beweis-
anordnung (Bundestagsdrucksache 15/3831). Darin hat der Deutsche Bun-
destag bekräftigt, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nicht
automatisch und ohne Einschränkungen in jeden Rechtsakt aufgenommen
werden kann, solange im Bereich des Strafrechts noch erhebliche Unter-
schiede bestehen. Der Deutsche Bundestag hat daher die Auffassung ver-
treten, dass insbesondere bei Eingriffen in Beschuldigtenrechte jeweils ge-
sondert festzustellen ist, ob und inwieweit die Voraussetzungen für den
Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit bereits bestehen.
Die Bundesregierung wurde daher aufgefordert, sich dafür einzusetzen,
dass die sog. Deliktsgruppen, bei denen auf die Prüfung der beiderseitigen
Strafbarkeit verzichtet wird, präziser gefasst werden. Darüber hinaus wurde
die Bundesregierung aufgefordert darauf hinzuwirken, dass gemeinsame
Mindeststandards für die Erhebung und Verwertung von Beweisen geschaf-
fen werden. Eine Erklärung gemäß Art. 23 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses
mit einem entsprechenden Vorbehalt hat die Bundesregierung in Brüssel
abgegeben.

Die Bedenken des Deutschen Bundestages gegen den Rahmenbeschluss
über eine Europäische Beweisanordnung müssen bei den weiteren Arbeiten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/660

auf europäischer Ebene, die durch das Grünbuch der Kommission angesto-
ßen werden sollen, Berücksichtigung finden.

Eine Beweiserhebung, die in einem EU-Mitgliedstaat zulässig ist, darf
nicht zur Folge haben, dass die in dem ersuchten Mitgliedstaat bestehenden
Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote unterlaufen werden,
wenn in dem ersuchenden Mitgliedstaat ein geringeres Schutzniveau be-
steht. Beispielsweise bestehen im deutschen Strafprozessrecht besondere
Schutzrechte für Berufsgeheimnisträger. Dieses Schutzniveau ist jedoch
nicht in allen EU-Mitgliedstaaten gleich. Als weiteres Beispiel kann der bei
einer Reihe von Ermittlungsmaßnahmen normierte Richtervorbehalt ge-
nannt werden. Es wäre bedenklich, alle Unterschiede der verschiedenen
Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im Bereich der Beweiserhebungen aus-
zublenden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass das Stockholmer Programm aus-
drücklich eine Untersuchung auch zu der Angleichung von Definitionen im
Zusammenhang mit der beiderseitigen Strafbarkeit fordert und bekräftigt
seine bisherige Position dazu. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerken-
nung führt nicht zu einer Vereinheitlichung von Rechtsakten der Mitglied-
staaten, sondern lässt sie vielmehr unverändert nebeneinander bestehen.
Gegenseitige Anerkennung setzt damit voraus, dass ein gegenseitiges Ver-
trauen der Mitgliedstaaten in die Strafjustizsysteme und deren Schutzstan-
dards der jeweils anderen Staaten besteht. Dieses Vertrauens bedarf es nicht
nur für die Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch für die Bürgerinnen
und Bürger in die Institutionen und Rechtsakte der Europäischen Union.
Vertrauen kann es aber nur dann geben, wenn die Grundsätze über straf-
und strafverfahrensrechtliche Normen in den europäischen Mitgliedstaaten
auf der Grundlage gemeinsamer Rechtsstandards beruhen und daher ver-
gleichbar sind. Sicherlich gibt es in den Mitgliedstaaten der EU bereits heu-
te einen vergleichbaren Schutz durch die Grund- und Menschenrechte. Ver-
gleichbare Mindeststandards für Beschuldigte im Strafverfahren sowie für
Dritte, die – etwa als Kommunikationspartner eines Beschuldigten – von
strafrechtlichen Ermittlungen mit betroffen sein könnten, gibt es jedoch
nicht. Hier finden sich zum Teil zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche
Unterschiede.

III. Der Deutsche Bundestag fordert:

1. Die Umsetzungsfrist für den Rahmenbeschluss über die Europäische
Beweisanordnung endet erst zum 19. Januar 2011. Praktische Erfahrun-
gen mit diesem neuen Rechtsinstrument liegen noch nicht vor. Erst auf
der Grundlage von praktischen Erfahrungen ließe sich aber zuverlässig
feststellen, ob und inwieweit das geltende EU-Recht sinnvoll weiterent-
wickelt werden kann. Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Euro-
päischen Beweisanordnung hätte in dieser Hinsicht auch für die Kom-
mission wichtige Hinweise erbringen können. Der Bundestag ist der
Auffassung, dass in jedem Fall bei einer Initiative zur Schaffung eines
umfassenden verbindlichen EU-Rechtsinstruments zur Erhebung von
Beweisen jeder Art zunächst Zeit eingeräumt werden sollte, um Erfah-
rungen verwerten zu können. Entscheidend für den Erfolg eines neuen
Rechtsinstruments wäre auch die frühzeitige und umfassende Beteili-
gung der Praxis, die sichergestellt werden sollte.

