BT-Drucksache 17/5904

zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. .../...des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit -Ratsdok. 14496/10- zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten -Ratsdok. 14497/10- zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet -Ratsdok. 14498/10- zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken -Ratsdok. 14520/10- hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes

Vom 25. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5904
17. Wahlperiode 25. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Roland Claus, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin
Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine
Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia Möller,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens
bei einem übermäßigen Defizit
– Ratsdok. 14496/10 –

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Anforderungen an die
haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten
– Ratsdok. 14497/10 –

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im
Euro-Währungsgebiet
– Ratsdok. 14498/10 –

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der
haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der
Wirtschaftspolitiken
– Ratsdok. 14520/10 –

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die von der Europäischen Kommission gemachten Vorschläge beinhalten
Maßnahmen zur haushaltspolitischen Überwachung, zum Defizitverfahren,
zur Haushaltsplanung und zum Berichtswesen der EU-Mitgliedsländer über
die öffentlichen Finanzen. Vorgesehen ist, die präventive und korrektive
Komponente des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts zu verschär-
fen. Durch das vorgeschlagene Verfahren einer „umgekehrten Abstimmung“
soll die Abwehr von Strafzahlungen verhindert werden.

Drucksache 17/5904 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Statt dem Steuersenkungswettbewerb in der EU wirksam entgegenzutreten,
sollen nach deutschem „Vorbild“ Schuldenbremsen die fiskalpolitischen
Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedsländer beschneiden. In Deutschland
nutzen die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP und die Bundes-
regierung das Druckmittel Schuldenbremse, um einen angeblichen Sachzwang
für Sozialabbau zu schaffen. Die Vorschläge der EU-Kommission zielen da-
rauf, dieses Druckmittel künftig in allen EU-Mitgliedsländern einzusetzen.

3. Die von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge laufen auf einen fiska-
lischen Schrumpfungskurs hinaus. Das schwächt die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage, belastet in der Folge die Einnahmeseite der Staatshaushalte und
erhöht staatliche Defizite, statt sie zu senken. Die vorgeschlagenen Maßnah-
men belegen betroffene Mitgliedsländer mit teuren Strafzahlungen. Damit
schrumpft der fiskalpolitische Handlungsspielraum dieser Länder weiter.
Statt Verschuldungskrisen entgegenzuwirken, werden diese noch verschärft.

4. Es ist nicht ersichtlich, wie die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstums-
paktes einen Beitrag zur Überwindung der Euro-Krise leisten könnte. So
haben Spanien und Irland, die von Problemen bei der Refinanzierung ihrer
Staatsschulden betroffen sind, im Unterschied zu Deutschland bis zur Euro-
Krise nie gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen. Die Ursache
der Euro-Krise waren nicht die öffentlichen Defizite – beigetragen zur Euro-
Krise hat vielmehr die hohe Auslandsverschuldung einiger Volkswirtschaf-
ten, insbesondere ihrer Unternehmenssektoren, sowie der privaten Haushalte.

5. Eine zentrale Ursache der gegenwärtigen Verschuldungskrise ist die große
Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit vor allem zwischen den nördlichen und
südlichen Euro-Ländern. Im Verhältnis zur Produktivität des jeweiligen Lan-
des haben sich die Löhne sehr unterschiedlich entwickelt. Dies führt zu er-
heblichen Leistungsbilanzüberschüssen in Deutschland und entsprechenden
Defiziten vor allem in südeuropäischen Ländern. CDU/CSU, FDP, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Verschuldungskrise in Europa mit zu
verantworten, indem sie Lohndumping in Deutschland politisch flankierten.

6. Eine haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung auf EU-Ebene muss
soziale Mindeststandards, eine Mindestbesteuerung von Unternehmen und
Vermögenden, eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte und einen
Abbau von Leistungsbilanz-Ungleichgewichten garantieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den oben genannten Verordnungen und Richtlinien weder im Europäischen
Rat noch im Ministerrat abschließend zuzustimmen;

2. statt sogenannte Schuldenbremsen nach Europa zu exportieren, sich auf EU-
Ebene für eine Europäische Ausgleichsunion einzusetzen. Diese Ausgleichs-
union sieht vor, dass Strafzinsen auf akkumulierte Leistungsbilanzüber-
schüsse erhoben werden, um einen Struktur- und Kohäsionsfonds zur Förde-
rung eines produktivitätserhöhenden Strukturwandels in den Defizitländern
zu finanzieren;

3. dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Maßnahmen
zur Belebung der Binnennachfrage durch höhere Löhne, eine Ausweitung der
öffentlichen Investitionen sowie des Sozialstaats vorsieht. Diese Maßnahmen
beinhalten insbesondere einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn,
der bis 2013 auf 10 Euro pro Stunde erhöht wird.

Berlin, den 24. Mai 2011
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5904

Begründung

Ein Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte beziehungsweise der Aus-
landsverschuldung von Volkswirtschaften des Euro-Raums kann nur ohne
Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen, wenn Länder mit
Leistungsbilanzüberschüssen die Binnenwirtschaft stärken und mehr importie-
ren. Das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“
von 1967 wird seit Jahrzehnten in Deutschland missachtet. Ein automatischer
und sanktionsbewehrter Mechanismus unter Wahrung der nationalstaatlichen
Souveränität ist daher geboten, um weitere Verwerfungen der Euro-Zone zu ver-
meiden und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor umfangreichen Rettungs-
paketen zu bewahren.

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