BT-Drucksache 17/5036

Schutz vor Schienenverkehrslärm im Rheintal und andernorts

Vom 16. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5036
17. Wahlperiode 16. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Karin Binder, Sabine Leidig, Herbert Behrens, Dr. Dietmar
Bartsch, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Harald Koch,
Katrin Kunert, Caren Lay, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert,
Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Schutz vor Schienenverkehrslärm im Rheintal und andernorts

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Lärm macht krank – physisch und psychisch. Das gilt insbesondere für hohe
Spitzenlärmwerte in der Nacht, aber auch für anhaltenden Lärm am Tage. Die
gesundheitlichen Schäden für die Menschen sind wissenschaftlich nachweisbar.
Dazu gehören unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs, psy-
chische Störungen und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern. Lärm belästigt
im Alltag, stört die Kommunikation und ist eine Form der Umweltverschmut-
zung, bei der die Betroffenenzahlen am schnellsten steigen. Das Leiden der Be-
troffenen und die Folgekosten für die gesamte Gesellschaft sind erheblich.

Alle Menschen in Deutschland haben Anspruch auf Schutz vor Verkehrslärm,
unabhängig davon, ob sie an einer Autobahn, an einem Schienenweg, im Ein-
zugsbereich eines Flughafens oder an stark frequentierten Wasserstraßen woh-
nen, unabhängig davon, ob sie in einer Stadt oder in einem ländlichen Raum le-
ben, und unabhängig davon, ob sie an einem bestehenden Verkehrsweg wohnen
oder dort, wo ein Verkehrsweg neu entstehen oder ausgebaut werden soll.

Deshalb ist es die Aufgabe der Politik, Lärm durch Schutzmaßnahmen soweit zu
mindern, dass Anwohnerinnen und Anwohner keinem unzumutbaren Lärm aus-
gesetzt sind. Das gilt in besonderem Maße nachts. Lärm durch Anlagen sozialer
Zweckbindung und Kinderlärm sind hiervon auszunehmen.

Aktiver Lärmschutz – insbesondere die Reduzierung der Lärmentstehung – ist
dabei immer dem passiven Lärmschutz voranzustellen. Passiver Lärmschutz,
zum Beispiel durch Lärmschutzfenster mit Belüftungseinrichtungen, ist mit
erheblichen Beeinträchtigungen verbunden. Den Lärm in seiner Entstehung zu
reduzieren hilft, direkte Folgekosten durch hohe bauliche Aufwendungen für
passiven Lärmschutz und indirekte Folgekosten in den Kommunen, bei Kran-
kenkassen und den Trägern von Renten- und Pensionskassen zu vermeiden.

Schienengüterverkehr bietet mit Blick auf die Umwelt und das Klima gegenüber
dem Transport auf der Straße und in der Luft erhebliche Vorteile. Dies ist aber
kein Grund dafür, den Schutz vor Schienenverkehrslärm zu vernachlässigen.
Tatsächlich müssen insbesondere an sehr stark frequentierten Strecken wie an
Mittel- und Oberrhein besonders große Anstrengungen unternommen werden,
Schienenverkehrslärm auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Drucksache 17/5036 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bis zum Sommer 2011 dem Deutschen Bundestag einen Entwurf für eine
Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der
Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz-
gesetzes (16. BImSchV) vorzulegen, in dem – verbunden mit Fristenregelun-
gen – die Grenzwerte der 16. BImSchV auch auf Bestandsstrecken von
Schienenwegen und öffentliche Straßen ausgedehnt werden. Dabei ist vorzu-
sehen,

– dass der sog. Schienenbonus in § 3 und der Anlage 2 (Korrektur um mi-
nus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der behaupteten geringeren Störwir-
kung des Schienenverkehrslärms) ab 2012 gestrichen wird,

– dass der nächtliche Immissionsgrenzwert für Kerngebiete, Dorfgebiete
und Mischgebiete (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) dem von allgemeinen Wohn-
gebieten und Kleinsiedlungsgebieten (§ 2 Absatz 1 Nummer 2) gleichge-
stellt wird,

– dass bei Schienenwegen für die Ermittlung insbesondere des nächtlichen
Lärms analog zum Fluglärmgesetz auch Einzelschallereignisse und nicht
ausschließlich Dauerschallpegel (Mittelungspegel) berücksichtigt wer-
den,

– dass spätestens im Jahre 2020 an allen Schienenwegen des Bundes und an
Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes die Werte der 16. BImSchV
angewendet werden,

– dass die 20 Prozent der am höchsten belasteten Abschnitte an bestehenden
Schienenstrecken bis zum Jahr 2015 einer Lärmsanierung zu unterziehen
sind,

– dass für Verkehrswege, die sich nicht in der Baulast des Bundes befinden,
andere Übergangsfristen möglich sind und