2. Der Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigten oder
Beschuldigten in Strafverfahren, der in das sog. Stockholmer Programm
inkorporiert wurde, muss zeitnah umgesetzt werden. Erst die Einigung
in den europäischen Mitgliedstaaten auf ein einheitliches Schutzniveau
in Bezug auf Beschuldigtenrechte und weitere Mindeststandards schafft

Drucksache 17/660 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das notwendige Vertrauen für die gegenseitige Anerkennung von justi-
ziellen Entscheidungen und den Austausch von Beweismitteln.

3. Vor weiteren Initiativen sollte festgestellt werden, welche unterschied-
lichen Regelungen zu Mindeststandards in Strafverfahren und im Hin-
blick auf die Erhebung und Verwertung von Beweisen bestehen. Initiativen
zur Schaffung einheitlicher Mindestanforderungen in den Mitgliedstaa-
ten für die Beweiserhebung in Strafsachen sollten von der Kommission
geprüft werden. Dabei darf eine Harmonisierung des Strafverfahrens-
rechts nur im Rahmen des Art. 82 Abs. 2 AEUV und damit beschränkt
auf den Erlass von Richtlinien für das Strafverfahrensrecht in Form von
Mindestvorschriften in Betracht kommen. Bei diesen Mindestvorschrif-
ten müssen die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und -tradi-
tionen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

4. Bei Überlegungen zur Schaffung neuer Rechtsinstrumente zur Beweis-
erhebung muss sichergestellt werden, dass den Justizbehörden der Mit-
gliedstaaten die Möglichkeit verbleibt, die begehrte Maßnahme zu ver-
weigern. Die Möglichkeit muss regelmäßig dann bestehen, wenn die
Maßnahme gegen grundlegende Grundsätze und Grundrechte der Euro-
päischen Union verstößt, insbesondere gegen die Mindestgarantien der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Gleiches muss im Falle einer
Kollision mit grundlegenden nationalen Verfahrensbestimmungen gel-
ten.

5. Bei einer Weiterentwicklung der Rechtsinstrumente für die Beweiserhe-
bung in Strafsachen muss sichergestellt werden, dass

a) die spätere Verwendung der erlangten Beweismittel das Recht des
Angeklagten auf ein faires Verfahren nicht beeinträchtigt,

b) grundlegende Verfahrensprinzipien des Vollstreckungsstaates beach-
tet werden,

c) effektive Rechtschutzmöglichkeiten der Betroffenen sichergestellt
sind,

d) ein hoher Datenschutzstandard gewährleistet wird, insbesondere im
Hinblick darauf, dass im Rahmen der Beweiserhebung besonders
sensible Daten verarbeitet werden,

e) Beweisanregungen der Strafverteidigung möglich sind.

IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in den weiteren
Verhandlungen die vorgenannten Forderungen einzubringen und ihre Zu-
stimmung zu weiteren Überlegungen der Kommission von ihrer angemes-
senen Durchsetzung abhängig zu machen.“

Berlin, den 9. Februar 2010

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender und Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/660

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Jörg van Essen, Dr. Eva Högl, Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag

I. Überweisung

Das Grünbuch „Erlangung verwertbarer Beweise in Straf-
sachen aus einem anderen Mitgliedstaat“ (Ratsdokument
17691/09) wurde mit Überweisungsdrucksache 17/504
Nr. A.15 vom 25. Januar 2010 gemäß § 93 der Geschäfts-
ordnung dem Rechtsausschuss zur Beratung überwiesen.

II. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 5. Sitzung am
27. Januar 2010 anberaten und in seiner 6. Sitzung am
9. Februar 2010 abschließend beraten. Zu dem Grünbuch
wurde von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eine Ent-
schließung beantragt, die im Wesentlichen in der Beschluss-
empfehlung wiedergegeben ist. Der Entwurf der Entschlie-
ßung wurde im Einvernehmen aller Fraktionen wie folgt
während der Ausschussberatung geändert: Der ursprüngliche
Gliederungspunkt III Nummer 5 Buchstabe d „d) Belange
des Datenschutzes Berücksichtigung finden“ wurde in
„d) ein hoher Datenschutzstandard gewährleistet wird, ins-
besondere im Hinblick darauf, dass im Rahmen der Bewei-
serhebung besonders sensible Daten verarbeitet werden,“ ge-
ändert. Nach Gliederungspunkt III Nummer 5 Buchstabe d
wurde Buchstabe e „e) Beweisanregungen der Strafverteidi-
gung möglich sind.“ angefügt.

Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachte Änderungsantrag zum Entwurf der Entschließung
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP:

Der Ausschuss wolle beschließen: Nach Gliederungspunkt
III. 5 d) der Entschließung soll folgender Text eingefügt
werden:„e) sie nicht nur zur Strafverfolgung, sondern auch
zur Strafverteidigung genutzt werden können.“
wurde von ihr für erledigt erklärt.

Der Rechtsausschuss hat das Grünbuch zur Kenntnis ge-
nommen und einstimmig beschlossen, dem Deutschen Bun-
destag zu empfehlen, in Kenntnis der Unterrichtung durch
die Bundesregierung auf Drucksache 17/504 Nr. A.15 die in
der Beschlussempfehlung wiedergegebene Entschließung
anzunehmen.

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, sie habe angesichts
des ursprünglich mitgeteilten Fristablaufs des Konsulta-
tionsverfahrens am 22. Januar 2010 als Fraktion eine Stel-
lungnahme gegenüber der Europäischen Kommission abge-
geben. Hierin lehne sie ab, die bestehenden Vorschriften für
die Beweiserhebung in Strafsachen durch eine einzige Re-
gelung auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen
Anerkennung zu ersetzen. Zudem fordere sie die Kommis-
sion auf, die Einführung europäischer Mindestverfahrens-
grundrechte und ein lückenloses System des Individual-
rechtsschutzes im Strafverfahren in der Europäischen Union
voranzutreiben. Diese Forderungen seien im Kern in der
Entschließung enthalten, so dass sie zustimmen könne, zu-
mal konkretisierte Mindeststandards gefordert würden. Um
diese Gemeinsamkeit herzustellen habe sie ein Berichter-

stattergespräch vorgeschlagen, das bedauerlicherweise nicht
zustande gekommen sei. Es sei sinnvoll, wenn der Deutsche
Bundestag in der Pluralität seiner Meinungen in diesem Be-
reich Übereinstimmung erziele. Dies werde auf europäi-
scher Ebene differenziert wahrgenommen.

Die Fraktion wies auf die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts zum Vertrag von Lissabon hin. Dort werde
deutlich gemacht, das Strafrecht in seinem Kernbestand
diene nicht als rechtstechnisches Instrument zur Effektuie-
rung einer internationalen Zusammenarbeit, sondern stehe
für die besonders sensible demokratische Entscheidung über
das rechtsethische Minimum. Dies sei der Prüfungsmaßstab,
der unmissverständlich einzufordern sei. Die Beweiserhe-
bung sei das Herzstück des Strafverfahrens. Damit sei ein
Kernbestand der Verfassungssouveränität angesprochen.
Wenn ein Rechtsetzungsakt entgegen der Vorgaben der Ent-
schließung verabschiedet werden sollte, werde die Fraktion
DIE LINKE. überlegen, vor das Bundesverfassungsgericht
zu ziehen.

Zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN wies sie darauf hin, dass unter Buchstabe a das
faire Verfahren benannt worden sei, zu dem der Grundsatz
der Waffengleichheit gehöre. Hiervon sei der im Ände-
rungsantrag vorgeschlagene Detailpunkt bereits erfasst.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, auch
einzelne Abgeordnete ihrer Fraktion hätten sich fristgerecht
zu dem Grünbuch geäußert. Die Argumentation entspreche
im Wesentlichen der der Fraktion DIE LINKE. Die Anre-
gung zu einem Berichterstattergespräch sei als Signal ver-
standen worden, sich gemeinsam als Deutscher Bundestag
zu diesem Grünbuch zu äußern. Auch sie bedauere, dass es
nicht zu einem solchen Gespräch und damit nicht zu einer
gemeinsamen Entschließung gekommen sei. Sie befürworte
den Inhalt und die Intention der Entschließung. Es handele
sich faktisch jedoch um zwei Entschließungen, was den
Text unübersichtlich gestalte. In den Punkten I bis III han-
dele es sich um eine Stellungnahme des Deutschen Bundes-
tages zu dem Grünbuch gegenüber der Kommission. Punkt IV
sei eine Entschließung nach Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes. Der Deutsche Bundestag fordere die Bundesregie-
rung auf, für den Fall, dass aus dem Grünbuch ein Kommis-
sionsvorschlag entstehe, gegenüber der Kommission in ei-
ner bestimmten Weise zu handeln. Hierfür gebe es im
Moment keinen Anlass. Zu zwei kleinen, nicht unwesentli-
chen Punkten habe sie Änderungsvorschläge gemacht: Die
Formulierung zum Datenschutz solle etwas gehaltvoller
ausgestaltet werden. Ferner solle für den Fall, dass es zu ei-
ner neuen, umfassenden europäischen Beweisanordnung
komme – was die Fraktion ablehne –, klar sein, dass die
Möglichkeiten dieser Beweisanordnung nicht nur den Straf-
verfolgungsbehörden, sondern auch den Strafverteidigern
zur Verfügung stehen müssten. So könne der Möglichkeit
zur Beantragung einer Beweisaufnahme über Grenzen hin-
weg zu Gunsten eines Beschuldigten Rechnung getragen
werden.

