BT-Drucksache 17/6152

Die Förderung des Sports ist Aufgabe des Staates

Vom 9. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6152
17. Wahlperiode 09. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, Herbert Behrens,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Ulla Jelpke,
Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert,
Raju Sharma, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten
Tackmann, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Die Förderung des Sports ist Aufgabe des Staates

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Sport erfüllt in der Gesellschaft unersetzbare Funktionen. Er trägt zum
Wohlbefinden bei, steigert die Gesundheit und verbessert die Lebensqualität.
Gerade bei Kindern und Jugendlichen hat sportliche Betätigung einen positiven
Einfluss auf die Entwicklung von Persönlichkeit und Selbstwertgefühl. Durch
die integrative Wirkung des Sports werden Vorurteile abgebaut und die Kommu-
nikation und Teilhabe der Menschen gestärkt.

Durch die Mitgliedschaft in einem der über 90 000 Sportvereine erreicht der
Sport einen Großteil der Bevölkerung. Etwa die Hälfte der Jugendlichen im
Alter zwischen 16 und 25 Jahren ist in einem Sportverein organisiert. Hier leistet
der Sport einen unverzichtbaren Beitrag zum sozialen Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft, indem er demokratische Grundwerte wie Toleranz, Respekt und
Fairness vermittelt.

Das Fundament für die Weitergabe dieser Werte und die Förderung des Sports
bilden die rund 8,5 Millionen Menschen, die sich als Mitglieder ehrenamtlich in
Sportvereinen engagieren. Ihrem persönlichem, zeitlichem und finanziellem
Einsatz ist es zu verdanken, dass die Grundstrukturen des Sports erhalten blei-
ben und viele Menschen die Möglichkeit haben, sich sportlich zu betätigen.

Für eine gesunde und positive Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und
Jugendlichen ist der Schulsport eine grundlegende Voraussetzung. Dieser ist
insbesondere hinsichtlich der Sportstätten, der Lehrerqualifikation und der
Angebote auszubauen. Die Einführung von Ganztagsschulen, die gymnasiale
Schulzeitverkürzung und genereller Stundenausfall dürfen nicht zu Lasten des
Sportunterrichts gehen. An allen Schulen müssen vergleichbare Bedingungen

geschaffen und Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen gefördert
werden.

Es ist dringend erforderlich, die Sportstätten in Deutschland zu erneuern, um ein
nachhaltiges Sportangebot zu gewährleisten. Bei der Sanierung sind insbe-
sondere energetische und ökologische Belange sowie Sicherheitsaspekte und
Barrierefreiheit zu berücksichtigen.

Drucksache 17/6152 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sport ist ein Grundbedürfnis und Zugangshemmnisse müssen abgebaut werden.

Den Sport zu schützen und zu fördern obliegt dem Staat. Im Sinne eines umfas-
senden politischen Handelns und um dem Sport die Bedeutung beizumessen, die
ihm zusteht, ist eine Verankerung im Grundgesetz erforderlich. Das Grund-
gesetz soll dahingehend geändert werden, dass der Sport als Staatszielbestim-
mung aufgenommen wird. Dadurch wird die fortdauernde Beachtung des Sports
in allen seinen Facetten wesentlich besser ermöglicht.

Zur Gewährleistung langfristiger Planungssicherheit sind die Grundzüge der
Sportförderung in einem Sportfördergesetz zu verankern. Damit wird Verbind-
lichkeit geschaffen und die Förderung von Sportangeboten sowie die Verbesse-
rung der Sportinfrastruktur werden auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

darauf hinzuwirken, den Sport im Grundgesetz als Staatsziel zu verankern und
den Entwurf eines Sportfördergesetzes des Bundes vorzulegen. Zweck dieses
Gesetzes soll es sein, den Einwohnerinnen und Einwohnern die Möglichkeit zu
verschaffen, sich unabhängig von sozialem Status, Nationalität, Behinderungen
und Geschlecht sowie ungeachtet einer organisatorischen Bindung nach ihren
Interessen und Fähigkeiten angemessen sportlich zu betätigen. Dabei ist auf eine
ausgewogene Förderung des Freizeit-, Breiten-, Behinderten- und Gesundheits-
sports sowie des Nachwuchsleitungssports hinzuwirken. Den Belangen des
Natur- und Umweltschutzes ist gleichberechtigt Rechnung zu tragen.