– dass in der Planung für den Haushalt 2012 mindestens eine Verdopplung
der jeweiligen Mittel für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen und
Schienenwegen des Bundes vorgenommen wird und zukünftig auf die
gegenseitige Deckungsfähigkeit dieser Titel mit anderen investiven Titeln
verzichtet wird;

2. zu prüfen, ob zum Schutz von Anwohnerinnen und Anwohnern vor Schie-
nenverkehrslärm an besonders belasteten Streckenabschnitten insbesondere
nachts Geschwindigkeitsbeschränkungen für laute Güterzüge angeordnet
werden können, wenn andere Maßnahmen nicht zügig umgesetzt werden,
und dem Deutschen Bundestag hierzu bis Ende 2011 Bericht zu erstatten;

3. bis Ende 2012 dem Deutschen Bundestag einen Entwurf für die Novellierung
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorzulegen, in dem

– für den Lärmschutz insbesondere an Straßen und Schienenwegen aktivem
Lärmschutz ausdrücklich Vorrang vor passiven Lärmschutzmaßnahmen
eingeräumt wird,

– § 41 Absatz 2 gestrichen wird,

– § 42 Absatz 2 dahingehend ergänzt wird, dass nicht nur die Erstinvesti-
tionen erstattet werden, sondern auch die für die Aufrechterhaltung und
den Betrieb erforderlichen Kosten, und

– eine integrierte Betrachtung und Minderung des Verkehrslärms, der sich
durch die Kumulierung bei parallel verlaufenden Bundesfernstraßen und
Schienenwegen ergibt, vorgeschrieben wird, wie das mit der DIN 18005-1
geschieht;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5036

4. sich auf EU-Ebene bei den Verhandlungen über die Revision des sog.
1. Eisenbahnpaketes (Ratsdok. 13789/10, KOM(2010) 475 endg.) in-
tensiv dafür einzusetzen, dass die von der EU-Kommission vorgeschla-
gene verbindliche Einführung eines lärmabhängigen Bestandteils bei den
Schienenwegebenutzungsgebühren mit der Aufstellung eines europäischen
Förderprogramms zur Umrüstung von Güterwagen verknüpft wird, um eine
Umrüstung aller europäischen Güterwagen mit K- oder LL-Sohlen bis 2020
zu erreichen. Als Zielsetzung sollte dabei gelten, dass bis 2015 mindestens
50 Prozent aller Güterwagen entsprechend umgerüstet werden;

5. bis zur Vorlage eines europäischen Förderprogramms als Sofortmaßnahme
das nationale Förderprogramm „Leiser Rhein“ auf 100 Mio. Euro auszuwei-
ten und über das Jahr 2012 hinaus zu verlängern. Die für die Umsetzung des
Programms hinderliche Vorgabe einer festgelegten Anzahl von Fahrten im
Mittelrheintal ist so zu modifizieren, dass zwar die Menschen im Mittel-
rheintal weiter im besonderen Maße entlastet werden, andererseits aber die
Akzeptanz des Förderprogramms bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen
erhöht wird;

6. das Verfahren „Besonders überwachtes Gleis“ (BüG) beim Neu- und Aus-
bau von Schienenstrecken zukünftig nur in Zusammenhang mit eindeutig
geregelten Sanktionen bei Nichteinhaltung der durchzuführenden Maßnah-
men durch das jeweilige Eisenbahninfrastrukturunternehmen lärmmindernd
zu berücksichtigen. Die Auflagen zur Anwendung des BüG sind an neueste
Erkenntnisse anzupassen. Die tatsächliche Wirkung des BüG in Abhängig-
keit von mit Verbundstoffbremssohlen ausgestatteten Güterwagen ist bis
Ende 2012 wissenschaftlich fundiert zu überprüfen und die unterstellte
lärmmindernde Wirkung ist gegebenenfalls anzupassen;

7. in der Planung für den Haushalt 2012 eine deutliche Aufstockung der Mittel
für Investitionen in Schienenwege des Bundes vorzunehmen, damit sowohl
für die erhöhten Anforderungen des Schutzes vor Schienenverkehrslärm als
auch für das Auflösen des Investitionsstaus bei Schienenwegen des Bundes
ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Spätestens 2014 ist hierfür
jährlich die Summe von 2,5 Mrd. Euro pro Jahr bereit zu stellen. Auch die
Strecken nichtbundeseigener Bahnen dürfen aus diesen Mitteln finanziert
werden;

8. die Planungen für den Ausbau der A 5 südlich von Offenburg einzustellen;

9. eine erste Tranche für den Bau des seit langem planfestgestellten Rastatter
Tunnels in der Planung für den Haushalt 2012 vorzusehen und bei der Deut-
schen Bahn AG darauf zu dringen, dass dessen Realisierung bis 2017 ge-
währleistet wird;