Drucksache 17/660 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fraktion der FDP hob hervor, alle Fraktionen dächten
weitgehend in die gleiche Richtung. Dies mache den Wert
der Stellungnahme aus. Die Anregung der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN, den Aspekt des Datenschutzes ver-
stärkt darzustellen, begrüße sie. Beim vorgeschlagenen
Buchstaben e) sähe sie Probleme. Wenn die Formulierung
so verstanden würde, dass der Strafverteidigung eine Be-
weisanregung ermöglicht werden solle, sei dies unproble-
matisch. Die Formulierung könne jedoch auch so gewertet
werden, dass der Verteidigung ein eigenes Recht eingeräumt
werden solle, dem ohne Prüfung zu folgen sei. Dies würde
die Prinzipien des deutschen Strafprozessrechts auf den
Kopf stellen. Eine neue Formulierung, die verdeutliche, es
gehe um eine Beweisanregung, könne von ihr mitgetragen
werden. Es sei das gemeinsame Interesse, die Strafverteidi-
gung nicht zu behindern. Sie schlug vor, hinter Buchstabe d
einzufügen „e) Beweisanregungen der Strafverteidigung
möglich sind“.

Die Fraktion der SPD äußerte ihr Bedauern, dass es keinen
gemeinsamen Antrag gebe. Sie hob den Aspekt der Stär-
kung der nationalen Parlamente im Bereich des Europa-
rechts hervor. Dies sei im Europaausschuss ausführlich dis-

kutiert worden. Es gehe nicht immer darum, bestimmte Re-
gelungen zu verhindern, sondern auch um eine Gestaltung
im Sinne des Deutschen Bundestages. Diese Chance sei un-
gleich größer, wenn als Parlament als Einheit eine Stellung-
nahme abgäbe, als wenn Koalitions- und Oppositionsfrak-
tionen gegeneinander arbeiteten. Sie appellierte an die Kol-
legen und Kolleginnen, jede Möglichkeit zur Zusammenarbeit
im gemeinsamen Interesse an einer guten Rechtsfindung auf
europäischer Ebene zu nutzen. Die Fraktion habe keine Ein-
wände gegen den Antrag und glaube, dass ein gemeinsames
Einbringen dem Antrag genützt hätte. Sie regte für zukünf-
tige Verfahren an, bei großer inhaltlicher Übereinstimmung
über einen gemeinsamen Antrag nachzudenken.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, auf europäischer
Ebene tauche nur der Hinweis auf, die Stellungnahme
stamme vom Deutschen Bundestag. Ein Hinweis auf die an-
tragstellenden Fraktionen sei nicht enthalten. Sie stellte fest,
die grundsätzliche Bereitschaft, europapolitisch aus den ge-
nannten Gründen zusammenzuarbeiten, sei vorhanden. Sie
schlug vor, Buchstabe d wie nunmehr in der Beschluss-
empfehlung vorgesehen zu fassen.

Berlin, den 9. Februar 2010

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender und Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/660

Anlage
17691/09 aka/sm 1
DG H 2B DE

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 18. Dezember 2009 (22.12)
(OR. en)
17691/09
COPEN 249
JAI 935

ÜBERMITTLUNGSVERMERK
Absender: Herr Jordi AYET PUIGARNAU, Direktor, im Auftrag des

Generalsekretärs der Europäischen Kommission
Eingangsdatum: 13. November 2009
Empfänger: der Generalsekretär/Hohe Vertreter, Herr Javier SOLANA
Betr.: Grünbuch zur Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem

anderen Mitgliedstaat

Die Delegationen erhalten in der Anlage das Kommissionsdokument - KOM(2009) 624 endgültig.

Anl.: KOM(2009) 624 endgültig

Drucksache 17/660 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE DE

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 11.11.2009
KOM(2009) 624 endgültig

GRÜNBUCH

Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/660

DE 3 DE

GRÜNBUCH

Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat

1. EINLEITUNG

Zu den Zielen der Europäischen Union gehört die Erhaltung und Weiterentwicklung eines
Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts unter anderem im Wege der Erleichterung
und Beschleunigung der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den
Mitgliedstaaten. Die Verfolgung grenzübergreifender Straftaten darf nicht an den
Unterschieden zwischen den Justizsystemen der Mitgliedstaaten und der fehlenden
Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen scheitern. Die Förderung einer effizienten
Zusammenarbeit bei der Beweiserhebung in Strafsachen ist hier besonders wichtig.

