BT-Drucksache 17/6468

Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei in Saudi-Arabien beenden

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6468
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln),
Ingrid Hönlinger, Katja Keul, Memet Kilic, Agnes Malczak, Jerzy Montag,
Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Hans-Christian Ströbele,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei in Saudi-Arabien beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Seit 2009 sind Beamte der Bundespolizei in Saudi-Arabien im Einsatz. Sie
sollen im Rahmen eines Projektes des Konzerns EADS (European Aero-
nautic Defence and Space Company) saudische Grenzpolizisten im Umgang
mit der durch Saudi-Arabien erworbenen Überwachungstechnik von EADS
und für grenzpolizeiliche Aufgaben schulen.

2. Die Tätigkeit der Bundespolizei findet im Rahmen eines Vertrages mit
EADS statt. Das Unternehmen hat der Regierung Saudi-Arabiens Ausrüs-
tung und Ausbildung im Paket angeboten. Die Ausbildungstätigkeit durch
die Bundespolizei wird von EADS mitfinanziert. Diese Beteiligung wird
über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
GmbH abgewickelt, was deren entwicklungspolitischem Auftrag wider-
spricht.

3. Die Beamten der Bundespolizei befinden sich ohne Dienstpass und ohne Di-
plomatenstatus in Saudi-Arabien.

4. Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag auf entsprechende
Nachfragen nicht über Art und Umfang des Einsatzes informiert. Es wurde
lediglich auf den Einsatz von Sicherheitsbeamten in Saudi-Arabien verwie-
sen, deren Zahl jedoch deutlich niedriger angegeben wurde.

5. Die Ausbildung durch die Beamten der Bundespolizei geht über die Vermitt-
lung von Kenntnissen zur Grenzsicherung hinaus. Es werden auch solche
Fähigkeiten vermittelt, die etwa zur Kontrolle von Demonstrationen und zur
Niederschlagung von Unruhen eingesetzt werden können.

6. Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, die Weitervermittlung der
von Beamten der Bundespolizei vermittelten Kenntnisse zu beeinflussen
oder darüber Informationen zu erhalten. Sie verfügt nicht über Kenntnisse,

ob und wenn ja, wie verhindert wird, dass die von Beamten der Bundespoli-
zei vermittelten Fähigkeiten auch zur Verletzung von Menschenrechten sau-
discher Staatsangehöriger eingesetzt werden.

7. Die deutschen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und die deutschen Grund-
und Menschenrechtsstandards werden in Saudi-Arabien nicht anerkannt und
eingehalten. Die Bundespolizei ist in allen ihren Tätigkeiten, unabhängig
vom Einsatzort, an die Grund- und Menschenrechte gebunden.

Drucksache 17/6468 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die in Saudi-Arabien im Rahmen dieses Ausbildungsauftrages tätigen Be-
amten der Bundespolizei umgehend zurück nach Deutschland zu bringen
und die Betätigung weiterer Bundespolizisten im Rahmen der grenz- und
sonstigen polizeilichen Ausbildung zu untersagen;

2. nachträglich alle Einzelheiten über Beginn, Ablauf, Finanzierung, Inhalte
und rechtliche Grundlagen der Ausbildungstätigkeit von Beamten der Bun-
despolizei in Saudi-Arabien offenzulegen;

3. in Zukunft bei der Entsendung von Beamten der Bundespolizei für Ausbil-
dungsaufträge im Ausland die Beachtung internationaler, rechtsstaatlicher
und menschenrechtlicher Standards im Zielland stärker zu berücksichtigen
und besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass vermittelte Fähigkeiten
nicht auch für die Unterdrückung demokratischer Bewegungen genutzt wer-
den können;

4. in Zukunft keine Beamten der Bundespolizei mehr zur Erfüllung von Aufga-
ben im Rahmen von Verträgen zwischen Unternehmen und ausländischen
Staaten zu entsenden und in Zukunft keine vollständige oder teilweise Be-
zahlung von Beamten der Bundespolizei durch entsprechende Unternehmen
mehr zuzulassen;

5. Vorschläge zu machen, wie die parlamentarische Kontrolle der Entsendung
von Beamten der Bundespolizei ins Ausland verbessert werden kann.