10. der Deutschen Bahn AG umgehend mitzuteilen, dass sie für die von ihr ge-
plante Streckenführung zwischen Offenburg und dem Katzenberg-Tunnel
für die jeweiligen Planfeststellungsabschnitte keine Bundesmittel erhalten
wird, solange nicht in einem offenen und transparenten Verfahren gemein-
sam mit allen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenvertre-
tungen eine akzeptable Trassenführung und -ausgestaltung beraten und ge-
funden wurde. Dazu ist

– eine adäquate Entscheidungsgrundlage mit aussagekräftigen Lärmkarten
der Lärmbetroffenheiten zu erstellen, wie sie bei der Planung der Flug-
routen des Airport Berlin Brandenburg International BBI erstellt wurden
bzw. werden,

– die Planung einer in Teilen auf bis zu 250 km/h Maximalgeschwindigkeit
ausgelegten ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zu verwerfen und die
Planung und den Bau einer reinen, durchgehenden Güterverkehrsstrecke

Drucksache 17/5036 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit höchsten Lärmschutzstandards zu beauftragen, deren – möglichst
siedlungsferne – Trassierung wegen der geringeren Maximalgeschwin-
digkeit flächensparender realisiert werden könnte,

– die bestehende Strecke im Rheintal durch zusätzliche Sicherheitsvorkeh-
rungen, insbesondere an den Bahnsteigen des Schienenpersonennahver-
kehrs, sowie zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen und geringfügige
Beschleunigung für den Schienenpersonennah- und -fernverkehr zu er-
tüchtigen,

– entweder durch die Trassenpreisgestaltung oder durch ordnungsrecht-
liche Vorgaben zu verhindern, dass der Schienengüterverkehr statt auf
für den Güterverkehr explizit vorgesehenen Trassen doch auf den alten
Strecken durch die Siedlungsgebiete fährt,

– bei den weiteren Planungen ab sofort die Abschaffung des Schienen-
bonus zu Grunde zu legen;

11. die bisherigen Empfehlungen und zukünftigen Beschlüsse der regionalen
Arbeitsgruppen und des „Projektbeirates Rheintalbahn“ aufzugreifen und
umzusetzen bzw. entsprechend auf die Deutsche Bahn AG einzuwirken;

12. bis zum Sommer 2011 einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Lehren
aus den missglückten Planungen für Stuttgart 21 und den Ausbau der Rhein-
talbahn für die Planungsverfahren gezogen werden. Dabei ist das Ziel nicht
lediglich darin zu sehen, Akzeptanz für behördliche Planungen zu schaffen.
Vielmehr sollen die Vorhabenträger vor Beginn einer konkreten Projektpla-
nung in einem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessen-
vertretungen zunächst eine gemeinsame Entscheidung auch über das Ob
einer Maßnahme treffen. Ferner sind in den weiteren Verfahrensschritten
eine durchgängige, offene Kommunikation und umfassende Information
der Bevölkerung zu gewährleisten, ebenso wie die umfassende Beteiligung
von Bürgerinnen und Bürgern sowie deren Interessenvertretungen im Sinne
der von Deutschland ratifizierten Aarhus-Konvention. Dies bedingt die
Rücknahme der im Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz von 2006
eingeführten Möglichkeit, den Erörterungstermin entfallen zu lassen.

Berlin, den 16. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1. Alle Anwohnerinnen und Anwohner von Verkehrswegen haben den gleichen
Anspruch auf den Schutz vor Lärm. Es gibt keinen sachlichen Grund, ledig-
lich den Anwohnerinnen und Anwohnern von solchen Verkehrswegen, die
ausgebaut werden sollen bzw. die neu gebaut werden sollen, einen anspruchs-
vollen Lärmschutz zu gewähren. Die bestehende Rechtslage gewährt einen
relativ anspruchsvollen Lärmschutz an Verkehrswegen nur dann, wenn die
16. BImSchV zur Anwendung kommt, d. h. beim Neubau von Verkehrs-
wegen oder einem erheblichen baulichen Eingriff. Für die Anwohnerinnen
und Anwohner bestehender Trassen gibt es lediglich freiwillige Programme
zur Lärmsanierung an Bundesfernstraßen und Schienenwegen des Bundes.
Auf diese haben Anwohnerinnen und Anwohner entlang bestehender Ver-
kehrswege anders als bei der 16. BImSchV keinen Rechtsanspruch. Nach
Ansicht einiger Bürgerinitiativen wird dieser Zusammenhang sogar als

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5036

Druckmittel gegen Anwohnerinnen und Anwohner eingesetzt, die sich gegen
den geplanten Ausbau eines Verkehrsweges wehren. Ihnen wird mehr Lärm-
schutz nur dann in Aussicht gestellt, wenn der Ausbau des Verkehrsweges
realisiert werden kann. Der Zusammenhang von Ausbau und Rechtsanspruch
auf Schutz vor Verkehrslärm führt offenkundig auch dazu, dass beim Ausbau
von Schienenwegen auf die Abschnitte in den Städten, die besonders große
Lärmschutzmaßnahmen zur Folge hätten, verzichtet wird, so z. B. bei den in
Berlin gelegenen Abschnitten der Strecken Berlin–Frankfurt (Oder) und
Berlin–Cottbus (siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 der Kleinen
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/4548).