Es gibt bereits eine Reihe von Rechtsinstrumenten, die Verfahren vorsehen, wie in einer
Strafsache mit Auslandsbezug verwertbare Beweise in einem anderen Mitgliedstaat erhoben
werden können. Eine engere Zusammenarbeit in diesem Bereich ist der Schlüssel zu
erfolgreichen strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren in der EU. Die Kommission
beabsichtigt deshalb, diese Zusammenarbeit stärker zu fördern. Die Mitgliedstaaten und alle
sonstigen Beteiligten sollen auf der Grundlage dieses Grünbuchs zu den relevanten Aspekten
dieses Vorhabens konsultiert werden.

2. HINTERGRUND

Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam wurde mehrfach auf die Notwendigkeit
hingewiesen, die Beweiserhebung in Fällen mit Auslandsbezug zu erleichtern und die
Verwertbarkeit solcher Beweise vor Gericht sicherzustellen.

In seinen Schlussfolgerungen von Tampere1 bezeichnete der Europäische Rat den Grundsatz
der gegenseitigen Anerkennung als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit und erklärte,
dass eine verbesserte gegenseitige Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und
Urteilen und die notwendige Annäherung der Rechtsvorschriften die Zusammenarbeit
zwischen den Behörden und den Schutz der Rechte des Einzelnen durch die Justiz erleichtern
würden. Des Weiteren heißt es dort, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auch
für im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergangene Anordnungen gelten sollte, und zwar
insbesondere für Anordnungen, die es den Behörden ermöglichen, Beweismaterial rasch
sicherzustellen und leicht zu bewegende Vermögensgegenstände zu beschlagnahmen, und
dass von den Behörden eines Mitgliedstaats rechtmäßig erhobene Beweise vor den Gerichten
anderer Mitgliedstaaten zugelassen sein sollten, wobei den dort geltenden Normen Rechnung
zu tragen ist.
1 Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 1999, Schlussfolgerungen des Vorsitzes - SN

200/1/99 REV 1.

Drucksache 17/660 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 4 DE

Dem Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung
gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen2 zufolge zielt eine Anordnung für die Zwecke der
Sicherstellung von Beweismaterial darauf ab, die Vorlage verwertbaren Beweismaterials zu
ermöglichen, den Verlust von Beweismaterial zu verhüten sowie die Vollstreckung von
Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zu erleichtern, so dass die rasche Sicherung
von Beweismaterial in Strafsachen gewährleistet ist.

Der Ausbau der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ist – so das Haager Programm3 –
wesentlich, damit in angemessener Weise an die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden
der Mitgliedstaaten und Europols angeknüpft werden kann. Weiter heißt es dort, dass das
umfassende Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen
Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, das gerichtliche Entscheidungen in
allen Phasen des Strafverfahrens umfasst, wie z. B. in Bezug auf die Erhebung und
Zulässigkeit von Beweismitteln, abgeschlossen und zusätzlichen Vorschlägen in diesem
Zusammenhang weitere Beachtung geschenkt werden sollte. Im Aktionsplan zur Umsetzung
des Haager Programms4 ist darüber hinaus ein Vorschlag zu Mindestnormen für die Erhebung
verwertbarer Beweise vorgesehen.

In ihrer Mitteilung mit dem Titel „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im
Dienste der Bürger“5 schlägt die Kommission die Einführung eines umfassenden Systems für
die Beweiserhebung in grenzübergreifenden Fällen vor. Hierzu müssten alle bisherigen
Rechtsinstrumente in diesem Bereich durch eine neue Regelung ersetzt werden. Diese neue
Regelung würde in der gesamten EU automatisch anerkannt und angewandt und würde so zu
einer prompten, flexiblen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beitragen. Sie würde
Fristen vorgeben und die Ablehnungsgründe so weit wie möglich einschränken. Die Regelung
könnte Vorschriften für elektronisches Beweismaterial und die Einführung einer
Europäischen Vorführungsanordnung vorsehen, die den Möglichkeiten, die
Videokonferenzdienste bieten, Rechnung trägt. Darüber hinaus wären Mindeststandards für
die gegenseitige Anerkennung von Beweismitteln und wissenschaftlichen Erkenntnissen in
den Mitgliedstaaten denkbar.