Berlin, den 5. Juli 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Der Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien ist in mehrerlei Hinsicht frag-
würdig. In der Summe machen diese Bedenken eine Beendigung des Einsatzes
von Beamten der Bundespolizei zwingend notwendig.

Grundsätzlich ist Saudi-Arabien kein rechtsstaatlicher, demokratischer Staat,
bei dem die Achtung der Menschenrechte ohne weitere Prüfung in vollem Um-
fang vorausgesetzt werden kann. Das schließt eine Kooperation, auch im Si-
cherheitsbereich, nicht vollständig aus; diese ist, zum Beispiel im Kontext der
Terrorismusbekämpfung auch notwendig. Aber angesichts der menschenrecht-
lichen Bedenken muss jede Art der Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien, bei der
es um Sicherheitsfragen, die Vermittlung von Know-how und den Verkauf von
Sicherheitstechnik geht, äußerst genau geprüft und klar geregelt werden.

Dies ist bei der gegenwärtigen Tätigkeit der Bundespolizei nicht in ausreichen-
dem Maße geschehen. Vordergründig geht es um die Vermittlung von Kennt-
nissen und Fähigkeiten im Bereich der Grenzsicherung. In der Praxis werden
aber auch solche polizeilichen Fähigkeiten vermittelt, die etwa der Kontrolle
und Bekämpfung von Demonstrationen oder der Niederschlagung von Opposi-
tionsbewegungen dienen können. Es ist angesichts der Demokratiebewegung
im Nahen und Mittleren Osten nicht akzeptabel, dass sich die deutsche Bundes-
polizei mittelbar an der Bekämpfung dieser Bewegung beteiligt. Schon die Tat-
sache, dass Saudi-Arabien die Regierung von Bahrain darin unterstützte, De-
monstrationen zu bekämpfen, stellt den Einsatz deutscher Ausbilder in Saudi-

Arabien in ein schiefes Licht. Für die Erfüllung der immer wieder vorgebrach-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6468

ten Hoffnung, dass mit der Ausbildung durch deutsche Beamte auch rechts-
staatliche Standards wirksam vermittelt werden könnten, gibt es keine Anzei-
chen.

Fragwürdig am konkreten Einsatz ist auch die Kooperation mit EADS. Der
Konzern hat Grenzsicherungstechnik an Saudi-Arabien verkauft. Teil des Ver-
trages ist auch die Ausbildung der Grenzpolizisten. Diese Aufgabe übernehmen
Beamte der Bundespolizei. Die anfallenden Auslandszulagen werden von
EADS bezahlt, allerdings in intransparenter Weise auf Umwegen über die GIZ.
Diese Art der öffentlich-privaten Zusammenarbeit ist der Kooperation im Si-
cherheitsbereich mit einem Staat wie Saudi-Arabien nicht angemessen und
macht die Beamten der Bundespolizei letztlich zu Mitarbeitern eines Rüstungs-
konzerns. Sie befinden sich in einer unklaren Rechtssituation und ihr Status ist,
mangels Dienst- oder Diplomatenpasses, ebenfalls unklar.

Die parlamentarische Kontrolle des Einsatzes hat die Bundesregierung von An-
fang an nicht ernst genommen und auch ihre Berichtspflichten gegenüber dem
Deutschen Bundestag weitgehend ignoriert. Auf mehrere parlamentarische An-
fragen hin wurde die Zahl der in Saudi-Arabien tätigen Bundespolizisten falsch
angegeben, über die Rechtsgrundlage des Einsatzes wurde unterschiedlich in-
formiert und auch über die Vereinbarung mit EADS wurden nur bruchstückhaft
Informationen übermittelt.

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