Zu begrüßen ist, dass mit dem Bundeshaushalt 2010 die Auslöswerte für das
freiwillige Lärmsanierungsprogramm an Bundesfernstraßen um jeweils
3 dB(A) gesenkt wurden. Bedauerlicherweise erfolgte dies nicht für das frei-
willige Lärmsanierungsprogramm an Schienenwegen des Bundes. Auch der
Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP zur
„schrittweisen Abschaffung des Schienenbonus“ folgten bislang keine Taten.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen alle bestehenden Schienenwege des
Bundes und Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes die Grenzwerte der
16. BImSchV einhalten. Die 16. BImSchV ist entsprechend zu novellieren.
Dies hat einen Mittelmehrbedarf zur Folge. Zu berücksichtigen ist dabei auch
die umgehende, gänzliche Streichung des sog. Schienenbonus, der zu einem
Abschlag von 5 dB(A) auf die errechneten Lärmimmissionen führt. Nach
heutigem Stand der Lärmmedizin ist der Schienenbonus insbesondere auf
hoch frequentierten Strecken nicht zu rechtfertigen. Ein stufenweiser Abbau
des Schienenbonus, wie ihn die Koalition der CDU/CSU und FDP plant, ist
nicht zielführend. Dies würde eine mehrmalige Änderung der Grenzwerte
bedingen, wodurch zeitlich versetzt unterschiedliche Grenzwerte in verschie-
denen Planfeststellungsabschnitten eines Projektes gelten würden.

2. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus und der Vor-
standsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Dr. Rüdiger Grube, besichtigten
am 18. Februar 2011 einige Schienenstreckenabschnitte der Rheintalbahn.
Nach Aussagen von Anwohnerinnen und Anwohnern fuhren in dieser Zeit in
Herbolzheim die Züge so langsam, dass der Lärm sehr gering war. Wenn
Züge für den einmaligen Besuch des Ministerpräsidenten langsamer fahren
können, dann muss dies auch zugunsten der Anwohnerinnen und Anwohner
möglich sein, die dem Lärm Tag und Nacht dauerhaft ausgesetzt sind.

3. Aktivem Lärmschutz ist Vorrang vor passiven Lärmschutzmaßnahmen ein-
zuräumen, da passiver Lärmschutz immer mit z. T. erheblichen Beeinträchti-
gungen für die Betroffenen einhergeht. Schallschutzfenster mit Belüftungs-
einrichtungen reduzieren den Lärm nur bei geschlossenen Fenstern, die
Nutzung von Balkonen, Terrassen und Gärten ist vielen Betroffenen nur unter
großen Beeinträchtigungen möglich.

§ 41 Absatz 2 BImSchG besagt, dass Lärmschutzmaßnahmen dann nicht
durchgeführt werden sollen, „soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer
Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen“. Dies nutzt die Bundes-
regierung als Vorwand dafür, den Lärmschutz zurückzustellen (s. Antwort
der Bundesregierung zu Frage 3 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/860).

In der Lärmminderungsplanung (§§ 47a bis 47f BImSchG) werden die Haupt-
verkehrswege jeweils getrennt betrachtet, ebenso wie für Straßen und Schie-
nenwege in der 16. BImSchV auf Basis der §§ 41 bis 43 BImSchG jeweils
nur isoliert betrachtet Grenzwerte eingehalten werden müssen. Deshalb wer-
den zwar vielfach auf den jeweiligen Verkehrswegen die Grenzwerte bzw. die
Auslöswerte für die Lärmsanierung eingehalten, die kumulierte Lärmimmis-

Drucksache 17/5036 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sion bei den Anwohnerinnen und Anwohnern liegt dennoch deutlich über den
zulässigen Werten (s. Antwort auf die Schriftliche Frage 115 auf Bundestags-
drucksache 17/4350).

4. Die EU-Kommission sieht in ihrem Vorschlag zur Revision des sog. 1. Eisen-
bahnpaketes (Ratsdok. 13789/10, KOM(2010) 475 endg.) vor, dass Schie-
nenwegebenutzungsgebühren, sog. Trassenpreise, nach dem Lärmaufkom-
men differenziert werden müssen. Die in diesem Richtlinienentwurf ent-
haltene Bedingung, dass dies nur dann gelte, wenn auch auf den Straßen
Lärmkosten angelastet werden dürfen, bedeutet keine Gleichbehandlung
zwischen Schiene und Straße, weil die Erhebung von Trassengebühren auf
der Schiene zwingend vorgeschrieben werden soll, die Einführung einer
Lkw-Maut aber im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, wovon sowohl die
Wegekosten wie auch die externen Kosten – von denen Lärm nur ein Teil ist –
betroffen sind.