3. GELTENDE VORSCHRIFTEN FÜR DIE BEWEISERHEBUNG IN STRAFSACHEN

Für die Beweiserhebung in Strafsachen gibt es in der EU zwei verschiedene Arten von
Rechtsgrundlagen. Eine Rechtsgrundlage bieten die diversen Instrumente im Bereich der
Rechtshilfe. Hier ist insbesondere hinzuweisen auf das Europäische Übereinkommen über die
Rechtshilfe in Strafsachen6, ergänzt durch das Schengener Durchführungsübereinkommen7
und das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten
2 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher

Entscheidungen in Strafsachen (ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10).
3 Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union

(ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1).
4 Aktionsplan des Rates und der Kommission zur Umsetzung des Haager Programms zur Stärkung von

Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union (ABl. C 198 vom 12.8.2005, S. 1).
5 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Ein Raum der Freiheit, der

Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger - KOM(2009) 262.
6 Europäisches Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen.
7 Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom

14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der
Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der
Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/660

DE 5 DE

der Europäischen Union8 mit Protokoll. Eine weitere Rechtsgrundlage bieten die
Rechtsinstrumente auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung, von denen
an erster Stelle der Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung9 zu nennen ist.
Die Rechtshilfeinstrumente und ihre Protokolle gelten für die Rechtshilfe allgemein, enthalten
aber auch Vorschriften für spezielle Formen der Rechtshilfe wie den Einsatz von
Videokonferenzen und die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs.
Rechtshilfeersuchen werden in der Regel von den Behörden direkt übermittelt und
entgegengenommen. Ein Ersuchen wird so rasch wie möglich und nach Möglichkeit innerhalb
der von der ersuchenden Behörde gesetzten Frist erledigt, sofern die ersuchte Behörde keinen
Ablehnungsgrund geltend macht. Um die Zulässigkeit der erlangten Beweismittel zu
gewährleisten, hält die ersuchte Behörde die von der ersuchenden Behörde angegebenen
Formvorschriften und Verfahren ein, sofern sie nicht den Grundprinzipien des Rechts des
ersuchten Mitgliedstaats zuwiderlaufen.

Der Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung stützt sich zur Erlangung von
Beweismitteln, die in Strafsachen verwendet werden sollen, auf den Grundsatz der
gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen. Eine Europäische
Beweisanordnung kann zur Erlangung bereits vorhandener Beweise, die in Form von Sachen,
Schriftstücken oder Daten direkt verfügbar sind, erlassen werden10. Sie wird unter
Verwendung eines Formblatts in einer Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats
ausgestellt. Die Behörden des Anordnungsstaats müssen sich vergewissern, dass die
Beweisstücke in einem vergleichbaren Fall nach nationalem Recht erlangt werden könnten
und für das betreffende Strafverfahren notwendig und angemessen sind. Die
Beweisanordnung wird innerhalb einer vorgegebenen Frist anerkannt und vollstreckt, sofern
kein Ablehnungsgrund gegeben ist. Ist keine Durchsuchung oder Beschlagnahme erforderlich
oder ist die Straftat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bedroht und im
Rahmenbeschluss als Straftatbestand aufgeführt, wird die Vollstreckung der Europäischen
Beweisanordnung nicht von einer Überprüfung der beiderseitigen Strafbarkeit abhängig
gemacht. Um die Zulässigkeit bzw. Verwertbarkeit der erlangten Beweismittel zu
gewährleisten, sind die Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaats verpflichtet, die von den
Behörden des Anordnungsstaats angegebenen Formvorschriften und Verfahren einzuhalten,
sofern sie nicht den Grundprinzipien des Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaats
zuwiderlaufen.
8 Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten

der Europäischen Union (ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 1).
9 Rahmenbeschluss des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung zur

Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen (ABl. L 350 vom
30.12.2008. S. 72). Auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung basiert auch der
Rahmenbeschluss des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen zur
Sicherstellung von Vermögensgegenständen und Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 196
vom 2.8.2003, S. 45). Dieses Rechtsinstrument ist jedoch auf die Sicherstellung von Beweisstücken
beschränkt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Für die anschließende Übergabe der
Beweise an einen anderen Mitgliedstaat wären die entsprechenden Rechtshilferegelungen oder der
Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung maßgebend.

10 Aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs kann eine Europäische Beweisanordnung nicht für die
Vernehmung von Zeugen oder Verdächtigen oder zur Erlangung von Informationen in Echtzeit (z. B.
durch die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs oder von Kontenbewegungen) ausgestellt
werden, da Beweise dieser Art – wenn auch direkt verfügbar – noch nicht existieren. Eine Europäische
Beweisanordnung darf auch nicht erlassen werden, um vorhandene Sachen, Schriftstücke oder Daten zu
untersuchen oder Zellmaterial oder biometrische Daten, einschließlich DNA-Proben oder
Fingerabdrücken, zu entnehmen, da solche Beweise zwar bereits existieren, aber ohne weitere
Untersuchungen oder Analysen nicht direkt verfügbar sind.