In dem Gesetz soll unter Berücksichtigung der Autonomie der Sportorganisa-
tionen sowie der Rechte der Länder und sonstiger Gebietskörperschaften Fol-
gendes geregelt werden:

1. die Sicherung des Zugangs der Kinder und Jugendlichen zum Breiten- und
Leistungssport,

2. die Förderung des Behindertensports,

3. Maßnahmen zur Sicherung der Mitbestimmung und Chancengleichheit von
Frauen bei der Ausrichtung und Selbstverwaltung des Sports,

4. die Schaffung von öffentlich finanzierter Beschäftigung im Bereich des
gemeinnützigen Sports,

5. die Aufsetzung eines bundesweiten Sportstättensanierungsprogramms, ins-
besondere unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien, der
Barrierefreiheit sowie der Gleichstellung von Frauen und Männern,

6. die Einführung einer zweckgebundenen Abgabe auf die Umsätze aus der
Sportwerbung für die Sportförderung, als Zweck kommen insbesondere
Doping- bzw. Gewaltprävention in Betracht,

7. die Stärkung des Sports als wichtiger Teil von Gesundheitsförderung, Prä-
vention und Rehabilitation,

8. die Förderung des ehrenamtlichen Engagements in Sportorganisationen,

9. die Einführung bundesweiter Qualitätsstandards zur Weiterentwicklung des
Schulsports, des Berufsschulsports sowie des Hochschulsports,

10. Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung des Dopings im Sport,

11. die Weiterentwicklung sportbezogener Forschung, insbesondere bezogen
auf Trainingsmethoden, Sportgeräte, Dopingnachweisverfahren sowie ge-
sundheitliche Wirkungen des Sports,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6152

12. die Herstellung von Transparenz gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber bei
der Vergabe von pauschalen Fördermitteln und deren Verwendung sowie
die Bündelung der Sportfördermittel der Bundesministerien.

Berlin, den 9. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Der Sport vermag es, wie kaum ein anderer Bereich, völker- und menschenver-
bindende Wirkungen zu entfalten und die gesamte Lebenssituation des und der
Einzelnen positiv zu beeinflussen.

Der Sport würde durch eine Aufnahme in das Grundgesetz sowie durch die
Schaffung eines Sportfördergesetzes des Bundes stärker in den Blickpunkt des
Gesetzgebers gerückt. Hierdurch würde deutlich gemacht, dass dem Staat die
Pflicht zur Förderung des Sports obliegt. Diese Pflicht umfasst nicht nur den
Leistungssport.

Um positive gesellschaftliche Effekte zu sichern, muss auch der Breitensport
entsprechend geschützt und gefördert werden. Welche herausragende und oft-
mals über den Sport hinausgehende Bedeutung der Breiten- und Freizeitsport
hat, zeigt unter anderem die alljährliche Verleihung der Sterne des Sports. Durch
die Auszeichnung der Vereine für ihre sozialen Projekte wird insbesondere die
Bedeutung der vielen ehrenamtlich engagierten Mitglieder deutlich. Ohne ihr
Wirken wäre auf lange Sicht auch der Spitzensport gefährdet, da die Entwick-
lung von Nachwuchs gerade in den kleinen Vereinen stattfindet.

Schulsport wirkt dem Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen entge-
gen. Dies hat langfristig einen positiven Einfluss auf die Gesundheitsentwick-
lung. Außerdem beeinflusst regelmäßiges Sporttreiben auch die Persönlichkeits-
entwicklung junger Menschen. Sport führt zu einer Steigerung der Konzentration
und der Lernbereitschaft und hat damit direkten Einfluss auf die Leistungsfähig-
keit der Kinder und Jugendlichen.

Spätestens mit dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten
Nationen in Deutschland steht der Bund – gemeinsam mit Ländern und Kommu-
nen – in der Pflicht, Menschen mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen die
Teilhabe an Sportaktivitäten zu ermöglichen (siehe Artikel 30 – Teilhabe am kul-
turellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport – Absatz 5). Dies betrifft
den Schul-, Breiten- und Leistungssport, die Teilhabe in Verbänden des Behin-
dertensports ebenso wie die aktive (als Sportlerin bzw. Sportler) und passive (als
Zuschauerin und Zuschauer) Teilhabe an Sportangeboten außerhalb des Behin-
dertensports.

Seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1. Dezember 2009 hat auch
die Europäischen Union durch Artikel 165 AEUV (Vertrag über die Arbeits-
weise der Europäischen Union) die herausragende Bedeutung des Sports in
ihrem Regelwerk verankert. Auch in dem weit überwiegenden Teil der Landes-
verfassungen in der Bundesrepublik Deutschland ist ein Staatsziel Sport enthal-
ten.

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