Durch lärmabhängige Trassenpreise soll ein finanzieller Anreiz für die Eisen-
bahnverkehrsunternehmen (EVU) geschaffen werden, in ihren Zügen Güter-
wagen mit neuen, lärmarmen Laufwerks- und Bremsbauarten einzusetzen.
Dadurch werden aber die Kosten der Umrüstung (gegebenenfalls Neube-
schaffung) auf die EVU und Fahrzeughalter abgewälzt, was einen Anstieg
der Transportpreise zur Folge hätte. So lange keine verpflichtende Anlastung
von Wegekosten und externen Kosten auf der Straße vorgeschrieben ist,
würde dies einen Wettbewerbsnachteil für den Schienengüterverkehr bedeu-
ten. Deswegen muss die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise durch ein
europäisches Förderprogramm zur Umrüstung begleitet werden. Durch ein
solches europäisches Förderprogramm können die beihilferechtlichen
Schwierigkeiten voraussichtlich am besten gelöst werden.

5. Beim bereits Ende 2007 im Zuge der Aufstellung des Bundeshaushalts 2008
beschlossenen nationalen Pilotprojekt zur Förderung der Umrüstung von
Güterwagen hat es leider wegen erheblicher beihilferechtlicher Bedenken der
EU-Kommission bis zum Oktober 2010 gedauert, bis die ersten Förder-
bescheide zur Umrüstung von zunächst nur 1 250 (geplant sind 5 000) Güter-
wagen auf Basis der Förderrichtlinie „Leiser Rhein“ erteilt werden konnten
(siehe Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung (BMVBS) an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
vom 14. Januar 2011, Ausschussdrucksache 17(15)148). Der mäßige Erfolg
der nationalen Förderrichtlinie liegt darin begründet, dass „Fördervorausset-
zung ist, dass die Güterwagen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren
schwerpunktmäßig auf den Rheinstrecken eingesetzt werden“ müssen; diese
Einschränkung des Fahrzeugumlaufes schreckt die meisten Fahrzeughalter
ab (siehe Antwort der Bundesregierung vom 8. März 2011 auf die Schrift-
liche Frage 116 des Abgeordneten Herbert Behrens auf Bundestagsdruck-
sache 17/5016). Auch wenn das Mittelrheintal die am stärksten vom Schie-
nenverkehrslärm betroffene Region ist, sollte diese Förderrichtlinie aus
Gründen der breiteren Akzeptanz und somit auch einer größeren Wirkung
überarbeitet werden.

6. Wegen der lärmmindernden Wirkung des Verfahrens des BüG wird den Pla-
nungsträgern bei ihren Lärmberechnungen ein Abschlag von 3 dB(A) bewil-
ligt, wodurch sich die Anforderungen für den Lärmschutz entsprechend redu-
zieren. Diese Minderung um 3 dB(A) ist durchschnittlich zu erreichen. BüG
bedeutet, dass auf den entsprechenden Strecken zwei Mal im Jahr Messfahr-
ten durch das EIU stattzufinden haben. Wird dabei – verursacht durch Riffel-
bildung der Schienenlauffläche – eine Überschreitung des jeweilig zulässigen
Wertes um 3 dB(A) festgestellt, muss das EIU die Schienenlauffläche schlei-
fen, um den Wert wieder zu unterschreiten. Die Messprotokolle müssen dem
Eisenbahn-Bundesamt (EBA) unaufgefordert vorgelegt werden; die Durch-
führung der Messfahrten wird vom EBA im Rahmen der Vollzugskontrolle

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5036

überwacht. Bei Nichteinhaltung durch das EIU wird i. d. R. vom EBA ledig-
lich eine Langsamfahrstelle angeordnet, Sanktionen werden nicht verhängt.
Die Folgen einer nachlässigen Infrastrukturinstandhaltung werden somit bei
der derzeitigen Verfahrensweise auf die EVU bzw. deren Kunden – hier vor
allem Reisende im Schienenpersonenverkehr – abgewälzt.

Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass das BüG in
der Praxis nicht die erhoffte Wirkung hat. Ursächlich dafür ist nach Auf-
fassung der Autoren, dass ein Schleifen erst bei einer Überschreitung um
3 dB(A) erfolgen muss; dieser Wert sollte reduziert werden. Auf Strecken mit
hohem Güterverkehrsaufkommen beträgt die tatsächliche Wirkung durch das
BüG nur 1,4 statt 3 dB(A) (www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/
dateien/2392.htm). Die Wirkung des BüG beim Verkehr von Güterzügen im
Vergleich zum Einsatz von „Altfahrzeugen“ und Fahrzeugen mit lärmarmen
Laufwerks- und Bremsbauten ist vertieft zu überprüfen. Zudem darf das BüG
nur dann zu einer Minderung der Lärmschutzauflagen führen, wenn das tat-
sächliche Schleifen gewährleistet ist. Daran bestehen derzeit berechtigte
Zweifel. Deswegen ist die Bundesregierung aufgefordert, nicht nur die Ein-
haltung des BüG konsequent zu überwachen. Vielmehr ist eine klare Rege-
lung für Sanktionen zu schaffen, wenn das EIU seiner Verpflichtung nicht
nachkommt.

7. Die De-facto-Senkung der Grenzwerte für den Neu- und Ausbau von Schie-
nenwegen um 5 dB(A) durch die Abschaffung des Schienenbonus hat einen
Mittelmehrbedarf zur Folge. Trotz sinnvoller Einsparmöglichkeiten im Etat
für den Neu- und Ausbau von Schienenwegen durch den Verzicht auf wenig
bis gar nicht verkehrswirksame Großprojekte wie Stuttgart 21 sind in der
Summe für die erforderliche Neuausrichtung der Schieneninvestitionspolitik
deutlich höhere Aufwendungen nötig. Alle Schienenverkehrsexperten sind
sich darin einig, dass mindestens eine Summe von 2,5 Mrd. Euro pro Jahr für
den Neu- und Ausbau von Schienenwegen notwendig ist. Deutschland inves-
tiert seit Jahren pro Einwohner nachweislich nur einen Bruchteil von dem,
was andere Industriestaaten in den Neu- und Ausbau von Schienenwegen in-
vestieren (Schweiz mehr als fünf Mal so viel, Österreich mehr als vier Mal so
viel, Quelle: STUTTGARTER ZEITUNG vom 24. Oktober 2009).

Bei der Straße ergeben sich durch die Ausweitung der 16. BImSchV auf Be-
standsstrecken höhere Anforderungen für den Lärmschutz und damit zusätz-
liche Aufwendungen nur für die Lärmsanierung an bestehenden Strecken.
Einhergehend mit der deutlich zu vergrößernden Kapazität auf der Schiene
kann der Straßenneu- und -ausbau zurückgefahren und dafür mehr in den
Schutz vor Straßenverkehrslärm und den Erhalt von Bundesfernstraßen in-
vestiert werden. Für die Investitionen in Bundesfernstraßen ergibt sich somit
insgesamt kein erhöhter Mittelbedarf.

Verkehrspolitik besteht aus mehr als dem Bau von Verkehrsinfrastruktur, um
dem – vermeintlich unabwendbaren – Verkehrswachstum Weg zu bereiten.
Eine intelligente Verkehrspolitik greift steuernd ein. Durch eine schrittweise
Erhöhung der Steuern und Abgaben für den Straßengüterverkehr sind Poten-
ziale zur Verkehrsvermeidung, eine bessere Auslastung und die konsequente
Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene und in Teilen
auch aufs Binnenschiff zu verfolgen.

Im „World Transport Reports“, Edition 2010/2011 der ProgTrans AG wird
eine gravierende Revision der bislang unterstellten Wachstumsraten im
Güterverkehr vorgenommen. Nach Ansicht der Autoren wird der Güterver-
kehr in Deutschland bis 2025 (auf Basis des Jahres 2008) nur um 23 Prozent
wachsen, im restlichen Europa liegen die Werte noch darunter (Internatio-
nales Verkehrswesen, Heft 1/2011, S. 12 ff.). Demgegenüber hat die Bundes-
regierung zwar angekündigt, für den Bundesverkehrswegeplan 2015 eine

Drucksache 17/5036 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

neue Verkehrsprognose erstellen zu lassen. Bis dahin hält sie aber an der auf
völlig unrealistischen Annahmen (wie einem Preis von maximal 60 US-
Dollar im Jahr 2030 für ein Barrel Öl und einem durchschnittlichen Wirt-
schaftswachstum von 1,7 Prozent pro Jahr bis 2025) basierenden Verkehrs-
prognose 2025 fest, die für den Güterverkehr mit 71 Prozent ein gegenüber
den zitierten Zahlen des World Transport Reports drei Mal höheres Wachs-
tum zu Grunde legt (im Fall des Straßengüterfernverkehrs geht die Verkehrs-
prognose sogar von 84 Prozent aus; Basisjahr ist das Jahr 2004).