Drucksache 17/660 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 6 DE

4. KÜNFTIGE VORHABEN

4.1 Beweiserhebung

Wie bereits erwähnt, ist die grenzübergreifende Beweiserhebung in Strafsachen in der EU in
einer Reihe paralleler Rechtsinstrumente geregelt, die entweder auf den Grundsatz der
Rechtshilfe oder den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gestützt sind. Dies erschwert
die Anwendung dieser Vorschriften und kann Rechtsanwender verunsichern. In manchen
Fällen kann dies auch dazu führen, dass die Rechtsanwender nicht das für das gewünschte
Beweismittel am besten geeignete Instrument heranziehen. Letztlich können diese Faktoren
eine effiziente grenzübergreifende Zusammenarbeit behindern. Rechtshilfeinstrumente stehen
darüber hinaus in dem Ruf, langwierig und ineffizient zu sein, da sie für ein Ersuchen um die
Erhebung von Beweisen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden, weder
Standardformulare noch Fristen für die Erledigung des Ersuchens vorgeben. Die
Rechtsinstrumente, die auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gestützt sind, sind
ebenfalls nicht in allen Fällen zufrieden stellend, da sie nur für bestimmte Beweisarten gelten
und zahlreiche Ablehnungsgründe enthalten.

Wie in der Mitteilung „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der
Bürger“ ausgeführt, dürften sich die vorgenannten Schwierigkeiten am besten dadurch lösen
lassen, dass die bestehenden Vorschriften für die Beweiserhebung in Strafsachen durch eine
einzige Regelung auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung ersetzt
werden, die alle Beweisarten umfasst. Diese neue Regelung würde anders als der
Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung auch Beweismittel erfassen, die
zwar direkt verfügbar sind, aber noch nicht existieren wie Aussagen von Zeugen oder
Verdächtigen oder Echtzeit-Informationen, die beispielsweise bei der Überwachung des
Telekommunikationsverkehrs oder von Kontenbewegungen erlangt werden. Erfasst würden
auch Beweismittel, die zwar bereits existieren, aber nicht ohne weitere Analysen oder
Untersuchungen verfügbar sind. Zu denken wäre hier an Untersuchungen vorhandener
Gegenstände, Schriftstücke oder Daten oder an die Entnahme von DNA-Proben oder die
Abnahme von Fingerabdrücken. Bei der Konsultation zu diesem Grünbuch soll festgestellt
werden, inwieweit diese Vorgehensweise auf Zustimmung stößt.

Des Weiteren ist zu prüfen, ob für bestimmte Beweisarten besondere Vorschriften vorzusehen
sind. In den bestehenden Rechtshilfeinstrumenten gibt es neben den allgemeinen
Bestimmungen, die für alle Beweisarten gelten, detaillierte Vorschriften für besondere
Rechtshilfeersuchen, die beispielsweise auf eine Überwachung des
Telekommunikationsverkehrs oder eine Vernehmung per Videokonferenz gerichtet sind.

Zu prüfen ist auch, ob die Besonderheiten der Rechtsinstrumente, die auf den Grundsatz der
gegenseitigen Anerkennung gestützt sind (z. B. Anordnungen statt Rechtshilfeersuchen,
Verwendung von Standardformularen, verbindliche Fristen für die Erledigung und direkter
Kontakt zwischen den zuständigen Behörden), für alle Beweisarten gelten sollten.
Standardformulare für die Zeugenvernehmung oder verbindliche Fristen für die Einsetzung
eines gemeinsamen Ermittlungsteams könnten sich beispielsweise als nicht zweckmäßig
erweisen. Sofern es sich um Beweismittel handelt, die ohne Zwangsmaßnahmen erhoben
werden können, könnte bei diesen Rechtsinstrumenten unter Umständen auch auf die
Ablehnungsgründe verzichtet werden.

Schließlich ist zu prüfen, ob es sinnvoll wäre, bestehende oder künftige Regelungen durch
nichtlegislative Maßnahmen zu ergänzen. Denkbar wären Maßnahmen wie Schulungen oder

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/660

DE 7 DE

Leitfäden, um die Rechtsanwender mit diesen Instrumenten vertraut zu machen. In Betracht
kämen auch Initiativen, die auf die Gewährleistung einer korrekten Anwendung der
Vorschriften abzielen, wie die Einrichtung eines Kontroll- und Bewertungssystems.

