BT-Drucksache 17/5760

Schutzschirm für Stromkunden - Bezahlbare Energiepreise gewährleisten

Vom 10. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5760
17. Wahlperiode 10. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder,
Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Katrin Kunert, Sabine Leidig,
Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia
Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine
Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Schutzschirm für Stromkunden – Bezahlbare Energiepreise gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Unmittelbar nachdem die Bundesregierung ein dreimonatiges Atom-Morato-
rium erlassen hat, drohten die Stromkonzerne mit drastischen Erhöhungen der
Strompreise.

Dabei hatten die vier großen Energiekonzerne E.ON Vertrieb Deutschland
GmbH, RWE Vertrieb AG, EnBW Energie Baden-Württemberg AG und Vatten-
fall Europe AG sowie weitere Anbieter bereits zum 1. Januar 2011 Preiser-
höhungen um teilweise bis zu 10 Prozent eingeführt. Von den Preiserhöhungen
betroffen sind insgesamt 25 Millionen Privathaushalte. Nach Berechnungen des
Umweltbundesamtes bezahlen Verbraucherinnen und Verbraucher jährlich zwi-
schen 10 und 15 Mrd. Euro zu viel an die vier Strom-Monopolisten. Die Folgen
sind hohe Gewinne für die Konzerne und Kapitalrenditen von über 25 Prozent.

Gleichzeitig können immer mehr Privathaushalte mit geringem Einkommen die
steigenden Energiepreise nicht bezahlen. Während die Realeinkommen in den
letzten zehn Jahren durchweg sanken, haben sich die Ausgaben der Privathaus-
halte für Strom und Wärme mehr als verdoppelt. Nach Angaben des Bundes der
Energieverbraucher e. V. waren bereits 2006 aufgrund von Zahlungsunfähigkeit
ca. 840 000 Privathaushalte von Strom- bzw. Gassperren betroffen – Tendenz
seither steigend.

Unstrittig ist, dass der einzig gangbare Weg zu einer sicheren, umweltfreund-
lichen und bezahlbaren Energieversorgung über erneuerbare Energien, Energie-
effizienz und Energieeinsparung führt. Um eine bezahlbare Energieversorgung
zu fairen Bedingungen für alle Menschen zu gewährleisten, muss der Strom-
markt sozial gerecht, klimaschutzorientiert und verbrauchergerecht reguliert
werden. Die Liberalisierung des Strommarktes hat Verbraucherinnen und Ver-
brauchern nicht zum Vorteil gereicht. Im Gegenteil: Der Wegfall der staatlichen
Preisaufsicht hat zu einem deutlichen Anstieg der Strompreise geführt.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, um

1. eine staatliche Strompreisaufsicht einzuführen und so auszugestalten, dass
sie wirksamen Einfluss auf die Entwicklung der Strompreise nehmen kann,
und im Zuge der Installierung einer wirksamen Strompreisaufsicht mit

Drucksache 17/5760 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
einem Strompreismoratorium Erhöhungen der Strompreise auszuschließen
bis die Strompreisaufsicht arbeitsfähig ist. Der Preisaufsicht soll ein Ver-
braucherbeirat mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbraucherverbän-
den zur Seite gestellt werden;

2. Energieversorger zu verpflichten, verbindliche Sozialtarife für einkom-
mensschwache Haushalte anzubieten, die zu einer deutlichen Entlastung bei
den Strompreisen führen. Der Sozialtarif soll auf haushaltsübliche Strom-
mengen begrenzt bleiben. Die Stromtarife sind zudem progressiv auszuge-
stalten, so dass ein erhöhter Pro-Kopf-Stromverbauch nicht durch Rabatte
belohnt wird, sondern ein Anreiz für energiesparendes Verhalten gesetzt
wird. Zur Förderung der Energieeffizienz sind kostenfreie Energieberatun-
gen anzubieten;

3. Stromsperren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbraucherinnen
und Verbrauchern zu verbieten. Für Härtefälle und geschützte Personen
sind geeignete Regelungen zu entwickeln, damit der notwendige Zugang
zur Energie jederzeit gewährleistet bleibt.

Berlin, den 10. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Steigende Energiepreise führten bereits in der Vergangenheit insbesondere bei
Haushalten mit geringem Einkommen zu finanziellen Problemen, obwohl
Haushalte mit geringem Einkommen im Regelfall bereits einen niedrigeren
Energieverbrauch als finanziell besser Gestellte haben. Nach Angaben des Sta-
tistischen Bundesamtes stiegen die Kosten der Privathaushalte für Strom
gegenüber dem Jahr 2000 um 71 Prozent.

Demgegenüber standen exorbitante Gewinne der vier großen Energiekonzerne.
Seit der Liberalisierung des Energiemarktes und dem Wegfall der staatlichen
Preisaufsicht sind die Strompreise kontinuierlich gestiegen. Folge der marktbe-
herrschenden Stellung einiger weniger Konzerne waren große Preissteigerun-
gen für Stromkundinnen und -kunden bei gleichzeitig steigenden Gewinnen der
Konzerne. So erzielten die vier großen deutschen Energiekonzerne E.ON,
RWE, EnBW und Vattenfall Europe im Jahr 2007 einen Gewinn von 18 Mrd.
Euro, 2009 wurden 23 Mrd. Euro erzielt und 2010 lag der Gewinn bereits nach
dem ersten Halbjahr bei 15 Mrd. Euro. Allein aus den Netznutzungsentgelten
erzielen die Konzerne jährlich einen Umsatz zwischen 20 und 22 Mrd. Euro.

Stromversorgung gehört zur Daseinsvorsorge. Daher muss die Energiewende
sozial ausgestaltet werden. Es muss verhindert werden, dass durch den Atom-
ausstieg neue Profitquellen auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher
genutzt werden. Entstehende Kosten des Atomausstieges sollen zu Lasten der
ausgeuferten Gewinne der Energiekonzerne gehen. Insbesondere einkommens-
schwache Haushalte sind zu schützen. Daher sind Sozialtarife einzuführen und
Stromsperrungen bei Zahlungsunfähigkeit zu verbieten. Gleichzeitig ist eine
Offensive für Energieeffizienz und Energieeinsparung zu starten. Energiebera-
tungen zur Reduzierung des Stromverbrauchs sollen für einkommensschwache
Haushalte kostenfrei angeboten werden.

Durch den Wegfall der staatlichen Preisaufsicht gibt es keinerlei wirksame Instru-
mente mehr, um staatlich auf Energiepreise einzuwirken. Daher ist dringend eine
staatliche Preisaufsicht einzuführen, die effektive Instrumente zur Marktregulie-
rung im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher beinhaltet.

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