8. Vor dem Hintergrund des politischen Zieles eines Stopps bzw. zumindest
eines Abbremsens des Wachstums des Straßengüterverkehrs, der unsiche-
ren Verkehrsprognosen selbst bei reiner Trendbetrachtung sowie angesichts
der knappen Haushaltsmittel ist der Neu- und Ausbau von Bundesautobah-
nen grundsätzlich die falsche Lösung. Dies trifft auch für den geplanten
Ausbau der A 5 südlich von Karlsruhe bis Basel von vier auf sechs Fahr-
streifen zu. Dieser parallel zur Rheintalbahn geplante Ausbau konterkariert
das Ziel der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Zudem
sind laut Anlage 2 der im Auftrag des BMVBS durchgeführten „Verkehr-
liche(n) Überprüfung der Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bun-
desfernstraßen 2004“ die prognostizierten Belastungen auf der A 5 südlich
von Offenburg selbst auf Basis der den Straßenverkehr begünstigenden
Verkehrsprognose 2025 in weiten Teilen unter 60 000 Fahrzeugen werktags,
wozu ein Ausbau nicht erforderlich wäre.

9. Dass die Erweiterung der Schienenkapazitäten entlang der Rheintalbahn er-
forderlich ist, steht angesichts der erheblichen Verkehrsbelastung außer
Frage. Unverständlich ist, dass der Baubeginn des bereits seit langem plan-
festgestellten Rastatter Tunnels von Bundesregierung und Deutscher Bahn
AG (DB AG) erneut verschoben wurde. Dies umso mehr, als auf den ande-
ren Planfeststellungsabschnitten der Rheintalbahn auf absehbare Zeit nicht
gebaut werden kann, denn unabhängig der von Anwohnerinnen und An-
wohnern gewünschten Umplanungen fehlt es an Planungsreife.

10. An allen Planfeststellungsabschnitten der Rheintalbahn zwischen Offen-
burg und dem Katzenberg-Tunnel regt sich berechtigter Protest der Anwoh-
nerinnen und Anwohner gegen die bisherigen Planungen der Deutschen
Bahn AG. Überwiegend würden diese dauerhaft nicht zumutbare Folgen für
die Anwohnerinnen und Anwohner zur Folge haben, weswegen einerseits
teilweise neue Trassenführungen, andererseits teilweise lediglich Umpla-
nungen auf Basis der Planungen der DB AG erforderlich sind. Bereits bei
den bestehenden – wegen der Berücksichtigung des Schienenbonus und des
BüG fragwürdigen – Grenzwerten hat die DB ProjektBau GmbH teilweise
über 10 Meter hohe Lärmschutzwände geplant. Das Regierungspräsidium
Freiburg hat die Planungen der DB ProjektBau GmbH für den Abschnitt 7.1
in Offenburg nicht zuletzt wegen der Nichteinhaltung der Lärmschutzanfor-
derungen als nicht genehmigungsfähig bezeichnet.

Die Planung der DB AG für eine neue Schnellfahrstrecke im Oberrheintal
mit einem weitgehenden Verbleib des Güterverkehrs auf der bestehenden
Strecke ist eine Fehlplanung. Am Oberrhein darf nicht der Fehler wiederholt
werden, der im Mittelrheintal gemacht wurde. Dort fordern Anliegerge-
meinden jetzt berechtigterweise den Neubau einer reinen Güterstrecke, weil
auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln–Frankfurt nur ICE verkehren,
der Güterverkehr aber auf den Altstrecken im Mittelrheintal verblieben ist.
Angesichts der etwa halbstündigen Fahrzeit zwischen Karlsruhe und Offen-
burg wie zwischen Offenburg und Freiburg ist eine deutliche Beschleuni-
gung des Schienenpersonenfernverkehrs unerheblich; die für einen Inte-
grierten Taktfahrplan nötigen geringfügigen Beschleunigungen lassen sich
voraussichtlich auf der Bestandsstrecke realisieren. Durch zusätzliche

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5036

Lärmschutzmaßnahmen an der Infrastruktur und dem Wagenmaterial würde
sich der Lärm an der Bestandstrasse dennoch erheblich reduzieren. Dies
allerdings nur, wenn durch den fatalen Anreiz niedriger Trassenpreise auf
der Bestandsstrecke der Güterverkehr nicht doch auf diese gelenkt wird.
Hier ist entsprechend auf die DB Netz AG einzuwirken bzw. der Güterver-
kehr – wenn möglich – auf bestimmten Abschnitten gänzlich zu untersagen.
Das Hauptziel des Ausbaus der Kapazitäten der Rheintalbahn muss darin
liegen, zusätzliche Fahrplantrassen für den Güterverkehr und den derzeit
eingeschränkten Schienenpersonennahverkehr zu schaffen.