4.2 Zulässigkeit von Beweismitteln

Wie bereits erwähnt, enthalten die bestehenden Rechtsinstrumente über die Beweiserhebung
in Strafsachen bereits Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass die in einem anderen
Mitgliedstaat erhobenen Beweise auch verwertbar sind, bzw. die vermeiden sollen, dass
Beweismittel aufgrund der Art und Weise, wie sie in einem anderen Mitgliedstaat erhoben
wurden, im Verfahrensmitgliedstaat als unzulässig oder von geringerer Beweiskraft
angesehen werden. Diese Vorschriften legen jedoch keine gemeinsamen Normen für die
Beweiserhebung fest, sondern regeln die Frage der Zulässigkeit von Beweismitteln nur
indirekt. Es besteht daher die Gefahr, dass die bestehenden Beweiserhebungsregeln ihre
Wirkung nur im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten mit vergleichbaren nationalen
Beweiserhebungsnormen umfassend entfalten.

Wie in der Mitteilung „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der
Bürger“ ausgeführt, dürfte sich dieses Problem am besten mit gemeinsamen Normen für die
Beweiserhebung in Strafsachen lösen lassen. Bei der Konsultation zu diesem Grünbuch soll
auch festgestellt werden, inwieweit diese Vorgehensweise als richtig angesehen wird.

Ist dies der Fall, muss auch geprüft werden, ob allgemeine Normen für alle Beweisarten oder
auf die verschiedenen Beweisarten zugeschnittene Normen erlassen werden sollen. Aufgrund
der Besonderheiten der verschiedenen Beweisarten würde sich erstere Lösung auf die
Festlegung allgemeiner Grundsätze beschränken, während letztere eine spezifischere
Rechtsangleichung zuließe.

5. FRAGEN AN DIE MITGLIEDSTAATEN UND ALLE SONSTIGEN BETEILIGTEN

Um festzustellen, wie die Kommission am besten vorgehen sollte, werden die Mitgliedstaaten
und alle sonstigen Beteiligten gebeten, die nachstehenden Fragen zu beantworten:

5.1 Beweiserhebung

1. Würden Sie es grundsätzlich begrüßen, wenn die bestehenden Vorschriften für die
Beweiserhebung in Strafsachen durch eine einzige Regelung auf der Grundlage des
Prinzips der gegenseitigen Anerkennung ersetzt würden, die alle Beweisarten
umfasst, d. h. auch Beweise, die noch nicht existieren oder die nicht ohne weitere
Analysen oder Untersuchungen verfügbar sind? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

2. Halten Sie es für notwendig, in diese Regelung für bestimmte Beweisarten besondere
Vorschriften aufzunehmen? Wenn ja, welche? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

3. Halten Sie es für nicht sachgerecht, die Merkmale, die für eine Regelung auf der
Grundlage der gegenseitigen Anerkennung typisch sind, auf alle Beweisarten
anzuwenden, d. h. auch auf Beweise, die noch nicht existieren oder die nicht ohne
weitere Analysen oder Untersuchungen verfügbar sind? Wenn ja, welche
Beweisarten sollten anders behandelt werden? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

Drucksache 17/660 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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4. Halten Sie es für sinnvoll, die Regelung durch nichtlegislative Maßnahmen zu
ergänzen? Wenn ja, welche? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

5. Gibt es noch weitere Aspekte, die geregelt werden sollten? Wenn ja, welche? Bitte
begründen Sie Ihre Antwort.

5.2 Zulässigkeit von Beweismitteln

6. Würden Sie die Einführung gemeinsamer Normen für die Beweiserhebung
grundsätzlich begrüßen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

7. Würden Sie allgemeinen Normen für alle Beweisarten den Vorzug geben, oder
würden Sie Normen bevorzugen, die auf die verschiedenen Beweisarten
zugeschnitten sind? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

8. Welche gemeinsamen Normen würden Sie ins Auge fassen? Bitte begründen Sie Ihre
Antwort.

9. Gibt es noch weitere Aspekte, die geregelt werden sollten? Wenn ja, welche? Bitte
begründen Sie Ihre Antwort.

6. ABGABEFRIST

Die Mitgliedstaaten und alle sonstigen Beteiligten werden gebeten, bis spätestens 22. Januar
2010 zu diesem Grünbuch Stellung zu nehmen. Die Beiträge sind an folgende Anschrift zu
senden:

Per Post:
Europäische Kommission
Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit
z. H. Herrn Anders AAGAARD
MO59 03/096
B-1049 Brüssel
Belgien

Per E-Mail:
[email protected]

Die Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Bitte lesen Sie die für diese Konsultation
geltende Datenschutzerklärung, um zu erfahren, wie mit Ihren personenbezogenen Daten und
mit Ihrem Beitrag verfahren wird. Berufsverbände werden gebeten, sich im
Kommissionsregister der Interessenvertreter einzutragen
(http://ec.europa.eu/transparency/regrin). Dieses Register wurde im Rahmen der europäischen
Transparenzinitiative eingerichtet, um die Kommission und die Öffentlichkeit über die Ziele,
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