In der Abwägung zwischen der gegenüber der Schweiz im Vertrag von
Lugano eingegangenen Verpflichtung, einen viergleisigen Ausbau der
Rheintalbahn dann abgeschlossen zu haben, wenn die Schweizer ihren
Abschnitt ausgebaut haben (was vor 2020 der Fall sein wird), und der dau-
erhaften Verlärmung weiter Teile des Oberrheintales hat der Schutz der
Menschen Vorrang, zumal der Vertrag von Lugano als Nebenbedingung die
Fertigstellung insbesondere dann vorschreibt, wenn die Nachfrage im
Schienengüterverkehr dies erfordert.

In weiten Teilen ist nun eine komplette Neuplanung, in einigen Abschnitten
eine andere Trassierung der zusätzlichen zweigleisigen Neubaustrecke nicht
nur erforderlich, sondern auch dann zulässig, wenn dies bedauerlicherweise
eine Verzögerung des Baus bis über 2020 hinaus zur Folge haben sollte. Bei
diesen Planungen sind nicht mehr die Verkehrsprognose 2015, sondern ent-
weder die Verkehrsprognose 2025 oder eine neue, realistische Verkehrspro-
gnose auf Basis eines verkehrspolitischen Szenarios im Sinne einer konse-
quenten Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zu Grunde zu legen.

In vielen Fällen lassen sich bei den Konflikten um die Trassenführung und
die konkrete Ausgestaltung mit den Anwohnerinnen und Anwohnern ein-
vernehmliche Lösungen finden, in anderen Abschnitten wehren sich aber
auch die Anwohnerinnen und Anwohner, die bei der vorgeschlagenen auto-
bahnparallelen Trassenführung betroffen wären, dagegen. Oberstes Ziel bei
der Neuplanung muss es sein, dass so wenig Menschen wie möglich vom
Schienenverkehrslärm betroffen sind und dass niemand unzumutbarem
Lärm ausgesetzt bleibt. Soweit hierzu über die – gestiegenen – gesetzlichen
Anforderungen hinaus weitere kostenverursachende Maßnahmen erforder-
lich sind, ist die zugesagte Beteiligung des Landes Baden-Württemberg in
Höhe von 50 Prozent der Mehraufwendungen einzufordern. Ferner ist bei
den Planungen, insbesondere bei der Abwägung der Trassenvarianten zu be-
rücksichtigen, dass die Führung von Güterverkehr unmittelbar durch Wohn-
gebiete aus Gründen der Verkehrssicherheit mit vermeidbaren Risiken ver-
bunden ist.

11. Es ist zu begrüßen, dass dem im Jahr 2009 ins Leben gerufenen „Projektbei-
rat Rheintalbahn“ die abschließende Entscheidung über die durchzuführen-
den Maßnahmen zusteht. Dieser Projektbeirat ist ein ermutigendes Beispiel
für eine umfassende Beteiligung der Betroffenen und hätte bereits zu Be-
ginn der Planungen eingerichtet werden müssen. Bund, Land und DB AG
sind aufgefordert, im Projektbeirat konstruktiv die Belange und Vorschläge
der Anwohnerinnen und Anwohner aufzugreifen und sich an die dort getrof-
fenen Beschlüsse vollständig zu halten und diese umzusetzen. Dies betrifft
bezüglich der bisherigen Beschlüsse insbesondere die Führung des gesamten
Güterverkehrs durch den im Bau befindlichen Katzenberg-Tunnel und die
vergleichende Untersuchung der Lärmimmissionen für die Antragstrasse
und die autobahnparallele Trasse. Konflikte wie der um die Trassenführung
der Rheintalbahn lassen sich objektiv nur lösen, wenn vergleichende Unter-
suchungen der Lärmbetroffenheit der Anwohnerinnen und Anwohner
vorliegen, wie sie derzeit am Airport Berlin Brandenburg International BBI

Drucksache 17/5036 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH zu den verschiedensten einge-
brachten Flugrouten ermittelt werden.

12. Nachdem über zwei Jahrzehnte hinweg die Beteiligungsrechte von Bürge-
rinnen und Bürgern an öffentlichen Planungsverfahren systematisch Schritt
für Schritt abgebaut wurden, erlebt die Bürgerbeteiligung seit dem Streit um
Stuttgart 21 plötzlich ungeahnte Aufmerksamkeit. Vor allem wird deutlich,
dass auch die Ziele einer deutlich verbesserten Beteiligung im Sinne der
Aarhus-Konvention und der EU-Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie nicht
ausreichen. Es besteht die Gefahr, dass mehr Beteiligung lediglich einer
besseren Legitimation geplanter Vorhaben dient. Ziel muss aber sein, im
Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenverbänden gemein-
sam die Probleme zu analysieren und gemeinsam zu Lösungsvorschlägen zu
gelangen. Hierzu sind in allen Phasen Bürgerinnen und Bürger sowie Inte-
ressenvertretungen nicht nur in die Verfahren aktivierend einzubeziehen,
sondern ihnen ist auch eine Mitwirkung an der Entscheidung an sich zu ge-
währen.

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